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12.09.2011

25-jähriges Jubiläum der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte

 

Sehr geehrter Herr Dr. von Dohnanyi,

sehr geehrte Frau del Ponte,

sehr geehrte Frau Bensedrine,

sehr geehrte Frau Bäurle,

meine sehr geehrten Damen und Herren,


Die freie Äußerung von Gedanken und Meinungen ist eines der kostbarsten Menschenrechte; jeder Bürger kann also frei reden, schreiben und drucken, vorbehaltlich seiner Verantwortlichkeit für den Missbrauch dieser Freiheit in den Fällen, die das Gesetz bestimmt.


Der Satz ist 222 Jahre alt. Er steht in derErklärung der Menschen- und Bürgerrechte der Französischen Nationalversammlung vom August 1789. Der Inhalt scheint eindeutig... und hat sich doch nicht weltweit durchsetzen können, bis heute nicht. Viele Länder haben die freie Meinungsäußerung als ein Grundrecht in ihren Verfassungen verankert. In anderen Ländern steht dieses Grundrecht vielleicht auch auf dem Papier, aber sobald der Machterhalt dort herrschender Eliten in Gefahr gerät, begibt sich jeder in Gefahr, der es in Anspruch nehmen will. Noch wieder anderswo gilt ohnehin nur eine Wahrheit.


Vergessen wir dabei nicht, dass auch in unserem Land die Geschichte der Pressefreiheit eine sehr wechselhafte ist. Im damals dänischen Schleswig-Holstein galt sie vorübergehend schon im 18. Jahrhundert, doch im 19. ging es überall in Deutschland nur langsam voran und oft wieder zurück. Die Paulskirchen-Verfassung von 1848 trat nie in Kraft, das Reichspressegesetz einige Jahre nach der Reichsgründung wurde bald wieder stark eingeschränkt. Schon in der Zeit gingen Journalisten ins Gefängnis oder mussten emigrieren.

Eine Zensur findet nicht statt, forderte die Weimarer Verfassung von 1919, aber wir wissen, dass die 1933 mit der Republik unterging.


Die Bundesrepublik Deutschland hat sich 1949 zur freien Äußerung von Meinungen und Gedanken als Grundrecht bekannt, wenige Jahre nach dem Ende einer deutschen Diktatur, in der gleich nach ihrem Beginn Bücher verbrannt wurden. Und die Zeitungen diejenigen, die weiterhin erscheinen durften sich an Sprachregelungen zu halten hatten, die der Reichspropagandaminister den Schriftleitern vorlegte.


Übrigens war es eine Diktatur, die ihre Willkür gern in Gesetze goss. Andere tun das noch heute.


Wir Deutschen, und wir Europäer, haben allen Grund, die Unterdrückung der Meinungsfreiheit, und überhaupt politische Unterdrückung und Verfolgung, nicht als exotisches Phänomen vergangener Zeiten oder ferner Länder zu betrachten. Die Verteidigung der Meinungsfreiheit und der Menschen, die verfolgt werden, weil sie Gebrauch von ihr gemacht haben ist unser ureigenes Thema.


Noch vor 25 Jahren, als die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte gegründet wurde, war die Welt  in großen Teilen und in vielerlei Hinsicht eine andere als heute. Kaum jemand ahnte 1986 das bevorstehende Ende der Ost-West-Konfrontation voraus. Seitdem hat es in Europa große Fortschritte gegeben, was die Menschen- und Bürgerrechte angeht. Denken wir an Polen, an Tschechien, an die baltischen Staaten, an all die anderen Länder, in denen die Bürger nach Jahrzehnten endlich wieder frei reden, schreiben, drucken konnten, mittlerweile auch frei twittern, mailen, und simsen können. Das freie Denken hatten sie ohnehin nie aufgegeben.


Für die Deutschen in der ehemaligen DDR galt und gilt dasselbe. Wir vereinten Deutschen können uns glücklich schätzen, heute unzensiert im globalen Meinungsaustausch mitzureden.
 
Auch in anderen Teilen der Welt haben wir in jüngerer Zeit wenn ich an den Norden unseres Nachbarkontinents Afrika denke sehr hoffnungsvolle Entwicklungen sozusagen live miterlebt und tun es weiterhin.


Autoritäre, gewalttätige Regimes sind verschwunden oder verschwinden gerade, weil die Völker nicht mehr stillhalten, sich nicht mehr den Mund verbieten lassen, sich auflehnen. Nicht in allen Fällen gibt es schon ein klares Bild, was dort stattdessen entstehen wird. Und nicht überall hat die neue Weltordnung, oder -unordnung, die Situation der Bürger sofort grundlegend verbessert.


Aber eines sehen wir überall: Es gibt immer mehr, die es nicht mehr ertragen wollen, sich wegzuducken, sich den Regeln und den Launen autoritärer Regimes mit endloser Geduld anzupassen.


Ich finde, dass die Formulierung bis heute unübertroffen ist, die sich in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 findet, noch vor der Französischen Revolution. Ich zitiere sie in der zeitgenössischen Originalübersetzung des Pennsylvanischen Staatsboten:


Die Erfahrung hat von jeher gezeigt, daß Menschen, so lang das Uebel noch zu ertragen ist, lieber leiden und dulden wollen, als sich durch Umstossung solcher Regierungsformen, zu denen sie gewöhnt sind, selbst Recht und Hülfe zu verschaffen. Wenn aber eine lange Reihe von Mißhandlungen und gewaltsamen Eingriffen (...) einen Anschlag an den Tag legt, sie unter unumschränkte Herrschaft zu bringen, so ist es ihr Recht, ja ihre Pflicht, solche Regierung abzuwerfen, und sich für ihre künftige Sicherheit neue Gewähren zu verschaffen.


Mit Anschlag ist hier das englische Wort design übersetzt. Die Doppelbedeutung ist aber keine zufällige, denn es handelt sich ja um Anschläge: auf das freie, gleichberechtigte Zusammenleben von Menschen, frei von Willkür der Mächtigen.


Solche Regierung abzuwerfen: Zu denjenigen, die dabei ganz vorn stehen und durch ihre legale, halblegale, oft auch nur klandestin mögliche Arbeit am Stuhl der Unterdrücker sägen, gehören Journalisten, professionelle wie auch solche, die mit Hilfe von Handykameras und social media die Welt auf ihre Lage aufmerksam machen. So wie viele von Ihnen, meine Damen und Herren, es getan haben und tun.


Die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte, so ist es 1986 formuliert worden, soll vornehmlich solche Verfolgten fördern, die sich durch Wort, Schrift oder ihr sonstiges Wirken in der Öffentlichkeit Gehör verschaffen und sich nachhaltig und stellvertretend für alle politisch Verfolgten in ihrer Heimat für den Schutz und die Wiederherstellung der Menschenrechte einsetzen.


Noch ist es längst nicht so weit, dass sich diese Ziele erledigt hätten. Noch gibt es bei aller positiven Entwicklung in vielen Ländern politische Verfolgung. Noch werden Einrichtungen wie diese Stiftung gebraucht.


Als Vorstandsvorsitzender der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte grüße ich Sie alle sehr herzlich. Ich grüße besonders alle ehemaligen und jetzigen Stiftungsgäste, die eine Zeit in Hamburg gelebt und gearbeitet, die Stadt kennengelernt und durch ihre Präsenz bereichert haben.

 
Ich grüße diejenigen, die vor 25 Jahren diese Stiftung gegründet haben, um Stipendien an politisch Verfolgte zu vergeben. Und diejenigen, die mit ihrer Arbeit die Stiftung weiterführen und unterstützen.


Der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte wünsche ich solange sie weiterhin gebraucht wird viel Unterstützung in unserer Stadt und ein erfolgreiches Wirken.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.