Sehr geehrte Frau Dr. Nümann-Seidewinkel,
sehr geehrter Herr Minister,
sehr geehrte Abgeordnete des Dt. Bundestages,
sehr geehrte Frau Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
im Namen des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg begrüße ich Sie alle sehr herzlich hier im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses. 250 Jahre Patriotische Gesellschaft das ist für Hamburg wirklich ein guter Grund zu feiern.
Was haben der Kartoffelanbau und der erste Blitzableiter, der jemals auf dem europäischen Kontinent errichtet wurde, gemeinsam? Beides kam durch die Patriotische Gesellschaft nach Hamburg, damals, kurz nach ihrer Gründung 1765, als für die rund 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner unserer Stadt die Landwirtschaft noch eine sehr große Rolle spielte, und zerstörerische Brände leider auch nicht selten waren.
Aber Hamburg, seine Bürgerinnen und Bürger, und auch der Senat, haben der Patriotischen Gesellschaft weitaus mehr zu verdanken. Denn die Gesellschaft zur Beförderung der Manufakturen, Künste und nützlichen Gewerbe, wie sie anfänglich hieß, hat als Hamburger Institution unser Zusammenleben, unsere Wirtschaft, unser Stadtbild, unsere Bildungsangebote, unsere Kultur auch unsere Denkkultur über zweieinhalb Jahrhunderte entscheidend mitgeprägt.
Sie ist die älteste zivilgesellschaftlich engagierte Vereinigung im deutschsprachigen Raum und sie hat immer wieder dazu beigetragen, dass sich Hamburg zu einer modernen, sozialen, toleranten und weltoffenen Stadt entwickelt hat. Und auch heute kommen wichtige Impulse und tatkräftige Unterstützung aus den Reihen der Patriotischen Gesellschaft, die 1765 im Geist der europäischen Aufklärung entstand.
Emolumento Publico, zum Wohl des Gemeinwesens das war der Wahlspruch der Gründerväter. Der Zusammenschluss, den Gelehrte und Kaufleute kurz nach dem siebenjährigen Krieg ins Leben riefen, war eine politische Zäsur: Erstmals vereinigten sich Angehörige verschiedener Berufe, Stände und Konfessionen zu gemeinnütziger Reformarbeit in Hamburg. Eine Bürgerbewegung diesseits des Obrigkeitsstaates.
Viele Einrichtungen, die nahezu jeder in Hamburg kennt, wurden von der Patriotischen Gesellschaft gegründet oder initiiert: Das Museum für Kunst und Gewerbe, der Botanische Garten, die Hochschulen für bildende Künste und Angewandte Wissenschaften, die Öffentlichen Bücherhallen, oder um ein Beispiel aus aktueller Zeit zu nennen das Vorwerkstift im Hamburger Karolinenviertel, wo Kulturschaffende leben und arbeiten können.
Die Hamburger Patrioten haben Großes bewirkt, obwohl die Zahl der Engagierten nie sehr groß war aktuell sind es 350 Mitglieder.
Sie haben auch Kleineres, im Alltag ebenso Wichtiges bewirkt; viele praktische Neuerungen für Hamburgs Bürgerinnen und Bürger nahmen mit einer Idee im Kreis der Patriotischen Gesellschaft ihren Anfang. Hamburger Patrioten sorgten für bessere Straßenbeleuchtung, ließen die ersten Badeanstalten bauen und ermöglichten immer wieder Innovationen wie eben den ersten Blitzableiter, der übrigens auf dem Kirchturm von St.Jacobi installiert wurde.
Und manche Idee klang für damalige Zeiten geradezu verwegen: da sollten angehende Handwerker noch neben ihrer Arbeit eine Schule besuchen - ab 1767 organisierte die Patriotische Gesellschaft erste berufsbildende Schulen in Hamburg. Da wurde Armut nicht mehr als Zeichen von Charakterschwäche gesehen, sondern als Folge konjunktureller Schwankungen, und 1788 eine Allgemeine Armenanstalt errichtet; 1830 öffnete die erste Warteschule, eine Vorläuferin der Kindergärten, ihre Türen... Vieles, was wir heute unter den Begriff Sozialpolitik fassen, hat die Patriotische Gesellschaft erstmals für Hamburg angedacht und auf den Weg gebracht.
Von Anfang an ging es ihr darum, die Hamburger Bevölkerung besser vor Not und Armut zu schützen, Chancen auf Bildung und Teilhabe auszubauen, den Handel, die Künste und Erfindungen zu fördern und sich für Menschenrechte und Menschenwürde einzusetzen.
Und Hamburger Patrioten reden nicht nur, sie handeln. Damals wie heute.
Das ist ja Patriotismus und damit greife ich nicht Dr. Habeck vor, der diesen Begriff und seine Geschichte nachher intensiver analysieren wird das ist Patriotismus, wenn er sich positiv definiert, also nicht durch Abgrenzung gegen Fremdes und vermeintlich Fremde, sondern selbstbewusst mit der Antwort auf die selbst gestellte Frage: Ja, ich bin ein Begeisterter, der fragt, was er für sein Land tun kann; eine Begeisterte, die fragt, was sie für ihre Stadt tun kann. Mit den eigenen Möglichkeiten, wie auch immer groß oder begrenzt sie sind.
Wir kennen das, etwas abgewandelt, von John F. Kennedy. Als ein möglicher Urheber gilt auch Khalil Gibran, libanesischer Dichter mit Wohnsitz USA, der vor hundert Jahren an die Versöhnung der westlichen und arabischen Philosophie glaubte. Glauben Sie mir: Ich könnte viele Hamburgerinnen und Hamburger aufzählen, frühere und heutige, die patriotisch Begeisterte nach dieser Definition waren oder heute sind.
Zwar gab es für die Patriotische Gesellschaft auch Zeiten des geringeren Engagements, der Selbstzufriedenheit, in der sie sich, Zitat, auf ihren Lorbeeren aus[ruhte] und darüber in leisen Schlaf gesunken war, wie ein Zeitgenosse um 1890 beobachtete. Das änderte sich durch Eduard Hallier und die Idee der Volksbibliotheken, die er von seinen Reisen nach England und Amerika mitbrachte. Wie eben schon angedeutet: Die erste Bücherhalle an den Kohlhöfen, am 1. Oktober 1899 eröffnet und vor allem dafür gedacht, der arbeitenden Bevölkerung Zugang zu Literatur und Allgemeinbildung zu ermöglichen, wurde ein ebenso überraschender wie überragender Erfolg. 93.000 Bücher wurden in den ersten Monaten ausgeliehen schon bald kamen neue Zweigstellen dazu, die Patriotische Gesellschaft hatte ein neues Betätigungsfeld gefunden und war wieder präsent, auch in den Köpfen der Hamburgerinnen und Hamburger.
Was lehrt uns das? Erstens: Mit einer guten Idee kann man immer punkten und zweitens: So wie die Stadt nie fertig gebaut ist, bleibt auch am sozialen Leben immer etwas zu gestalten und verbessern.
Meine Damen und Herren,
auch der moderne Sozialstaat muss ständig weiterentwickelt werden und eine gerechte, solidarische Gesellschaft braucht immer wieder beides: auf der einen Seite natürlich den Staat selbst, der für die Daseinsvorsorge zuständig ist, also für sichere Rahmenbedingungen des Zusammenlebens, und der das auch nicht wegdelegieren darf und kann: Dazu zählen zum Beispiel Bildung, Gesundheitsversorgung, Infrastruktur und innere Sicherheit.
Andere Aufgaben hingegen können nur Freie Träger und ehrenamtlich Aktive sinnvoll leisten eben weil Selbstverantwortung und privates Engagement für jede Gesellschaft von grundlegender Bedeutung sind. Für Bedingungen, unter denen das gelingen kann, muss wiederum der Staat geradestehen. Mit dieser nur scheinbar simplen Aufgabenteilung haben wir in Hamburg seit 250 Jahren sehr gute Erfahrungen gemacht.
Aber es gab auch in der Patriotischen Gesellschaft dunklere, unrühmliche Zeiten. Im September 1935 beschloss der Vorstand, den Arierparagraphen als Kriterium für die Mitgliedschaft in der Gesellschaft einzuführen dadurch mussten viele jüdische Mitglieder, die zum Teil seit Jahrzehnten dazugehörten und engagiert mitgearbeitet hatten, die Gesellschaft verlassen wenn sie nicht schon mit Beginn der NS-Diktatur ausgetreten waren. Heute bedauert die Patriotische Gesellschaft diesen verächtlichen diskriminierenden Umgang mit ihren jüdischen Mitgliedern und übernimmt die Verantwortung dafür.
Im Juni werden vor dem Haus der Patriotischen Gesellschaft an der Trostbrücke Stolpersteine für die Mitglieder enthüllt, die ausgeschlossen und ermordet wurden. Jüdische ehemalige Hamburgerinnen und Hamburger aus dem Besuchsprogramm des Senats werden zugegen sein.
Meine Damen und Herren,
ein Arbeitskreis der Patriotischen Gesellschaft widmet sich heute dem interkulturellen Zusammenleben in Hamburg, unterstützt und fördert die Integration, den Abbau von Vorurteilen und die Kommunikation zwischen verschiedenen Nationalitäten, die in Hamburg leben.
Interkulturelles Zusammenleben, das hört sich erstmal harmlos an, mehr oder weniger, aber hier liegt ein wichtiges Aufgabenfeld in einem Hamburg, das mit Deutschland in das zusammen wachsende Europa eingebettet ist.
In unserer Stadt feiern wir viermal im Jahr mit einer großen Zahl von Hamburgerinnen und Hamburgern jeden Alters deren Einbürgerung. Für mich sind die Einbürgerungsfeiern inzwischen unverzichtbare Bestandteile des Jahreslaufs, wie es die Jahreszeiten sind, und der schönste Beweis, dass es richtig war, sich aktiv an alle zu wenden, die die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen, das auch zu tun und die Vorteile zu nutzen, die das für alle hat. In den vergangenen vier Jahren ist die Zahl der Einbürgerungen in der Ankunftsstadt Hamburg um ein Drittel gestiegen.
Wir wollen die Willkommenskultur weiter gestalten, die zum Beispiel auch dadurch markiert ist, dass Hamburg als erstes Bundesland die Anerkennung von Berufsqualifikationen per Gesetz ermöglicht hat, die im Ausland erworben wurden. Und dadurch, dass die so genannte Optionspflicht für in Deutschland Geborene jetzt entfällt, wofür sich Hamburg seit langem eingesetzt hat.
Mit den muslimischen und alevitischen Glaubensgemeinschaften haben wir Verträge geschlossen, wie vorher mit evangelischen, katholischen und jüdischen Gemeinden. So gewinnen religiöse Vielfalt und Toleranz feste Gestalt. An Hamburger Schulen gibt es gemeinsamen Religionsunterricht weitere Schulen sollen folgen.
Ein anderer Arbeitskreis der Patriotischen Gesellschaft diskutiert das Thema Inklusion. Ebenfalls ein Thema, das mir persönlich sehr am Herzen liegt und in dem sich in den vergangenen Jahren sehr viel bewegt hat.
Es ist ein großer Fortschritt, dass wir Männer und Frauen, Jugendliche und Kinder mit Behinderung endlich als aktiv und selbstbestimmt wahrnehmen und nicht mehr als Objekt der Fürsorge. Und nachdem Deutschland 2009 die UN- Behindertenrechts-Konvention unterzeichnet hat, wurde in Hamburg ein Aktionsplan dazu verabschiedet.
Aber Inklusion lässt sich nicht verordnen und wird nicht allein durch Gesetze Realität. Sie muss sich im täglichen Miteinander und in allen Bereichen der Gesellschaft bewähren. Wie wir da hinkommen, und woran es mangelt das wird in diesem Arbeitskreis aufgearbeitet und ich bin dankbar dafür, dass sich die Patriotische Gesellschaft auch diesem Diskurs verpflichtet fühlt.
Viel mehr wäre zu nennen. Beim SeitenWechsel lernen Führungskräfte aus Hamburger Unternehmen andere Lebenswelten kennen, arbeiten eine Woche lang mit Drogenabhängigen oder in Flüchtlings-Unterkünften.
Und mit dem ersten Familienbildungsstipendium der Bundesrepublik, dem Diesterweg-Stipendium, unterstützt die Patriotische Gesellschaft zusammen mit sechs anderen Förderern, begabte Kinder und ihre Familien aus sozial benachteiligten Stadtteilen. Sie werden intensiv beim Übergang auf weiterführende Schulen begleitet, um ihnen eine schulische Laufbahn zu ermöglichen, die ihren Potenzialen entspricht. Auch die Eltern werden einbezogen auch dies ein großartiges Projekt, denn Bildung ist der Schlüssel zum selbstbestimmten Leben und zur gesellschaftlichen Teilhabe.
Meine Damen und Herren,
das Gesicht der Patriotischen Gesellschaft ist ihr Haus an der Trostbrücke und dem Denkmalschutz in Hamburg fühlt sich die Vereinigung schon lange verpflichtet.
Das Backsteingebäude - nach dem Großen Brand von 1842 auf dem Grundstück und den Pfählen des zerstörten, alten Hamburger Rathauses nach den Plänen des Architekten Theodor Bülau errichtet - ist von überragender bauhistorischer Bedeutung für Hamburg.
Die Trutzburg, wie das Gebäude auch genannt wird, gehört seit 1923 zu den größten Kulturdenkmälern unserer Stadt. Gerade erst wurde es umfassend saniert. Die Hamburger Bürgerschaft hat diese Maßnahme mit 2,3 Millionen Euro unterstützt. Aber auch die Patriotische Gesellschaft hat immer wieder beachtliche Summen investiert, um dieses Haus nicht nur zu erhalten, sondern auch neu zu gestalten. Dafür möchte ich danken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
für mich steht Patriotismus für Aufklärung, Gerechtigkeit und Solidarität, für eine herzliche Anhänglichkeit an den Staat, in welchem man lebt, und thätiges Bestreben, diesem nützlich zu werden, wie es ein Gründer der Patriotischen Gesellschaft damals ausdrückte. In diesem Sinne bekenne ich gern: Auch ich bin ein Patriot.
Und deswegen freue ich mich darüber, dass der Deutsche Olympische Sportbund mit einer Bewerbung um die olympischen und paralympischen Sommerspiele 2024 ins internationale Rennen geht. Ich sehe das als eine große Chance für unser Land, sich der Welt so zu präsentieren, wie wir heute sein wollen: offen, bunt, vielfältig, vertreten durch eine weltoffene Metropole.
Dass der Deutsche Olympische Sportbund kürzlich entschieden hat, Hamburg als Kandidatin zu nominieren, ist für uns natürlich mehr als nur ein zusätzlicher Bonus es ist ein großer Vertrauensbeweis und eine Riesenchance für unsere Stadt.
Und natürlich könnte so ein gemeinsam erlebtes Großereignis die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt noch enger zusammenrücken lassen, übrigens während der Spiele durchaus im wörtlichen Sinn. Schon jetzt spüre ich eine breite Zustimmung und bin sicher, dass sich beim Referendum im Herbst eine große Mehrheit für die olympischen Spiele in Hamburg aussprechen wird. Und ich finde, die olympische Idee passt hervorragend zu den Idealen der Patriotischen Gesellschaft.
Ihnen wünsche ich weiterhin viel Erfolg bei all den Aufgaben, für die Sie sich einsetzen. Und das sage ich auch aus patriotischem Eigennutz. Denn als Hamburger Bürgermeister wünsche ich mir, dass die Patriotische Gesellschaft sich weiterhin und noch viele Jahre für Hamburg stark macht.
Es gilt das gesprochene Wort.