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31.05.2011

400 Jahre Jüdischer Friedhof Altona

Sehr geehrte Frau Professorin Beger,
sehr geehrte Frau Feingold,
sehr geehrte Frau von Jagow,
sehr geehrte Frau Lesser,
sehr geehrte Vizepräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft Duden,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

wir eröffnen heute gemeinsam eine Ausstellung, die Der Gute Ort heißt.

 
Sie feiert den 400-sten Gründungstag des Jüdi-schen Friedhofs Altona. Heute, am 31. Mai vor vierhundert Jahren, haben portugiesische Juden das erste Grundstück auf dem Altonaer Heuberg gekauft, an der jetzigen Königstraße. Gekauft auf Ewigkeit.

Fast 250 Jahre lang bis kurz nach Ende der dänischen  Zeit Altonas sind dort Menschen beerdigt, Grabsteine errichtet, Gebete gesprochen worden. Diese Ausstellung will uns dabei helfen, zu verstehen, was das bedeutet.

Gebete werden an dem Guten Ort wieder ge-sprochen, sogar oft, obwohl fast niemand der dort Bestatteten mehr persönliche Nachfahren in unserer Stadt hat.
Wir wissen, warum das so ist. Aber es kommen Besucher von weit her, gläubige Juden, zum Bei-spiel um die Gräber bekannter Rabbiner wie Jonathan Eibeschütz oder Jacob Emden aufzusuchen, deren Grabstätten sich dort befinden.    

Es ist wieder ein Guter Ort. Für mich persönlich ist das ein bewegendes Thema. Auch als Altonaer!

Ich hatte schon vor vier Jahren die Gelegenheit, als Abgeordneter den Friedhof zu besichtigen, unter der sachkundigen Führung von Frau von Jagow [Stiftung Denkmalpflege], die noch zu uns sprechen wird, und Herrn Studemund-Halévy [Institut für Jüdische Geschichte, Hamburg].

 
Schon zu der Zeit gab es die Idee, den Jüdischen Friedhof Altona gemeinsam mit anderen als Weltkulturerbe zu sichern. Lassen Sie mich aber zuerst noch etwas zum Guten Ort sagen.  

Das war eine Bezeichnung für Friedhof, die im deutschen und osteuropäischen Sprachraum von den dortigen Juden, den Aschkenasim, häufig be-nutzt wurde.

Die Käufer des heute ältesten Friedhofsteils waren sephardische Juden, die aus Portugal und Spanien gekommen waren. Sie waren Migranten. Viele von ihnen waren vorher zum katholischen Glauben konvertiert, aber ihr Leben auf der iberischen Halbinsel war auch dadurch nicht wirklich leichter geworden.

In Altona nicht so sehr in Hamburg! in Altona fanden sie garantierten Schutz und die Möglich-keit, ihren Geschäften und Gewerben einigerma-ßen unbehelligt nachzugehen. Und in Altona hat-ten sie das Recht, ihre Toten zu bestatten. Das war überhaupt die Grundvoraussetzung, sich in der Gegend anzusiedeln, als jüdische Gemeinde zusammenzufinden.

Das, meine Damen und Herren, ist der gute Ort also heute auch: ein Zeugnis der Migrationsge-schichte in Europa.

Historiker bezeichnen den Friedhof als Stein ge-wordenes Archiv der Hamburger und Altonaer Ju-den. Das ist durchaus wörtlich gemeint, denn es sind die Tausende von steinernen Grabmälern, deren Inschriften über die hier bestatteten Personen und das Gemeindeleben Auskunft geben.

Wenn heute die Datenbank des Salomon-Sternheim-Instituts fast 6.000 Grabinschriften do-kumentiert, zeigt das die Bedeutung für die For-schung und für die Beschäftigung Hamburgs mit der eigenen Geschichte. Die auch eine Geschichte der Juden in Hamburg und in Altona ist.

Namen von Familien wie Mendelssohn, Heine, Warburg sind eng mit unserer Stadt verbunden. Auch ihre Grabstätten sind oder waren in Altona zu finden.

 
Stein gewordenes Archiv: Das muss aber nicht heißen: versteinert, erstarrt, bewegungslos. Wir wissen, dass die jüdische Religion eine strengere Auffassung von der Totenruhe hat als die christli-che Kultur sie kennt. Der gute Ort soll bis zur Ankunft des Messias der Ort der Totenruhe bleiben.

Damit sind dem Versuch Grenzen gesetzt, diesen Friedhof für Besucher zu erschließen durch frisch angelegte Wege oder Bänke. Allerdings sind Besucher längst wieder erwünscht und eine Öffnung zum Stadtteil hat begonnen.

Ich finde das gut. 2007 ist das Eduard-Duckesz-Haus [Duckess] an der Königstraße eröffnet wor-den. Man ist dort willkommen und findet Einlass, an mehreren Tagen der Woche.

Auf dem Friedhof selbst, aber auch im Gebäude, das eine bemerkenswerte Bibliothek hat, Ausstel-lungen macht, Forschungsarbeiten unterstützt.

Zurzeit läuft ein Schulprojekt mit einem Fotowett-bewerb. Solche Initiativen brauchen wir.

Meine Damen und Herren,

1945 endete die Zeit der mörderischen nationalsozialistischen Diktatur und damit die Zeit der Ausgrenzung, der Verfolgung der Juden in Deutschland und weiten Teilen Europas, des Ho-locaust.

Nichts war mehr wie vorher.

Wie der Stadtteil ringsum, war der Friedhof 1945 ein Trümmerfeld. Einiges war gezielt zerstört wor-den, unter anderem für einen Bolzplatz; kriegs-wichtiges Metall hatte man eingeschmolzen und dann kamen die Luftangriffe.

Was danach an Baumbestand noch übrig war, nahm die Bevölkerung zum Heizen. Die Grabstei-ne waren zu einem großen Teil umgefallen, zer-brochen, unter Schutt und Erde begraben. Kein guter Ort mehr.

In den Nachkriegsjahren gab es ernsthafte Überlegungen der Stadtplanung, den Friedhof einzuebnen und in eine beliebige Grünfläche umzuwandeln.

Man schaudert heute bei dem Gedanken und un-ser Dank gilt denen, die weitsichtig und hartnä-ckig genug waren, den Friedhof unter Schutz zu stellen.

Und all denen, die in akribischer Arbeit aus dem Trümmerfeld wieder einen guten Ort gemacht haben und noch dabei sind.
Meine Damen und Herren,

der jüdische Friedhof als Weltkulturerbe der UNESCO das ist ein Ziel, für das wir unsere Stadt begeistern müssen und können. Zumal eine serielle Bewerbung geplant ist, gemeinsam mit verwandten Stätten in den Niederlanden, in Suri-nam und weiteren Karibikländern.

 
Also wirklich ein weltumspannendes Vorhaben. Ich habe die Idee seit Jahren öffentlich un-terstützt und begrüße es sehr, dass morgen hier in Hamburg ein internationales Symposium über den Stand berichten wird, über die Fortschritte, sicher auch über Schwierigkeiten.

Hamburg ist entschlossen, hier einen langen Atem zu haben und das Anliegen zum Erfolg zu führen.
Zu danken habe ich im Namen der Stadt heute denjenigen, die diese Ausstellung möglich ge-macht haben, besonders der Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky.

Ich wünsche der Ausstellung viele Besucher.