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06.03.2013

Arbeitnehmerkammer Bremen: Lösungsvorschlag für das Altschuldenproblem der Länder

 

Herr Bürgermeister,

sehr geehrter Herr Kruse,

meine Damen und Herren,

 

wir sprechen heute über Solidarität. Im Kreise von Mitgliedern und interessierten Gästen einer Arbeitnehmerkammer muss ich den Begriff nicht groß erläutern. Es ist und bleibt einer der zentralen Begriffe und Werte, wenn wir über die Zukunft unseres Landes reden.

 

Ohne Solidarität gibt es keinen Sozialstaat, und der Sozialstaat ist eng verbunden mit der Demokratie. Solidarität zwischen den Ländern in Deutschland ist unerlässlich. Erst recht, wenn sie als Hansestädte, als Stadtstaaten mit ähnlichen, wenn auch nicht genau gleichen Strukturen vor ähnlichen Aufgaben stehen.

 

Gern erläutere ich meinen Lösungsvorschlag für das Altschuldenproblem der Länder gerade hier in Bremen. Bremen versteht genau wie Hamburg nur zu gut, dass es ein schmaler Weg ist: zwischen der notwendigen Haushaltskonsolidierung einerseits, und der Möglichkeit, für eine gute Zukunft der Einwohner weiterhin investieren zu können andererseits.

 

Und ich tue es auch deshalb gern in Bremen, weil ich weiß und eigentlich weiß es auch in Berlin jeder dass Bremen seinen Konsolidierungskurs hält. Das bestätigt auch der Stabilitätsrat, der besonders die vier Länder Berlin, Saarland, Schleswig-Holstein und Bremen im Fokus hat, die sich im Sanierungsverfahren für ihre Haushalte befinden. Alle werden bis 2016 die jährliche Nettokreditaufnahme weiter zurückführen.

 

Aber wir sprechen über 535 Milliarden Euro: Das ist genauer: das war 2011 die Gesamtsumme der Schulden der deutschen Länder am Kreditmarkt. Wenn die Zinsen für diese Schuldenlast auf dem Weg sind, sich den Sozialausgaben anzunähern, und das, obwohl ein Schuldenabbau nicht stattfindet, dann ist die so oft thematisierte Zukunft der kommenden Generationen wirklich beeinträchtigt.  

 

Meine Damen und  Herren,

es war gut, dass im Zusammenhang mit der Diskussion um den europäischen Fiskalpakt das Problem der Altschulden der Länder auch wieder verstärkte Aufmerksamkeit erhalten hat. Es sind nämlich nicht alle Ecken rund, auch nicht beim Sparen.  

Wenn sich die Länder im Zuge der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse ab 2020 nicht mehr neu verschulden, ist das richtig und notwendig. Wenn dann auch damit der Markt für Länderanleihen austrocknet, gleichzeitig der Solidarpakt II und damit die moralische Grundlage des Solidaritätszuschlags 2019 ausläuft, und der Länderfinanzausgleich bis dahin neu ausgehandelt sein muss, gibt das schon heute Anlass, über die Konsequenzen zu reden.

 

Wir brauchen also neue Konzepte für den Haftungsverbund von Bund und Ländern und genau da setzt mein Vorschlag ein.

 

Er sieht vor, dass die Länder ab 2020 verbindlich mit der Tilgung der Altschulden beginnen. Getilgt wird in einem angemessenen Zeitraum, der sich zum Beispiel auf 50 Jahre erstrecken kann. Unter Beteiligung des Stabilitätsrates wird für jedes Land ein nach Leistungsfähigkeit bemessener, klarer und verbindlicher, langfristiger Zahlungsplan entwickelt.

 

Der Bund tut dafür auch etwas. Er übernimmt im Gegenzug ab 2020 die Zinszahlungen für diese Altschulden der Länder. Und genau dafür ziehen wir den bisherigen Solidaritätszuschlag heran, der ja sonst ausliefe und der dann zum Beispiel in Form einer Ergänzungsabgabe über 2019 hinaus weiter erhoben wird. Er fließt ausschließlich dem Bund zu. 

 

Ergänzend werden nach Möglichkeit schon Bund und Länder gemeinsame Anleihen aufnehmen, und sich damit einen gemeinsamen Zugang zum Kapitalmarkt mit optimalen Zinskonditionen eröffnen. Das macht Sinn, da die Länder ja ab 2020 keine neuen Schulden mehr machen dürfen und nur noch ihre alte Schuld umschichten. Sie sind für den Markt an Staatsanleihen darum weniger interessant. Dafür braucht man nämlich auch mal neue Schulden, damit der Markt groß genug bleibt.

 

Das, meine Damen und Herren, ist der Kerngedanke und die Quintessenz des Vorschlages, den ich gern in dem einen und anderen Punkt noch erläutern will.

 

Wie gesagt, wird mit dem Jahr 2020 durch die Schuldenbremse die aktive Rolle der Länder am Kreditmarkt beendet. Sie werden von da ab in der Regel netto keine neuen Schulden mehr aufnehmen dürfen, sondern lediglich die vorhandenen Schulden refinanzieren. 

 

Die politische Kompetenz für die gesamtstaatliche Verschuldung wird somit ab 2020 beim Bund konzentriert, ähnlich wie 1969 die Kompetenz zur Konjunktursteuerung mit dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz auf den Bund überging.

 

Das ist nicht nur schlecht, denn die Konzentration der Verschuldungskompetenz beim Bund stärkt dessen Rolle als fiskalpolitischer Spielmacher im europäischen Kontext. Sie führt absehbar zu Zinsentlastungen auf Grund von Größenvorteilen und effektiverem Schuldenmanagement. 

 

Wenn wir die Dinge so laufen ließen, würden die Altschulden auf Länderseite als tote Last auf Dauer konserviert, obwohl die Politik der öffentlichen Verschuldung künftig allein vom Bund gestaltet wird und bundespolitischen Erwägungen folgt. 

 

Ich nannte die Zahl schon: Die Schulden der Länder am Kreditmarkt ohne die Kommunen  beliefen sich 2011 auf 535 Milliarden Euro und das bedeutete einen Zinsaufwand von 19,3 Milliarden. Beide Zahlen werden bis 2020 noch weiter anwachsen. Dabei ist vor allem das strukturelle Risiko beunruhigend. 

 

Was meine ich damit? Folgendes: Die Zinslast der Länder im Jahr 2011 lag nominal niedriger als im Jahr 2001. Damals waren es 19,4 Milliarden Euro. Im Gegensatz dazu ist der Schuldenstand der Länder in dieser Zeit um rund 178 Milliarden gestiegen.

 

Das liegt in erster Linie an dem gesunkenen Zinsniveau. Es liegt aber auch daran, dass manche Länder wohl auf kürzere Zinslaufzeiten oder reagiblere Kreditformen umgestiegen sind, um vom aktuell niedrigen Zinsniveau auch im Bestand zu profitieren. Ein verständliches, aber durchaus riskantes Manöver, denn das Zinsrisiko für die Länder steigt dadurch. Bereits ein Zinsanstieg um wenige Prozentpunkte schlägt auf das Bestandsvolumen durch und kann zu einer dramatischen Erhöhung der Zinslast innerhalb weniger Jahre führen.

 

Denn auch wenn man langfristige Zinssicherungen abgeschlossen hat, gilt doch die einfache Regel: Je näher das Zinsniveau bei Null ist, desto größer wird das Risiko, dass es steigt. Die Zinslast der Länder trägt sich derzeit ziemlich bequem, aber dafür ist die Sprengkraft des Zinsrisikos gewachsen.

 

Da die Handlungsspielräume auf der Einnahmenseite eng begrenzt sind, müssen die Länder solche Mehrbelastungen dann auf der Ausgabenseite erwirtschaften wie es Finanzpolitiker gern formulieren. 

 

 

Meine Damen und Herren,

den Leistungshaushalten der Länder droht also eine finanzwirtschaftliche Überforderung. Und wenn verschärfend hinzu kommt, dass die Verschuldung der Länder regional sehr unterschiedlich ist, und das Zins- oder Stabilitätsrisiko somit auch, betrifft das Problem dennoch die Ländergesamtheit. Denn wenn die Bonität des schwächsten Kettengliedes an Glaubwürdigkeit verliert, werden die Zinsrisiken auch die stabileren nicht verschonen. 

 

Deshalb die Idee, eine Bundeslösung anzustreben. 

 

Mit gemeinschaftlichen Lösungen in der Verschuldungspraxis lässt sich der Haftungsverbund zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, dem das so genannte bündische Prinzip zugrundeliegt, materiell stärken. Der Haftungsverbund ermöglicht, dass jede deutsche Gebietskörperschaft im Grundsatz mit der gesamtstaatlichen Bonität am Markt operieren kann. Ohne diesen innerstaatlichen Haftungsverbund mit der Insolvenzunfähigkeit der einzelnen Gebietskörperschaften hätte Deutschland nicht zum fiskalischen Stabilitätsanker in Europa werden können. Auch an diese Stabilitätspflicht gegenüber Europa müssen wir denken.

 

Anders als die Länder hat der Bund jederzeit die Möglichkeit, Zinsrisiken politisch auszusteuern. Mit einer Übernahme der Länderschulden in die Verantwortung des Bundes wäre eine Verschiebung der Zinslast in Höhe von knapp 20 Milliarden Euro verbunden.

 

Weil der Bund im Verhältnis zu den Ländern günstigere Refinanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt hat, kann man von einer deutlichen Verminderung dieser Last für die Länder ausgehen. Das gibt Luft zum Atmen in den Länderhaushalten.

 

Meine Damen und Herren,

und warum käme für die Finanzierung nun gerade der Solidaritätszuschlag in Betracht? Weil er 2010 mit 11,7 Milliarden beim Bund zu Buche schlug und unter normaler wirtschaftlicher Entwicklung weitaus ertragreicher ausfallen dürfte. Zum Beispiel waren es 2008: 13,1 Milliarden. Die Größenordnungen bewegen sich jedenfalls in der Tendenz aufeinander zu.

 

Die Solidarpaktmittel für den Aufbau Ost werden bis 2019 schrittweise weniger, das Volumen des Solidaritätszuschlages wird dadurch sukzessive frei. Man müsste und dürfte ihn dann, wenn der ursprüngliche Grund entfallen ist, nicht mehr erheben. Ich finde, es wäre politisch nicht nur gerechtfertigt, sondern klug und auch gut vermittelbar, es weiterhin zu tun wenn der Zuschlag nunmehr dem Zweck eines solidarischen und effizienten  Schulden-Managements dient, bei gleichzeitiger Tilgung der Altschulden durch die Länder.

 

Das alles ist sehr komplex. Muss uns das schrecken? Nein. Als historische Vorbilder könnten der Fonds Deutsche Einheit oder der Erblastentilgungsfonds dienen. 

 

Um die Verteilungsfolgen zwischen Bund und Ländern, aber auch unter den Ländern auszutarieren, müssen die Länder an den Lasten beteiligt sein. Und gerade hier in Bremen will ich auch betonen, dass wir für alle Länder kompatible Lösungen brauchen, und zwar solche, die auch die unterschiedliche Konstruktion der drei Stadtstaaten und das Binnenverhältnis zwischen dem Land Bremen und seinen kommunalen Haushalten berücksichtigen.

 

Aber eine Länderbeteiligung an den Lasten ist nötig. Die erheblichen Volumina, die mit einer solchen Transaktion umgeschichtet würden, erfordern einen Blick auf die übrigen Ausgleichsbeziehungen zwischen Bund und Ländern. 

 

Die Grundlinie sollte sein, dass die Entlastungswirkung auf Länderseite der bisherigen Zinsbelastung folgen muss. Denn es muss bei dieser Operation gelingen, auf Länderseite drohende Haushaltsnotlagen und strukturelle Schieflagen dauerhaft zu beseitigen, 

damit für die Gesamtheit ein Stabilitätsgewinn erzielt werden kann. 

 

So oder so kann das einzelne Land nicht aus der Verantwortung für seinen Verschuldungsaufbau entlassen werden. Und deshalb brauchen wir das, was ich einen verbindlichen Tilgungsplan für jedes Land genannt habe, der unter Beteiligung des Stabilitätsrates entwickelt werden muss. 

 

Mit fortschreitender Tilgung entwickelt sich dann auch die Zinslast des Bundes degressiv zu Deutsch: sie sinkt und damit das Refinanzierungsbedürfnis, für das er den Solidaritätszuschlag in Anspruch nimmt.

 

Meine Damen und Herren,

auf diese Weise können wir das angeblich Unmögliche möglich machen: have our cake and eat it, wie man in Amerika sagt. Wir können das Verbot der Neuverschuldung für die Länder ab dem Jahre 2020 mutig durchziehen und gleichzeitig, mit einem verbindlichen Abbauplan für die bestehende Verschuldung der Länder, den künftigen Generationen Perspektiven schaffen.

 

Ich werde darauf drängen, dass wir zügig den ersten Schritt tun: die Ausgabe von gemeinsamen Anleihen von Bund und Ländern. Um auf diese Weise gemeinsam, einheitlich und mit starkem Volumen als Bund und Länder am Markt aufzutreten und dadurch günstigere Zinsbedingungen herbeizuführen insgesamt, aber vor allem für die Länder. Schließlich haben die Länder das im Rahmen des Fiskalpakts mit der Bundesregierung fest vereinbart.

 

Kooperation, koordinierte Stabilitätspolitik und gegenseitige Inpflichtnahme sind kein 

leerer Wahn, das beweisen wir in Europa. Was sich dort zwischenstaatlich bereits durchgesetzt hat, sollte uns auch in Deutschland gelingen.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.