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02.03.2013

WELT Interview "Maklercourtage soll vom Vermieter bezahlt werden"

 

Seit zwei Jahren ist Olaf Scholz (SPD) Bürgermeister in Hamburg, erfreut sich hoher Zustimmungswerte und hat mit Entscheidungen wie einem Staatsvertrag mit islamischen und alevitischen Religionsgemeinschaften für Furore gesorgt. Nun ruft er die FDP auf, die Gleichstellung von homosexuellen Paaren im Steuerrecht zu unterstützen. Außerdem will Scholz, dass Vermieter künftig die Maklercourtage zahlen sollen.

 

Die Welt: Herr Bürgermeister, am Freitag konnten die von SPD und Grünen regierten Länder erstmals ihre Mehrheit im Bundesrat ausspielen. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Olaf Scholz: Der Bundesrat hat gute Entscheidungen für unser Land getroffen. Es ging und geht dabei aber nicht um SPD oder Grüne, CDU/CSU oder FDP. Natürlich ist es gut, wenn der Bundesrat klarstellt: Wer fleißig ist und ordentlich arbeitet, muss davon leben können, ohne öffentliche Hilfe beanspruchen zu müssen. Deshalb ist das Mindestlohngesetz ein Fortschritt.


Die Welt: Aller Voraussicht nach aber wird der Bundestag jenes Gesetz zurückweisen. Was ist damit gewonnen?

Scholz: Es ist viel gewonnen. Die jüngste Entscheidung des Bundesrates setzt lange Linien fort: Beim Mindestlohn gab es einen richtigen Durchbruch während der großen Koalition. Da haben damals Franz Müntefering und ich der Union Branche für Branche einen Mindestlohn abgetrotzt. Wenn das gesprochene Wort vieler Unionspolitiker gilt, wird der Bundestag dem Gesetz aus dem Bundesrat zustimmen. Mal sehen.


Die Welt: Das rot-grüne Gesetz zur Gleichstellung homosexueller Paare im Einkommensteuerrecht liegt nun ebenfalls im Bundestag. Halten Sie eine Unterstützung durch die FDP für möglich?

Scholz: Ich hoffe es und setze auf die Vernunft der Liberalen. Es wäre gut für die Glaubwürdigkeit der Politik, wenn die Erklärungen in den Talkshows sich in der Gesetzgebung spiegeln. Die FDP sollte ihren Worten folgen und dieses Gesetz unterstützen.


Die Welt: Wollen Sie mittelfristig die Institution der Ehe für Homosexuelle in der Verfassung verankern? Bislang gibt es ja nur die "Ehe light", die eingetragene Partnerschaft.

Scholz: Angefangen mit der "Hamburger Ehe", beschlossen von einer rot-grünen Koalition 1999, haben wir einen erfreulichen Weg zurückgelegt. Die eingetragene Lebenspartnerschaft, durchgesetzt von der Regierung Schröder, war ein wichtiger Meilenstein. Es wäre richtig und konsequent, diesen Weg zu Ende zu gehen. Wir sollten gleichgeschlechtlichen Partnern die Ehe nicht weiter verweigern. In den vergangenen Jahren haben sich viele schwule und lesbische Paare für die eingetragene Lebenspartnerschaft entschieden. Bei den Bürgerinnen und Bürgern stößt dies schon lange auf eine breite Akzeptanz.


Die Welt: Die Union erwägt nun auch eine Gleichstellung im Steuerrecht. So will deren Fraktionschef Volker Kauder SPD und Grünen damit ein Wahlkampfthema entreißen ...

Scholz: Ich kenne Volker Kauder gut und kann mir vorstellen, dass er sich die Entscheidung nicht leicht macht. Über seine Positionsänderungen freue ich mich! Es ist gut, wenn man sich dem Leben öffnet und ideologische Sperren überwindet. Es ist allerdings nicht so gut, dass die Union immer erst spät das Richtige tut und lange das Falsche propagiert. Die Union vollzieht nur nach, was Karlsruhe verlangt. Sie entwickelt nichts, sie stößt nichts an, sie bringt nichts auf den Weg.


Die Welt: Mancher in Ihrer Partei will die Bundesregierung in der Länderkammer "vorführen". Entspricht das der Aufgabe des Bundesrates?

Scholz: Ich kenne niemanden, der das will.


Die Welt: Was wollen Sie mit der rot-grünen "Gestaltungsmehrheit" noch erreichen?

Scholz: Wir wollen zum Beispiel außerordentliche Mieterhöhungen in Ballungszentren verhindern und den Wohnungsbau voranbringen. Im Herbst hatte die Bundesregierung den Ländern im Rahmen der Gespräche zum europäischen Fiskalpakt die Verstetigung der Mittel für den Wohnungsbau zugesagt. Dieses Versprechen muss nun eingelöst werden. Das erwarten übrigens nicht nur die von der SPD regierten Länder.


Die Welt: Die Bundesregierung hat erst vor Kurzem festgelegt, dass Mieten binnen drei Jahren nur noch maximal um 15 statt bis dato 20 Prozent erhöht werden dürfen.

Scholz: Dieses Gesetz hat vor allem die Rechte der Mieter verschlechtert. Die ganz am Ende des Gesetzgebungsprozesses eingefügte Mietpreisbremse macht das nicht besser. Die meisten Preissteigerungen finden bei Wiedervermietungen statt. Deshalb brauchen wir nicht bei Neubauten, aber bei der Wiedervermietung von Bestandswohnungen - eine Preisbremse. Wir wollen außerdem durchsetzen, dass die existierenden Bestimmungen gegen Mietwucher wieder mit Leben gefüllt werden. Derzeit sind die Anforderungen dafür aufgrund geltender Rechtsprechung so hoch, dass kein Mieter sie nutzen kann.


Die Welt: Was wollen Sie konkret bewirken?

Scholz: Wir wollen in dem entsprechenden Gesetz die Beweisführung für Mieter erleichtern. Außerdem plädieren wir dafür, dass die Maklercourtage künftig vom Vermieter bezahlt wird, wenn er ihn bestellt hat. Dazu bringt Hamburg zusammen mit NRW und Baden-Württemberg und anderen Ländern am 22. März im Bundesrat ein Gesetz ein.


Die Welt: Wünschen Sie sich, dass möglichst viele Wohneigentum besitzen?

Scholz: Das ist für viele sehr erstrebenswert. Ich wünsche jedem, der Wohneigentum besitzen möchte, dass er das auch erreicht. Die Politik sollte niemanden davon abhalten. Sie darf sich aber auch nicht davor drücken, für ausreichend neue bezahlbare Mietwohnungen zu sorgen.


Die Welt: Erst jüngst haben einige Länder die Grunderwerbsteuer erhöht.

Scholz: Wir in Hamburg haben das bewusst nicht getan. Mir liegt das Thema Wohnen seit vielen Jahren am Herzen, es ist eine zentrale Aufgabe meiner Regierung: Wir wollen, dass Wohnungen gebaut werden, und nicht das Gegenteil.


Die Welt: Kürzlich hat auch Ihr Kanzlerkandidat Steinbrück das Thema Wohnungsbau entdeckt. Ist sein Engagement glaubwürdig?

Scholz: Ja, zumal er das Thema nicht neu entdeckt hat. Er weiß um die Probleme vieler Bürger. Für mich ist es gut, einen Bündnispartner zu haben.


Die Welt: Kann die SPD im Wahlkampf mit dem Thema Mieten punkten wo doch die Union allerhand Ihrer Themen abräumt?

Scholz: Welche der Unterstellungen in Ihrer Frage soll ich zuerst dementieren? Fangen wir vorne an: Wenn wir uns für genug bezahlbare, auch öffentlich geförderte Wohnungen einsetzen, dann tun wir das, weil wir einen Mangel beseitigen wollen. Wir tun es nicht für die SPD, sondern für die Bürger. Wenn die das nachher gut finden und uns wählen, freuen wir uns. Außerdem sehe ich kein Thema abgeräumt. Ich stelle nur fest, dass die Union das Programm der SPD offenbar für überzeugend hält.


Die Welt: Und da viele Menschen Frau Merkel mögen und Herrn Steinbrück nicht, werden diese dann das Kreuz bei der CDU machen.

Scholz: Anders als Sie wissen die meisten Bürger, dass sie mit einem Kanzler Steinbrück gut aufgehoben wären. Er ist ein Mann, auf den man sich verlassen kann. Die Bürger wissen, dass die Bundesregierung zum Beispiel bei der Energiewende versagt. Nur ein Punkt: 70 Prozent des Stroms wird von Wirtschaft und Industrie verbraucht. Es mangelt aber an Erzeugungskapazitäten und Leitungen in den Süden und Westen. Hier tut die Bundesregierung zu wenig. Sie bedroht damit den Wohlstand unseres Landes.


Die Welt: Wie bewerten Sie das bisherige Wirken des Kanzlerkandidaten Steinbrück?

Scholz: Peer Steinbrück ist der richtige Kanzler für Deutschland. Es ist klar, dass er sich einen anderen Start als Kandidat gewünscht hätte. Aber es ist noch genug Zeit, dass sich dieser kluge, ernsthafte und verantwortungsbewusste Politiker als Alternative zur Kanzlerin empfiehlt.


Die Welt: Würden Sie einen führenden Politiker eines befreundeten Landes als "Clown" bezeichnen?

Scholz: Jeder hat seinen eigenen Stil. An Peer Steinbrück schätzen viele Bürgerinnen und Bürger Klarheit und Ehrlichkeit. In Europa ändert sich übrigens viel: Frau Merkel macht Wahlkampf in anderen Ländern, wir auch, niemanden stört das. Vor zehn Jahren wäre es ein Skandal gewesen.


Die Welt: Sie meinen, europäisches Ausland ist kein Ausland mehr - und deshalb darf man auch europäische Politiker beschimpfen?

Scholz: Europa wächst zusammen. Was in Barcelona oder Budapest passiert, interessiert viele Deutsche genauso wie die Frage, ob in Stuttgart ein Bahnhof gebaut wird.


Die Welt: Herr Steinbrück will die Ausnahmen beim Mehrwertsteuersatz verringern. Hat er recht?

Scholz: Wir sollten die Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer untersuchen. Nicht jede Warengruppe unterliegt aus guten Gründen dem ermäßigten Steuersatz. Alle Parteien sehen das so, aber keine Partei hat bisher eine grundlegende Reform durchgesetzt. Das ist eine Aufgabe für die künftige Bundesregierung.

 

Von Daniel Friedrich Sturm