arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

07.03.2013

Interview im Weser Kurier: "Lösungsvorschlag für das Altschuldenproblem der Länder"


Weser Kurier: 
Herr Scholz, Sie haben vor einem Jahr Ihr Modell eines Fonds zur Tilgung der Altschulden der Länder präsentiert. Wie waren die Reaktionen?
Olaf Scholz: Gemessen an der Bedeutung des Vorschlags waren sie überwiegend freundlich. Ich bekam einige Briefe von Ministerpräsidenten ganz unterschiedlicher Couleur, in denen sie dem Anliegen im Grundsatz zustimmten. Zum Ende des Jahrzehnts läuft der Solidarpakt aus, muss der Länderfinanzausgleich neu verhandelt werden und dürfen die Länder keine neuen Schulden mehr machen. Wenn wir bis dahin eine Lösung haben wollen, muss die Debatte jetzt beginnen.
 
Wie hat Bremen reagiert?
Olaf Scholz: Bürgermeister Jens Böhrnsen hat sehr deutlich gesagt, dass er den Vorschlag unterstützt und für eine gute Lösung hält. Ich glaube, dass er da für viele spricht.
 
Ist das Haushaltsnotlageland Bremen noch zu retten?
Olaf Scholz: Unbedingt. Bremen ist in einer schwierigen Situation, was die Verschuldung betrifft. Aber es ist auch ein wirtschaftsstarkes Land, das durchaus einen großen Beitrag zum Sozialprodukt Deutschlands leistet. Das ist erst einmal die Grundlage dafür, dass man die Zukunft gewinnen kann. Und dann geht es natürlich nicht ohne Solidarität. Deswegen gibt es Sanierungshilfen, die helfen sollen, dass die mit einer Haushaltsnotlage kämpfenden Länder zurechtkommen.
 
Wie laufen die Fronten in der Debatte beim Altschulden-Fonds: entlang der Parteien, entlang von Bund und Ländern, oder gibt es Streit innerhalb der Länder?
Olaf Scholz: Es gibt alle möglichen unterschiedlichen Blicke zum Thema. Das hat natürlich auch etwas mit der jeweiligen Interessenlage zu tun und mit der Grundeinstellung derjenigen, die handeln. Dass Politiker, die wie Jens Böhrnsen oder ich Solidarität auch sonst im Leben richtig finden, Solidarität auch bei der Frage der Zukunft der Länder im Blick haben, ist selbstverständlich.
 
Für wen ist Ihr Modell das bessere Geschäft: für den Bund oder die Länder?
Olaf Scholz: Es ist für alle vernünftig.
 
Welches Interesse sollte der Bund haben?
Olaf Scholz: Der Solidarpakt läuft aus, der Bund kann den Soli-Zuschlag danach nicht einfach weiter erheben. Gleichzeitig braucht auch der Bund eine Perspektive, wie er die Staatsverschuldung in Deutschland insgesamt zurückführt. Dazu zählen die Defizite von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen. Wir müssen die Gesamtverschuldungsquote sie beträgt derzeit 82 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zurückführen. Das verlangt die EU.
 
Kürzlich haben Bremens SPD-Chef Andreas Bovenschulte, der SPD-Abgeordnete Carsten Sieling und der Wissenschaftler Rudolf Hickel ein Modell präsentiert, das wesentlich auf Ihrem basiert. Es gibt aber ein paar Änderungen. So wollen sie auch die Schulden der Kommunen einbeziehen für Bremen ein wichtiger Aspekt.
Olaf Scholz: Dass wir uns auch über die Zukunft der Kommunen Gedanken machen müssen, ist richtig. Und die Länder vertreten die Interessen der Kommunen gegenüber dem Bund. Wir müssen allerdings sehen, wie groß die Aufgaben sind, die wir schultern wollen und können.
 
Ferner wollen sie mit dem Fonds früher starten. Warum bis 2020 warten?
Olaf Scholz: Wenn alle davon überzeugt sind und Ja sagen, kann man schneller anfangen. Aber ich habe das Gefühl, dass wir noch viel Überzeugungsarbeit vor uns haben. Es geht um ein grundlegendes Projekt, das kann man nicht von heute auf morgen hinbekommen. Zudem bietet sich das Jahr 2020 als Ausgangspunkt an, weil die Finanzbeziehungen in mehreren Punkten ohnehin neu geregelt werden müssen, wie ich eingangs dargelegt habe.
 
Für die Schulden der Länder wären derzeit rund 20 Milliarden an Zinsen fällig, der Soli-Zuschlag bringt etwa 13 Milliarden ein. Wie ist die Lücke zu schließen?
Olaf Scholz: Zunächst einmal nähern sich beide Beträge bis zum Ende des Jahrzehnts an. Deshalb habe ich gesagt, es macht Sinn, sich auf diesen Gedanken einzulassen. Im übrigen reduziert sich die Zinslast ja mit der Zeit, wenn die Länder ihre Schulden tilgen.
 
Einige fordern, auch über andere Quellen nachzudenken, etwa Einnahmen aus einer neuen Vermögenssteuer einzusetzen oder die Einkommenssteuer zu erhöhen.
Olaf Scholz: Bis 2020 müssen wir das Problem, wie wir mit den Altschulden verfahren, lösen; das wissen die meisten. Es gibt viele, die sagen, man müsste auch noch einmal über Alternativen nachdenken. Das finde ich völlig richtig. Wir haben noch ein paar Jahre Zeit für die Diskussion. Ich habe erst einmal einen Vorschlag präsentiert, und von einem besseren habe ich noch nicht gehört.
 
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hält wenig von Ihrem Modell. Die Länderetats müssten konsolidiert werden, indem Ausgaben gekürzt werden. Setzen Sie die Priorität zu sehr auf Einnahmen und vergessen dabei die Ausgaben?
Olaf Scholz: Das ist eine falsche journalistische Zuspitzung. Alle schauen auf die Einnahmen und auf die Ausgaben, niemand kann sich davor drücken. Das gilt für die Länder im Westen Deutschlands mit ihren historisch entstandenen Schulden. Das gilt ebenso für die Länder im Osten mit ihren Herausforderungen: Sie wissen, dass sie Ende des Jahrzehnts nach Auslaufen des Solidarpakts weniger Geld zur Verfügung haben werden. Es gibt niemanden, der nicht auf die Ausgaben schaut. Deshalb ist die Frage Einnahmen oder Ausgaben? ein künstlicher Gegensatz, sofern ihn jemand im Kopf haben sollte.