arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

24.04.2013

Ausstellungseröffnung Besatzer sein in Hamburg

Ausstellungseröffnung Besatzer sein in Hamburg

 

Sehr geehrter Herr Prof. Seidel,

sehr geehrte Frau Generalkonsulin,

Herr Generalmajor,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

200 Jahre Die französischen Besatzer in Hamburg. Wir wissen, dass die Zeit für die meisten damaligen Hamburger keine vergnügliche war.

 

Das galt, wie immer und überall unter solchen Umständen, besonders für diejenigen, deren soziale Lage und Alltagsleben schon in normalen Zeiten von Mühsal und Unsicherheit geprägt war. Übrigens auch für das Gros der Besatzungs-Soldaten, die die Beschlüsse der Militär- und Zivilverwaltung durchzusetzen hatten und selber, was Verpflegung und Sauberkeit der Unterkünfte betraf, nicht zu den Privilegierten gehörten.

 

Auf der anderen Seite war Hamburgs Zeit als Bonne ville de l’Empire francais keine bloße Besatzungszeit ohne längerfristige Perspektive, mit dem einzigen Ziel der Ausplünderung, wie es in der Geschichte eher die Regel gewesen ist. Im Gegenteil, der Kaiserliche Wappenbrief Napoleons mit dem heute noch eindrucksvollen Siegel (ein Exponat!) und seiner schwungvollen Unterschrift steht symbolisch für den Willen Frankreichs, aus seiner Stadt Hamburg einen glanzvollen Stützpunkt und Vorposten zu machen.

 

Und der ferne Normengeber so nennt ihn der Kurator Helmut Stubbe da Luz , der Kaiser aus Paris selbst verhieß den Delegierten der Hansestädte im März 1811, Zitat: Der maritime Handel, der die Grundlage Ihres Wohlstands gewesen ist, kann nunmehr allein in Verbindung mit meiner Seemacht wiederaufleben.

 

Vorläufiges Zitatende. Und es ist wahr: Vielen galt la France spätestens seit der Revolution von 1789 als Zentrum der Aufklärung und des Zukunftsoptimismus, auch der ökonomischen Vernunft, die allein im Stande sein werde, das Bürgertum und die Produktivkräfte zu entfesseln.

 

Das französische Recht wurde mit Recht als Fortschritt wahrgenommen. Und die moderne französische Verwaltung war der hamburgischen damals allemal überlegen. Kulturelle Impulse gingen ebenfalls von den Besatzern aus.

 

Das Zitat von eben ging so weiter, und auch das kann man in einer der Vitrinen dieser Ausstellung nachlesen: Sobald ich wieder über hundert große Schlachtschiffe verfüge, werde ich England in wenigen Feldzügen besiegen. Endgültiges Zitatende. Die Geschichte und Großbritannien, mit dem Frankreich und Deutschland heute als gute Nachbarn und Freunde in ein friedliches Europa integriert sind, haben es anders gewollt.

 

Aber spätestens an dieser Stelle setzt die intellektuelle Herausforderung an, und die darf man ruhig als ein Vergnügen empfinden: darüber nachzudenken, und es mit Blick in die Aufzeichnungen wichtiger Zeitzeugen zu prüfen, was denn die Optionen in jener aufregenden Zeit waren. Welche klugen, zuweilen auch weniger klugen Gedanken über die Rolle, die Zukunft und die Prosperität unserer Stadt Hamburg sich 18 französische Protagonisten gemacht haben 17 in Hamburg, einer aus der Ferne.

 

In meinen Augen ist es ein wesentliches Verdienst dieser Ausstellung, dass es ihr gelingt, in den Worten der damals wichtigen Männer es waren halt alles Männer das Allgemeine besonders werden zu lassen. Ein Verdienst der Ausstellung und natürlich des Katalogs, in dem viele Textstellen aus den großen, wertvollen, deshalb unberührbaren Folianten ausgebreitet sind.

 

Es stand nicht im Mittelpunkt der Berichte von Joseph Fiévée, oder des Oberplatzkommandanten Lecouturier, die beide hier im Original ausgestellt sind, und wird doch an manchen Stellen deutlich: dass Krieg und Besatzung fast immer diejenigen am meisten und heftigsten treffen, die auch ökonomisch am wenigsten zuzusetzen haben. Das hat sich in den 200 Jahren seitdem noch an vielen, zu vielen Orten der Welt wiederholt. 

 

Im Mittelpunkt stehen die politischen und militärischen Strategien, die auch die wirtschaftlich erfolgreicheren Hamburger Familien um den Schlaf brachten. Die vom Kaiser verhängte Kontinentalsperre gegen England traf die hiesige Wirtschaft sehr. Ohne englische Rohstoffe konnten die Manufakturen nicht existieren, auch Werften und Schiffszulieferer hatten kaum noch Verdienstmöglichkeiten. Das Entsetzen, schreibt Fiévée, über eine neue Gesetzgebung, die man nicht zu verstehen fürchtet, über eine neue Verwaltung, mit der man nicht in Konflikt geraten will, über eine Regierung, die den traditionellen Gepflogenheiten so völlig zuwider laufende Wirtschaftsinteressen verfolgt, wird stetig größer.

 

Als Marschall Davoust später mehr als 30.000 unnütze Esser aus der Stadt weisen ließ, war von Gemeinsamkeiten schon keine Rede mehr und wenige Jahre darauf sind die Spuren der so genannten Franzosenzeit weitgehend getilgt worden. Schreckenszeiten von anderer Dimension, nicht zuletzt von Deutschland ausgehend und verursacht, standen Europa noch bevor. 

 

Dass wir heute gemeinsam, und auch mit etlichen aus Frankreich geliehenen Exponaten, diese Ausstellung in der Bibliothek der Helmut-Schmidt-Universität erleben können, ist 50 Jahre nach dem Abschluss des Élysée-Vertrages ein schönes Ausrufezeichen.

 

Erst vor kurzer Zeit besuchte uns der französische Premierminister Jean-Marc Ayrault anlässlich des Matthiae-Mahls als Ehrengast. Unsere Städtepartnerschaft mit Marseille ist in ihrem 55. Jahr von lebendigem Austausch geprägt. Weiße Flecken in unserer gemeinsamen Geschichte gibt es trotzdem noch. Dieser hier, die Zeit der französischen Besatzung vor 200 Jahren, wird dank dieser Ausstellung jetzt farbiger.

 

Ich danke allen, die sie initiiert, gestaltet, mit Ideen und Exponaten beigetragen haben, und wünsche ihr möglichst viele Besucher aus der Fachwelt und der Stadt Hamburg. 

 

Vielen Dank.

 
Es gilt das gesprochene Wort.