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04.07.2012

City Talk am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien

City Talk am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien

 

Sehr geehrter Herr Professor Michalski,

sehr geehrter Herr Dr. Novy,

sehr geehrter Herr Dr. Ludwig,

sehr geehrter Herr Dr. Brandstätter,

 

Wien und Hamburg, die beiden großen europäischen Städte, verbindet eine langjährige Freundschaft. Ich freue mich sehr, heute hier zu sein und neue Seiten und Entwicklungen Ihrer faszinierenden Metropole kennen zu lernen. 

 

Die Freundschaft ist spätestens 1857 sehr vertieft worden damals verunsicherte ein Börsencrash an der Wall Street die internationalen Märkte. Hamburg war besonders hart getroffen: Es war vom Schiffsverkehr nach Amerika, Großbritannien und Schweden abhängig und fand nun keine Abnehmer für seine Staatsanleihen. Bis schließlich Österreich einen großzügigen Kredit in Silber stellte, der das Misstrauen besänftigte. Wien schenkte Hamburg damit auch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. 

 

Hoffnung kann heute auf vielerlei Weise entstehen und wachsen. Welche Rolle spielt sie ganz allgemein für die Zukunft von Städten und welche Dynamik ruft sie hervor? Wie können wir in den großen Städten die Rahmenbedingungen für eine optimale Entwicklung dieser Dynamik schaffen? Was tun wir in Hamburg?

 

1 Die Zukunft findet in Städten statt

Wer wissen will, wie die Welt morgen aussieht, der muss auf die Städte von heute schauen, denn die Zukunft findet dort statt.

 

Die Mehrheit der Bevölkerung lebt längst in Städten. Und dabei muss man nicht ausschließlich die Entwicklungs- und Schwellenländer im Sinn haben. Auch in Europa ist der Prozess der Verstädterung keineswegs abgeschlossen. Es entstehen und wachsen an vielen Stellen der Erde in großem Tempo große und sehr große Städte, bis hin zu Mega-Cities. Die meisten neuen Einwohner dieser Städte verbinden mit dem Schritt in die Stadt die Hoffnung auf ein besseres Leben.

 

Doug Saunders hat dies in seinem berührenden Buch über die Arrival Cities beeindruckend beschrieben.

 

Auch in Österreich und Deutschland gibt es die Bewegung hin zur großen Stadt. 

 

Deutschland wird hingegen für die nächsten Jahrzehnte eine sinkende Bevölkerungszahl prognostiziert. Dieser Trend verläuft aber nicht einheitlich. In einigen großen Städten Deutschlands wächst die Bevölkerung und wir gehören dazu.

 

Hatte Hamburg gegen Ende der1980iger Jahre weniger als 1,6 Millionen Einwohner, so werden es in diesem Jahr wohl wieder mehr als 1,8 Millionen sein. Für 2030 sagen Bevölkerungsprognosen 1,9 Millionen Einwohner voraus vielleicht werden es auch mehr.

 

In der Metropolregion, deren Mittelpunkt der Stadtstaat Hamburg ist, leben jetzt mehr als 5 Millionen Einwohner; ungefähr 1 % der EU-Bürger. Die Frage ist also, warum wächst die große Stadt auch auf diesem alten Kontinent?

 

2 Warum ist die Stadt so anziehend?

Hoffnung auf Lebensperspektive und -qualität

Bürgerinnen und Bürger wollen in der Stadt leben, weil sie hier Lebens-Perspektive und Lebensqualität erhoffen und finden.

 

Große Städte sind Kern und Katalysator der Moderne. Hier schaffen Kultur und Wissenschaft Erkenntnis. Hier entstehen aus Mut und Intelligenz neue Unternehmen und neue Jobs. 

 

In den Städten entstehen die unterschiedlichsten Arbeitsplätze: In Banken und Versicherungen, bei Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen wie zum Beispiel dem IWM , bei etablierten Kulturinstitutionen und in der Off-Kultur, bei großen und kleinen Unternehmen und Start-ups.

 

Hamburg ist immer ein großer Medienstandort gewesen, in allen Zweigen der Medien sind heute etwa 100.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Mit den sozialen Netzwerken (Xing, Google, Facebook in Hamburg) oder Games sind neue Medienarbeitsplätze entstanden.

 

Natürlich entstehen Arbeitsplätze auch in den klassischen industriellen Branchen, die nach wie vor die eigentliche Basis der Wertschöpfung sind, auch in der Handels- und Hafenstadt Hamburg. Und deren ständigen Wandel wir fördern müssen, indem wir eine vernünftige Infrastruktur schaffen, das Heranwachsen qualifizierter Fachkräfte ermöglichen, Innovationscluster anregen. Jüngstes Beispiel ist die Luftfahrtbranche, die in der Metropolregion Hamburg 40.000 moderne Arbeitsplätze geschaffen hat.

 

Gemeinsam wirken alte und neue Branchen als Motoren von Wachstum und Fortschritt. Gleichzeitig sind sie angewiesen auf das städtische Umfeld mit seiner guten Verbindung in die Welt durch Flughäfen, Bahnhöfe und Häfen. 

 

Die große Stadt hat einen Arbeitsmarkt, der breit genug ist, und Wege, die kurz genug sind, so dass man im Verlaufe eines Arbeitslebens auch einmal den Arbeitgeber wechseln kann, ohne dass sich familiäre Probleme oder Beziehungsstress ergeben. Ohne dass man einen zu großen Teil des Lebens am Steuer, in der Bahn oder gar im Flugzeug verbringen muss. Sie hat einen Arbeitsmarkt, der es modernen berufstätigen Paaren ermöglicht, die je eigenen beruflichen Wünsche zu realisieren.

 

Überhaupt ermöglichen es Städte, festgelegte Lebensentwürfe zu verlassen und die eigenen zu finden. 

 

Und gerade in den Städten ergeben sich immer wieder Chancen für diejenigen, die es bisher oder an anderen Orten schwer hatten. Der Prozess der gesellschaftlichen Gleichstellung von Männern und Frauen erhält seine wichtigsten Impulse immer wieder aus den Städten. Dasselbe gilt für die Integration von Zuwanderern, die für die Entwicklung der Stadt mindestens so bedeutend sind. 

 

Und darum können wir einigermaßen sicher sein, dass mit einer Umkehr des Trends zu den großen Städten nicht zu rechnen ist. Edward Glaesers Postulat vom ‚Triumph of the City‘ ist ein säkulares Thema.

 

Die Dynamik der wachsenden Städte entsteht aus den Hoffnungen der eingesessenen und der neuen Bürgerinnen und Bürger; ihren Hoffnungen auf ein gutes oder besseres Leben, die sie nur in der Stadt realisieren können.

 

Auch Wien und Hamburg sind Hoffnungsstädte.

 

3 Es müssen optimale Bedingungen für diese Dynamik geschaffen werden / Hoffnung dürfen nicht enttäuscht werden

Als Bürgermeister Hamburgs stehe ich gemeinsam mit meiner Regierung vor der Aufgabe, diese Hoffnungen der Hamburger zu erfüllen und der Dynamik optimale Rahmenbedingungen zu bieten. Keine wachsen-wollende Stadt wächst von selbst, sondern man muss schon ein paar Hindernisse aus dem Weg räumen.

 

Wir müssen dem Fortschritt die Möglichkeit geben sich weiter zu entwickeln, ihn praktisch organisieren und gestalten. Nur so können wir Hamburgs Zukunft als europäische Metropole steuern. 

 

3.1 Integration 

Erstes Beispiel: Integration. Es hat Versäumnisse und nicht nur das, es hat auch eine falsche Denke gegeben. Nämlich Einwanderer zu wenig als das zu erkennen, was sie in ihrer Gesamtheit doch sind: Hoffnungsträger. Männer, Frauen, Jugendliche, Kinder, die durch ihr Wissen, ihre Erfahrungen, ihre Lebensart einer Stadt neuen Optimismus, neue Kraft geben, zusammen mit denen, die schon seit Generationen da sind.

 

Und ich meine das nicht allein mit Blick auf die Demografie und die Zukunftsfähigkeit unserer Sozialsysteme.

 

Aber auch hier sind es ja gerade die großen Städte, die zum Teil jahrhundertealte Erfahrungen mit dem Zusammenleben und Integrieren verschiedenen Kulturen haben. An die knüpfen wir an, wenn wir zum Beispiel alle Vierteljahr unsere oft sehr berührenden Einbürgerungsfeiern im Rathaus zelebrieren. 

 

Als Ankunftsstadt eröffnen wir den neuen Bürgerinnen und Bürgern Perspektive. 400.000 der 1,8 Millionen Bewohner unserer Stadt sind Zuwanderer oder deren Kinder. Mehr als 200.000 haben bisher keinen deutschen Pass. 137.000 leben aber schon so lange in Deutschland, dass sie eigentlich die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben könnten. Darum schreibe ich die jetzt nach und nach an und werbe als Bürgermeister für die Staatsbürgerschaft. Hamburg zählt dieses Jahr bereits ein gutes Drittel mehr Anträge und die Zahl der Beratungsgespräche ist sogar um mehr als die Hälfte angestiegen! 

 

3.2 Wohnraum 

Zweites Beispiel: Wohnen. Wir müssen genügend Wohnraum - für Alt- und Neuhamburger - in guter Qualität schaffen. 

 

Der Hamburger Senat hat eine beispiellose Wohnungsbau-Offensive gestartet, vielleicht das größte Wohnungsbauprogramm in Deutschland. Unser Ziel sind 6.000 neue Wohnungen pro Jahr; 2011 wurden immerhin schon 6.800 genehmigt. Ich bin guter Dinge, dass wir die Dynamik in den nächsten Jahren aufrechterhalten können. Und wir dürfen anders als im vergangenen Jahrzehnt nicht wieder damit aufhören.

 

Wir haben uns mit den Bezirken die auf diesem Gebiet das operative Geschäft betreiben und der Immobilienwirtschaft auf gemeinsame Ziele verständigt: zum Sozialwohnungsbau, zum Klimaschutz, zur Integration von Wohnungsnotfällen und zur Erhaltung des Stadtbildes, das heißt bei uns vor allem: der Backsteinstadt Hamburg.

 

Eine solche Wohnungsbauoffensive ist aber nicht nur eine Frage von mehr Quantität, sondern auch von mehr Qualität. Das Ziel ist ein familiengerechtes, ökologisch verträgliches, modernes, einfallsreiches Bauen für Menschen, die stadtnah wohnen wollen, inmitten guter Infrastruktur. Und in einer Umgebung, in der sie gern ihre Kinder aufwachsen sehen.

 

Das alles sind Ziele, die innerhalb der jetzigen Stadtgrenzen verwirklicht werden müssen. Bezahlbaren Wohnraum zu angemessenen Bedingungen kann man nicht allein dadurch schaffen, dass man in der Fläche soweit noch vorhanden weitere neue Baugebiete erschließt. Deshalb müssen wir uns an den Gedanken gewöhnen, hier und da wieder dichter und höher zu bauen, wenn wir weitere Eingriffe in empfindliche Naturräume vermeiden wollen, also statt zwei: viergeschossig oder statt vier: sechsgeschossig zu bauen. Hamburg verträgt das. Berlins Fläche ist um knapp ein Fünftel größer als die Hamburgs. Berlins Einwohnerzahl liegt aber um mehr als 90 Prozent über unserer.

In Wien wird dies übrigens ähnlich gehandhabt: Auch hier werden bestehende Wohngebiete verdichtet, beziehungsweise es wird höher gebaut, denn laut neuem Wiener Stadtentwicklungsplan 2015 sollen 50 Prozent der Stadt Grün- und Erholungsflächen bleiben. Allein 2011 sind laut Jahresbericht gut 8.500 Wiener Wohneinheiten gefördert neu errichtet oder im Zuge einer Sanierungsoffensive gefördert saniert worden.

 

3.3 Infrastruktur

Dritter Punkt: Wir müssen die Infrastruktur für die wachsende Nachfrage nach Leben in der Stadt entwickeln. Die überregionalen Verkehrsprojekte machen mehr Schlagzeilen, aber mindestens so bedeutsam ist es, den innerstädtischen Verkehr zu modernisieren: mit S-Bahnen, U- Bahnen, Bussen, Fahrrädern, Carsharing und Elektromobilität. 

 

Ich bin immer etwas skeptisch, wenn irgendwer für uns alle feststellt, wie "wir" in Zukunft mobil sein werden. Aber wenn einige von uns künftig ganz auf ein eigenes Auto verzichten und wenn viele von uns immer öfter das eigene Auto nicht benutzen, wäre schon viel gewonnen. Aber das wird nur gelingen, wenn wir diese hunderttausenden oder millionen Einzelentscheidungen unterstützen. Spontan und unkompliziert nutzbare Systeme von Car-Sharing, Mietautos und Leihfahrrädern müssen den zunehmend ausgebauten und vernetzten öffentlichen Verkehr ergänzen.

 

Spontan und unkompliziert nutzbare Systeme sind das, was wir brauchen. Die sind übrigens nicht nur attraktiver, sondern auch effektiver als der Versuch, die Zukunft des Verkehrs durch Verbote voranzubringen!

 

Ach ja, unsere Städte sind noch lange nicht zu Ende gebaut. Das gilt für den Wohnungsbau, den wir immer fortsetzen müssen. Das gilt aber auch für den öffentlichen schienengebundenen Nahverkehr. Wir werden auch in den 20er und 30er Jahren dieses Jahrhunderts noch S- und U- Bahnlinien verlängern und neu bauen.

 

Wir werden das vorhandene Bussystem in Hamburg zu einem hochmodernen System entwickeln. Wir sind dabei, Kapazitäten zu erhöhen, weitere Busspuren und Vorrangschaltungen an Ampeln einzurichten, zusätzliche Busse anzuschaffen. Ein Schritt ist das Busbeschleunigungsprogramm, mit dem wir hoch belastete Bus-Linien stärker und verlässlicher machen. Ab 2020 schaffen wir nur noch emissionsfreie Busse an.

 

Bestehende Bahnlinien werden ausgebaut, neue Bahnlinien kommen hinzu. 

 

Wir arbeiten zudem gemeinsam mit dem Bund daran, dass Hamburg mittels Elektromobilität leiser und emissionsfreier wird. Derzeit sind bereits 350 Elektrofahrzeuge im Einsatz, die über die Stadt verteilt an bislang 200 Stationen aufgeladen werden können. Eine leise Stadt kann an ganz neuen Orten bewohnt und bebaut werden. Vielleicht richten sich die Balkone dann wieder zur Straße aus. Und Elektrobusse, zum Beispiel mit Wasserstoff-Brennstoffzellen betrieben, können an Orten und nahe an Gebäuden, vielleicht sogar durch Gebäude fahren, wo das bisher undenkbar schien.

 

3.4 Eltern in der Stadt

Viertens muss die Stadt berufstätige Eltern auch und vor allem dadurch unterstützen, dass sie ein gutes, für alle erreichbares Angebot von Krippen, Kitas und Schulen mit Ganztagsbetrieb gewährleistet. Ich glaube, dass viele Städte schon längst anders aussähen, wenn wir früher gelernt hätten, sie aus der Perspektive berufstätiger Eltern zu betrachten. Die werden Arbeitsplätze und Städte in wachsendem Maße auch danach beurteilen und auswählen, wo sie als Familie funktionieren können, sprich: wo die eigene berufliche Entfaltung mit der Erziehung der Kinder nicht länger unlösbare Konflikte aufwirft. Und viele Unternehmen werden dies im Hinblick auf ihre Fachkräfte bei Standortentscheidungen berücksichtigen.

Auch Österreich hat dies erkannt und, wie ich mit Interesse erfahren habe, die Zahl der betreuten Kinder seit Jahren stetig erhöht. Mehr als 87.000 Kinder befanden sich 2011 in Wiener Kinderbetreuungseinrichtungen. 

 

3.5 Bildung

Fünftens ist gute, exzellente Bildung das A und O. Jeder und jedem steht die Chance auf gute Bildung zu und dies ist geradezu der Lackmustest schlechthin: ob es gelingt, aus diesem Postulat dem ja theoretisch alle zustimmen Realität werden zu lassen und alle jungen Leute mitzunehmen.

 

In Hamburg wollen wir konkrete Verbesserungen der Bildungsangebote an sämtlichen Meilensteinen auf den Weg bringen, vom 1. Schultag bis zum Abitur, zur Meisterprüfung oder was es ist. Unser klares Ziel und mein ganz persönliches Anliegen: Alle Jugendlichen sollen nach der Schule entweder eine Berufsausbildung oder ein Studium beginnen können und es auch wirklich tun. Bei der Berufsausbildung werden wir jeden Einzelnen genau begleiten, der nach der 10. Klasse zum Beispiel die Stadtteilschule verlässt, bis es mit der Lehre geklappt hat. Ich füge hinzu: Ob die jungen Leute wollen oder nicht! Wir wollen den Kindern der Stadt Hamburg optimale Rahmen- und Startbedingungen ins Berufsleben ermöglichen.

 

Um das zu erreichen, fördern wir Bildung in allen Bereichen und Altersstufen: 

 

Es soll ein für alle gut erreichbares Angebot an Krippen und Kitas geben. Die halbtägige, das heißt 5-stündige Betreuung wird gebührenfrei sein. Grundschulklassen sollen maximal 23 Schüler umfassen, in Gebieten mit weniger guten Bildungsvoraussetzungen sogar nur 19.

 

Wir fördern Gymnasien und Stadtteilschulen, die beide zum Abitur führen können, sowie duale Ausbildungen und berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten, die es ermöglichen, auch ohne Abitur nach einer Aufnahmeprüfung zu studieren. 

 

Auch zur Förderung der Kinder und nicht nur aus der schon angesprochenen Perspektive ihrer Eltern werden fast alle Krippen, Kitas, Grundschulen und sehr viele Schulen ganztags stattfinden.

 

Wir unterstützen Universitäten Hochschulen und Bildungsinstitute, die lehren, forschen und neue Denkanstöße liefern, wie das Wiener Institut von der Wissenschaft vom Menschen. 

 

Diese Rahmenbedingungen sollen den Jugendlichen unabhängig von den sozialen und finanziellen Verhältnissen Ihres Elternhauses zur Verfügung stehen. Daher haben wir zum Beispiel die sozial ungerechten Studiengebühren zum Wintersemester 2012/2013 abgeschafft.

 

Eine sozial gerechte Gesellschaft erkennt man auch daran, dass Herkunft und Geldbeutel möglichst wenig über die Erfolge in der Bildung entscheiden. Das ist für mich ein hohes Ziel, vielleicht eines der höchsten überhaupt, das sich Politik in unserer Zeit setzen kann. 

 

 

3.6 Förderung neuer Ideen

Ein sechster Punkt besteht darin, Möglichkeiten zu verbessern, damit neue Ideen und Denkrichtungen sich entwickeln und miteinander austauschen. 

 

Firmen und start-ups werden in aller Regel nicht in Büros am Schreibtisch gegründet, sondern vielmehr auf dem Weihnachtsmarkt oder abends beim Bier oder Heurigen. Es geht darum, ein Klima der Kreativität und des unternehmerischen Mutes zu schaffen. Wo, wenn nicht in der Stadt, können diese beiden Tugenden blühen? Die Gründer brauchen die Stadt als Milieu, um weltweit aktiv sein zu können.

 

Auch durch Bildung und Forschung werden neue Blickwinkel ermöglicht. Es entstehen neue Denkrichtungen, Ideen und Innovationen, die Fortschritt ermöglichen. 

 

Es können auch auf den ersten Blick schräg erscheinende Ideen sein. Der US-Ökonom Richard Florida geht sogar soweit, dass er die Querköpfe einer Gesellschaft als entscheidend für den wirtschaftlichen Fortschritt erachtet. Wenn es gelingt, sie in die Stadt zu holen, werden - seiner Meinung nach - auch die anderen Vorhaben neuen Schub erhalten. Deshalb müsse eine Stadt gerade für Kreative zum Magneten werden. 

 

Die etwas modische Rezeption Richard Floridas und die einseitige Fixierung auf die Creative Class verfolge ich zwar mit einer Skepsis. Von der Creative Class allein wird die Stadt natürlich nicht leben können auch in ihren Büros muss jemand die Heizung justieren aber es ist einsehbar, dass neue Ideen und Denkrichtungen zu jeder Jahreszeit auch ein kreatives Klima brauchen, dass sie geteilt und gehört werden, sich gegenseitig befeuern können. 

 

Auch deshalb sind Institutionen wie das Wiener Institut von der Wissenschaft vom Menschen, welches den geistigen Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft sowie zwischen einer Vielzahl von Disziplinen und Denkrichtungen fördert so wichtig. 

 

3.7 Industriesektor/ Hafen

Siebtens müssen wir neben der Industrie und den Innovationsclustern unseren Hafen stärken. Den kennt vermutlich auch mindestens jeder zweite Wiener, und neben vielem anderen zieht in Hamburg der Hafen auch die meisten Touristen an. Aber davon abgesehen, steht fest: Nur mit einem Hafen, dem ständig die denkbar besten Entwicklungsmöglichkeiten offen stehen, haben Hamburg und seine Metropolregion im globalen Wettbewerb auf Dauer eine Chance.

 

Deshalb unser Drängen auf die Fahrrinnenanpassung der Elbe und darauf, dass auch die so genannten Hinterland-Anbindungen Straßen und ganz besonders auch Schienenwege dem jeweiligen State of Art und den wachsenden Anforderungen gerecht werden.

 

Wir sagen gern und meinen es so: Unser Hafen ist auch der Hafen für Sachsen, Bayern, Tschechien und Österreich. Er verbindet wenn auch nicht auf ganz direktem Wasserweg Wien und Hamburg. Seit Jahrhunderten bestehen enge Beziehungen zwischen der Alpenrepublik und der Hansestadt.

 

Deswegen ist Hamburg seit langem mit einer Repräsentanz des Hafens in Wien vertreten - heute Mittag habe ich Gespräche mit Vertretern beider Städte zum Thema geführt. 

 

Die Repräsentanz stellt für uns eine bedeutende Schnittstellenfunktion nach Süd-Ost-Europa dar. Durch die Nähe zum österreichischen Markt und zum Süden und Osten Europas kann die Repräsentanz frühzeitig auf sich verändernde Anforderungen reagieren und diese in Abstimmung mit den Hamburger Partnern umsetzen. Im Gegenzug ist unser Hamburger Hafen für den österreichischen Export einer der wichtigsten Umschlagplätze und der umschlagstärkste Containerhafen für Österreichs Wirtschaft. 

 

3.8 Energie

Achtens müssen wir die Energiewende vorantreiben. Städte sind die Verursacher eines großen Teils der Emissionen. Das ist nicht verwunderlich. Schließlich werden dort die meisten wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet und leben dort die meisten Menschen. Sie sind aber auch die Orte, wo die technologischen Entwicklungen entwickelt und eingesetzt werden können, die den Klimawandel begrenzen können. In Hamburg wird ebenso wie in ganz Deutschland und Europa - dem Einsatz der Windkraft große Bedeutung zukommen, erst recht nach dem in Deutschland beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie.

 

Zwar findet die Produktion des Windstroms onshore und offshore vorwiegend außerhalb statt. Aber Hamburg ist der Ort vieler Unternehmenszentralen der Windbranche und von Forschungsinstitutionen, denen es um die Windenergie geht. Vor allem aber sind wir ein zentraler Nutzer der Windenergie. Und deshalb müssen wir Speicher bauen und die Umwandlung des Windstroms in Wasserstoff oder Gas voranbringen.

 

Und wir müssen darauf drängen, dass die großen Leitungsnetze schnell entstehen, die den Strom von der Nord- und Ostsee überhaupt erst in dorthin bringen, wo er gebraucht wird.

 

4 Schlussworte 

Hamburg, davon sind wir überzeugt, und die Zahl seiner Einwohner können so wachsen, dass Wohlstand, Lebensqualität, Wirtschaftskraft, Kultur und Wissenschaft davon profitieren. Der Fortschritt und die Zukunft gehören den Städten

 

Ich kann, wenn ich große Städte erlebe, wie auch jetzt Wien, nicht anders als fasziniert sein: davon, was sich bewegen lässt, wenn man es will. Davon, was das Fortschritts-Laboratorium Stadt leisten kann. 

 

Gutes Zusammenleben und die Lebensqualität einer Stadt hängen von mehr ab als von Bildung und kultureller Integration. Aber umgekehrt können Bildung und kulturelle Integration den Rahmen schaffen, in dem städtisches Zusammenleben gelingen kann.

 

Dazu braucht es den Mut und die Zuversicht, die Chancen des Wandels zum Besseren zu nutzen. Hamburg und Wien haben diesen Mut und diese Zuversicht.

 

Vielen Dank.

 
 
Es gilt das gesprochene Wort.