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19.06.2014

Das Wachstum der großen Städte und der Wohnungsbau Rede zum Verbandstag des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen (VnW)

Das Wachstum der großen Städte und der Wohnungsbau Rede zum Verbandstag des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen (VnW)

 

 

Sehr geehrter Herr Dankowski,
sehr geehrter Herr Dr. Wege,
sehr geehrte Frau Staatsministerin,

sehr geehrter Herr Gedaschko,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

Wortschöpfungen verraten etwas über die Zeit, in der wir leben. Frisconization ist so ein neues Wort, das derzeit in den USA die Runde macht. Wahrscheinlich nur in den Medien, denn die Bewohner von San Francisco erkennen an dieser Abkürzung Frisco für ihre Stadt sofort den ortsfremden Ignoranten. So oder so geht es um keinen Softdrink, sondern darum, dass die Stadt der Internet-Millionäre für normal verdienende Bewohner zunehmend unbezahlbar wird. Das sehen auch und gerade die Einheimischen so.

Und sie stehen damit nicht allein. Egal wo wir hinschauen: Große Städte und Metropolen wirken wie Magneten und wer dann keine Wohnungen baut, muss erleben, dass sich Krankenschwester oder Feuerwehrmann, Kindergärtnerin oder Handwerker, Auszubildende und Rentner die Stadt nicht mehr leisten können.

San Francisco hat deshalb mit viel Verspätung eine affordability agenda ausgerufen. Man will Wohnungen bauen, auch für Bezieher niedriger Einkommen.

Wir in Hamburg können das auch und beweisen es schon seit Jahren.

Ich freue mich, dass der Verbandstag Norddeutscher Wohnungsunternehmen nach 2012 in Rostock und 2013 Kiel nun wieder in Hamburg stattfindet. Beim vorigen Mal, 2011, stand das Thema Wohnungsbau schon ganz oben auf der Agenda und ich habe um die Zeit zum Stand der Dinge gesagt:

Wir haben in den vergangenen Jahren strukturell zu wenige Wohnungen gebaut. Wir brauchen 6.000 neue Wohnungen pro Jahr, um das entstandene Defizit auszugleichen. 6.000 Wohnungen zum Teil öffentlich gefördert, zum größeren Teil privat gebaut. Daran halten wir fest.

Der letzte Satz gehört zum damaligen Zitat und gilt natürlich weiterhin.

2011 fehlten in Hamburg etwa 40.000 Wohnungen. Das war nicht wenig: gut vier Prozent auf den Bestand hochgerechnet. Und wir alle wissen: Wohnungsbau braucht Zeit. Umso mehr freue ich mich über die Bilanz nach etwas mehr als drei Jahren. In der bisherigen Legislaturperiode hat Hamburg insgesamt für 30.087 Wohnungen Baugenehmigungen erteilt. Allein 2013 hatten wir mit mehr als 10.300 Genehmigungen und genau 6.407 fertig gestellten neuen Wohnungen ein hervorragendes Jahr. Das ist eine Bilanz, auf die wir gemeinsam stolz sein können.

Gemeinsam, denn ohne das Bündnis für das Wohnen in Hamburg, in dem auch der VnW Unterzeichner und eine starke Kraft ist, hätten wir das nicht geschafft. Dafür danke ich Ihnen herzlich. Und ich bin optimistisch, dass wir diese Wohnungsbautätigkeit über Jahre hinweg auf hohem Niveau halten werden.

Meine Damen und Herren,
nun habe ich es eben in einem Nebensatz versteckt: Große Städte und Metropolen wirken wie Magneten. Natürlich ist das kein Nebensatz, sondern darum geht es. Es wäre eine sehr defensive, und im Grunde armselige Argumentationslinie zu sagen: Da kommen immer mehr Leute, und wir haben nicht genug Wohnraum, schon gar nicht bezahlbar, und dabei lasten doch schon die Folgen der Gentryfizierung auf uns und unseren Quartieren.

Nein, ganz anders wird eine mutige und logische Argumentationskette daraus, und Sie kennen meine Überzeugung: Städte, insbesondere große Städte, wachsen deswegen, weil sie für das Versprechen einer besseren Zukunft stehen. Städte dürfen wachsen, wenn sie dieses Versprechen einlösen. Wenn sie verstanden haben, dass es gut ist, wachsen zu wollen.

Städte schwingen in einer eigenen Tonart. Es waren Städte, in denen die Demokratie erdacht und gelebt wurde. Es waren Städte, in denen die großen Erfindungen gemacht wurden. Es waren Städte, in denen Wissen und Wohlstand zum Allgemeingut wurden. Nicht von ungefähr haben wir diese Sätze in unsere Hamburger Regierungserklärung hineingeschrieben.

Auch heute sind es wieder die Städte, in denen sich entscheidet, wie die Welt des 21. Jahrhunderts aussieht. Sie sind Labore, in denen ausprobiert werden kann, was sich anderswo noch niemand traut. Auch Hamburgs Geschichte ist durchzogen von diesem Mut zum Wandel und das muss weitergehen.
Wohnraum ist eines der Wachstumsfelder. Denn was macht Städte attraktiv und lebenswert? Guter und bezahlbarer Wohnraum in ausreichender Menge. Aber auch und nicht zweitrangig: Gute, lückenlose Bildungsangebote, eine exzellente Betreuung in Kindergärten für die Familien; Angebote zum Einkaufen und für Freizeit und Erholung, kulturelle Highlights. Ein attraktives intermodales Nahverkehrsangebot. Und? Eine attraktive und lebenswerte Stadt muss auch schön sein.

Wenn das alles gewährleistet ist, dann können wir guten Gewissens um sie werben, um all die neu zuwandernden Hamburgerinnen und Hamburger, die ihrem pursuit of happiness hier weiter folgen wollen.

Und einen guten Teil davon bringen wir ja schon gemeinsam auf den Weg, meine Damen und Herren! Das Bündnis für Wohnen ist etwas Besonderes.

Kein Wunder also, wenn dieses Bündnis bundesweit Vorbildcharakter bekommen hat. Vorbildcharakter auch, weil Behörden, Bezirke, Wohnungswirtschaft und Mietervereine zusammenarbeiten und sich im ständigen Austausch befinden.

Vorbildcharakter hat das Bündnis auch deshalb, weil es einen Interessenausgleich über wohnungspolitische Fragestellungen herstellt. Das Bündnis nimmt weiterführende Themen auf und diskutiert sie. Die Partner informieren sich gegenseitig und teilen ihr Wissen.

Das ist aufwändig. Wir haben die Anzahl der Treffen der unterschiedlichen Arbeitsgruppen und des Plenums gezählt. Rund 35 Sitzungen gab es seit Anfang 2012, die ja jeweils auch mit Vor- und Nachbereitungen verbunden sind. Zudem dauern konsensorientierte Entscheidungsfindungen manchmal ein wenig länger, weil wir alle einbinden und Meinungen und Argumente hören wollen.

Aber der Aufwand lohnt sich. Die Zahl der steil angestiegenen Baugenehmigungen und die fertig gestellten Wohnungen habe ich bereits erwähnt. Mit dabei sind mehr als 2.000 neue Sozialwohnungen, die wir seit 2011 jedes Jahr bewilligt haben, nach der eigenen Vorgabe: ein Drittel. Ihre Unternehmen haben daran einen großen Anteil.

Neue Themen, zum Beispiel aus dem jüngsten Koalitionsvertrag auf Bundesebene, führen zu neuem Input in das Bündnis, die wir hier sicherlich auch kontrovers diskutieren müssen und werden. Gerade in einer Mieterstadt wie Hamburg ist das bezahlbare Wohnen in guten Quartieren ein wesentliches Politik-Ziel und wird es bleiben.

Wir werden dabei nicht aus den Augen verlieren, dass sich das Investitionsklima und die gesetzlichen Grundlagen für Neubau- und Bestandsinvestitionen in Deutschland insgesamt nicht verschlechtern dürfen.

Meine Damen und  Herren,
das Bündnis für das Wohnen ist aber sehr viel mehr als ein Bündnis für mehr Wohnungen. Zum Beispiel haben wir einen neuen Kooperationsvertrag mit der Zielsetzung geschlossen, mehr Wohnraum für obdach- und wohnungslose Personen bereitzustellen. Wir wollen dadurch möglichst vermeiden, dass Familien mit Kindern ihre Wohnungen verlieren und wir wollen Frauen und Männer mit Behinderungen in den Wohnungsmarkt integrieren.
Die beiden Behörden für Stadtentwicklung und Umwelt sowie Arbeit, Soziales, Familie und Integration haben allen wohnungswirtschaftlichen Verbänden aus dem Bündnis also nicht nur den Genossenschaften, sondern erstmals auch den freien Wohnungsunternehmen ein Angebot übersandt für den Abschluss eines Kooperationsvertrages zur Versorgung wohnungsloser Haushalte. Die SAGA GWG hat die neue Fassung des Kooperationsvertrags bereits unterschrieben, ebenso zwei Genossenschaften. Dieser neue Vertrag ist ein großer Schritt für die langfristige Versorgung mit Sozialwohnungen und hat Signalwirkung für die anderen Wohnungsunternehmen.

Das besondere an diesem neuen Kooperationsvertrag ist, dass er Verpflichtungen der Wohnungsunternehmen in Form von feststehenden Flatrates vorsieht. Flatrate heißt in diesem Fall: Die Kooperationspartner sollen eine feste Anzahl von Wohnungen für Wohnungslose bereitstellen, so dass wir unabhängig vom tatsächlichen Sozialwohnungsbestand Wohnungslose integrieren können. Das Bündnis für das Wohnen ist damit auch ein Bündnis für die soziale Stadt.

Meine Damen und Herren,
wir haben einen Gesprächskreis zu dem Thema Servicequalität beim Baugenehmigungsverfahren eingerichtet. Wir haben miteinander ein Konzept zur sozialverträglichen Modernisierung von Mietwohnungen etabliert. Wir haben ein Beratungs- und Qualitätssicherungsverfahren eingeführt, das den Erhalt der typischen Hamburger Backsteinfassaden bei geförderten Modernisierungen zum Ziel hat.

Wir haben im Austausch mit Ihnen bei der Wohnraumförderung eine Überprüfung der Baukostensteigerungen vorgenommen. Jetzt planen wir, die überdurchschnittlich angestiegenen Baukosten in Hamburg im Laufe des Jahres durch eine Subventionserhöhung in der Mietwohnungs-Neubauförderung auszugleichen. Auch die Anforderungen zu den Wohnungsgrößen und -grundrissen in der Mietwohnungs-Neubauförderung wurden auf Ihre Anregungen hin flexibilisiert.

Meine Damen und Herren,
Stadtleben ist wieder in. Das habe ich vorhin nicht nur theoretisch so postuliert, sondern man sieht es im Alltag: dass es einen Trend zurück in die Stadt gibt. Und egal ob es sich um junge Familien handelt, Singles, Paare oder Studenten und Auszubildende, die Lebensstile und die damit verbundenen Wohnvorstellungen der neuen Stadtbürger sind durch relativ ähnliche Muster geprägt. Eine zentrale Rolle spielt für sie immer die Nähe zum Ausbildungs- oder Arbeitsplatz und die Lebensqualität in einem attraktiven Wohnumfeld mit einem guten Angebot an Kultur, Gastronomie und Versorgungsinfrastruktur.

Das hat Konsequenzen, denn der eingeengte Blick auf so viele neue und bezahlbare Wohnungen wie möglich hatte unter anderen Voraussetzungen schon in den 1960er und 70er Jahren Folgen. Ein Ergebnis war Die gemordete Stadt, wie der Schriftsteller Jobst Siedler sie 1964 nannte. Doch Städtebauer haben aus den Fehlern von damals gelernt. Heute geht es bei Wohnungsbauprojekten immer auch um das gute Leben in der Stadt, um das Heimischwerden im Quartier, das als das eigene empfunden wird. Dazu gehören Freiräume für Begegnungen und zum einfach-mal-hier-so-sitzen, um den unvergesslichen Loriot zu zitieren.
Wir wollen mehr Stadt in der Stadt. Wir brauchen und wir wollen dichtere, hier und da auch höhere Bebauung, Neubau und Erhaltens-Investitionen, um das Flair der gewachsenen Stadt zu erhalten. Denn historische Bauten geben einer Stadt ein unverwechselbares Gesicht, sie sind Zeugnisse einer Geschichte und damit Anknüpfungspunkt für die Identifikation der Bewohner für die Alteingesessenen ebenso wie für die Neubürger.

Soziologen wie Hartmut Häußermann haben schon Ende der 90er-Jahre folgenden Widerspruch benannt, ich zitiere:

Eigentümlicherweise wachsen die Wohnfläche und der Wert ihrer Ausstattung sprunghaft, während das, was in der Wohnung notwendigerweise noch erledigt werden muss, rapide zu schrumpfen scheint. Zitat Ende.

Er führt das darauf zurück, dass die Großstädter heute nicht nur schöner wohnen wollen, sondern für sie zählt mehr denn je, eingebettet zu sein ins Quartier. Sie wollen in einem Umfeld leben, in dem die öffentlichen Räume, die Plätze, die Straßen und Parks ebenso einladend sind wie der Lieblings-Italiener, die Kinos, die Einkaufsmöglichkeiten, die Kindergärten und Schulen. Der öffentliche Raum wird zum Lebensraum und mit etwas Glück singen die Amseln lauter als das urbane Grundrauschen ist.

Für eine wachsende Stadt wie Hamburg ist es somit eine doppelte Herausforderung, das Wohlfühlen im Quartier, wie das heutige Thema lautet, zu gewährleisten. Angesichts der begrenzten Ressource Fläche sind Freiräume quantitativ nur begrenzt vermehrbar. Lösungsansätze sind nötig, die jenseits quantitativer Richtwerte in verdichteten Stadtquartieren die Freiraumqualität und damit die Wohn- und Lebensqualität erhalten und verbessern.

Dem soll dienen, was sich etwas militärisch Qualitätsoffensive Freiraum nennt. Es ist ja auch ein strategischer Ansatz, aber statt um Landnahme geht es um die Verbesserung der Freiraumqualitäten in der verdichteten Stadt. Das schwierige Ziel ist, die an Grün- und urbane Freiräume gebundene Qualität auch in einer kompakter werdenden Stadt zu erhalten und angepasst an neue städtebauliche Herausforderungen weiter zu entwickeln.

Praktisch heißt das: Neue Wohnungsbauvorhaben und zunehmende Verdichtung soll immer mit dem Aufwerten von öffentlichen und privaten Freiräumen im Quartier einhergehen, also von Grün- und Parkanlagen, Straßenräumen, Stadt- und Spielplätzen genauso wie von privaten Nischen.

Besonders in Lagen mit bereits hoher Dichte können bei Neubauvorhaben häufig nicht alle Funktionen auf dem eigenen Grundstück realisiert werden. Verdichtete Stadtstrukturen erfordern daher mehr grundstücksübergreifende Lösungen und abgestimmte Konzepte mit den Nachbarn sowohl auf privaten als auch öffentlichen Grundstücken. Wer Nachbarn hat, weiß, wie kommunikativ das sein kann.

Viele Projekte, mit denen sich der Anspruch verbindet, Freiraumqualitäten in der kompakten Stadt zu erhalten und neue Qualitäten zu schaffen, hat Hamburg schon realisiert oder auf den Weg gebracht, zum  Beispiel:

  • den Lohsepark in der HafenCity,
  • das Projekt Mitte Altona mit dem neuen Stadtteilpark,
  • den Wohnungsbau im Baakenhafen der HafenCity mit der geplanten Spiel- und Freizeitinsel im Hafenbecken,
  • den Wilhelmsburger Inselpark,
  • den Quartierspark auf der Harburger Schlossinsel,
  • die im Bau befindlichen Wohnungen am Suttnerpark,
  • das realisierte Wohnungsbauprojekt Quartier 21 mit seinem grün geprägten Wohnumfeld.


Zum Grün in der Stadt gehören beispielsweise Dachgärten. Sie können als Freizeit-, Sport- und Spielflächen genutzt werden. Aber die Vorteile gehen weit über die der individuellen Nutzer hinaus. Gründächer wirken sich positiv auf das Stadtklima aus. Sie bieten Lebensraum für Pflanzen und Tiere, sie halten 50 bis 90 Prozent der anfallenden Niederschläge zurück und helfen so, in Neubaugebieten durch kleinere Siele und Rückhaltebecken Kosten zu sparen. Sie schirmen im Sommer gegen Hitze ab und sorgen im Winter für Wärmedämmung und verbessern so die Energiebilanz von Gebäuden. Deshalb unsere Gründachstrategie.

Und um noch einen Blick in die Zukunft zu werfen, der auch für die Wohnungsunternehmen an Bedeutung zunehmen wird: Es ist der Trend zum ‚urban gardening‘, als Ergänzung zu den klassischen Gärten privater Nutzer, als gemeinschaftlich genutzte ‚Nachbarschaftsgärten‘ auf privaten Flächen oder ‚Gemeinschaftsgärten‘ auf geeigneten öffentlichen Freiräumen. In Hamburg gibt es mittlerweile mehr als 20 davon.

Einzelne Genossenschaften haben das Thema bereits für sich entdeckt und auf ihren Flächen so genannte Nachbarschaftsgärten realisiert, wie das Blumenmeer in Niendorf Nord, ein Projekt der Baugenossenschaft Freie Gewerkschaften, oder Der Born blüht auf, eine Anwohnerinitiative der SAGA.

Übrigens vergessen wir in Hamburg bei diesem Thema auch das Feiern nicht: nämlich den 100. Geburtstag von Stadtpark und Altonaer Volkspark in diesem Jahr mit mehr als 250 Veranstaltungen.

Meine Damen und Herren,
mit einer kooperativ ausgerichteten Wohnungspolitik erreichen wir unsere zentralen wohnungspolitischen Ziele.

Hamburg gehört zu den großen Weltstädten. Wir müssen uns nicht verstecken. Wir lernen von dem, was andere gut machen; wir sind dabei zu lernen, wie wir Sackgassen  antizipieren und vermeiden können, aus denen sich andere mit großer Mühe, und mit bisher unterschiedlichem Erfolg, jetzt herausmanövrieren müssen.

Wohnungsbau bleibt das zentrale Thema des Senats.

Vielen Dank.

 

Es gilt das gesprochene Wort.