Sehr geehrter Herr Erster Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
es ist mir eine große Freude, Sie begrüßen zu können mit den Worten: Herzlich willkommen als deutsche Bürgerinnen und Bürger in der Hansestadt Hamburg!
Es ist ein wunderschönes Paradox, dass ich Sie frisch willkommen heißen kann, obwohl die Hansestadt Hamburg schon seit Jahren Ihre Heimat ist. Willkommen sagt man eigentlich, wenn jemand gerade ankommt. Tatsächlich, also im wörtlichen Sinn hier angekommen sind Sie aber schon vor langer Zeit. Ich sehe zu meiner großen Freude wieder viele junge Gesichter hier. Ich nehme an, manche von Ihnen sind vielleicht schon hier in Hamburg geboren oder so wie ich selbst auch im jungen Kindesalter hierher gezogen. In dem Fall erinnern Sie sich vielleicht an gar keine andere Heimat als Hamburg. Und trotzdem sind Sie heute noch einmal so genannte Neubürger.
Dies ist ein wichtiger Tag für Sie. Und für uns alle. Denn wir feiern heute gemeinsam eine Entscheidung, die Sie getroffen haben. Wir feiern, dass Sie sich für Deutschland und für Hamburg als Heimat entschieden haben.
Es sind viele unterschiedliche Wege, die uns alle in diese Stadt und heute hier in diesen Festsaal geführt haben. Es gibt ja auch viele gute Gründe, nach Hamburg zu kommen: Manche kommen zum Studieren hierher, oder weil sie hier in Hamburg Arbeit suchen und finden. Manche kommen aus Not und finden hier eine sichere Zuflucht. Ein guter und schöner Grund, hierher zu kommen ist immer wieder auch die Liebe wobei es schon Fälle gegeben haben soll, in denen jemand zwar aus Liebe zu einem Partner oder einer Partnerin nach Hamburg kam, aber später vor allem aus Liebe zur Stadt hier geblieben ist.
Und so wie die Wege auf der Landkarte ganz unterschiedliche waren, waren es wahrscheinlich auch Ihre inneren Wege, die Sie zu der Entscheidung geführt haben, heute als Deutsche hier zu stehen.
Bei manchen von Ihnen wird diese Entscheidung jahrelang gereift sein, bis sie ganz bewusst gesagt haben: Ja, ich fühle mich inzwischen als Deutsche oder als Deutscher. Das Land und die Stadt sind Ihnen mit der Zeit ans Herz gewachsen und zu Ihrer Heimat geworden.
Für manche andere hat die Entscheidung in ihrem persönlichen Gefühl vielleicht immer schon festgestanden zum Beispiel, wenn sie in Hamburg geboren sind, und sich immer zuvorderst als Hamburger verstanden haben, ganz unabhängig davon, aus welchem Land ihre Eltern stammen oder in welchem Konsulat Sie bisher ihren Ausweis beantragt haben.
Heute ist also der Tag, an dem wir feiern, dass Ihre rechtliche Realität in diesem Punkt nun dem entspricht, was Sie für sich schon eine ganze Weile leben. Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass es nicht immer ganz einfach ist, die Gesetze so zu machen und Verwaltung so zu organisieren, dass die Vorschriften und Entscheidungen des Staates mit der Lebensrealität der Bürgerinnen und Bürger auch zusammen¬passen. Deshalb bin ich froh und auch ein bisschen stolz, dass wir in Hamburg so viel Erfolg haben mit unserer Einbürgerungskampagne. In keinem anderen deutschen Bundesland werden so viele Personen eingebürgert wie bei uns. Und das ist großartig.
Offenbar gelingt es uns, deutlich zu machen, dass wir uns freuen, wenn Sie Deutsche werden. Ich schreibe dafür nach und nach mehr als 160.000 Bürgerinnen und Bürgern Briefe mit der Einladung, sich einbürgern zu lassen. 120.000 davon wurden bereits verschickt.
Die Adressaten waren und sind alle Bürger, die oft schon eine ganze Zeit lang die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen, aber sie hatten sich bisher nicht durchgerungen, diesen Schritt auch zu tun. Manchmal hilft es offensichtlich, wenn wir betonen, dass uns die neuen Bürger willkommen sind. Wir wünschen uns, dass sie sich einbürgern lassen. Wir wollen eine Gemeinschaft sein und das auch zeigen. Wir möchten, dass hier alle die gleichen Rechte und Pflichten haben. Wir alle stehen vor der Aufgabe, unsere Zukunft gemeinsam zu erschaffen und zu erarbeiten, und natürlich hilft dabei das Gefühl, dass wir auch alle gemeinsam einer Gruppe angehören, die auch zusammensteht.
Sie wissen sicher, dass Deutschland von Zuwanderung enorm profitiert. Die Wirtschaft profitiert von der Arbeitskraft und dem Know-how von Fachleuten aus der ganzen Welt. Für die sozialen Sicherungssysteme ist die Zuwanderung insgesamt ein Segen, für uns alle lohnt es sich auch finanziell, dass Männer und Frauen aus der ganzen Welt gerne nach Deutschland kommen um hier zu leben und zu arbeiten. Und die Gesellschaft in Deutschland profitiert von dem immensen kulturellen Reichtum, den Migrantinnen und Migranten aus ihrer Heimat mitbringen.
Das ist auch hier in Hamburg so. Wir verstehen unsere Stadt seit jeher als das Tor zur Welt. Wir sind über den Hafen seit Jahrhunderten mit anderen Häfen auf allen Kontinenten verbunden. Aber bei aller Liebe für den Hamburger Hafen, es gibt doch noch etwas Wichtigeres, wenn man mit der Welt verbunden sein will, und das ist der Charakter der Hamburger.
Man sagt uns ja gerne eine gewisse Zurückhaltung nach, aber Sie als Bürger dieser Stadt wissen natürlich, dass dieses Vorurteil das Wesen der Hamburgerinnen und Hamburger jedenfalls nicht erschöpfend beschreibt. Die Einheimischen sind nicht nur zurückhaltend, sie sind vor allem weltoffen. Sie interessieren sich. Sie mögen es, zu wissen, was in der Welt vor sich geht, und sie nehmen die Einflüsse der Welt gerne auf.
Überall in Hamburg findet man die großen und kleinen Zeichen. Ein Beispiel dafür sind die skandinavischen Seemannskirchen unten am Hafen. Als das neue Gebäude der Dänischen Seemannskirche 1952 eingeweiht wurde als Ersatz für das im Weltkrieg zerstörte ursprüngliche Kirchengebäude da hat die Architektur mit dem offenen Kirchturm einiges Aufsehen erregt. So etwas kannte man hier nicht, dass die Kirchenglocke da praktisch im Freien hängt, das kam vielen Hamburgern zunächst mal komisch vor. Aber die Aufregung legte sich sehr schnell, und heute fällt dieses Detail überhaupt niemandem mehr auf. Es ist ganz und gar Hamburgisch geworden.
Und ganz ähnlich haben sich auch die Hamburger selbst im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert: Gut jeder vierte Bürger unserer Stadt hat heute eine Migrationsgeschichte, bei den Kindern ist es beinahe jedes zweite. Die Welt kommt eben nicht nur zu Besuch nach Hamburg, sie wird auch ein Teil der Stadt. Die Einwanderer werden Teil der Stadt, so wie diese Stadt ein Teil ihrer Biografie und ihres Lebens wird. So wie Sie alle ein Teil von Hamburg geworden sind, und Hamburg wahrscheinlich auch ein guter Teil von Ihnen.
Ich habe Sie am Anfang meiner Begrüßung heute willkommen geheißen, obwohl Sie schon lange in Hamburg leben und nicht gerade erst angekommen sind. Lassen Sie mich den Gedanken noch einmal aufnehmen. Denn das Ankommen ist ja nicht nur ein Moment, es ist ein Prozess. Ein oft langwieriger und manchmal ganz schön schwieriger und anstrengender Prozess. Es ist ein äußerer Prozess wenn man eine Wohnung finden muss, eine Arbeit, einen neuen Lebensunterhalt. Vielleicht muss man eine neue Sprache lernen und eine Menge kultureller Feinheiten. Man muss viele neue Leute kennenlernen, ein soziales Umfeld aufbauen und neue Freundschaften schließen. Es soll auch schon Leute gegeben haben, die mussten sich erst an das Hamburger Wetter gewöhnen. Das sind die äußeren Umstände.
Aber Ankommen ist auch ein innerer Prozess. Auch unser Geist braucht eine Weile, bevor er irgendwo heimisch wird. Dieser innere Prozess wird immer wieder geleitet von Fragen: Wer bin ich? Wer möchte ich sein? Was will ich aus mir machen?
Sie alle haben diesen Prozess erfolgreich durchlebt. Sie alle haben für sich Fragen beantwortet und Schwierigkeiten überwunden. Sie sind angekommen.
Das feiern wir heute hier. Lassen Sie es mich deshalb noch einmal sagen zu Ihrer Entscheidung, zu Ihrer Leistung und zu Ihrem Erfolg: Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für Ihren Lebensweg! Herzlich willkommen in Hamburg!
Es gilt das gesprochene Wort.