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26.03.2009

Datenschutz ist Menschenrecht

Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau

 

Jeder von uns hinterlässt im Alltag Datenspuren: wenn wir telefonieren, bargeldlos bezahlen, E-Mails schreiben, uns im Internet oder in überwachten Räumen bewegen.

Der ständige Austausch von Bits und Bytes und der Zugriff auf persönliche Daten sind zur Normalität geworden. Deshalb ist der Schutz der Privatheit eines der drängendsten Bürgerrechtsthemen.

1983 scheint heute fern. Die Kontroverse um die Volkszählung führte zur Geburt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Die Erkenntnisse von damals sind aktueller denn je, wie die jüngsten Skandale im Umgang mit Mitarbeiterdaten gezeigt haben.

Mit dem technischen Fortschritt hat unsere Verwundbarkeit zugenommen. Ein lückenlos überwachter Bürger verlöre seine freie Handlungsfähigkeit und seine Würde. Eine geschützte Privatsphäre ist das natürliche Recht jedes Menschen.

Der Umgang mit Daten im Arbeitsverhältnis ist dabei ein Bereich besonderer Sensibilität. Am Arbeitsplatz ist es meist schlicht nicht möglich, einer Überwachung zu entgehen. Dem Arbeitgeber gehören der Computer, das Netzwerk, die Räume. Deshalb bedarf es gerade hier ausgewogener Regelungen, um Arbeitnehmer zu schützen.

Es kann nicht sein, dass Lebensmitteldiscounter mit Videokameras Mitarbeitertoiletten überwachen, dass zur Korruptionsbekämpfung das Profil eines Eisenbahnschaffners erstellt wird, der sich noch nicht einmal eine eigene Kaffeetasse im Unternehmen besorgen darf.

Zu viele Firmen haben kein Gespür dafür, wann die Grenze zum unzulässigen Übergriff in den Privatbereich überschritten ist. Zwar hat der Arbeitgeber zu Recht ein Interesse an Informationen über seine Mitarbeiter: Informationen über ihre Qualifikationen oder auch potenzielle Einschränkungen, genauso wie über mögliches Fehlverhalten, wenn konkrete Verdachtsmomente vorliegen. Doch es geht um die Balance zwischen Arbeitgeberinteresse und dem Selbstbestimmungsrecht der Angestellten.

Viele der aktuellen Fälle von Mitarbeiterüberwachung sind auch nach geltendem Recht nicht in Ordnung. Doch die Rechtslage ist unübersichtlich und lückenhaft. Deshalb arbeiten wir daran, ein eigenständiges Arbeitnehmerdatenschutzgesetz auf den Weg zu bringen, das alle diese Fragen umfassend regelt.

Anfang März habe ich zu einem ersten Treffen der betroffenen Ressorts und der Sozialpartner eingeladen. Ich will, dass wir noch in dieser Legislaturperiode Eckpunkte für ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz vorlegen.

Und vorab wollen und werden wir deutlicher regeln, dass Arbeitnehmerdaten grundsätzlich nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie auch rechtmäßig erhoben wurden.

Wir müssen mehr Transparenz schaffen - damit glasklar wird, woran sich Arbeitgeber zu halten haben. Damit bekämen Beschäftigte ein Instrument in die Hand, mit dem sie sich wirkungsvoll wehren können. Für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit braucht es klare Spielregeln, und die muss der Gesetzgeber aufstellen.

Wann ist eine Videoüberwachung wegen besonderer Sicherheitsinteressen zulässig, wie zum Beispiel in einer Bank oder einem Kernkraftwerk? Wie weit darf sie gehen? Dürfen E-Mail und Internet kontrolliert werden? Kann es erlaubt sein, in einem Betrieb Detektive einzusetzen? Welche Untersuchungen und Tests von Angestellten sind zulässig? Hier brauchen wir klare Grenzziehungen.

Auch andere Fragen sind noch ungeklärt: Wie schützen wir Beschäftigte, die Verstöße ihres Arbeitgebers melden - Stichwort Gammelfleisch? Bisher kann eine solche "Verletzung der arbeitsrechtlichen Treuepflicht" sogar zur fristlosen Kündigung führen. Das darf nicht so bleiben.

Wir haben eine Regelung zum Informantenschutz fertig verhandelt, die bislang durch die Unionsfraktion aufgehalten wird. Ich hoffe da auf ein Umdenken bei unserem Koalitionspartner.

Die Rolle der betrieblichen Datenschutzbeauftragten muss gestärkt werden. Dazu müssen die Mitbestimmungsrechte des Betriebs- oder Personalrats in datenschutzrechtlichen Fragen erweitert und ein Mitspracherecht bei der Bestellung und Abberufung des Datenschutzbeauftragten festgeschrieben werden.

Besonders schwere Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht sollten wir verbieten. Die Erstellung eines Persönlichkeitsprofils durch umfassende Kontrollen und Datenauswertungen darf niemals zulässig sein. Eine permanente Überwachung durch Kameras oder die Erstellung von Bewegungsprofilen ist nur in Ausnahmefällen vorstellbar, in denen die öffentliche Sicherheit auf dem Spiel steht.

Der Schutz der Persönlichkeitsrechte stärkt auch unseren Wirtschaftsstandort: Unternehmen mit einem von Vertrauen geprägten Betriebsklima sind besonders erfolgreich. Wenn wir im Datenschutzrecht klare Eckpfeiler setzen, erleichtern wir die Vereinbarung von angemessenen Regeln für jedes Unternehmen.

Das wäre ein Gewinn für die Beschäftigten, die Unternehmen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt.

 

Das Gastbeitrag finden Sie auch auf der Internetseite der Frankfurter Rundschau.