Interview mit DEMO - Die Monatszeitschrift für Kommunalpolitik
Seit den 1990er Jahren stagnieren die Realeinkommen vieler und
das Normalarbeitsverhältnis erodiert. Was will die SPD dagegen tun?
Wir müssen das Normalarbeitsverhältnis stärken. Dazu gehören 3 Aspekte. Erstens: Wer einer Vollzeittätigkeit nachkommt, muss davon auch seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Wir brauchen gute Tariflöhne und als Absicherung nach Unten einen Mindestlohn von 8.50 Euro. Zweitens: Wir müssen die zunehmende Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse zurückdrängen. Wie sollen zum Beispiel junge Leute eine Familie gründen, wenn sie sich von Zeitvertrag zu Zeitvertrag hangeln? Ein erster Schritt wäre es die "sachgrundlose Befristung" abzuschaffen, die die Regierung Kohl 1985 eingeführt hat.
In den letzten Jahren wuchs die Zahl der Armen laut einer DIW-Studie von
ca. 10 auf 14-15 Prozent. Was hilft gegen Armut?
Dagegen helfen nur ordentliche Löhne und Anstrengungen, Menschen in Arbeit zu bringen. Wir Sozialdemokraten haben das Ziel der Vollbeschäftigung nie aufgegeben. Diejenigen, die das tun, handeln zynisch und unverantwortlich.
Wie geht die SPD mit immer mehr Aufstockern, prekären Jobs, Leih- und
Zeitarbeit um?
Zum Thema "Aufstocker" ein Stichwort: Mindestlohn! Jeder muss von seiner Hände Arbeit auch leben können.
Im Bereich Leiharbeit ist eine Neuregelung dringend nötig. Im Gesetz zur Leiharbeit steht der Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche Arbeit, es sei denn, dass Leiharbeitsunternehmen hat einen Tarifvertrag." Diese Regelung wurde damals im breiten Konsens - auch mit dem DGB ins Gesetz geschrieben. Wir wollten die Leiharbeit aus der Schmuddelecke holen. Das war auch richtig. Der zweite Teil dieses Grundsatzes wurde leider missbraucht. Bis dahin unbekannte Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände tauchten auf und schlossen Tarifverträge ab, die Dumpinglöhne enthielten. Diesen Missbrauch müssen wir bekämpfen. Für die SPD gilt: "Nach einer Einarbeitungszeit gilt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit."
Selbst in den Aufschwungjahren 2005/8 blieb die Zahl schwer
vermittelbarer SGB-II-Bezieher stabil...
Ein wichtiger Hebel ist, die Zahl der Vermittler in den Arbeitsagenturen zu erhöhen. Besonders junge und ältere Arbeitslose brauchen besondere Unterstützung. Dazu kommen die bereits angesprochenen Anstrengungen neue Jobs zu schaffen.
Früher hieß es oft: Sozial ist (alles), was Arbeit schafft. Was meint die
SPD, wenn sie heute gute Arbeit fordert?
Arbeit bestimmt unser Leben. Sie gibt unserem Leben Inhalt, Struktur und im besten Fall Zufriedenheit. Die Menschen wollen arbeiten. Wer sich seine Brötchen selbst verdient empfindet zurecht Stolz. Gute Arbeit bildet die Grundlage für ein gutes Leben. Dumpinglöhne, unsichere Arbeitsverhältnisse und schlechte Arbeitsbedingungen führen zu Unzufriedenheit, existenziellen Ängsten und sind ein Angriff auf die Würde der Frauen und Männer, die Tag für Tag zur Arbeit gehen.
Welche Rolle spielt Vorbeugen im modernen Sozialstaat?
Jeder Arbeitnehmer, jede Arbeitnehmerin leistet mit der eigenen Arbeit einen Beitrag zum Erhalt der sozialen Sicherungssysteme. Dieses kollektive Vorsorgen ist Kern unseres Sozialstaates und muss es auch in Zukunft bleiben. Solidarität ist elementar für eine moderne Demokratie.
Und natürlich geht es darum, jeden zu befähigen, auf eigenen Füßen zu stehen. Deshalb sind gute Kinderbetreuung und Bildung so wichtig.
Viele fürchten, angesichts 100en Milliarden für Banken, Euro bleibt
zu wenig für Bildung und Soziales.
Die aktuellen Forderungen von Roland Koch, bei der Bildung zu sparen sind aberwitzig und können nur mit einem Kopfschütteln kommentiert werden. Es ist an der Zeit, dass die Verursacher der Krise auch für die Kosten der Krise aufkommen. Deswegen fordern wir schon seit langem eine Finanztransaktionssteuer. Und wir finden ein Ehepaar mit mehr als 250.000 Euro Jahreseinkommen, kann auch etwas höhere Steuern zahlen.
Und wie kommen die neuen Ideen aus der Werkstaat in die Praxis?
Die SPD ist derzeit dabei im Rahmen von mehreren Zukunftswerkstätten, die eigenen politischen Konzepte gemeinsam mit den Mitgliedern und Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren. Die Werkstatt "gut und sicher leben", dich ich im Auftrag des Parteivorstandes gemeinsam mit Hubertus Heil und Elke Ferner aus der Bundestagsfraktion leite, beschäftigt sich mit der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.
Am 2. Juni findet die erste SPD-Onlinekonferenz zum Thema statt. Jeder, der einen Zugang zum Internet hat, kann mit uns diskutieren und Fragen stellen - egal ob Mitglied oder nicht. Wir betreten mit dem Veranstaltungsformat Neuland. Ziel ist es mit möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen - besonders auch mit denjenigen, die nicht für eine Veranstaltung nach Berlin reisen wollen oder können.
Das Interview führte Stefan Grönebaum.