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21.06.2010

Die SPD hat sich gut aufgestellt

Alstertal Magazin: Herr Scholz, viele Hamburger warten darauf, dass Sie sich als Bürgermeisterkandidat outen, wann wird es soweit sein?

 

Olaf Scholz: Die SPD hat sich gut aufgestellt. Ich hoffe, dass ich dazu einen Beitrag geleistet habe. Das Wichtigste, was die Bürgerinnen und Bürger von Parteien und Politikern wollen, ist, dass sie sich ernsthaft um die Zukunft des Gemeinwesens kümmern und nicht vorwiegend um sich. Also alles zu seiner Zeit. Die Frage, wer die SPD in die Bürgerschaftswahl führen wird, entscheiden wir, wenn es soweit ist.  

 

Man munkelt, Koch sei zurückgetreten, um sich den Weg nach Berlin freizumachen. Ist es bei Ihnen ähnlich? Äußern Sie sich nicht, weil Sie lieber in die Hauptstadt wollen?

 

Ich habe es schon gesagt: Man soll seine Aufgaben erledigen. Das machen wir jetzt; wie es aussieht, klappt es ganz gut. Die SPD liegt in den Umfragen vor der Union. Das ist zu diesem Zeitpunkt etwas ganz Besonderes.  

 

Ole von Beust sagt, wir müssen 510 Millionen Euro jährlich sparen. Macht es überhaupt Spaß, eine Stadt mit derart geringem politischen Gestaltungsspielraum zu übernehmen?

 

Seit 2001 regiert die CDU und ganz offensichtlich haben die öffentlichen Haushalte zu keinem Zeitpunkt gestimmt. Es sind viele Bauprojekte teurer geworden und es sind manche Dinge angefangen worden, die man eigentlich nicht bezahlen kann. Es ist falsch, in Zeiten gut laufender Wirtschaft den Eindruck zu erwecken, man könne sich alles leisten. Ständig wurden neue Projekte nach dem Motto "Was kostet die Welt?" begonnen.

 

Wo würden Sie jetzt die Sparschraube ansetzen?

 

Das Wichtigste ist ein klares Prinzip. Und das lautet "Pay as you go". Das wird im Augenblick weltweit diskutiert. Es bedeutet, dass man bei Beschluss eines Gesetzes, das Mehrausgaben beinhaltet, gleichzeitig sagen muss, wie man es finanziert. In den letzten Jahren wurde stattdessen immer auf die Zukunft gehofft. Wobei eine Regierung eines Staates wie Hamburg nicht knauserig sein muss, aber sparsam.  

 

Das scheint bei der Elbphilharmonie nicht der Fall zu sein. Es gibt einen Untersuchungsausschuss in der Hamburgischen Bürgerschaft

 

Zu Recht. Es stellt sich nämlich die Frage, ob man die Kostenexplosion vorher hätte ahnen können. Dafür spricht vieles. Hätten sich die Verantwortlichen nämlich mehr Zeit für die Planung gelassen, hätten sie feststellen können, was bezahlbar gewesen wäre. Die Elbphilharmonie wird unsere Stadt schmücken. Aber man muss trotz aller Begeisterung ordentlich und verantwortlich mit öffentlichem Geld umgehen. Dass dies nicht der Fall war und die Planungen aus dem Ruder gelaufen sind, muss sich der Senat ankreiden lassen.  

 

Hat Ihre Partei Ideen, wie man das Projekt wieder in die richtige Bahn leiten könnte?

 

Spätestens jetzt muss ordentlich gewirtschaftet werden. Trotzdem wird es sich nicht mehr ändern lassen, dass dieses Projekt viel teurer wird, als wir uns es leisten können. Übrigens ein allgemeines Problem: Wenn nicht für alles Geld da ist, muss man sich auf die wichtigsten Dinge konzentrieren. Wird an einigen Stellen mit Geld nur so um sich geworfen, wird die Akzeptanz in der Bevölkerung für schwierige Entscheidungen immer fehlen.  

 

Nennen Sie doch mal drei konkrete Sparmöglichkeiten, außer der Elbphilharmonie.

 

Dieses Konzerthaus ist schon ein beeindruckender Bau. Ich bin übrigens ziemlich sicher, dass es von einem sozialdemokratischen Bürgermeister eingeweiht werden wird. Aber es ist wichtig, dass man sich nicht einfach nur von einer Idee verführen lässt sondern bei jeder einzelnen Entscheidung aufs Geld schaut. Nur so hat man auch Geld übrig für die Dinge, die auch in Zeiten des Haushaltsnot nötig sind. Zum Beispiel müssen wir für eine ordentliche Kinderbetreuung sorgen. Es ist wichtig, dass wir sie ausbauen.

 

Wird es mit Olaf Scholz eine kitagebührenfreie Hansestadt geben?

 

Die Perspektive für die Kinderbetreuung in ganz Deutschland muss sein, dass wir Gebührenfreiheit herstellen Schritt für Schritt. Und immer dann, wenn man es sich leisten kann. Zunächst müsste die gerade beschlossene Gebührenerhöhung rückgängig gemacht werden. Der nächste Schritt ist ein umfassender Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. In Deutschland geben wir generell zu wenig Geld am Anfang der Lebenslaufbahn junger Menschen aus. Am Beginn der Schulzeit sollten wir dafür sorgen, dass die Kinder viele neue Erfahrungen sammeln können. Vor allem die, die aus den Elternhäusern nicht genügend Anregungen bekommen.

 

Kita und Bildung kosten Geld, das nicht vorhanden ist. Wo würden Sie streichen?

 

Man muss versuchen, vernünftig zu wirtschaften und zwar das ist der eigentliche Trick anders als in der Vergangenheit, gerade dann wenn Geld vorhanden ist und nicht erst, wenn man wieder mal keines hat. Wenn wir das über ein paar Jahre durchhalten, können wir unseren Haushalt in Ordnung bringen.

 

Keine der Volksparteien schafft heutzutage mehr absolute Mehrheiten. Das riecht für Hamburg nach Rot-Grün, obwohl die Grünen gerade mit der CDU zusammenarbeiten ein Problem?

 

Nein. Die SPD will bei der nächsten Bürgerschaftswahl wieder stärkste Partei werden. Das ist auch realistisch. Ich wünsche mir, dass es eine Regierung aus SPD und Grünen wird.

 

Sie sagten vor Kurzem: "Man muss sich nicht immer einig sein, um gut zusammenarbeiten zu können." Das klingt aber eher nach großer Koalition.

 

Die steht in Hamburg nicht an. Wir brauchen einen richtigen Regierungswechsel und einen sozialdemokratischen Bürgermeister.  

 

Thema Bürgerbeteiligung. Die SPD spricht sich dafür aus. Das kann aber auch nach hinten losgehen, wie die Schulreform zeigt. Wie fühlt es sich an, wenn das Volk Entscheidungen zunichte macht?

 

Es bedrückt mich, dass es mehrere Entscheidungen der Hamburger Bürger gegeben hat, die vom Senat nicht beachtet wurden. Etwa die Entscheidung gegen die Veräußerung des Landesbetriebes Krankenhäuser. Fast alle in Hamburg waren dagegen, trotzdem wurde am Ende leider verkauft. Wir, die politische Verantwortung haben, müssen die Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen. Dazu gehört, dass wir akzeptieren, dass sie Entscheidungen treffen, die vielleicht mal nicht mit den eigenen Plänen übereinstimmen. Meine Erfahrung ist, dass die Urteilsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger viel größer ist, als manche Politiker und Journalisten denken. Manchmal fehlt es an den Informationen. Deswegen ist es Aufgabe der Politik und der Medien dafür zu sorgen, dass es genügend Fakten zu einer eigenen Urteilsfindung gibt.  

 

Aber auch Sie werden unpopuläre Maßnahmen treffen müssen. Jetzt in der Opposition haben Sie leicht reden, als mögliche Regierungspartei auch?

 

Wer Politik mit dem Herzen und dem Verstand macht, kann gar keine unpopulären Entscheidungen treffen. Aber natürlich solche, die schwer sind für einen selbst und für die Bürgerinnen und Bürger. Wenn man die Entscheidung richtig findet, muss man sich auch zutrauen, sie anderen erläutern zu können.

 

Wenn Sie doch Bürgermeister werden würden, welches wäre Ihre erste politische Entscheidung für Hamburg?

 

(überlegt) Ich sage Ihnen, was mir am wichtigsten ist: dass wir jedem jungen Menschen eine realistische Chance geben, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Weit über 1.000 junge Leute verlassen die Schulen ohne Abschluss. Es gibt fast 4.000, über die man sagt, dass sie so wenig Wissen und Bildung haben, dass man ihnen keine einfache Lehrstelle übertragen kann. Hier müssen wir dringend etwas ändern und es nicht einfach achselzuckend hinnehmen.  

 

 

Das Interview führte Kai Wehl. Sie finden das Interview auch auf der Homepage des Alstertal Magazins.