Gastbeitrag von Olaf Scholz für die Zeitschrift missler, Zeitung für mittelständische Unternehmer in der Metropolregion Hamburg.
Wenn in Deutschland die Besteuerung der Unternehmen im Bundestag vom Gesetzgeber neu geordnet wird, dann reden viele mit. Nicht jeder, der in der öffentlichen Debatte eine feste Meinung zum Thema vertritt, kennt sich auch wirklich aus. Das ist schade, denn die Art und Weise der Besteuerung unserer Unternehmen hat auch Einfluss auf das Wachstum der Wirtschaft und den Wohlstand in unserem Land. Wenn der eine bloß mehr und der andere bloß weniger Steuern fordert, dann ist das eine wie das andere ziemlich dümmlich. Aber ich will es nicht verhehlen in mancher Podiumsdiskussion und mancher Talkshow scheint es nur um diese Alternativen zu gehen. Dabei ist eigentlich alles klar: Die Steuern dürfen die Wachstumschancen der Unternehmen nicht beeinträchtigen, sie dürfen nicht ungerechtfertigte Belastungsdifferenzen erzeugen zwischen Einzelunternehmern und Personengesellschaften auf der einen Seite und Kapitalgesellschaften auf der anderen. Und natürlich muss das deutsche Unternehmenssteuerrecht auch in einer globalisierten Welt bestehen können. Klar ist aber auch: Auch die Unternehmen müssen einen Beitrag zur Finanzierung des Staates und der von ihm aufrecht erhaltenen Infrastruktur leisten, auf die die Unternehmen unmittelbar angewiesen sind. Dabei geht es nicht nur um Straßen, sondern auch um Schulen, Universitäten, innere und äußere Sicherheit und ein funktionsfähiges Rechtssystem. Nur wenige glauben wirklich, dass das alles z.B. mit dem Steueraufkommen eines osteuropäischen Beitrittslandes der EU zu finanzieren ist. Und manche merken es gerade: Auch dort steigen jetzt die Steuern (und die Löhne) wieder. Es geht also um das richtige Maß. Den Maßlosen unter den Politikern sollten die Bürgerinnen und Bürger nicht über den Weg trauen. Schon die Regierung Schröder hat die Unternehmensbesteuerung modernisiert und damit wichtige Bedingung für das jetzt festzustellende wirtschaftliche Wachstum geschaffen. Denn bei der Einkommensteuer wurden stufenweise sowohl der Höchststeuersatz als auch der Eingangssteuersatz abgesenkt sowie der Grundfreibetrag drastisch erhöht; bei der Körperschaftsteuer wurde die Differenzierung der Steuersätze nach einbehaltenen und ausgeschütteten Gewinnen aufgegeben und der Steuersatz gesenkt. Zur Erinnerung: Der Einkommenssteuer-Spitzensteuersatzes wurde von 53 % bis auf 42 % abgesenkt. Dadurch werden insbesondere auch größere und besonders ertragskräftige Personenunternehmen entlastet. Die spürbare Absenkung des Eingangssteuersatzes um rd. 11 Prozentpunkte von 25,9 % auf 15 % und die deutliche Erhöhung des Grundfreibetrags kommt schwerpunktmäßig kleineren und mittleren Personenunternehmen zugute. Ebenso wichtig war für die Personenunternehmen die Einführung der Gewerbesteueranrechnung auf die Einkommensteuerschuld. Die Gewerbesteuer wurde damit bei den Personenunternehmen wirtschaftlich weitgehend neutralisiert. Der Mittelstand wird aber nicht nur durch Personengesellschaften geprägt: Zunehmend wurden und werden kleinere mittelständische Kapitalgesellschaften gegründet. Diese Unternehmen profitierten von der spürbaren Absenkung des Körperschaftsteuersatzes von 30 % für ausgeschüttete und von 40 % für einbehaltene Gewinne auf einheitlich 25 %. Die Begünstigung der im Unternehmen belassenen Gewinne stärkt die Eigenkapitalbildung. Ein steuersystematisches Schwergewicht der Steuerreform 2000 war die Abschaffung des seit 1977 praktizierten körperschaftsteuerlichen Vollanrechnungsverfahrens. Mit der Umstellung auf eine getrennte Besteuerung von Kapitalgesellschaften und Anteilseigner hat Deutschland ein einfaches, transparentes europataugliches und weniger missbrauchsanfälliges Besteuerungssystem. Die jetzt zur Entscheidung stehende Unternehmenssteuerreform will einen weiteren Beitrag zur Angleichung der steuerlichen Belastung von großen und ertragstarken Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften leisten. Dieses Ziel soll aber nicht erreicht werden, indem diese Unternehmen auf gleiche Weise besteuert werden. Es hatte sich nämlich in der Reformdebatte schnell herausgestellt, dass die meisten Personengesellschaften höher besteuert würden, wenn sie wie eine kleine GmbH behandelt würden, denn bei der fällt ein fester Körperschaftssteuersatz an, während er bei den Personengesellschaften mit dem Einkommen steigt und meistens in der Gesamtbelastung geringer liegt. Darüber hinaus sind bei der Kapitalgesellschaft noch die Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne beim Anteilseigner und die andere Wirkung der Gewerbesteuer zu beachten. Dass das so ist, konnte man schnell sehen. Während über Jahre von manchen Parteien und Verbänden die Gleichbehandlung der Personengesellschaften mit den GmbHs gefordert wurde, waren plötzlich alle ganz still, als es jetzt zur Reform ging. Sie hätten anderenfalls dem von ihnen vertretenen Mittelstand in den Personenunternehmen eine saftige Steuererhöhung beschert. Ein Beispiel dafür, dass man den Sprücheklopfern nicht auf den Leim gehen sollte. Kleine und mittlere Unternehmen, gleich welcher Rechtsform, sollen von einer zielgenaueren Ausgestaltung der bisherigen Ansparabschreibung profitieren. Wie bisher soll durch eine Vorverlagerung von Abschreibungspotenzial vor den Zeitpunkt der Investition die Liquidität des Unternehmens verbessert und damit seine Investitionskraft gestärkt werden. Es sind aber eine Reihe von wichtigen Verbesserungen gegenüber der bisherigen Regelung vorgesehen. Der Höchstbetrag des in Anspruch genommenen Investitionsabzugsbetrages (bisher Ansparabschreibung) wird erhöht. Die Betriebsgrößengrenze wird ebenfalls angehoben. Dadurch kann ein größerer Kreis von Unternehmen in den Genuss des Investitionsabzugsbetrags kommen. Der Investitionsabzugsbetrag darf künftig für alle beweglichen Wirtschaftsgüter nicht nur für neue- genutzt werden. Um den Unternehmen mehr Flexibilität zu verschaffen, reicht es künftig aus, das geplane Investitionsgut seiner Funktion nach zu benennen. Eine individuelle Bezeichnung des begünstigten Wirtschaftsgutes ist nicht mehr erforderlich. Außerdem wird die Investitionsfrist auf drei Wirtschaftsjahre verlängert. Dem Unternehmen verbleibt damit ein längerer Zeitraum für die Durchführung der Investition. Im Rahmen dieser Verbesserungen kann auf die sog. Existenzgründerrücklage verzichtet werden. Bei Neugründungen, bei denen regelmäßig Anlaufverluste anfallen, wirkte sich ein weiterer Abzug hinsichtlich der Gewinnbesteuerung in den allermeisten Fällen nicht aus. Bei gewinnstarken mittelständischen Personenunternehmen soll die Möglichkeit eröffnet werden, thesaurierte Gewinne lediglich mit einem geringeren Steuersatz wie bei Kapitalgesellschaften zu belasten. Im Falle späterer Entnahme durch den (Mit-)Unternehmer ist eine Nachbelastung durchzuführen. Dadurch werden vergleichbare Belastungswirkungen wie bei Kapitalgesellschaften und ihren Anteilseignern erreicht. Insbesondere kleinere mittelständische Unternehmen profitieren außerdem davon, dass es bei der Abzugsbeschränkung von Finanzierungskosten im Rahmen der Gewerbesteuer künftig einen Freibetrag gibt. Dies wird in einer Vielzahl von Fällen dazu führen, dass keine Gewerbesteuer mehr zu zahlen ist. Außerdem wird die Steuermesszahl verändert und gilt für Personenunternehmen eine verbesserte Anrechnungsmöglichkeit der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer. Für den Mittelstand, der kleine und mittlere Kapitalgesellschaften gebildet hat, wird die Steuerbelastung in der Gesellschaft um rund 9 Prozentpunkte auf unter 30 % und damit insgesamt um fast ein Viertel gesenkt. Rechnet man Einkommenssteuer bzw. Körperschaftssteuer und die Steuer auf den Kapitalertrag, sowie die effektiven Belastungen mit Gewerbesteuer bei Personen und Kapitalgesellschaften zusammen, kann von der Privilegierung etwa der Kapitalgesellschaften nach der Reform nicht mehr gesprochen werden. Ein schöner Erfolg. Noch schöner, wenn er sich in den nächsten Jahren herumspricht. Wenn dann im zweiten Teil der Reform die Abgeltungssteuer auf Zinsen und Kapitalerträge greift, wird das Steuerrecht einfacher und entspricht dann für internationale Kapitalanleger allen berechtigten Forderungen;. Der Mittelstand wird auch nicht, wie oft behauptet wird, durch die erforderlichen Gegenfinanzierungsmaßnahmen benachteiligt. Die wesentlichen Elemente der Gegenfinanzierung betreffen die mittelständischen Unternehmen in geringerm Maße, , da sie auf Grund von Freibeträgen bzw. Freigrenzen nicht greifen. Für viele dürfte die geplante Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer fast die größte Rolle spielen. Dabei geht es um eine grundlegende Entlastung der Unternehmensnachfolge im Generationenwechsel, von der insbesondere mittelständisch geprägte Familienunternehmen profitieren. Die Reform soll ein positives Signal setzen zur Erhaltung und Sicherung von Unternehmen als Garanten von Arbeitsplätzen und als Stätten produktiven Wachstums. Die Entlastung setzt voraus, dass der Betrieb über 10 Jahre in einem nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vergleichbaren Umfang fortgeführt wird. Die auf produktiv eingesetztes Vermögen entfallende Steuer wird über einen Zeitraum von zehn Jahren zinslos gestundet. Die gestundete Steuer erlischt in zehn Jahresraten. Nach zehn Jahren entfällt also die Steuer gänzlich.