arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

07.11.2011

Einweihung des neuen SPIEGEL-Gebäudes

 

Vielen Dank Herr Saffe,

lieber Herr Mascolo,

lieber Peer Steinbrück,

meine Damen und Herren,

 

eins vorweg: es sind nicht nur lokalpatriotische Gründe, die mich heute zu einem zufriedenen Menschen machen. Aber die gehören dazu und mit denen erlaube ich mir heute mal anzufangen.

 

Ich glaube, es verwundert niemanden hier im Raum, dass ich mich als Hamburgs Bürgermeister ganz besonders über diesen Anlass freue. Der Spiegel und Hamburg die gehören einfach zusammen. Für die Medienmetropole Hamburg, die ja vor allem auch eine Pressestadt ist, ist das eine großartige Nachricht: Der Spiegel hat ein neues Zuhause in seiner Heimatstadt!

 

Wie ein Schiffsbug ragt die Ericusspitze aus der HafenCity heraus. Zugleich öffnet sich das Haus wie ein Fenster in Richtung Stadt. Diese schöne architektonische Symbolik kann man gar nicht genug loben.


Transparent wie er ist, hat der Spiegel in einer  Hausmitteilung selbst ausgeplaudert, dass es sich eigentlich um die Erich-Soltau-Spitze handelte, hätte sich nicht der Senator dieses Namens seinerzeit umbenannt. Ericus hatte einfach den hübscheren Klang.


Der Spiegel hat also jetzt einen Briefkopf, in dem die Eitelkeit eines Politikers verewigt ist, ihrerseits ans Licht gekommen durch investigativen Journalismus. Auch diese Symbolik kann man gar nicht genug loben.  

 

Aber ich verstehe die Entscheidung des Spiegel für dieses neue Haus und damit auch für Hamburg nicht nur als eine kluge Standortentscheidung. Sie ist auch eine ebenso kluge Entscheidung für ein bestimmtes Verständnis von Journalismus.

 

Hanns Joachim Friedrichs hat den Journalisten einmal ins Stammbuch geschrieben, dass sie sich mit keiner Sache gemein machen dürften, auch nicht mit einer guten. Ob das unter allen Umständen richtig ist, weiß ich nicht. Aber sicherlich ist es für den Journalismus gut, wenn er auf Distanz bleibt.

 

Und das geht im hanseatisch-seriösen Hamburg eben doch ein bisschen besser als anderswo.

Die Hauptredaktion jedenfalls wahrt von hier aus weiterhin den gebührenden Abstand von den Irrungen und Wirrungen des Regierungssitzes Berlin.

 

Wer sich orientieren will, der braucht Überblick und den hat man nicht, wenn man mittendrin steckt. Dazu muss man auch mal einen Schritt zurücktreten können, um das Große und Ganze sehen zu können. Und ich denke, dass Sie, lieber Herr Mascolo, das aus ihrem Büro im 12. Stock mit weitschweifendem Blick über unsere schöne Stadt künftig noch besser können als bislang.

 

Genau diese Fähigkeit zum distanzierten, manchmal auch analytisch kühlen Blick auf die Dinge hat Hamburg ursprünglich zur führenden Pressemetropole in Deutschland gemacht. Es stimmt bis heute: Hier werden die Zeitläufte nicht bloß atemlos beschrieben, hier werden Sie in Ruhe analysiert und eingeordnet. Hier ist der Qualitätsjournalismus zuhause. Er ist hier nicht allein zuhaus, es rumoren auch andere, aber das muss ihn hier nicht schrecken!

 

 

Meine Damen und Herren,

 

Distanz braucht übrigens nicht  bloß der Journalismus, sondern auch die Politik. Viele Politiker sind dann eben doch wie die Königin in Schneewittchen und warten jeden Montag bang auf die Antwort, wer denn der Schönste im Land sei. Wenn man Politik auch als das Theater der Eitelkeiten begreift, das sie manchmal ist, dann ist der Spiegel das wöchentlich dazu erscheinende Programmheft samt unabhängigem Rezensionsteil.

 

Dass Medien als Spiegel verstanden werden, geht weit in die Geschichte des Journalismus zurück:

  • der Gesellschaft den Spiegel vorhalten wollen,
  • die Verhältnisse spiegeln,
  • ein Abbild der Wirklichkeit schaffen,

das alles sind Ziele, die Journalistinnen und Journalisten bis heute mit ihrer Arbeit verbinden. Wobei ich das Bild nie so ganz glücklich gefunden habe, denn ein Spiegel zeigt die Dinge ja eigentlich seitenverkehrt. Spiegelverkehrt, wie der Volksmund sagt. Damit meint er natürlich nicht den Spiegel.

 

Aber selbst wenn wir heute aus der Medienwissenschaft wissen, dass es mit dem Spiegeln nicht so weit her ist und sich selbst Spiegelredakteure nur eine Version der Wirklichkeit zurecht konstruieren, so ist es doch dann dieses Konstrukt, das Montag für Montag die Themen der Woche setzt und die Debatten bestimmt.

 

Doch worin liegt diese ungebrochene Kraft des Spiegel?

 

Hans Magnus Enzensberger hat in seinem berühmten Essay über den Spiegel geschrieben, dass das Geheimnis des Magazins an seiner Oberfläche liege. Er meinte die Sprache der damals unsichtbaren Autoren und ihr Ziel, die Nachricht zur Story zu machen.

Enzensberger hat das scharf gegeißelt. Doch warum eigentlich?

 

Seit Jahrtausenden werden Nachrichten im Wortsinne erzählt. Am Lagerfeuer, auf dem Marktplatz, in den Hafenhallen. Wissen und Interpretation der Welt werden in Geschichten verdichtet und weitergegeben. Nichts anderes macht der Spiegel nur etwas griffiger, kurzatmiger und ja auch das: vergänglicher. Einerseits.


 Andererseits lässt sich der Behauptung, nichts sei so alt wie die Nachricht von gestern, gerade mit Blick auf den Spiegel entgegenhalten: Gute Artikel taugen auch dann noch etwas, wenn man sie wochenlang mit  sich herumgetragen hat und endlich kommt man doch dazu, sie mit Genuss zu lesen. Das kürzeste Verfallsdatum haben sicher die Geschichten über die aktuelle Tagespolitik. Das gilt auch für den Spiegel. Ob es an ihm liegt oder an der Materie, sei dahin gestellt.    

 

Heute müssen Sie ihre Geschichten so gut erzählen, dass ihre Leser auch den Like-Button drücken und sie weiterempfehlen. Heute können Sie laufend aktualisieren, ergänzen, fortschreiben. Zwischen den Magazinen dreht sich nicht bloß die Welt sieben Mal um die eigene Achse, sondern auch der mediale Politikbetrieb ein paar hundertmal um sich selbst.

 

Um da Schritt zu halten, hat sich der Spiegel längst crossmedial aufgestellt. Hier in der Ericusspitze wird deshalb nicht bloß ein Magazin hergestellt. Hier wird auch Fernsehen gemacht. Und hier hat im obersten Stockwerk Deutschlands erfolgreichste Online-Redaktion ihre Heimat.

 

Sie alle versuchen Schritt zu halten mit der Geschwindigkeit eines Geschäfts, das sie selbst beschleunigen. Sekundenaktualität heißt das Stichwort, das mich als Angehörigen des komplizierten, vielstimmigen und aus guten Gründen schwerfälligen Politikbetriebs durchaus besorgt. Politik darf ihr eigenes Zeitgefühl in den Mediengewittern nicht verlieren.

 

Am Ende aber ist es einfach. Dann geht es nämlich doch wieder darum, eine spannende Geschichte zu erzählen. Auch wenn sie nicht mehr nur als 23seitiger Aufmacher im Magazin, sondern als stündlich aktualisierter Fortsetzungsroman im Netz erscheint.

 

Wir werden weiter in den Spiegel schauen und gespannt sein, was wir sehen…

 

 

Meine Damen und Herren,

 

Ich wünsche Ihnen einen guten Start im neuen Gebäude in der alten Heimatstadt. Und ich freue mich darauf, dass das Herz des kritischen und unabhängigen und innovativen Journalismus auch weiterhin kräftig hier in Hamburg schlägt.

 

Gut, dass Sie da sind! Schön, dass Sie hier bleiben!