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06.11.2011

Interview in der 'Welt am Sonntag': "U4 wird bis Elbbrücken ausgebaut"

 

Mit neuen U- und S-Bahnstrecken sowie dem modernsten Bussystem Europas will Bürgermeister Olaf Scholz Hamburg mobil machen. Auf seiner China-Reise wird er für Investitionen werben, etwa im Wohnungsbau.

 

Es ist eines der größten Hamburger Infrastrukturprojekte dieses Jahrzehnts und soll den Verkehr in der Hansestadt spürbar entlasten - der Bau der U 4 bis in die Hafencity. Die U-Bahnstrecke wird aber nicht an ihrem derzeitigen Zielpunkt, der Haltestelle Hafencity-Universität, enden. Der SPD-Senat will die U 4 bis zu den Elbbrücken weiterführen, wie Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) jetzt im Gespräch ankündigt. Dabei wird er konkret: Mit dem Bau der nächsten Stationen soll voraussichtlich schon Mitte 2013 begonnen werden, also noch in dieser Legislaturperiode. Im Gespräch mit der "Welt am Sonntag" spricht Scholz zudem über die Euro-Krise und seine Sympathie für die Occupy-Bewegung, die nahende Entscheidung über die Elbvertiefung und seine China-Reise. Und Scholz erklärt, warum er sich selbst nicht als "König Olaf" sieht.

 

Welt am Sonntag: Herr Bürgermeister, spielen Sie Schach?

 

Olaf Scholz: Ja.

 

Welt am Sonntag: Wissen Sie auch, wie man ein Schachbrett richtig hinlegt?

 

Olaf Scholz: Ja.

 

Welt am Sonntag: Dann haben Sie Peer Steinbrück und Helmut Schmidt einiges voraus. Die haben auf dem Coverfoto ihres gemeinsamen Buches das Brett falsch herum hingelegt. Die beiden Schachexperten inszenieren derzeit die Kanzlerkandidatur von Peer Steinbrück. Wie finden Sie das?

 

Olaf Scholz: Helmut Schmidt und Peer Steinbrück haben ein ernstes Gespräch über Probleme unserer Welt geführt, über die Finanzkrise, über Banken und andere, die in der Wirtschaft Verantwortung tragen. Ich bin überzeugt, dass viele das Buch lesen und spannend finden werden.

 

Welt am Sonntag: Sie sehen das nicht als Steinbrücks Vorbereitung einer Kandidatur?

 

Olaf Scholz: Ich sehe das wie Peer Steinbrück selbst. Er hat gesagt, dass derzeit niemand schlaflose Nächte wegen der Kanzlerkandidatur hat und auch nicht haben muss. Wir haben in der SPD einvernehmlich beschlossen, dass wir unsere Entscheidung über die Kandidatur Ende 2012 oder Anfang 2013 treffen.

 

Welt am Sonntag: Im Spiel der Könige sind Sie selbst neuerdings Hauptfigur, jedenfalls, wenn es nach Opposition und Medien geht. Die haben sie "König Olaf" getauft. Ist das einem absolutistischen Regierungsstil geschuldet?

 

Olaf Scholz: Ich habe von den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt einen Auftrag bekommen, der präzise umschrieben ist: Die Stadt soll ordentlich regiert werden. Diesen Auftrag arbeite ich jetzt ab - gemeinsam mit dem Senat, der kollegial arbeitet. Außerdem ist Hamburg eine alte Stadtrepublik, die hat überhaupt keine absolutistischen Traditionen. Und ich bin auch nur in dieser Stadt der Bürgermeister. Alles andere ist Unfug.

 

Welt am Sonntag: Es geht bei der Beschreibung um die große Machtfülle, die Sie in der Doppelfunktion als Bürgermeister und SPD-Chef haben. Das gab es früher nicht. Außerdem heißt es, jedes kleine Grußwort gehe über Ihren Tisch und die Senatoren bekämen sehr genaue Vorgaben von Ihnen.

 

Olaf Scholz: Ich nehme meine Aufgaben sehr ernst. Den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt ist es schließlich nicht egal, was ihr Senat macht, wie er sich um seine Aufgaben kümmert. Dem Bürgermeister ist das natürlich auch nicht egal. Der Senat ist ein Team, aber zur Zusammenarbeit im Senat gehört auch, dass der Bürgermeister mit den Senatorinnen und Senatoren genau bespricht, wie wir den uns erteilten Auftrag umsetzen. Und ich achte sehr darauf, dass die Ergebnisse unserer Politik ordentlich sind. Was den Parteivorsitz angeht: Gestatten Sie mir die Bemerkung, dass die Bundeskanzlerin zugleich Bundesvorsitzende ihrer Partei ist.

 

Welt am Sonntag: Schauen wir nach vorn: Was sind Ihre drei größten Hamburger Projekte in den kommenden Monaten?

 

Olaf Scholz: Über allem steht die Konsolidierung des Haushalts. Wir werden solide Stadtfinanzen schaffen. Das müssen wir auch, denn 2020 tritt die Schuldenbremse in Kraft. Sehr wichtig ist das Thema Wohnungsbau, sehr wichtig sind Bildungs- und Wirtschaftspolitik. Dabei geht es auch um die Elbvertiefung.

 

Welt am Sonntag: Damit scheint es bisher nicht recht voranzugehen.

 

Olaf Scholz: Ich gehe davon aus, dass es bald eine Entscheidung aus Brüssel gibt. Wir haben als Stadt und Senat unseren Beitrag geleistet - auch dadurch, dass wir häufig nach Brüssel zur EU gefahren sind, auch der Bürgermeister und der Wirtschaftssenator.

 

Welt am Sonntag: Wird es, wenn sie denn kommt, die letzte Elbvertiefung sein?

 

Olaf Scholz: Mit der Frage habe ich mich nicht beschäftigt und kann sie auch nicht beantworten. Man kann die ökologische Entwicklung und die der Weltwirtschaft nicht genau vorhersagen. Deswegen wäre es unseriös, sich in dieser Frage heute festzulegen.

 

Welt am Sonntag: Die Stadt wächst weiter. Reicht der von Ihnen angestrebte Ausbau des Bussystems aus, um den ständig zunehmenden Verkehr in der Stadt wirklich am Fließen zu halten?

 

Olaf Scholz: Wir bauen den öffentlichen Personennahverkehr massiv aus. Im Gegensatz zu vielen anderen werden wir am Ende dieser Legislaturperiode nicht nur Pläne geschmiedet, sondern auch tatsächlich etwas vorangebracht haben. Zusammen mit Schleswig-Holstein werden wir die S 4 bauen, damit der Hauptbahnhof und die Regionalverkehrsstrecken entlastet werden. Die Planungen für den Weiterbau der U 4 sind in vollem Gange. Es wird mit Hochdruck daran gearbeitet. Wir werden mit dem Bau der nächsten U 4-Stationen voraussichtlich Mitte 2013 beginnen. Wenn alles gut geht, fährt die U 4 schon 2017 bis zu den Elbbrücken. Die dortige Station wird vermutlich "Chicago Square" heißen. Als drittes wollen wir das modernste Bussystem Europas schaffen, durch technische Innovationen und Vorrang für Busse. Dazu wollen wir vom Jahr 2020 an nur noch emissionsfreie Busse anschaffen. Das Ganze wird ein gewaltiger Modernisierungsschub für den öffentlichen Nahverkehr in Hamburg sein und seine Kapazitäten deutlich ausweiten.

 

Welt am Sonntag: Vorrang für Busse bedeutet ja auch, dass Autofahrer länger warten müssen - etwa durch die geplante Abschaffung von Busbuchten. Dann wartet man im Wagen nämlich hinter dem Bus, bis alle Gäste ein- und ausgestiegen sind. Muss man den Autofahrern nicht endlich offen sagen: Leute, es kann heute nicht mehr jeder verlangen, mit dem eigenen Auto staufrei in die Innenstadt zu kommen?

 

Olaf Scholz: Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs entlastet auch den Straßenverkehr. Manche Diskussionen zu diesem Thema haben etwas Ideologisches. Tatsächlich sind doch alle vernünftig genug zu wissen, dass sich alle den Verkehrsraum teilen müssen, die das Glück haben, in einer wachsenden Stadt zu leben. Wir alle sind zugleich Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer und Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs. In einem begrenzten Raum vernünftige Konsense und Kompromisse zu finden, das ist das Gebot der Stunde.

 

Welt am Sonntag: Nichts dominiert die öffentliche Debatte stärker als die Euro-Krise. Wie bedrohlich ist sie für uns?

 

Olaf Scholz: Eine Euro-Krise im eigentlichen Sinne des Wortes gibt es ja erkennbar gar nicht. Der Euro ist eine solide Währung. Ihr Außenwert ist seit langer Zeit stabil, die Inflationsrate ist gering, geringer als zuletzt zu D-Mark-Zeiten. Die Krise ist eher eine Krise der Verschuldung einzelner Mitgliedstaaten. Dagegen sind jetzt auf europäischer Ebene wirksame Instrumente entwickelt worden. All das lehrt uns in Hamburg, dass es richtig ist, auf die Konsolidierung des Haushaltes zu setzen. Die Stadt und ihr Bürgermeister dürfen niemals in Abhängigkeit von irgendwelchen Finanzinvestoren geraten.

 

Welt am Sonntag: In Griechenland wurde eine Volksabstimmung ins Gespräch gebracht, Italien und andere Staaten gelten den Finanzmärkten auch nicht als sehr vertrauenswürdig. Beunruhigt Sie die derzeitige Lage?

 

Olaf Scholz: Wer ist nicht beunruhigt? Ich bin es auch. Den Zorn auf die Verantwortlichen in der Finanzbranche kann ich gut verstehen. Es ist lange an der Zeit, dass wir neue internationale Regeln für die Finanzmärkte zustande bringen, die solche Entwicklungen künftig verhindern.

 

Welt am Sonntag: Glauben Sie, dass die Occupy-Bewegung etwas verändert?

 

Olaf Scholz: Ich würde fast sagen: Ich hoffe das. Diese Bewegung ist der Ausdruck dafür, dass wir Bürgerinnen und Bürger nicht wollen, dass irgendwo auf nicht kontrollierten Finanzmärkten Entscheidungen getroffen werden, die wir alle auszubaden haben. Es geht ja nicht an, dass in einer Krise alle sagen: Es muss sich etwas ändern. Und nach der Krise ändert sich gar nichts, weil alle froh sind, dass die Krise überwunden ist. Das führt ja auch zu Frust. Übrigens auch bei mir.

 

Welt am Sonntag: Die Bundesregierung will Steuern senken, was halten Sie davon?

 

Olaf Scholz: Nichts. Das ist angesichts der Haushaltsrisiken nicht nur hochgradig unseriös, es ist angesichts der aktuellen Situation in Europa auch unanständig. Während in Griechenland Tausende ihre Jobs verlieren, Arbeitnehmer bis zur Hälfte ihres Gehalts abgeben müssen und die Renten drastisch gekürzt werden, sollen bei uns Milliardengeschenke verteilt werden? Das würde niemand verstehen.

 

Welt am Sonntag: Ein Gewinner der jüngeren Entwicklung der Weltwirtschaft ist China. Die Chinesen können vor Kraft kaum laufen. Am Sonnabend reisen Sie nach Shanghai und Peking. Was versprechen Sie sich von der Reise?

 

Olaf Scholz: Ich verspreche mir zunächst einmal eine lebendige Fortsetzung der jetzt seit 25 Jahren bestehenden Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Shanghai. Hamburg ist das Tor Chinas zu Deutschland und Europa. Diese Beziehungen muss man pflegen - auf politischer, auf ökonomischer und kultureller Ebene. Die Welt wird durch schnelle Warenströme und rasanten Informationsaustausch immer kleiner. Da ist es wichtig, dass man die engen Verbindungen auch durch persönliche Gespräche untermauert.

 

Welt am Sonntag: Die Chinesen sitzen auf riesigen Devisenreserven und sind auf der Suche nach Investitionsmöglichkeiten. Ist es denkbar, dass China künftig Teile unseres Hafens betreibt, in unsere Finanzbranche einsteigt oder Verkehrsprojekte in Hamburg finanziert?

 

Olaf Scholz: Hamburg ist ein guter Ort für jeden, der hier investieren will. Es gibt ein hohes Maß an Rechtssicherheit, was im internationalen Maßstab von größter Bedeutung ist. Die Stadt wächst. Nach der jüngsten Bertelsmann-Studie sollen wir 2030 mit 1,9 Millionen Einwohnern rechnen, vielleicht sind es sogar mehr. Wer also - von wo auch immer - in Hamburg investieren will, tut etwas Richtiges. Wer bei uns investiert, der hat sein Geld gut platziert. Egal, woher er kommt.

 

Welt am Sonntag: Könnten also die Chinesen demnächst etwa auch die Wohnungen bauen, die uns fehlen?

 

Olaf Scholz: Ich habe sehr bewusst gesagt: Investitionen in Hamburg lohnen sich immer - für alle und für jeden.

 

Das Gespräch führten Insa Gall und Jens Meyer-Wellman. 

 

 

> Das Interview auf der Website der 'Welt'