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13.11.2008

"Es geht darum, passgenau für jeden Arbeitsuchenden das Richtige zu tun."

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

 

Wir haben schwierige Zeiten, aber in diesen schwierigen Zeiten gibt es auch gute Meldungen   die müssen besprochen und zur Kenntnis genommen werden: Das erste Mal seit 16 Jahren ist die Zahl der Arbeitslosen wieder unter 3 Millionen gesunken. Das ist das Ergebnis vieler guter Entwicklungen in der Konjunktur. Das ist das Ergebnis von Entscheidungen, die Unternehmerinnen und Unternehmer getroffen haben. Das ist das Ergebnis der Anstrengungen vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Aber das ist auch das Ergebnis guter Politik. Mit den Reformen auf dem Arbeitsmarkt, die wir zustande gebracht haben, haben wir einen Beitrag dazu geleistet, dass die Arbeitslosigkeit schneller zurückgeht, als sie ohne diese Reformen zurückgegangen wäre. Wer das bezweifelt, kann sich jetzt noch einmal neu beim Sachverständigenrat erkundigen. Er hat die Reformen, die wir in der letzten Legislaturperiode begonnen haben, so bewertet: Zum ersten Mal seit langem ist es gelungen, dass die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt mit einem Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit einhergeht. Zum ersten Mal ist es gelungen, dass innerhalb eines Konjunkturzyklus auch insgesamt eine strukturelle Verbesserung festgestellt werden kann. Schließlich ist es nicht mehr so, dass die Arbeitslosigkeit erst dann zurückgeht, wenn das Wirtschaftswachstum über 2 Prozent liegt. Das alles haben wir zustande gebracht. Das muss in diesen Tagen auch einmal gesagt werden.

 

Warum ist uns das gelungen? Es ist uns gelungen, weil wir uns die Sache nicht so einfach gemacht haben und nicht auf die hereingefallen sind, die einfache Lösungen propagieren: Die einen sagen hier, man müsse den Arbeitsmarkt so organisieren, dass er keine Haltelinien hat, also sozialstaatliche und soziale Regelungen abschaffen, um ihn hochmobil zu halten. Die anderen sagen, man dürfe gar nichts ändern. Wir haben dagegen einen Arbeitsmarkt geschaffen, der unter sozialstaatlichen Rahmenbedingungen hoch funktionsfähig und hochmobil ist. Genau das hat zum derzeitigen Rückgang der Arbeitslosigkeit beigetragen. Natürlich müssen wir jetzt alles dafür tun, damit es dabei bleibt. Es ist deshalb richtig, dass dem Schutzschirm für die Finanzmärkte auch ein Schutzschirm für den Arbeitsmarkt folgt. Darüber diskutieren wir heute ja auch, nachdem zuvor darüber schon in den Fraktionen und anderen Gremien beraten worden ist. Ich halte das für notwendig. Für ganz besonders notwendig halte ich in diesem Zusammenhang aber die Maßnahmen, die wir im Bereich der Arbeitsmarktpolitik zusätzlich auf den Weg gebracht haben.

 

So haben wir angesichts der derzeitigen Situation gesagt: Wir verlängern die Dauer des Bezugs von Kurzarbeitergeld. Es wird nicht nur, wie im Gesetz vorgesehen, sechs Monate gezahlt, sondern kann bis zu 18 Monate gewährt werden. Das starke Signal, das davon an die Unternehmen ausgeht, lautet: Haltet an euren Beschäftigten fest!

 

Entlasst sie nicht, wenn es jetzt Schwierigkeiten gibt, sondern behaltet sie bei euch! Ihr werdet sie schneller wieder brauchen, als ihr denkt!

 

Wir unterstützen in dieser Situation die Unternehmen mit der Verlängerung der Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes. Dies verbinden wir mit einem weiteren Angebot, das wir im Übrigen auch mit Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik auf den Weg gebracht haben. Wir sagen: Qualifiziert, statt zu entlassen! Wir wollen also, dass jemand, der in Kurzarbeit ist, die Möglichkeit hat, sich weiterzuqualifizieren. Dafür werden wir die Voraussetzungen schaffen. Wir wollen aber auch, dass generell in den Betrieben häufiger diese Möglichkeit wahrgenommen wird. Deshalb werden wir für eine umfassende Nutzung des Programms WeGebAU, das wir aufgelegt haben, werben. Wir werden den mittelständischen Unternehmen nahelegen, dafür zu sorgen, dass geringqualifizierte Arbeitnehmer ausgebildet werden, dass sie mehr Qualifikation bekommen und nicht entlassen werden. Wir werden auch dafür sorgen, dass ältere Arbeitnehmer nachqualifiziert werden, sodass sie für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet sind. Auch das gehört zu den Dingen, die wir jetzt tun.

 

Im Übrigen werden wir auch dafür Sorge tragen, dass die Zahl der Vermittler bei der Bundesagentur für Arbeit noch einmal ausgeweitet wird. 1 000 zusätzliche Vermittler sollen als Job-to-Job-Vermittler dafür sorgen, dass diejenigen, die in der jetzt rauer und schwieriger werdenden wirtschaftlichen Situation arbeitslos werden und einen neuen Arbeitsplatz suchen, umgehend und intensiv betreut werden können. Das ist ein wichtiges Signal an diejenigen, die in der derzeitigen Situation Angst um ihren Arbeitsplatz haben. Wir werden sie nicht alleinlassen, sondern sie unterstützen.

 

Nicht nur mit dem Job-to-Job-Zusatzprogramm, sondern ganz generell ist es schon gelungen, die Zahl derjenigen, die Vermittlungsarbeit leisten, zu erhöhen. So haben wir dafür gesorgt, dass die Zahl der Vermittler bei den Arbeitsagenturen noch einmal erhöht wird, sodass bei den jüngeren Arbeitslosen ein Vermittler 75 Arbeitsuchende betreut und bei den älteren Arbeitslosen ein Verhältnis von 1 : 150 erreicht werden kann. Das sind notwendige Standards, damit Arbeitsuchende in einer schwierigen Situation ihres eigenen Lebens gut unterstützt werden können. Ich finde, dass wir hier etwas Richtiges auf den Weg gebracht haben, und zwar ganz unabhängig von dem geplanten Konjunkturpaket. Noch deutlicher wird dies, wenn man sich überlegt, wie die Situation früher war. Zu Zeiten der Bundesanstalt für Arbeit waren gerade einmal 10 Prozent der dort Beschäftigten für Vermittlung zuständig. Jetzt ist fast die Situation erreicht, leider noch nicht ganz, dass die Hälfte der Beschäftigten mit Vermittlung befasst ist. Ich will das ausdrücklich sagen, weil ich glaube, dass Vermittlung im Mittelpunkt stehen muss. Wir wollen, dass die Menschen Arbeit finden, dass den Bürgerinnen und Bürgern, die ohne Arbeit sind, Möglichkeiten eröffnet werden, einen Arbeitsplatz zu finden. Das geht nur, wenn wir uns mit vielen Personen, die gut qualifiziert sind, um sie kümmern. Sie müssen, wenn sie eine Agentur, eine Arbeitsgemeinschaft oder ein Jobcenter aufsuchen und Unterstützung brauchen, wissen, dass hier alles für sie getan wird. Das geht nur, wenn sich viele Personen darum kümmern

 

Die Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente reiht sich da ein. Es geht darum, dafür zu sorgen, dass wir nicht im großen Maßstab alles nach Detailhubereien organisieren, sondern dass wir den Arbeitsvermittlerinnen und  vermittlern mehr Flexibilität ermöglichen. Es geht darum, passgenau für jeden Arbeitsuchenden das Richtige zu tun. Das kann nicht funktionieren, wenn wir einen Katalog haben, der so lang ist, dass man allein mit dem Wälzen der Unterlagen möglicher Maßnahmen seine Zeit verbringt. Vielmehr muss es zusammengefasste Instrumente geben. Sie müssen passgenau sein sowohl für den Bereich SGB III als auch für den Bereich SGB II, für die Versicherungskunden und für diejenigen, die Arbeitslosengeld II erhalten.

 

Zudem muss die Möglichkeit gegeben sein, etwas Neues zustande zu bringen, etwas, das bisher noch nicht darin enthalten war. Und zwar nicht erst, nachdem der Deutsche Bundestag einen weiteren Einfall für einen weiteren Paragrafen hatte; diese Handlungsmöglichkeit muss generell gegeben sein. Das ist mit diesem Gesetzentwurf gegeben. Die wachsende Flexibilität und die bessere Unterstützung der Arbeitsuchenden bedeuten einen guten und richtigen Zug, den wir gemeinsam als Koalition voranbringen. Ich will ausdrücklich sagen, dass es eine gemeinsame Sache ist, dafür Sorge zu tragen, dass die Zahl der Instrumente reduziert wird. Wir betrachten dies nicht als etwas, was man irgendwie machen musste. Es geht vielmehr darum, dass man mit weniger, zusammengefassten, mehr Einzelfallgerechtigkeit ermöglichenden Instrumenten besser vorankommt als mit den Instrumenten, die letztlich nur ein bürokratisches Monster sind. Insofern hoffe ich, dass es für dieses Vorhaben über die Koalitionsfraktionen hinaus Unterstützung gibt.

 

Lassen Sie mich im Hinblick auf die Instrumente insbesondere auf einen Punkt, der mir wichtig ist, eingehen. Wenn wir uns über die Frage Gedanken machen, wie sich der Arbeitsmarkt der Zukunft entwickeln wird, dann müssen wir uns ganz klar vor Augen halten: Der Arbeitsmarkt der Zukunft ist entweder einer mit genügend Fachkräften und geringer Arbeitslosigkeit oder ein Arbeitsmarkt, in dem es eine nicht ausreichend große Anzahl von Fachkräften und eine hohe Arbeitslosigkeit von nicht qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gibt. Genau hier muss man ansetzen. Es kann nicht sein, dass 500 000 von 3 Millionen Arbeitslosen keinen Schulabschluss haben, die fast alle langzeitarbeitslos sind, und wir nichts dagegen unternehmen. Es kann auch nicht angehen, dass wir wissen, dass die Hälfte der Langzeitarbeitslosen über keinen Berufsabschluss verfügt und wir nichts dagegen unternehmen. Wir müssen mit unseren Möglichkeiten etwas dagegen unternehmen. Nicht alles können wir vom Deutschen Bundestag aus bewegen. Nicht alles können die Arbeitsgemeinschaften und die Agenturen machen. Dass wir es jetzt aber geschafft haben, dass jedem Mann und jeder Frau lebenslang das Recht zugesprochen wird, sich auf den Hauptschulabschluss gefördert vorzubereiten und ihn nachzuholen, das ist ein großer Fortschritt für diese 500 000 Arbeitsuchenden. Es ist aber nicht nur ein großer Fortschritt, sondern auch ein Zeichen für unsere Gesellschaft, dass man sein Leben verbessern kann, wenn man sich Mühe gibt. Darum geht es auch bei dem, was wir hier machen. Ich bin froh darüber, dass dies jetzt möglich geworden ist.

 

Ebenso werden wir Sorge dafür tragen, dass all diejenigen, die über Sprachprobleme verfügen und deshalb Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben, jetzt unterstützt werden und dies ändern können. Ich glaube, auch das ist eine gute Sache, die wir zustande bringen. Dabei geht es darum, Maßnahmen nicht mal hier und mal dort zu ergreifen, sondern flächendeckend. Auch das wird passieren.

 

Beide Dinge, die ich hier angesprochen habe, betreffen im Übrigen Maßnahmen, die in der Fläche, vor Ort immer mal wieder ausprobiert worden sind. Das ist mit verschiedenen Instrumenten   manchmal auch mit Instrumenten, die nicht vom Gesetz vorgesehen waren   gemacht worden. Diese Erfahrungen vor Ort in den Arbeitsgemeinschaften, die Experimente, die durchgeführt worden sind, haben wir nicht einfach weiter betrachtet, sondern wir haben gesagt: Das soll nicht Experiment bleiben. Das soll etwas Regelhaftes werden, das für alle Arbeitsuchende überall in Deutschland flächendeckend zur Verfügung steht, also nicht nur dort, wo sich besonders Engagierte darum bemüht haben. Auch das ist ein gesetzgeberischer Fortschritt, den wir jetzt zustande bringen.

 

Wir wollen Flexibilität erhöhen. Es gibt derzeit sonstige weitere Leistungen, um ein beliebtes Thema anzusprechen. Diese stehen neben den Instrumenten der Regelförderung zur Verfügung. Sie sind aber oft genutzt worden als eine Möglichkeit zur freien Förderung, als ein Spielraum, etwas zu machen, das bisher keine gesetzliche Grundlage hatte. Darin unterscheiden sie sich von anderen Instrumenten. Mit dem neuen Gesetz wird es zum ersten Mal im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine freie Förderung geben. Dieses Instrument wird neu geschaffen. Es ist richtig, dass der Deutsche Bundestag in Kenntnis der Bedenken des Haushaltsausschusses, der alle Regelungen auf eine rechtlich einwandfreie Grundlage stellen will, sagt: Es soll ein Experimentierfeld geben, auf dem weitere Neuerungen, die wir heute noch nicht kennen, getestet werden können. Nachdem sie vor Ort ausprobiert worden sind, können bewährte Maßnahmen später vielleicht verallgemeinert werden.

 

Meine Damen und Herren, die Arbeitsmarktpolitik ist gut, wenn sie für die Bürgerinnen und Bürger, die Arbeit suchen, gut ist, wenn die Menschen im Mittelpunkt stehen und eine Chance erhalten, ein besseres Leben zu führen. Darum bemühen wir uns mit diesem Gesetz. Ich freue mich auf den Beginn der Gesetzesberatungen.

 

Schönen Dank.