arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

17.11.2008

Rede von Olaf Scholz anlässlich der Meisterfeier der Handwerkskammer Hamburg

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, hier heute bei Ihnen sein zu können.  Der Ort für diese Feier ist sinnbildlich gut gewählt. Die großen Kirchen in den Städten waren immer Ausdruck des Bürgerstolzes und zugleich Schaukasten des Könnens der handwerklichen Zünfte. So war es auch, als der Michel im 17. und dann noch einmal im 18. Jahrhundert erbaut wurde. Und wenn man feinsinnig sein will, dann kann man auch darauf hinweisen, dass beim dritten Wiederaufbau nach dem Brand von 1906 Ingenieure maßgeblich beteiligt waren: Damals wurden zwar die alten Pläne wiederverwendet, allerdings in Stahl und Beton umgesetzt. In jedem Fall ein würdiger Rahmen für diese Feier. Ein Ort, an den ich gerne gekommen bin zumal hier im Michel auf der Westempore auch noch die Steinmeyer-Orgel steht…

Ich gratuliere Ihnen recht herzlich zur bestandenen Abschlussprüfung und wünsche Ihnen viel Erfolg auf Ihrem weiteren beruflichen Weg. 408 Meisterinnen und Meister, 218 Absolventinnen und Absolventen der Technischen Hochschule Hamburg Sie alle sind Beleg für das Potenzial, das wir in Deutschland haben. Jede und jeder von Ihnen schließt heute einen wichtigen Lebensabschnitt ab und schlägt ein neues noch ungewisses Kapitel auf.  Ich will es nicht verhehlen: Sie starten in unsichere Zeiten hinein. Das wirtschaftliche Wetter ist rauer geworden.

 
In den vergangenen Wochen haben wir erleben müssen, wohin allzu große Gier und Verantwortungslosigkeit führen können. Jeder konnte sehen, dass die internationalen Finanzmärkte tatsächlich zu einem Casino geworden sind. Viele erfahrene Politiker und Ökonomen allen voran Helmut Schmidt haben das immer wieder kritisiert und zur Räson gerufen vergeblich. Jahrelang haben die globalen Roulette-Tische zwar auch Gewinne abgeworfen. Jetzt aber wird die Rechnung für die Zockerei präsentiert. Und zwar mit solch einer Heftigkeit, dass all diejenigen plötzlich wieder nach der Gesellschaft und dem Staat rufen, die in den vergangenen Jahren gar nicht genügend Gelegenheiten finden konnten, den Staat verächtlich zu machen. In gewisser Weise sind Sie als Handwerker und Ingenieure die Antithese zu diesem entkoppelten Spiel. Wenn Sie von Wertschöpfung sprechen, dann geht es nicht nur darum, Optionen schneller zu verkaufen als zu kaufen, sondern dann schöpfen Sie tatsächlich Werte. Ich freue mich, bei Ihnen zu sein. Sie wissen noch, was echte Arbeit ist.

Der Soziologe Richard Sennett hat in diesem Jahr ein großes Buch über das Handwerk veröffentlicht, in dem er schreibt, dass handwerkliches Denken und Können ganz allgemein für den Wunsch stehe, etwas ganz Konkretes um seiner selbst willen gut zu machen. Um seiner selbst willen das ist der Schlüsselaspekt. Denen, die binnen Minuten Milliardensummen an der Börse versenken, geht es nicht um die Tätigkeit selbst, sondern immer bloß um das Resultat, um höheren Profit. Einem echten Handwerker auch einem echten Techniker oder Ingenieur ist das zu wenig. Er will etwas schaffen mit den eigenen Händen und nach Möglichkeit bleibend. Sie alle wissen, dass Arbeit ein ganz eigenes und eigenwilliges Ethos hat. Sie machen Ihre Arbeit nicht nur für das Geld, sondern weil Ihnen etwas an Ihrer Tätigkeit liegt. Wer ein Meister wird, wer also sein Handwerk zu meistern versteht, der weiß, dass schon im Handwerken selbst eine Quelle des Stolzes liegt. Sie alle haben in den letzten Jahren zum Teil in der Freizeit und am Wochenende für den Meister gelernt. Sie haben sich über das normale Maß hinaus eingebracht dahinter steht ein Ethos, das wichtig ist für unsere Volkswirtschaft. Das Handwerk ist damit Beispiel für gutes Leben allgemein.

Es markiert den vernünftigen Mittelweg menschlichen Tuns: Es geht nicht um die Kunst des brillanten Augenblicks, auch nicht um die blinden Versuche des Amateurs Handwerk ist die geduldige Bearbeitung des Materials durch einen Meister, der sich Fähigkeiten und Fertigkeiten in seinem Metier mühsam und langsam erworben hat. Sie alle hier im Saal wissen das besser als ich. Und Sie kennen auch die emotionale Belohnung, die das Handwerk bringt: das Gefühl der Kompetenz (Sennett). Das kann man sich nicht schnell aneignen, erst recht nicht erkaufen. Dafür braucht es Beharrlichkeit und Ehrgeiz. Tugenden, die in gleicher Weise auch den Ingenieur auszeichnen müssen, der nicht nur in der Werkstatt gelernt hat, sondern außerdem auch in der Universität theoretisches Wissen erworben hat.

Es ist diese Kompetenz, auf die Deutschland seit Jahrhunderten seinen wirtschaftlichen Erfolg gründet. Eine Sache für den Kunden passgenau und gut zu machen, ist handwerkliche Selbstverständlichkeit. In Deutschland ist es auch wirtschaftliches Leitbild. Diese Stärke müssen wir bewahren. Und wir müssen sie leben. Im Handwerk arbeiten fast 4,8 Millionen Menschen in fast einer Million Betriebe allein hier in Hamburg sind es fast 15.000 Betriebe. Sie beweisen, dass uns die Arbeit nicht ausgehen muss, sondern dass wir mit Kreativität und mit Beharrlichkeit neue Arbeit schaffen können.

Heute bekommen Meister aus 26 Berufen ihre Meisterbriefe. Das zeigt, zu welcher Anpassung und zu welcher Breite das Handwerk fähig ist. Hinzu kommen die Absolventen der TU, die in ganz unterschiedlichen Bereichen ihren Erfolg suchen und finden werden. Feststeht: Ihre Berufe sind voll auf der Höhe der Zeit und ein Teil des Rückgrats unserer Volkswirtschaft.

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Handwerk beweist uns seit Jahrzehnten, dass man dann erfolgreich ist, wenn man einen einmal eingeschlagenen Weg konsequent weitergeht und nicht zaudert oder aktionistisch versucht, sich quer durch die Büsche auf einen anderen Pfad zu schlagen, wenn es mal etwas steiniger wird.

Genauso müssen wir es in Deutschland insgesamt anstellen: Wir müssen unsere Stärken kennen und so einsetzen, dass wir die Zukunft gewinnen können. Sie, liebe Meisterinnen und Meister, liebe Absolventinnen und Absolventen sind dafür exzellente Vorbilder.

Wir stehen weltweit im Wettbewerb um Qualität dazu brauchen wir die besten Köpfe unter unseren Fachkräften. Wir haben dazu das Potenzial. Wir müssen es weiter fördern. Bildung, Ausbildung und Weiterbildung sind dazu zentrale Voraussetzungen. Das Wissen und das Können deutscher Ingenieure sind seit mehr als 60 Jahren die Grundlage für den beispiellosen wirtschaftlichen Wiederaufbau und dauerhaften Erfolg unseres Landes. Aber Fähigkeiten und Fertigkeiten fallen den meisten Menschen nicht in den Schoß. Sie sind das Ergebnis von Anstrengung und harter Arbeit.

In den mittelalterlichen Handwerkszünften zum Beispiel dauerte die Ausbildung zum Gesellen sieben Jahre. Danach sollte der Lehrling beweisen, dass er elementare Fertigkeiten beherrschte, indem er als Gesellenstück eine Kopie anfertigte. Weitere fünf bis zehn Jahre dauerte es danach, bis er durch Vorlage eines eigenständigen Werkes versuchen konnte, den Rang eines Meisters zu erlangen. Zu Beginn des Berufslebens standen damals mehr als 15 Jahre Ausbildung. Heute dauert die Lehre drei Jahre und auch die Strecke zum Meister kann kürzer gehalten werden. Aber dafür hört das Lernen nie auf. Während ein mittelalterlicher Meister sich in der Regel sicher sein konnte, dass die einmal erlernten Techniken eine ganze Weile lang anwendbar bleiben, stehen Handwerker und Ingenieure heutzutage inmitten einer permanenten Revolution ihres Wissens und ihrer Arbeit. Neue Werkstoffe, neue Techniken, veränderte Kundenwünsche viele Faktoren sorgen dafür, dass schon morgen nicht mehr gelten muss, was heute im Schweiß der Edlen erlernt wird. Das darf nicht entmutigen oder gar frustrieren. Das muss anspornen und antreiben, damit das Wissen der Zeit auch im Handwerk abgerufen wird. Es braucht 10.000 Stunden Übung, so wird oft behauptet, um in einer Sache ein Experte zu werden. Das macht Mut, denn das sind nur 417 Tage. Das ist zu schaffen. Auch ein zweites oder drittes Mal.

Bildungs-, Ausbildungs- und Weiterbildungschancen anzubieten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der die Unternehmen mit bei der Ausbildung vorrangig in der Pflicht stehen. Wo wir aus- und weiterbilden können, darf es keinen Mangel an Fachkräften geben. Und das ist das Wichtigste: Bildung ist ein Menschenrecht in jeder Phase des Lebens. Wenn die Förderung nicht früh beginnt, dann kann man dort bereits alles verspielen. Es ist zynisch, junge Leute frühkindlich und in der Schule nicht ausreichend zu fördern und ihnen anschließend vorzuhalten, dass sie keinen Ausbildungsplatz finden. Dass Jahr für Jahr fast 80.000 Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss die Schule verlassen, ist ein Zustand, den wir nicht hinnehmen können. Deswegen bin ich froh, dass der Bildungsgipfel neben dem öffentlichen Streit ums Geld auch ein paar konkrete Festlegungen gebracht hat. Mehr Sprachförderung vor der Schule, eine bessere Begleitung beim Übergang in die Ausbildung, das lebenslange Recht auf einen Hauptschulabschluss sind nur einige der Beispiele, mit denen wir Chancen erhöhen und jungen Bürgerinnen und Bürgern neue Perspektive geben wollen.

Es darf kein gefährlicher Leerlauf zu Beginn des Berufslebens entstehen. Junge Menschen müssen wissen und erfahren, dass sie gebraucht und gefördert werden, aber eben auch gefordert. Das Handwerk übernimmt hier mit einer Ausbildungsquote von zehn Prozent viel Verantwortung. Bleiben Sie dabei. Und prüfen Sie, ob nicht noch etwas mehr geht.  Es ist wichtig, dass auch Sie als künftig Verantwortliche nicht nur die Besten oder Schlauesten nehmen, wenn Sie Auszubildende suchen. Es ist noch gar nicht so lange her, da waren die meisten Lehrlinge 15 oder 16 Jahre alt und hatten meistens einen Hauptschul- oder Realschulabschluss.  Diese Jugendlichen haben heute oftmals die geringsten Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Sie suchen teilweise seit Jahren vergeblich. Mittlerweile ist die Zahl der so genannten Altbewerber höher als die Zahl der neu auf den Ausbildungsmarkt Kommenden. Darum unterstützt die Bundesregierung mit dem Ausbildungsbonus Betriebe, die zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen und mit Jugendlichen besetzen, die schon lange vergeblich einen Platz suchen. Machen Sie in Ihren Betrieben davon Gebrauch!

Mancher gestandene Geschäftsmann, dem Sie heute begegnen, war in jüngeren Jahren bestimmt auch ein Filou und fast abgeschrieben von seinem Umfeld. Manche setzen sich erst später auf den Hosenboden und begreifen, worum es im Leben geht. Diese Chance müssen wir ihnen geben. Auch aus eigenem Interesse: Wir brauchen schließlich auch künftig gut ausgebildete Fachkräfte in Deutschland. Und überall da, wo wir selbst ausbilden können, darf uns ein Mangel gar nicht erst erwachsen. Die duale Ausbildung wird deshalb einer der Grundpfeiler unseres Qualifikationssystems bleiben. Die betriebliche Ausbildung, die Lehre, ist die wichtigste Ausbildung, die wir in Deutschland haben. Denn selbst wenn wir unser selbst gestecktes Ziel erreichen und 40 Prozent eines Jahrgangs an die Hochschulen bringen, bleiben drei von fünf, die eine Perspektive in der beruflichen Bildung und Ausbildung brauchen. Wir können die Attraktivität der Ausbildung noch steigern, indem wir die Durchlässigkeit zwischen beruflicher Ausbildung und Hochschulen erhöhen.

Wir brauchen mehr Techniker und Ingenieure in Deutschland, darin sind sich alle einig. Allerdings zeigen uns die Erfahrungen, dass der Sohn eines Lehrerehepaars oder die Tochter eines Arztes eher Jura oder eine Sozialwissenschaft studieren als eine Ingenieurswissenschaft. Die TU-Absolventen, die heute ebenfalls im Saal sind, werden das aus ihren Seminaren wissen. Deshalb müssen wir uns etwas einfallen lassen. Ich habe sehr dafür gekämpft, dass wir auf dem Bildungsgipfel ein so genanntes Aufstiegspaket vereinbart haben. Bis 2010 werden die Länder die Voraussetzungen formulieren, unter denen Meister, Techniker oder Fachwirte an die Hochschulen gehen können. Außerdem sollen Ausbildung und dreijährige Berufserfahrung einen fachgebundenen Zugang eröffnen. Ich bin fest davon überzeugt: Wenn uns das gelingt, dann werten wir damit auch die berufliche Ausbildung und den Meistertitel weiter auf. Wir haben da noch viel zu viele unnötige Barrieren, die wir einreißen werden.

Ein schönes Beispiel dafür, dass das möglich ist, ist die Berufsakademie Hamburg, die die Kammer vor ein paar Jahren gegründet hat. Im Dualen Studiengang Betriebswirtschaft KMU können dort Abiturienten oder Schüler mit Fachhochschulreife eine Ausbildung mit einem betriebswirtschaftlichen Bachelor-Studium kombinieren. Nach vier Jahren haben sie dann zwei Abschlüsse und jede Menge praktische wie theoretische Kenntnisse ideale Voraussetzungen, um im Mittelstand Führungspositionen zu besetzen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Weiterbildung ist wichtig aber nicht in allen Branchen gibt es dafür einen so formalisierten Weg wie den Meister. Und auch Sie werden künftig vor der Aufgabe stehen, Ihr Wissen und Können aktuell zu halten.

Weiterbildung ist nach wie vor eine der ganz großen Herausforderungen, vor denen wir stehen: Nur rund 12 Prozent aller Arbeitnehmer nehmen pro Jahr an einer Weiterbildung teil. In skandinavischen Ländern, in den USA oder der Schweiz ist diese Teilnahmequote zum Teil dreimal so hoch. Noch immer werden in jedem fünften kleinen oder mittleren Betrieb überhaupt keine Weiterbildungsangebote gemacht. Da müssen wir besser werden. Angesichts der kurzen Zyklen, in denen heutzutage Wissen veraltet, ist das dringend nötig. Kluge Unternehmen handeln entsprechend.

Gerade im Handwerk ist deshalb Weiterbildung wichtig. Es freut mich, dass der Zentralverband des Deutschen Handwerks gemeinsam mit einigen Handwerkskammern und regionalen Handwerkskammertagen die Zentralstelle für Weiterbildung (ZWH) eingerichtet hat, um die kleinen handwerklichen Betriebe bei der Weiterbildung zu unterstützen. Denn natürlich kann ein kleiner Betrieb mit vielleicht zwei, drei Angestellten das schwer selber stemmen. Es ist oft schon schwierig genug, dass einer fehlt, weil er lernt und nicht arbeitet. Aber es zahlt sich aus wie Ökonomen berechnen auch ganz konkret in höherer Produktivität und besserer Leistung. Das ist ein gutes Beispiel, wie man Weiterbildung auch unter erschwerten Bedingungen ermöglichen kann.

Ich will ausdrücklich auch die Anstrengungen erwähnen, die die Handwerkskammer hier in Hamburg mit dem ELBCAMPUS unternommen hat, um die Bedingungen für Weiterbildungsangebote ganz substanziell zu modernisieren und zu verbessern. Herausragende Qualifikationen sind immer schon die Grundlage der Wettbewerbsfähigkeit und des wirtschaftlichen Erfolges unseres Landes gewesen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

erst kürzlich wieder hat der Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser alle Marktradikalen in die Schranken gewiesen und klar gemacht, dass nicht die Regulierung des Arbeitsmarktes Grund für die aktuellen Verwerfungen ist, sondern vielmehr Versäumnisse im Hinblick auf ausreichende Bildung und Qualifizierung, ohne die eine Hochtechnologie-Wirtschaft wie die deutsche kaum leben kann. Deswegen sind Bildung und Ausbildung die zentralen Felder, auf denen wir uns um künftigen Wohlstand in unserem Land kümmern müssen. Was wir hier versäumen, werden wir sonst an anderer Stelle nur nachsorgend reparieren können.

Bestes Beispiel dafür ist der Rechtsanspruch auf das Nachholen eines Hauptschulabschlusses, auf den wir uns nach langem hin und her geeinigt haben. 500.000 Arbeitslose haben derzeit keinen Schulabschluss und damit auch so gut wie keine Chance auf einen Wiedereinstieg ins Berufsleben. Wir geben ihnen künftig die Gelegenheit, an ihrer Situation etwas zu ändern. Auch solche Bildungsanreize sind Teil einer modernen Arbeitsmarktpolitik und werden es bleiben müssen, solange unser Bildungssystem es nicht schafft, jeden mitzunehmen.

Wir haben zwar im Oktober die Drei-Millionen-Grenze bei den Arbeitslosen unterschritten, aber wir wissen auch, dass Vollbeschäftigung noch in weiter Ferne liegt. Aber gerade weil wir sie als Ziel nicht aufgeben dürfen, müssen wir daran arbeiten, die Arbeitsvermittlung zur leistungsfähigsten Institution unseres Landes zu machen. Wir nehmen der Arbeitslosigkeit nämlich viel von ihrem Schrecken, wenn wir Langzeitarbeitslosigkeit faktisch gar nicht mehr zulassen, sondern es schaffen, jeden binnen Jahresfrist in eine neue Arbeit zu vermitteln. Diese Aufgabe begleitet uns nun schon seit einigen Jahren und sie wird uns auch noch einige Zeit beschäftigen. Dass es aber gelingen kann, davon bin ich fest überzeugt.

Arbeitsvermittlung allein generiert zwar keine Jobs, aber sie kann effizienter als noch vor ein paar Jahren dabei helfen, neue Arbeit zu finden. Deshalb spielt sie auch eine wichtige Rolle, wenn wir uns derzeit darum bemühen, ein Durchgreifen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft zu verhindern. Dazu hat die Bundesregierung ein Paket mit ganz gezielten Impulsen auf den Weg gebracht. Neben den zusätzlichen Anstrengungen bei der klimagerechten Sanierung ist für Sie vor allem die verbesserte Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen von Interesse der Handwerkerbonus. Künftig sind 20 % der Arbeitskosten für Instandhaltung und Modernisierung bis zu einer Höhe von 6.000 Euro steuerlich absetzbar. Das sind 1.200 Euro Steuerersparnis doppelt so viel wie bisher. Das bedeutet hoffentlich auch für Ihre Betriebe eine gute Stabilisierung und einen ordentlichen Schub. Nutzen Sie ihn!

Mit den Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik wollen wir daneben dafür sorgen, dass der Arbeitsmarkt atmen kann. Das heißt, wir wollen den Betrieben ermöglichen, auch in schwierigeren Zeiten an ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern festzuhalten. Qualifizieren statt Entlassen das ist die Devise. Deshalb weiten wir entsprechende BA-Förderprogramme aus und verlängern die mögliche Zahldauer des Kurzarbeitergeldes von derzeit 12 auf dann 18 Monate. Damit geben wir Unternehmen die Chance, um Entlassungen herumzukommen und qualifiziertes Personal zu halten, damit sie nach der hoffentlich nur kurzen Krise wieder durchstarten können.

Damit auch die, die trotzdem arbeitslos werden, bessere Chancen auf den Wiedereinstieg haben, stellen wir außerdem 1000 zusätzliche Vermittler ein, die sich um diejenigen kümmern sollen, die bereits gekündigt, aber noch nicht arbeitslos sind. Wir wollen hier in so vielen Fällen wie möglich einen nahtlosen Übergang in eine neue Stelle schaffen.

Das alles sind Instrumente für einen modernen Arbeitsmarkt, die vor allem angesichts der wirtschaftlich schwierigeren Zeiten Wirkung zeigen sollen.

Es geht aber viel genereller und grundlegender darum, Flexibilität innerhalb sozialstaatlich abgesicherter Strukturen möglich zu machen. Das ist nämlich kein Gegensatz. Aus diesem Grund haben wir dafür gesorgt, dass Wertguthaben auf Langzeitkonten besser gegen Insolvenz geschützt sind und leichter bei einem Arbeitgeberwechsel mitgenommen werden können. Aus diesem Grund haben wir die Förderbedingungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen so verändert, dass auch kleinere Betriebe über Fondslösungen die Möglichkeit haben, solche Modelle umzusetzen. Und aus diesem Grund sind wir auch für Mindestlohnregelungen, die verhindern, dass der Wettbewerb nur noch um die niedrigsten Löhne geführt wird und sich der Betrieb durchsetzt, der hier am skrupellosesten auf Dumping setzt. Angesichts der wachsenden europäischen Konkurrenz sind Mindestlöhne jedenfalls ein wichtiges Instrument, um fairen Wettbewerb durchzusetzen. Ein probates Mittel, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor schlechten Arbeitsbedingungen zu schützen, sind sie sowieso.

Wer heute mit 15, 16 anfängt zu arbeiten, der hat fünf Jahrzehnte im Berufsleben vor sich. Das ist eine lange Zeit, die wir so gestalten müssen, dass sie bewältigt werden kann und dass sie im Idealfall auch noch Spaß macht. Dazu gehört nicht nur eine ordentliche Bezahlung, sondern alles das, was landläufig unter Humanisierung der Arbeit gefasst wird von gesunden Arbeitsbedingungen bis hin zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und dazu gehört die Verlässlichkeit der sozialen Systeme, die Sicherheit bei Krankheit oder im Alter gewährleisten sollen. Wir haben viel dafür getan, sie solide aufzustellen und so abzusichern, dass jeder, der heute einzahlt, auch davon ausgehen kann, dass er angemessen abgesichert ist. Diese Plausibilität ist wichtig für die Stabilität unseres Sozialstaates und sie kann sich als ein Garant in der Krise erweisen.

In den USA haben die Pensionskassen binnen 18 Monaten zwei Billionen Dollar verloren. Das Geld, das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für ihr Alter gespart haben, ist weg. In Deutschland funktioniert die Umlage der Rente nach wie vor solide und verlässlich. Dieses Wissen ist eine Stärke unseres Standorts, die regelmäßig unterschätzt wird. Ich halte sie für zentral und stimme Helmut Schmidt ausdrücklich zu, dass unser Sozialstaat eine große kulturelle Errungenschaft ist. Ich glaube kaum, dass wir seine Bedeutung überschätzen können.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn man davon ausgeht, dass Motivation für gute Arbeit wichtiger ist als alles Talent dieser Erde, dann weiß man auch, dass man gestaltend eingreifen kann. Denn die Bedingungen für Motivation kann man beharrlich verbessern. Unsere Politik für ein sozialeres Deutschland ist Arbeit auf dieser Baustelle. Die soziale Sicherheit, das Versprechen des möglichen Aufstiegs, die Chancengleichheit all das fördert die Motivation. Und es fordert dazu auf, sich selbst einzubringen in die Gestaltung des Gemeinwesens.

Deswegen verwundert es auch nicht, dass die ersten bekannteren Sozialdemokraten allesamt Handwerker gewesen sind so wie der Sattlergeselle Friedrich Ebert. Ich sehe da durchaus eine Verwandtschaft im Geiste und im Handeln. Max Weber hat schließlich das Handwerk bemüht auf der Suche nach einem guten Bild dafür, was Politik ausmacht. Sie kennen es alle: Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich.

Wer den Pragmatismus und die Ausdauer des Handwerks gelernt hat, der ist nicht mehr anfällig für allzu utopische Phantastereien, sondern wird sich beharrlich an die Lösung der anstehenden Probleme machen. So wie mit jedem einzelnen Schnitt aus dem Werkstück das spätere Produkt wird. Kein Werkstück ist mit der ersten Skizze fertig. Seine Erarbeitung ist ein Prozess, Nachbesserungen inklusive. In komplexen Gesellschaften ist anderes nicht denkbar.

So könnte man auch unsere Demokratie beschreiben. Auch sie ist Handwerk, auch sie braucht ingeniöses Wissen um komplexe Prozesse. Auch sie braucht Experten mit lange erlernten Fähigkeiten und Fertigkeiten. Politiker sind Handwerker und Ingenieure der Demokratie.

Gute Politik kennt den Mittelweg zwischen dem vermeintlich genialischen Überschwang des Augenblicks und dem Gewurstel des Alltags. Gute Politik hält sich in der Mitte und sucht beharrlich nach Lösungen für die anstehenden Probleme. Das gilt insbesondere für die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Für eine solche Politik der Mitte, die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen zur Kenntnis nimmt und balanciert oder gar in Übereinstimmung bringt, will ich gerne stehen.

Liebe Meisterinnen und Meister,
liebe Absolventinnen und Absolventen,

ich wünsche Ihnen alles Gute für die kommende Zeit viele Ideen und viel Erfolg. Von Ihrem Können profitieren wir alle. Sie bringen viel mit und haben sich viel zusätzlich erworben. Machen Sie etwas Gutes daraus.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!