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24.04.2013

Fachkonferenz Infrastrukturverantwortung im Zeichen der Energiewende

Fachkonferenz Infrastrukturverantwortung im Zeichen der Energiewende

 

Sehr geehrter Herr Kuhbier,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

Es macht mich rasend zu sehen, wie all diese Energie nutzlos verpufft. Doch eines Tages werden wir sie an die Kette legen!

 

Gern hätte ich diesen Satz geprägt. Er stammt aber von dem großen Erfinder Thomas Alva Edison, der ihn 1889 notiert hat auf einer Schiffsreise über den Atlantik angesichts von Wind und Wellen.

 

Edison war, wie so oft, seiner Zeit weit voraus. Den Wind auf dem Meer an die Kette legen, ihn ernten und mit ihm unsere Energieversorgung bestreiten, das gelingt uns im großen Stil erst mehr als hundert Jahre später, vor allem mit der Offshore-Windenergie.

 

Sie ist für die Energiewende zentral wichtig. Denn anders als an Land bläst der Wind auf dem Meer so stetig, dass er für die Stromversorgung nahezu grundlastfähig ist.

 

Besonders die Offshore-Windenergie kann also wenn der Netzausbau voran geht Strom auch in die industriellen Zentren weiter im Süden Deutschlands liefern, um dort den Wegfall der Atomkraftkapazitäten zu ersetzen.

 

Deshalb sollen bis 2020 laut Energiekonzept der Bundesregierung 10 Gigawatt installiert sein. Ein Gigawatt entspricht etwa der Leistung eines Atomkraftwerks. Bis 2030 sollen es 20 bis 25 Gigawatt sein.

 

Das sind ehrgeizige Ziele. Ob sie erreicht werden können, ist derzeit offen. Denn der Ausbau der Offshore-Windenergie gerät ins Stocken. Sie kennen die Schlagzeilen. Erst gab es technische Probleme und es hieß, die Kabelindustrie sei Schuld. Es würden Seekabel fehlen, die für die vielen Netzanbindungen der Offshore-Windparks nötig sind. Auch gab es Probleme mit den Standards für die Konverterplattformen, die den Strom hochtransformieren und in Gleichstrom umwandeln. Die Technik ist notwendig, damit beim Transport über lange Strecken möglichst wenig Verluste entstehen. Dann fehlten die Netzanschlüsse und der Schwarze Peter wanderte zu den Netzbetreibern.

 

Inzwischen wurden mehrere Offshore-Windparks gestoppt: Nordsee 1 von RWE Innogy, 40 Kilometer vor der Nordseeinsel Juist; Riffgrund II des dänischen Energieunternehmens Dong Energy, 38 Kilometer nördlich der Insel Borkum; und Hohe See von EnBW, 100 Kilometer nordwestlich von Helgoland. Anders als zum Teil in den Medien berichtet, sind sie aber nur vorläufig auf Eis gelegt.

 

Der Stand heute ist: Ende 2012 waren gerade mal 280 Megawatt Offshore-Windenergie-Leistung installiert. Im Moment sind sechs Offshore-Windparks mit mehr als 2000 Megawatt im Bau. Was in der Zukunft projektiert wird, ist momentan nicht absehbar.

 

Bis 2020 geht die Offshore-Branche trotzdem von 6 bis 7 Gigawatt installierter Leistung aus. Das ist weitaus weniger als die zehn Gigawatt, die die Bundesregierung in ihrem Energiekonzept angestrebt hat und die notwendig sind, damit 2022 der Ausstieg aus der Atomenergie vollzogen werden kann.

 

Meine Damen und Herren,

Deutschland ist weltweit einer der wichtigsten Investitionsmärkte für erneuerbare Energien. Das bestätigt uns, aber es ist auch eine Herausforderung. Kapital, so heißt es, hat das Herz eines Hasen, die Beine eines Rennpferdes und das Gedächtnis eines Elefanten. Kurz: Es ist flüchtig. Damit es trotzdem in unsere Offshore-Windparks fließt, müssen wir es festhalten und das ist gar nicht so einfach. Aus drei Gründen:

 

  1. Diese Technologie ist teuer. Die Kosten für einen Offshore-Windpark betragen, je nach konkreter Größe und Lage und grob gepeilt, mehr als eine Milliarde Euro.
  2. Sie erfordert langfristiges Engagement. Von der Planung bis zur Realisierung eines Projekts können acht bis zehn Jahre ins Land gehen.
  3. Die Finanzierung ist komplex. Beteiligt sind bei Projektfinanzierungen bis zu 20 Banken, die in einem Konsortium zusammenarbeiten müssen.

 

Die Finanzierungsfrage hat deshalb im Zusammenspiel mit anderen Faktoren das Potenzial, den Offshore-Ausbau in Deutschland und damit auch die Energiewende zu gefährden. Was die Unternehmen brauchen, ist langfristige Investitionssicherheit.

 

Deutschland gilt als junger Markt mit Potenzial allerdings nur, wenn die international vergleichsweise niedrigen Renditen durch langfristig sichere politische und rechtliche Rahmenbedingungen ausgeglichen werden.

 

Verzögert sich ein Bauvorhaben, sind neue Verhandlungsrunden mit den Investoren notwendig. Das kostet Zeit und Vertrauen und im Zweifelsfall auch Geld. Banken haben beispielsweise angekündigt, zusätzliche Risikoaufschläge verlangen zu müssen, wenn sich die Rechtslage verändert oder unsicherer wird. Das würde die Finanzierung von Offshore-Windparks weiter verteuern.

 

Mit Sorge habe ich deshalb die Netzanschlussproblematik und die Diskussion um die Strompreisbremse gesehen. Beides hat die Betreiber von Offshore-Windparks, Banken und internationale Finanzinvestoren verunsichert. Letztere sind für den deutschen Markt für Offshore-Windparks mit seinen im Vergleich zu anderen Ländern zahlreichen Projektfinanzierun-gen besonders wichtig. Aber Finanzinvestoren ziehen sich auch besonders schnell von einem als unsicher eingeschätzten Markt zurück.

Und die Konkurrenz schläft nicht. Der deutsche Offshore Wind-Markt steht im europäischen Wettbewerb um Finanzmittel, und andere Märkte bieten womöglich interessantere Chancen: In Großbritannien wird Offshore-Wind weiter ausgebaut. Hier sollen bis 2020 zusätzlich 32 Gigawatt entstehen. Auch Frankreich hat eine Offshore-Marktentwicklung angekündigt. Das Land will vor seinen Küsten bis 2020 Offshore-Windparks mit einer Leistung von insgesamt sechs Gigawatt installieren.

 

Darüber hinaus konkurriert Offshore mit anderen Infrastruktur- und Kraftwerksprojekten um Finanzmittel. Auch deutsche Energieversorgungsunternehmen haben die Möglichkeit, Milliarden von Euro in weniger umstrittene, technologisch erprobtere und sicherere Märkte zu investieren als in deutsche Offshore-Windparks.

Aus all diesen Gründen brauchen die Unternehmen langfristige Investitionssicherheit. Diese junge Branche in einem Bereich neuartiger, zukunftsweisender Technologie muss mit ihren langen Projekt- und Entwicklungszyklen besonders vor kurzfristigen, unberechenbaren oder gar rückwirkenden Veränderungen geschützt werden.

 

Einiges ist auf diesem Feld schon geschehen. Ich will kurz darauf eingehen, auch weil Hamburg sich sehr für diese Verbesserungen eingesetzt hat.

 

So wurde in der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes vom Dezember vergangen Jahres eine Entschädigungsregelung eingeführt. Bei verzögerter Fertigstellung oder längeren Störungen der Netzanbindung kann ein betriebsbereiter Offshore-Windpark vom Übertragungsnetzbetreiber nun eine Entschädigung verlangen. Der wiederum kann diese Kosten bis zum einem gewissen Grad an die Energieverbraucher weitergeben.

 

Weitere Fortschritte hat der Energiegipfel im März dieses Jahres gebracht. Hier haben sich die Bundesländer mit ihrer Forderung durchgesetzt, dass es keine rückwirkenden Kürzungen bei der Ökostrom-Förderung geben soll. Diese Aussage hat nicht nur für die Offshore Windenergie große Bedeutung, sondern für die gesamte Branche der Erneuerbaren Energien.

 

Der Energiegipfel hat zudem endlich die Planungszuständigkeiten für die Netzinfrastruktur festgelegt. Insgesamt wird der Netzausbau damit hoffentlich beschleunigt.

Die Errichtung von Offshore-Windparks und die Anbindung an das Netz werden besser aufeinander abgestimmt. Dazu müssen die Übertragungsnetzbetreiber jährlich einen verbindlichen Offshore-Netzentwicklungsplan vorlegen. Der wird Teil des Bundesbedarfsplans nach Genehmigung durch die Bundesnetzagentur, die jetzt für bestimmte länderübergreifende und grenzüberschreitende Höchstspannungsleitungen die Planfeststellungszuständigkeit bekommen soll. In einem Realisierungsfahrplan müssen dann die Übertragungsnetzbetreiber und die Betreiber von Offshore-Windparks die Fertigstellung der Netzanbindung miteinander abstimmen. 

 

Die Arbeit an dem Planwerk ist in vollem Gange. Aktuell befindet sich der erste Entwurf des Netzentwicklungsplans für Nord- und Ostsee in der Konsultation durch die beteiligten Übertragungs-netzbetreiber. Ende der Rückmeldefrist war vor ein paar Tagen, am 14. April.

 

Im Sommer sollen die Übertragungsnetzbetreiber einen überarbeiteten Entwurf an die Bundesnetzagentur übergeben, der dann bis Ende 2013 verabschiedet werden soll.

 

Auch bei den Standardisierungen für die Offshore-Netzanschlüsse geht es voran. Sie werden gerade erarbeitet und werden die Arbeit in Zukunft erleichtern und beschleunigen.

 

Erste Erfolge der Entschädigungsregelung zeigen sich bereits. Im Januar haben TenneT und die japanische Mitsubishi Corporation Verträge über zwei Offshore-Netzanbindungsprojekte in der Nordsee geschlossen, die nun gebaut werden können.

 

Zudem ergeben sich für TenneT jetzt hoffentlich finanzielle Spielräume für weitere Netz-anschlüsse, falls noch mehr Finanzierungspartner einsteigen. Dieses Ziel hat Hamburg im Verbund mit den norddeutschen Ländern stets im Blick gehabt. Da das Unternehmen weitere Mitinvestoren benötigt, um die Investitionen stemmen zu können, müssen TenneTs künftige Finanzierungsfragen durch die Politik weiter intensiv begleitet werden. Hamburg wird das im Verbund mit den norddeutschen Ländern weiterhin intensiv tun.

 

Im Gespräch ist in diesem Zusammenhang auch eine Beteiligung der KfW-Förderbank an der Finanzierung von Offshore-Netzanschlüssen. Das Beispiel der Europäischen Investitionsbank und ihrer wichtigen Rolle in der Finanzierung von Offshore-Windparks mag hier gedankliche Anstöße geben.

 

Die Europäische Investitionsbank stellt für den Windpark Butendiek 450 Millionen Euro an Darlehen zur Verfügung. Der Windpark entsteht westlich der Insel Sylt 53 km vor der Küste Schleswig-Holsteins und ist eines der bislang umfangreichsten Offshore-Windprojekte in der deutschen Nordsee. Er wird mit 80 Turbinen eine Gesamtleistung von 288 Megawatt erzeugen. Das Investitionsvolumen beläuft sich auf insgesamt 1,4 Milliarden Euro.

 

Meine Damen und Herren,

Wenn man etwas Neues macht, ist man notwendigerweise ein Amateur, hat ein großer amerikanischer Physiker einmal gesagt. Aber gilt das auch für die Windenergie?

 

Wie man aus Wind Strom erzeugt, das ist bekannt, seit der schottische Wissenschaftler James Blyth 1887 hinter seinem Haus ein zehn Meter hohes Windrad aufstellte. Er war der erste, der mit Wind Strom produzierte und damit sein Ferienhaus beleuchtete. Sein Gerät war so effektiv, dass Blyth auch seine Nachbarn mit Strom hätte versorgen können. Aber die wollten von dem Teufelszeug, wie sie es nannten, nichts wissen.

 

Seitdem hat die Technologie Riesensprünge gemacht. Wie man Windanlagen an Land baut oder im Meer in Küstennähe, das ist bewährte Technologie. Anders ist es bei der Erzeugung von Strom weit draußen auf dem Meer.

 

Das ist eine junge Technologie. Sie wird vor allem in Deutschland bevorzugt aus Gründen des Naturschutzes im Ökosystem Wattenmeer, das zum Weltnaturerbe gehört, ferner wegen der  Schifffahrt, der Landes- und Bündnisverteidigung, auch der touristischen Nutzung und der Belange von Bewohnern der Inseln.

 

In Deutschland geschieht der Ausbau von Windkraft auf dem Meer deshalb vor allem außerhalb der 12-Seemeilenzone und in bis zu 40 Meter tiefem Wasser.

Das erhöht die technischen Anforderungen an die Anlagen, an ihre Installation und an die Netzanbindung. Um den Strom über große Distanzen zur Küste zu transportieren, ist die Übertragung mit hoher Gleichspannung notwendig. Diese anspruchsvolle Technik hat ebenfalls dazu beigetragen, dass sich die wenigen gebauten Anschlüsse stark verzögert haben.

 

Aber Sie wissen, in Deutschland gilt Vorsprung durch Technik. Kein anderes Land produziert mehr forschungs- und entwicklungsintensive Hightech-Artikel für den Weltmarkt, wie der Bericht der Bundesregierung zur HighTech-Strategie gerade wieder gezeigt hat.

 

Deshalb bin ich überzeugt: Je mehr Projekte realisiert werden, um so steiler wird die Lernkurve im technischen Bereich, sodass die Produktion sicherer, schneller und günstiger werden wird. 

Der Ausbau der Offshore-Windparks wird nur realisierbar sein, wenn der Entwicklungsfaden der Technologie nicht reißt.

 

Um diese Gefahr zu vermeiden, begleitet die Freie und Hansestadt Hamburg zusammen mit den norddeutschen Ländern die hier engagierten Unternehmen. Hamburg hat wiederholt eine sachliche Debatte zur Energiepreis-Frage und einen sicheren Rahmen für den komplexen und langwierigen Offshore-Ausbau gefordert.

 

Eine der wichtigsten Weichenstellungen in diesem Zusammenhang wäre meiner Meinung nach die Gründung einer deutschen Netzgesellschaft, die den Ausbau der großen Übertragungsnetze koordiniert und voranbringt. Dabei ist eine gemeinsame norddeutsche Positionierung zum Thema notwendig.

Hamburg und die norddeutschen Bundesländer wollen an der Energiewende teilhaben und sie beschleunigen. Das geschieht aus ökologischen Gründen, solchen der Versorgungssicherheit, aber natürlich auch aus unmittelbar wirtschaftlichen Gründen.

 

Für die Küstenregion wird im Energiekonzept der Bundesregierung ein Wachstum von bis zu 7.000 Arbeitsplätzen genannt und der Offshore-Zubau mit einem Umsatz von rund 100 Milliarden Euro veranschlagt. Entsprechende Arbeitsplatz- und Wertschöpfungsvorteile werden in der Regel in Küstenstandorten in Schleswig-Holstein und Niedersachsen erwartet, die sich als Offshore-Häfen und Produktionsstätten entwickeln.

 

Auch Hamburg profitiert. Schon jetzt siedeln hier Unternehmen der Windenergie-Branche ihre Unternehmenszentralen und andere wichtige Funktionen wie Forschung und Entwicklung an, die Standortbedingungen einer internationalen Metropole brauchen.

 

Bedeutende Unternehmen der Windenergie-Branche und ihrer Zulieferer sind bereits vor Ort: WEA-Hersteller wie Vestas, Nordex, General Electric, internationale EVUs wie Dong Energy oder spezialisierte Unternehmen aus dem Finanz-, Logistik- oder Projektierungsbereich.

 

Die Offshore Windenergie bietet für Hamburg die Chance auf nachhaltiges Wachstum im industriellen Sektor. Die außerhalb der 12-Meilen-Zone erprobten Technologien und Verfahren machen weltweit nachgefragte Spitzenprodukte und Dienstleistungen möglich.

Als Metropole der Windenergie kann Hamburg aber noch viel mehr. Wo sonst in Deutschland gibt es diese hohe Dichte an Bevölkerung, an hochqualifizierten Fachkräften, an innovativer Industrie und spezialisiertem Gewerbe? Das ist unsere Stärke und die wollen wir nutzen, um ein führender Standort für Forschungs- und Demonstrationsprojekte in den Bereichen Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energieverteilung zu sein.

 

Die Entwicklung geht weiter. Um die Energiewende zum Erfolg zu führen, ist ein intelligentes Strommanagement notwendig. Hamburg ist mit dem Projekt Smart Energy HafenCity auf dem Weg zur Smart City schon ein gutes Stück vorangekommen. Dazu gehört die Einführung intelligenter Stromzähler. Sie ermöglichen die Abstimmung von Energieerzeugung, -speicherung und -verbrauch und können helfen, Spitzenlasten zu vermeiden.

 

Wir setzen auf Elektromobilität. In der Hafencity wurde im Dezember die erste Schnell-Ladesäule aufgestellt. Beim Kaffeetrinken oder in der Mittagspause schnell mal das Elektroauto zu laden wird damit Wirklichkeit, denn die Ladesäule arbeitet mit Gleichstrom. Das verkürzt die Ladezeit von vier Stunden auf 30 Minuten.

 

In Hamburg-Reitbrook entsteht die weltweit modernste Power-to-Gas-Anlage, in der überschüssiger Windstrom mittels Elektrolyse Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet. Der Wasserstoff wird in das Hamburger Gasnetz eingespeist und kann helfen, eines der wichtigsten Probleme der Energiewende zu lösen: die Speicherung von Erneuerbaren Energien.

 

Unser Innovations-Gas- und Dampfturbinenkraftwerk in Wedel wird mit Power-to-Heat-Technologie ausgestattet, bei der überschüssiger Windstrom Wasser erhitzt. Diese Wärme wird gespeichert und bei Bedarf ins Fernwärmenetz eingespeist.

Hamburg ist ein großes Verbrauchszentrum für Energie. 70 Prozent des Gesamtstromverbrauchs entfallen auf Industrie und Gewerbe. Wir sind mehr denn je daran interessiert, Strom sicher, zuverlässig und zu wettbewerbsfähigen Preisen zu beziehen. Das ist, wenn man so will, das strategische Dreieck der Energiewende, in dem wir uns bewegen. Es ist in unserem ureigenen Interesse, und damit meine ich nicht nur Hamburg oder den Norden, sondern ganz Deutschland, die Energiewende zum Erfolg zu führen, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie durch Unsicherheiten in der Stromversorgung, oder zu hohe Strompreise zu gefährden.

 

Meine Damen und Herren,

wie Sie sehen, haben Sie es mit einem Überzeugungstäter in Sachen Erneuerbare Energien zu tun. Aber ich sehe auch die Grenzen dieser Technik. Ich war nie ein Freund radikaler Alles-auf-eine-Karte-Lösungen. Erneuerbare Energien besonders Wind und Sonne können, egal wie intelligent wir sie nutzen, noch nicht unsere gesamte Energieversorgung übernehmen. Dafür sind sie zu volatil.

 

Was wir brauchen, ist ein Energiemix aus Erneuerbaren und konventionellen Kraftwerken. Dazu gehört vor allem der Bau von hochflexiblen, schnell regelbaren Gaskraftwerken. Damit bin ich bei meiner letzten Baustelle für den heutigen Tag angekommen.

 

Denn der Bau solcher Gaskraftwerke ist kostenintensiv und amortisiert sich nicht  selbstverständlich. Die Situationen, in denen kein Strom aus Erneuerbaren erzeugt wird, reichen nicht sicher aus, um Bau und Betrieb der fossilen Kraftwerke zu finanzieren.

Zumindest nicht so, dass neue Kraftwerke dort gebaut würden, wo sie zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität erforderlich sind. Wir brauchen aber, wie gesagt, längerfristig einen ausgewogeneren Technologiemix aus erneuerbarer und konventioneller Stromerzeugung, um die Versorgungssicherheit trotz stark fluktuierender Energieerzeugung aus Wind- und Solarkraftwerken zu gewährleisten.

 

Bevorzugtes Instrument dürfte dabei die so genannte strategische Reserve sein, also Reservekraftwerkskapazitäten, auf die zurückgegriffen werden kann, falls nicht genügend Erneuerbare zur Verfügung stehen. Diese Reservekapazitäten ließen sich mit einigen neuen Gasturbinenkraftwerken oder mit dem Weiterbetrieb einiger zur Stilllegung vorgesehener Gas- und Kohlekraftwerke sehr schnell aufbauen.

 

Meine Damen und Herren,

bislang habe ich über Hamburg und über Deutschland gesprochen. Aber wenn wir über Strom reden, dann reden wir über etwas, das fließt, über Elektronen, die ständig in Bewegung sind. Fließt zuviel Strom oder zuwenig, gibt es sofort Probleme, bis zur Destabilisierung von Netzen.

 

Auch deshalb dürfen wir Deutschland nicht isoliert betrachten, sondern müssen unser Land als Teil Europas sehen. Ein starker europäischer Netzverbund kann die Volatilität der Stromerzeugung aus Erneuerbaren besser ausgleichen. So kann Windstrom beispielsweise zur Stabilisierung der Netze auch in Regionen genutzt werden, in denen zur selben Zeit gerade Windstille herrscht.

 

Zum Blick über die Grenzen gehört auch, dass wir beim Ausbau der Speicherkapazitäten europaweit denken müssen. Insbesondere Norwegen, Schweden und Österreich bieten Potenziale für die Speicherung von Wasserkraft. Ein Stichwort ist in diesem Zusammenhang das NorGer-Kabel, das es ermöglichen könnte, norddeutschen Windstrom als norwegische Wasserkraft zu speichern.

 

Sie sehen, die Aufgaben, die wir uns gestellt haben, sind immens. Längerfristig können wir sie weder in Norddeutschland noch in Deutschland alleine lösen. Wir müssen auch in Europa über die nächsten Schritte reden.

 

Erfahrungen mit koordiniertem Vorgehen haben wir während der Finanzkrise gemacht. Sie können uns auch beim Umstieg auf Erneuerbare helfen. Soviel ist klar: Für eine wirklich erfolgreiche Energiewende brauchen wir Europa. Nationalstaatliches Handeln bringt uns auch hier nicht weiter.

Schließen will ich mit einem Seglerspruch, der eigentlich eine Weisheit der Wikinger ist: 

 

Über den Wind können wir nicht bestimmen, aber wir können die Segel richten.

Lassen sie uns die Segel richten für eine erfolgreiche Energiewende, für einen erfolgreichen Netzausbau und in Zukunft vielleicht auch ein koordiniertes Vorgehen in Europa.

 
 
Es gilt das gesprochene Wort.