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12.01.2013

Fall des Zollzauns am Spreehafen

 

Sehr geehrte Frau Hercher,

sehr geehrte Frau Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,

sehr geehrte Frau Amelingmeyer,

sehr geehrter  Herr Hellweg,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

nun spreche ich also für die neue Besitzerin des Zollzauns, die Freie und Hansestadt Hamburg. Herzlichen Dank, Frau Hercher, für die freundlichen überleitenden Worte. 

 

Kaum dass der Zaun uns gehört, legen wir ihn jetzt nieder. Das tun wir nicht aus Missachtung seiner historischen Rolle, aber die hat er inzwischen ausgespielt. Seit 1903, also 110 Jahre lang, hat das drei Meter hohe stacheldrahtbewehrte Gitter den direkten Weg zwischen den Wohnquartieren und dem Hafenbecken versperrt für Schmuggler und für die Bewohner der angrenzenden Wohnquartiere gleichermaßen.

 

2013 aber wird das Jahr der IBA, der Internationalen Bauausstellung, und das Jahr der igs, der internationalen Gartenschau. Es wird das Jahr der Wilhelmsburgerinnen und Wilhelms-burger. Da ist kein Platz mehr für einen Zaun.

 

Wobei mir durchaus klar ist, dass wir uns hier auf dem Kleinen Grasbrook befinden, formal und vom Grenzverlauf her. Also hart am Rande Wilhelmsburgs. Aber darum geht es ja gerade: dass endlich auch innerhalb Hamburgs die 

Grenzen an Bedeutung verlieren, weniger sichtbar sind. 

 

Meine Damen und  Herren,

was wir heute hier tun, hat natürlich auch symbolische Bedeutung. Aber zu allererst hat es eine praktische Bedeutung. Der Zollzaun wird verschwinden, und das ist gut für alle Anwohner und ihre Besucher, die bisher nicht ans Wasser, nicht ans Elbufer gelangen konnten ein Witz, aber kein guter, wenn man auf einer Insel lebt.

 

Jetzt eröffnen sich neue Ausblicke, neue Wege und neue Möglichkeiten, die eigene Insel wirklich in Besitz zu nehmen. Und was die neuen Ausblicke betrifft: Ich bin sicher, dass jeder, der von hier  in den anderen Teil Hamburgs herüberguckt, viel sinnlicher wahrnehmen kann, was für eine große, vielfältige, schöne und gleichzeitig arbeitsame Stadt Hamburg ist arbeitsam ist ja das deutsche Wort für industriell.

 

Eine ich möchte fast sagen: Bilderbuch- Hafenlandschaft wartet hinterm Deich, mit weiten Blicken auf Hamburgs größte Ansammlung schwimmender Hafenlieger, auf Schlickflächen mit gründelnden Brandgänsen, und auf die Silhouette des Hafens und der Innenstadt. Man sieht Kirchtürme, Wasserflächen und Industrieanlagen und spürt, dass das alles zusammengehört und dass die Elbe überhaupt keine Grenze ist, sondern eine Verbindung. 

 

Insofern hat dies also auch symbolische Bedeutung, für Wilhelmsburg und ganz Hamburg. Unsere Stadt und ihre Elbinseln zeigen, dass sie alte und neue Stadtentwicklungs-Chancen nutzen wollen und dass sie sich dazu bekennen, eine amphibische Stadt zu sein, eine Stadt am Wasser. Der Zaun hat den Blick darauf verstellt.

 

Der Freihafen war Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, als mit der Eingliederung ins Deutsche Reich der Druck auf Hamburg wuchs, sich dem deutschen Zoll- und Handelsgebiet anzuschließen. Der Senat musste den zollfreien Status des gesamten Stadtgebietes aufgeben. Als er 1881 dem Zollanschluss zustimmte, tat er das auf Grundlage eines Kompromisses, einer Einigung: auf ein verkleinertes zollfreies Gebiet - den Freihafen.

 

Vieles hat sich seither verändert zum Glück nicht die große Bedeutung und Leistungsfähigkeit des Hamburger Hafens, der unsere Metropolregion ernährt und noch weitere Regionen flussaufwärts mit. Den Freihafen aber gibt es seit Beginn dieses Jahres nicht mehr.

Zwar kommt  der Welthandel noch nicht ohne virtuelle und reale Zollschranken aus. Im neuen Jahrtausend aber nahm die Kritik am Freihafen aus der Hafenwirtschaft selbst zu, auch weil die Zollkontrollen den Verkehrsfluss  erheblich behinderten. Andererseits profitierten nur noch wenige Betriebe vom zollfreien Gebiet. Im Dezember 2009 beschloss der Senat, die Zollkontrollen zukünftig auf den Containerterminals durchzuführen und das alte Freihafengebiet zum 1. Januar 2013 aufzuheben. 

 

Wilhelmsburg ist die größte Flussinsel Europas und als Stadtteil ein unverzichtbarer wertvoller Teil Hamburgs. Die Insellage ist eine ihrer faszinierenden Eigenschaften. 

 

Zugänglich war die Wasserkante aber bisher nur am unbebauten östlichen und südlichen Ufer. Während gerade dort, wo die Wohnbebauung sich dem Ufer nähert und an das Hafengebiet angrenzt also im Norden und am Reiherstieg die Ufer kaum zugänglich waren.

 

Ich habe eben die praktische und symbolische Bedeutung erwähnt, die der Fall des Zollzauns hat. Wir knüpfen damit wieder an die Situation vor der Entstehung des Freihafens an, als die bewohnte Stadt und der Hafen ineinanderliefen. Oder, städtebaulich korrekter gesagt, sie überlagerten sich. Dann folgte eine Phase der strikten Trennung, der Hafen als Industriegebiet auf der einen Seite und die bewohnten Viertel auf der anderen.

 

Mit der IBA beginnt nun der Versuch, eine verträgliche Überlagerung von Hafennutzungen und städtischen Nutzungen zurückzugewinnen. Das geschieht im Harburger Binnenhafen, wo wir bei fortbestehender Hafennutzung das Gebiet formell aus dem Hafengebiet entlassen, um dort Wohnen zu ermöglichen. Und es geschieht hier am Spreehafen, wo die Hamburg Port Authority auf den ohnehin wenig befahrenen Uferwegen Freizeitverkehr zulässt. 

 

Schon seit 2010 waren zwei neue Pforten für Fußgänger und Radfahrer offen. Sie haben die Wege zum Hafenbecken verkürzt. Seitdem ist der Spreehafen zunehmend von Anwohnern und Besuchern zum Spazierengehen oder Joggen entdeckt worden. Mit dem gänzlichen Abriss des Zollzauns auf dem Klütjenfelder Hauptdeich verschwindet die physische Barriere und das weithin sichtbare Symbol der Ausgrenzung aus dem Hafen. 

 

Der Spreehafen ist ein ganz wichtiger Trittstein beim Sprung über die Elbe und er kann sich zum gemeinsamen Freiraum der angrenzenden Ortsteile entwickeln. Dies sind die Elbinseln: Wilhelmsburg, Veddel, Kleiner Grasbrook, 

aber auch die HafenCity und St.Pauli.

 

Mit der Verlängerung der Fährlinie 73 zum Spreehafen liegt der nur noch 15 Minuten von den St. Pauli Landungsbrücken entfernt und in zehn Minuten ist mit dem Fahrrad die östliche HafenCity zu erreichen.

 

Meine Damen und Herren,

unter anderen und nicht zuletzt hat sich der Verein Zukunft Elbinseln seit 2000 mit dem regelmäßig stattfindenden Spreehafenfest dafür stark gemacht, dass der Spreehafen besser zugänglich würde. Ein zivilgesellschaftliches Engagement, über das ich froh bin und das sich ausgezahlt hat.

 

Hamburg ist eine Stadt, die sich sichtbar zu ihren gewerblichen und industriellen Traditionen bekennt. Eine Stadt, die an vielen Stellen noch dichter ans Wasser heranrückt, zum Beispiel mit dem Bau von Wohnungen.

 

6.000 Wohnungen pro Jahr in Hamburg das Ziel und Versprechen des Senats  ist inzwischen allen in der Stadt und ringsum bekannt. Wir halten es, was zum Beispiel an 8.731 Baugenehmigungen allein im Jahr 2012 ablesbar ist.

 

Und was den viel zitierten Sprung über die Elbe betrifft: Hamburg will den nicht nur in eine Richtung tun, sondern wir wollen, dass Wilhelmsburg ebenso wie der Kleine Grasbrook und die Veddel selber den Sprung vollziehen und ihre Wachstumspotenziale mobilisieren.

 

Jetzt wünsche ich erst einmal allen Anliegern des Spreehafens und aller Elbinseln einen ungehinderten weiten Blick und gebe weiter an Frau Amelingmeyer.
Vielen Dank.

 
Es gilt das gesprochene Wort.