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28.09.2015

Festansprache: 30-jähriges Bestehen des Bundesverbandes der Veranstaltungswirtschaft e.V. (bdv)

 

Sehr geehrter Herr Professor Michow,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

Live Is Life!. Die Zeile stammt von einer österreichischen Rockband und sie ist vermutlich berühmter als die Band, die sie gesungen hat.  


Live Is Life, vielen reicht es vermutlich schon, die ersten Takte des Songs zu hören, den Rhythmus von Bassdrum und Snaredrum, um zu wissen, was kommt: Leute, die aus voller Kehle mitsingen und vermutlich gute Laune haben. Zugegeben, es gibt auch viele Live Is LifeMuffel, aber auch die kennen den Effekt.


Der Song ist von der Band Opus aus dem Jahr 1984. Es ist eine Live-Aufnahme, man hört das Mitklatschen. Aber diese besondere Popularität hat der Song, weil darin diese implizite Aufforderung zum Mitsingen ist. Und die Tatsache, dass das auch immer wieder geschieht. Auch wer sich nur minimal mit Popmusik auskennt, weiß, was mitgesungen werden muss und wann der Einsatz kommt.


Musik ist Kommunikation. Und Kommunikation braucht Menschen auf beiden Seiten. Das geht mit Maschinen, technischen Tricks und erstaunlichen Formen der Übertragung, aber es geht nicht ohne den lebendigen Faktor.

Auch wenn mitklatschen oder mitsingen nicht jedermanns Sache ist, bei Musik in irgendeiner, sei es nur vorgestellter, Form dabei zu sein, ist für alle, die Musik mögen wichtig. Und die, die im Musical die Kreativität und Leistung von singenden Schauspielern genossen haben, sprechen hinterher von dem, was sie erlebt haben. In Konzerten, Aufführungen und auch beim Slam im Club wird Lebendigkeit bewiesen. Das gilt übrigens auch für die Künstlerinnen und Künstler, man wüsste ja sonst vielleicht gar nicht, dass der Star wirklich lebt. Dass er schwitz, altert oder vielleicht sogar mal nicht perfekt ist und den Text vergisst.

Musik lebt von Livekonzerten. Aufführungen hauchen der Musik das Leben ein. Live is life! ist die Zauberformel der Veranstaltungswirtschaft. Sie ist die Live-Branche.

Meine Damen und Herren,
wer eine Veranstaltung organisiert, Künstler einlädt und Werbung macht, ist, wenn es dann losgeht, unsichtbar. Ihr Platz als Veranstalter ist hinter den Kulissen. Das hat dazu geführt, dass die Kreativität, die Leistung und das ökonomische Potential der Veranstalter kaum bekannt ist.


Als Jens Michow vor 30 Jahren dazu einlud, die Interessen derer zu formulieren, die Künstler vermitteln, hatte der Rechts- und Sozialstaat kein Begriff von der Bedeutung dieser Arbeit. Ja, es gab sogar den Zweifel, ob das denn alles mit rechten Dingen zuging.


Mit dem erfolgreichen Ausgang der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 29.11.1990 und der dann offiziellen Erlaubnis, Agenturen für Künstler zu betreiben, wurde das geklärt.


Professor Michow und die Kämpfer der ersten Jahre haben die Branche entdeckt.
Der Bundesverbandes der Veranstaltungswirtschaft (bdv) hat auch in den folgenden Jahren die Interessen der Veranstalter formuliert und sich aktiv an der Gestaltung des Rechts beteiligt. Sie haben mit dem bdv deutlich gemacht, was es bedeutet, die organisatorische Verantwortung zu übernehmen, das unternehmerische Risiko zu tragen und dafür zu sorgen, das rechtlich alles klar ist.


Und sie haben Veranstaltungswirtschaft zu einer Branche gemacht. Sie haben Künstler, Agenturen, Veranstalter und Konzerthäusern vernetzt. Und sie haben dafür gesorgt, dass es entsprechende Ausbildungsberufe gibt.


Und sie haben über 30 Jahre gegenüber der Öffentlichkeit, den politisch Verantwortlichen und gegenüber anderen Branchen ihre Interessen immer wieder klar formuliert. Sie haben gezeigt, wer diese Branche ist.


Wer die Branche ist, was sie will und wozu sie in der Lage ist, das zeigt seit 30 Jahren der bdv.

Meine Damen und Herren,
was wollen Leute, die Musik mögen, lieber: Das einmalige Konzert zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt, vielleicht irgendwo weit weg? Oder lieber die Musik auf einem Tonträger, um ihr zu lauschen, wann man es will? Die Frage klingt vernünftig, gerade auch in ökonomischer Hinsicht, denn die Preise sind sehr unterschiedlich und Geld ist begrenzt. Und doch ist es mit der Antwort so, wie mit der des berühmten Bären Winnie der Puuh. Gefragt, ob er lieber Honig oder Kondensmilch aufs Brot wolle, antwortete der kluge Bär: Both!. Beides. Wer Musik mag, will beides: Den Honig der Konzerte und die Milch aus der Konserve.

Theorien, Diskussionen und Musikkritik haben sich in den letzten Jahren vor allem mit den Konserven, den Tonträgern, beschäftigt. Der Übergang von Platten zu CDs, von MP3-Player hin zum Streaming ging rasend schnell. Wer erinnert sich heute noch an den Walkman? Diese Entwicklung hat viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen.


Geradezu im Lärmschatten dieser Aufgeregtheiten entwickelte sich die traditionelle Form der Präsentation von Musik weiter: Das Konzert, das Musical und der Aufritt im Club oder sagen wir mal im Sinne von Puuh: Die Honigmacher.


Mit der Musikwirtschaftsstudie 2015 wird die Branche noch einmal mehr sichtbar. Die Studie haben die musikwirtschaftlichen Verbände unter maßgeblicher Beteiligung des bdv und gemeinsam mit dem Hamburger Senat und dem Bundesministerium für Wirtschaft in Auftrag gegeben und vor wenigen Tagen der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Musikwirtschaftsstudie 2015 liefert eine sehr gute Übersicht, darüber, wie viel Honig und Kondensmilch genossen wurde.

6,7 Milliarden Euro haben Frauen und Männer im vergangenen Jahr für Musikveranstaltungen, Tonträger, digitale Musikdateien, Musikalien und Musikinstrumente ausgegeben. Damit ist die Musikwirtschaft potenter als die Filmindustrie und Videospiele zusammen. Erstmals konnte auch die Zahl der über die verschiedenen Teilbranchen hinweg beschäftigten Erwerbstätigen beziffert werden: 128 000 Arbeitsplätze bietet die Musikbranche, das ist mehr als in jeder anderen Medienbranche.

Die Musikstudie ist die erste große gemeinsame Aktion der großen musikwirtschaftlichen Verbände, ein Meilenstein. Sie verdeutlicht die volkswirtschaftliche Relevanz des Wirtschaftszweigs, zeigt ihre Besonderheiten und Potentiale.


Und nun kommen wir zu den Bienen und den Honig: Denn die Veranstaltungswirtschaft bringt Leben in die Musikszene.


Fast jeder dritte Euro, der in Deutschland mit Musik erwirtschaftet wurde, ist der Sparte Live Musik zuzuordnen. Gerade auch die Ausstrahlungswirkung der Live Musik auf andere Branchen wird in der Studie deutlich. Musikveranstaltungen sind ein beliebter Anlass für Tagesreisen. 16 Millionen Musikveranstaltungen besuchten die Deutschen im vergangenen Jahr, 10 Millionen Reisen waren damit verbunden. Es ist klar, das hat zu Ausstrahlungseffekten in die Gaststädten- und Hotellerie Branche geführt, man kann von etwa 11 Milliarden Euro ausgehen, die so zusätzlich erwirtschaftet wurden.

Meine Damen und Herren,
Sie haben sich eine Musikhauptstadt als Veranstaltungsort ausgesucht. Musik hat in Hamburg eine sehr lange Tradition. Hier war in den 1960er Jahren ein weltweites Zentrum der Popmusik. Ein Barmbeker hat den Welthit von Frank Sinatra Strangers in the Night geschrieben, die Neue Deutsche Welle wäre ohne Elbwasser nur ein Plantschen gewesen und hier hat die deutsche Hip-Hop-Entwicklung ihren Anfang genommen. Als Metropole klassischer Musik sind wir schon seit Jahrhunderten bekannt, große Weltstars wie jüngst Kent Nagano haben hier eine musikalische Heimat gefunden. Hamburg ist eine bedeutende Musikstadt, egal welche Musikrichtung Sie wählen. Sehr gut ist in Hamburg auch die seit Jahren gewachsene Vernetzung der Musikszene durch die Interessengemeinschaft Hamburger Musikwirtschaft oder durch die Arbeit Ihres Verbandes. Einzigartig sind in Hamburg zudem die Festivals, wie etwa das Reeperbahnfestival. Veranstalter, Künstler und Publikum profitieren davon und es hat enorme Ausstrahlung auf die Musikbranche.


All das ist nicht nur für die Kunst bedeutsam, sondern auch ein großer ökonomischer Faktor.


Ein Standort wird durch Cats erst schön, schrieb Rainer Volkmann 1996, als die neue Generation der Hamburger Musicals weltberühmt wurde. Das Motto gilt noch heute und auch für die ganze Live-Branche. Nun hat die Musikwirtschaftsstudie es auch schwarz auf weiß und mit entsprechenden Abbildungen verdeutlicht: 2,3 Millionen Kurzurlaubsreisen anlässlich von Live-Musik führen in unsere Stadt. Das sind mehr als die Musikreisen, die nach Berlin, München, Stuttgart und Dresden zusammen unternommen werden. Hamburg ist der Hit-Macher der Veranstaltungswirtschaft.

Sie wissen, damit sind wir erst am Anfang: Am 11. Januar 2017 werden wir die Elbphilharmonie eröffnen, dann gibt es noch einmal einen großen Schub.


Und, weil wir jetzt so viel über die Musik gesprochen haben, wollen wir doch noch einmal auch an den Bandleader erinnern. Einen großen Dank an dieser Stelle an die gute Zusammenarbeit mit dem bdv und insbesondere an Professor Jens Michow. Dieser Dank gilt allgemein, aber auch ganz konkret wie jetzt bei der Musikwirtschaftsstudie: Es ist gut, dass Sie die enorme Stärke der Veranstaltungswirtschaft hier in die gemeinsame Anstrengung eingebracht haben.

Meine Damen und Herren,
was der Computer übernehmen kann, wird irgendwann auch digital gemacht. Das betrifft die kreative Seite der Musikproduktion, den Konsum und die Präsentation. Alles ist schneller, preiswerter und für mehr Menschen verfügbarer geworden. Das hat einen guten, einen sehr demokratischen Effekt aber fordert immer auch die heraus, deren Geschäftsmodelle sich damit verändern.


Die Musikstudie hat auch dazu interessante Zahlen geliefert. Sie zeigen, wie sehr die Musik zum Alltag gehört geworden ist. Viele Stunden des Tages werden von Musik begleitet. Ob im Auto, in der Bahn, in der Küche und auf dem Sofa, Musik ist nicht nur im Alltag, Musik ist auch zum Alltag geworden.


Gerade in dieser Alltagsverknüpfung liegt eine große Chance der Live-Branche: Denn so schön der Alltag auch ist, noch schöner ist der Ausstieg vom Alltag.


Das Konzert, das Musical oder der Abend im Club, nur das, was live ist, kann der umfassenden Alltagsmusik das Besondere entgegensetzen. Nur wer live spielt, schafft es, die Hörerinnen und Hörer aus dem Einerlei des Alltags zu ziehen.


Zum guten Leben gehört es immer auch, sich ab und zu vom Alltagsleben zu distanzieren und mit anderen gemeinsam ganz besondere Musik zu erleben.

 

Die Musik des Alltags braucht die Musik, die Urlaub ist.

 

Auch in diesem Sinne gilt: Live Is Life.

 

Vielen Dank.

 

Es gilt das gesprochene Wort.