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02.07.2009

Freischaltung des Internetportals "einfach-teilhaben"

Eröffnungsrede anlässlich der Freischaltung des Internetportals einfach-teilhaben und der Eröffnung des Kompetenzzentrums für Zielvereinbarungen

 

Sehr geehrte Frau Evers-Meyer,
sehr geehrter Herr Bethke,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich heiße Sie herzlich willkommen zu dieser Veranstaltung,

•    die ja eine zweifache Eröffnung ist,
•    sich dabei aber um ein Thema dreht,
•    das mir am Herzen liegt und auch für unsere Gesellschaft insgesamt von großer Bedeutung ist.

Es geht um die Frage, wie wir gemeinsam dazu beitragen können, die Lebenssituation und die Handlungsmöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern mit Behinderungen zu verbessern. Außer Frage steht dabei, dass Bürgerinnen und Bürger mit Behinderung an allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens teilhaben wollen und können. Sie können ihre ganz persönlichen Kompetenzen weiter entwickeln und ihr Leben ihren individuellen Fähigkeiten entsprechend selbst organisieren wenn man sie nur lässt. Natürlich brauchen sie dabei auch Unterstützung. Aber nicht in Form allumfassender Fürsorge oder durch wohlmeinende Bevormundung.

Heute sind andere Grundsätze unsere Richtschnur für diese Aufgabe. Es geht um Gleichstellung und Selbstbestimmung, um Integration und Teilhabe. So verstanden wird deutlich, was uns immer leiten muss: Teilhabepolitik ist Bürgerrechtspolitik und zuallererst der Aufgabe verpflichtet, allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, ihren selbstbestimmten Platz in der Gesellschaft zu finden.

Die Qualität einer Gesellschaft misst sich daran, wie sie mit ihren behinderten Bürgerinnen und Bürgern umgeht. Nur, wenn wir die Aufgaben, die sich uns in diesem Zusammenhang stellen, gut bewältigen, sind wir auch gut als Gesellschaft insgesamt. Die Politik hat dafür in den vergangenen Jahren einen Rahmen gegeben, die Grundlagen gelegt. In der nationalen Gesetzgebung haben wir gemeinsam mit denen, die es angeht ein modernes und bürgernahes Recht für behinderte Bürgerinnen und Bürger geschaffen. Den Anfang haben wir mit dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch Rehabilitation und Teilhabe gemacht. Es ist der hier zum Ausdruck gebrachte Perspektivwechsel, der diesem Gesetzeswerk über die Wirksamkeit seiner einzelnen Paragrafen hinaus besondere Bedeutung verleiht. Das SGB IX wurde so zu einer Initialzündung für einen Reformprozess, der sich auch in weiteren Gesetzen niedergeschlagen hat. Ein Jahr später folgte das Behindertengleichstellungsgesetz und dann 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Auf internationaler Ebene schließlich findet das seine Entsprechung in der VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die in Deutschland seit dem 26. März völkerrechtlich verbindlich ist.

Es kommt jetzt darauf an, diesen gesetzlichen Rahmen im täglichen Zusammenleben konkret weiter auszugestalten. Dazu zählt als ein zentrales Element das, was uns heute hier zusammen geführt hat: das Recht auf barrierefreie Zugänge zu allen Arten von Information und Kommunikation.

Die Situation, die wir dazu vorfinden, ist heute besser als noch vor wenigen Jahren. Sie ist aber trotz mancher Fortschritte noch nicht zufriedenstellend. Die Erkenntnis, dass Online-Dienste zum Standard einer modernen Verwaltung gehören, hat sich zwar längst durchgesetzt. Als allgemein anerkannt darf inzwischen auch die Einsicht gelten, dass die modernen Informationstechnologien das Potenzial haben, Bürgerinnen und Bürgern mit Behinderungen neue Wege der Teilhabe zu eröffnen. Dennoch ließen bisher viele entsprechende Angebote zu wünschen übrig, weil sie sich nicht konsequent genug an den spezifischen Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer orientieren.

Hier können und müssen wir besser werden und dafür haben wir ein langfristig angelegtes eGovernment-Programm aufgelegt, eine Strategie, deren wichtigstes Ziel es ist, die Teilhabemöglichkeiten behinderter Menschen in den nächsten Jahren entscheidend zu verbessern. Noch stehen wir am Anfang, noch müssen die vielen Ideen, die es bereits gibt, gebündelt und zu praxistauglichen Konzepten weiterentwickelt werden.

Einmal mehr heißt das Motto dabei: Nichts über uns ohne uns, ein inzwischen vielfach bewährter Grundsatz, der uns hilft, nur das auf den Weg zu bringen, was an den Bedürfnissen und Lebenslagen behinderter Bürgerinnen und Bürger geeicht ist.

Sinnvoll sind Angebote nur dann, wenn sie auf Nachfrage treffen oder diese erzeugen das wissen wir aus vielen anderen Bereichen auch. Unser Anliegen ist es deshalb, genau die Angebote zu unterbreiten, die gebraucht werden und das so transparent und so einfach wie möglich.

Dazu gehört ein Mehrwert, der sich aus der Nutzung von eGovernment-Dienstleistungen ergibt, dazu gehört der Einsatz zusätzlicher Kommunikationsmittel wie Sprache und Video und selbstverständlich Barrierefreiheit.

Auf der Grundlage dieser Voraussetzungen starten wir heute unser neues Internetportal einfach-teilhaben.de.

Das Portal bündelt in seiner ersten Ausbaustufe auf breiter Basis wichtige Informationen für behinderte Bürgerinnen und Bürger und ihre Angehörigen, für Arbeitgeber und Verwaltungen. Oft geht es dabei um Informationen, die schon bisher im Netz verfügbar, aber kaum auffindbar waren.

Jetzt stehen diese Inhalte im Sinne eines one-stop-shop bereit, und zwar
•    ohne sie aufwändig suchen zu müssen,
•    strukturiert nach Lebenslagen,
•    gegliedert in Schwerpunktthemen
•    und vor allem auch unabhängig von der Frage, ob die gesuchte Information oder die gewünschte Leistung vom Bund, von den Ländern oder den Gemeinden erbracht wird.

Dazu kommen die integrierten Angebote verschiedener Partner, die unserem Portal einen zusätzlichen Wert geben.

Vor allem den Verantwortlichen der Online Datenbank REHADAT und der Stiftung Gesundheit, die sich bereits in dieser frühen Phase zur Kooperation bereit gefunden haben, möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Ich bin sicher, Ihr Vorbild findet zahlreiche Nachahmer und es kommen noch viele weitere Partner hinzu. Überhaupt ist es ein besonderes Kennzeichen dieses Portals, dass wir es in den kommenden Jahren Stück für Stück weiterentwickeln und ausbauen werden.

Fest eingeplant ist bereits die Einrichtung einer Kommunikations-Plattform, eines Forums, das allen Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit geben wird, sich auszutauschen, zu diskutieren und mit eigenen Beiträgen an der Verbreitung von Informationen mitzuwirken.

Auch in Sachen Barrierefreiheit wird es weitere Fortschritte geben. Selbstverständlich ist das Portal bereits jetzt barrierefrei und erfüllt die Kriterien der Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz 2.0, die ja noch zu verabschieden sein wird. Einige Inhalte können schon heute nicht nur in Alltagssprache, sondern auch in Leichter Sprache und über Videos in Gebärdensprache abgerufen werden. Außerdem haben wir einen Gebärdensprachavatar eingebunden. Mit seiner Hilfe werden Texte in Deutscher Gebärdensprache ausgegeben. Eine vollständige und automatische Übersetzung elektronischer Texte durch Avatartechnologie ist allerdings noch nicht möglich. Hier muss noch weitere Forschungsarbeit geleistet werden. Und ich darf hinzufügen: Die Mittel dafür sind im Etat des BMAS eingestellt.

Interaktive Dienste und Services sind ein weiterer Punkt: Schon bald soll es am heimischen Computer möglich sein, über das Portal Leistungen zu beantragen und den entsprechenden Bescheid zugestellt zu bekommen. Als Beispiel sei hier der virtuelle Marktplatz Persönliches Budget erwähnt: Er wird Nutzern des Persönlichen Budgets künftig die Möglichkeit geben, sich am PC nicht nur über ambulante oder stationäre Rehabilitationsleistungen zu informieren, sondern diese online auch gleich einzukaufen.

Professionelle Online- oder Videobewerbungen, die mit Unterstützung der Arbeitsagentur erstellt werden, sind ein weiteres von rund 30 geplanten Projekten, die wir in den kommenden Jahren vorantreiben und auf dem neuen Portal verwirklichen wollen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass eine solche Videobewerbung ein guter Weg ist, einen bislang skeptischen Personalchef von der Eignung einer Bewerberin zu überzeugen, die zuvor aufgrund ihrer Behinderung keine Chance auf ein persönliches Vorstellungsgespräch erhielt.

Meine Damen und Herren,

Gleichstellung, Teilhabe und Mitwirkung das sind unsere Themen auch für den zweiten Teil dieser Veranstaltung.

Sie alle wissen, dass wir mit dem Behindertengleichstellungsgesetz zu einer umfassenden Regelung der Barrierefreiheit im öffentlich-rechtlichen Bereich gefunden haben. Mitwirkungsmöglichkeiten spielen dabei eine wichtige Rolle. So sind die Behindertenverbände und die Behindertenbeauftragten beispielsweise bei der Erstellung von Eisenbahnprogrammen ebenso zu beteiligen wie bei der Umsetzung der EU-Verordnung über die Rechte behinderter Flugreisender. Um diesen Prozess verstetigen zu können, gibt es für Verbände, Beiräte und Beauftragte die Möglichkeit, Zielvereinbarungen mit den entsprechenden Unternehmen und Institutionen abzuschließen. Diese Zielvereinbarungen sind einmal mehr Ausdruck eines grundsätzlichen Wandels in der Einstellung gegenüber behinderten Bürgerinnen und Bürgern, aber auch eines veränderten Selbstverständnisses von Menschen mit Behinderung.

Die Idee dahinter heißt: Expertinnen und Experten in eigener Sache regeln ihre Angelegenheiten selbst auf Augenhöhe mit ihren Verhandlungspartnern ohne auf eine staatliche Verpflichtung anderer zu warten.

Das Instrument soll vor allem dann greifen, wenn rechtliche Vorgaben zur Herstellung von Barrierefreiheit fehlen. Das ist sinnvoll, denn es erlaubt den Beteiligten, angepasste Regelungen zu vereinbaren, anstatt starren und damit vielleicht unverhältnismäßigen Vorgaben zu folgen.

Noch allerdings wird dieses sinnvolle Instrument von Verbänden und Unternehmen nur selten genutzt. Das wollen wir ändern und deshalb haben uns zum Ziel gesetzt, den Abschluss und Einsatz von Zielvereinbarungen zu fördern und die Handlungskompetenz der Verbände zu stärken. In Absprache mit den Verbänden und der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen wurde dazu das Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit e.V. mit Sitz in Berlin gegründet.

Es ist unter Federführung der Behindertenverbände behinderungs- und verbandsübergreifend angelegt und soll helfen, die vorhandenen Ressourcen zu bündeln und dort, wo es erforderlich ist, weiter auszubauen.

Ich bin sicher, dass wir auf diesem Weg zu einem breiten Einsatz von Zielvereinbarungen kommen werden und ich bin weiterhin davon überzeugt, dass wir auf diese Weise mehr Bürgerinnen und Bürger mit Behinderungen befähigen können, ihr Leben nach eigenen Vorstellungen und Wünschen zu führen.

Meine Damen und Herren,

auf unserem Weg hin zu mehr Selbstbestimmung und Teilhabe haben wir in den vergangenen Jahren viel erreicht.

Und dennoch ist die Strecke, die noch vor uns liegt, kaum zu übersehen. Aber auch hier gilt, was ein chinesisches Sprichwort sagt: Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Heute sind gleich zwei erste Schritte zu feiern.

Ich freue mich mit Ihnen über die Eröffnung des neuen Kompetenzzentrums und die Freigabe des neuen Internetportals mit der Adresse www.einfach-teilhaben.de.

Ich danke Ihnen.