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10.06.2006

Gastbeitrag von Olaf Scholz im Nordkurier - Große Koalition

Große Koalition

von Olaf Scholz

Erstmals seit dem Ende der sechziger Jahre wird Deutschland wieder von einer großen Koalition regiert. In all den Jahren dazwischen haben SPD und Union einander oft heftig befehdet. Die politischen Gegensätze standen im Vordergrund. Deshalb wird es wohl noch eine Zeit dauern, bis die beiden wichtigsten Kontrahenten des demokratischen Wettbewerbs nun die gemeinsame Regierungsarbeit wirklich reibungslos bewältigen. Das ist aber kein Anlass für Aufregung. Es muss übrigens kein Nachteil sein, dass keine der beiden Parteien und auch nicht ihre Wählerschaften - im Wahlkampf diese Koalition angestrebt hatten. Sondern das kann auch zu einem nüchternen Blick verhelfen. Und der  schadet gar nicht beim Regieren.

Wichtig für den Erfolg der großen Koalition ist, dass diese Regierung spezifische Aufgaben bewältigt, die angesichts der komplizierten Gesetzgebungsstrukturen in Deutschland sowie der wechselseitigen Abhängigkeiten von Bundestag und Bundesrat tatsächlich nur in dieser Konstellation bewältigt werden können.

Solche Aufgaben lassen sich leicht beschreiben. Da ist zum einen die überfällige Reform der föderalen Ordnung selbst. Diese Reform ist gerade in eine großen gemeinsamen Anhörung von Bundestag und Bundesrat behandelt worden. Trotz aller Aufregung und auch berechtigten Kritik an Einzelpunkten sieht es so aus, dass diese umfassende Reform unserer Staatsorganisation noch bis zum Sommer gelingen wird.

Da ist weiter die Chance, das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit der traditionellen deutschen Sozialversicherungen langfristig wieder herzustellen. Es ist schon lange meine Überzeugung, dass angesichts der Bedeutung, die vor allem Renten- und Krankenversicherung für die Sicherheit der meisten Menschen in unserem Lande haben, der Streit zwischen den beiden großen Parteien nicht um die Grundlagen der Sozialversicherungen selbst gehen sollte. Das Nervenkostüm der meisten Menschen hält es nicht aus, wenn alle vier Jahre gewissermaßen die Systemfrage gestellt wird. Ohnehin wird nicht genügend bedacht, dass die Grundlagen des deutschen Sozialversicherungsstaates bis in das vorletzte Jahrhundert zurückreichen und aus der konfliktiven Kooperation von Konservativen und Sozialdemokraten stammen. Beide haben den spezifischen deutschen Sozialstaat gebaut. Die Bürger erwarten, dass es dabei bleibt. Wenn nach den letzten Reformjahren und den jetzt anstehenden Reformen die Zahlen wieder stimmen, kann das Vertrauen wieder wachsen. Die Hauptaufgabe dieser Legislatur bleibt dabei eine neue Finanzierungsgrundlage.

Und schließlich hat die große Koalition die Aufgabe, die Staatsfinanzen zu sanieren. Angesichts der bekannten Lage der öffentlichen Haushalte kann das wohl nur gelingen, wenn die beiden großen Parteien die notwendigen Maßnahmen nicht wegen des politischen Wettbewerbs madig machen und der Bundesrat kooperiert. Es heißt im Koalitionsvertrag: Wir werden sanieren, reformieren und investieren und dabei die Lasten gerecht auf alle Schultern verteilen. Wir werden mutig sparen und Subventionen abbauen. Das hat Vorrang. Aber ohne Steuererhöhung ist die für unser Land wichtige Konsolidierung nicht zu schaffen. Ich weiß: das ist nicht populär. Aber es ist nötig. Und wahrscheinlich nur in der großen Koalition zu schaffen.