Olaf Scholz (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! "Uff" möchte man sagen, wenn Herr Gysi gesprochen hat. Er ist alles losgeworden, was er einmal sagen wollte, auch wenn nicht alles einen großen Zusammenhang hatte.
(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Er hätte noch viel mehr zu sagen!)
Wenn man zugehört hat, was links außen und rechts außen im Parlament gesprochen wurde - so ist jedenfalls die Sitzordnung von FDP und Linken -, dann hat man das Gefühl: Das sind zwei Gegensätze, die sich hier miteinander unterhalten wollen. Die einen sagen: Das Übel, das wir in unserer Gesellschaft haben, ist der Staat. Die anderen sagen: Der Staat löst alle unsere Probleme, dann kommt Manna vom Himmel und wir müssen keine Politik mehr machen. - Das ist keine sinnvolle Politik, das ist nicht maßvoll. Ich glaube, dass man sich mehr Mühe geben muss, wenn man das Land regieren will, als solche Sprüche abzulassen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich glaube auch, dass sich die FDP, die eine große Tradition als Regierungspartei in unserem Land hat, (Zurufe von der SPD: Hatte!) überlegen muss, ob sie sich in diesem Gegensatz und mit dieser extremen Positionierung in Fragen der Sozialpolitik richtig verortet. Sie wäre gut beraten, das zu ändern.
Es ist von Herrn Brüderle und auch in vielen anderen Reden schon gesagt worden: Da gibt es Kontinuität. Es gab sieben Jahre lang die Regierung Schröder/Fischer. Wenn man schaut, was jetzt passiert, dann stellt man fest, dass vieles bei dem ansetzt, was schon vorher stattgefunden hat. Ich frage mich immer, warum ich mich darüber ärgern soll.
(Beifall bei der FDP)
Ich fand, die sieben Jahre der rot-grünen Regierung waren nicht so schlecht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wir müssen ja nicht in allen Fragen einer Meinung sein! - Dr. Guido Westerwelle (FDP): Eine kluge Rede von Herrn Scholz!)
Deshalb: Reden Sie nur weiter so! Das macht noch einmal deutlich, dass das, was wir heute tun, was wir heute fortsetzen, was wir heute weiterentwickeln, an eine der mutigsten Reformpolitiken der letzten Jahrzehnte anknüpft, die in der siebenjährigen Regierungszeit der vorherigen Regierung angefangen hat. Es ist richtig, dass wir da weitermachen und nicht aufhören oder eine Kehrtwende beginnen.
(Beifall bei der SPD)
Zum Antidiskriminierungsgesetz.
(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Juhu!)
Herr Brüderle hat darüber gesprochen, Herr Westerwelle wird sicherlich auch noch darüber sprechen.
(Otto Fricke (FDP): Das heißt doch gar nicht mehr so!)
- Das heißt jetzt Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz; das ist übrigens ein wirklicher Fortschritt.
(Lachen bei der FPD)
- Ja, das klingt besser.
Ich stelle mir immer vor - es war schon einmal so -, die FDP würde mit den Sozialdemokraten regieren. Dann müssten Sie von der FDP das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, so wie es dem Deutschen Bundestag vorliegt, hier begründen.
(Zurufe von der FDP: Nein!)
Ich frage mich immer, was Herr Brüderle dann sagen würde. Er würde wohl sagen: Das muss so gemacht werden; denn es gibt europäische Richtlinien. Wir haben gar keine große Wahl, wir müssen es so tun. - Herr Westerwelle würde wohl sagen: Das ist richtig so; denn wenn wir schon von der EU gezwungen werden, vorzuschreiben, dass Ausländer und Frauen im allgemeinen Zivilleben nicht diskriminiert werden dürfen, dann lässt sich nicht gut erklären, warum wir nicht auch alten Menschen, Behinderten oder Homosexuellen den gleichen Schutz gewähren sollen. Das ist der Grund dafür, dass wir dieses Gesetz so beschließen wollen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Westerwelle?
Olaf Scholz (SPD):
Ja.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Herr Kollege, Sie haben gesagt, wir sollten uns einmal vorstellen, wir würden zusammen regieren. Als die erste Variante, das Antidiskriminierungsgesetz, in der letzten Legislaturperiode beschlossen worden ist, regierten SPD und FDP zusammen, und zwar im Land Rheinland-Pfalz. Ist Ihnen bekannt, dass es seinerzeit aus Rheinland-Pfalz - mit dem Ministerpräsidenten und jetzigen SPD-Vorsitzenden Kurt Beck - nicht nur verbalen Widerstand gegen das Prinzip "Toleranz durch Bürokratie" gab?
(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Guido!)
Olaf Scholz (SPD):
Es ist mir nicht bekannt, dass Kurt Beck den Ausdruck "Toleranz durch Bürokratie" verwandt hat; dafür ist er viel zu intelligent.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)
Es ist mir aber sehr wohl bekannt, dass zum Beispiel der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident, der jetzt Finanzminister dieser Republik ist - ich habe damals öfter mit ihm darüber diskutiert -, dafür gesorgt haben, dass der erste Gesetzentwurf, über den wir geredet haben, so gut geworden ist, dass wir jetzt auf dieser qualitätsvollen Arbeit aufbauen können.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Herr Westerwelle, ich möchte mein Gedankenspiel noch ergänzen. Wären Sie in der Regierung, müssten Sie den Gesetzentwurf hier rechtfertigen. Das ist eine Perspektive, die sich eine Partei wie die Ihre gelegentlich erlauben sollte. Sie sollten darüber nachdenken: Ginge das, was ich in der Opposition sage, auf, wenn ich in der Regierung wäre? Könnte ich irgendetwas von dem, was ich hier erzähle, wahr machen? Oder gibt es Umstände, Zwänge, gesetzliche Regelungen, die es mir gar nicht ermöglichten, die großen Reden fortzuführen, die ich vorher gehalten habe?
Ich bin ganz sicher, dass sich unsere Freunde von der Union zwar ärgern, dass sie Ihnen nicht die Rede halten können, die Herr Brüderle der Union hält, sich aber mehr darüber freuen, dass sie in der Regierung sind und Gestaltungsmacht haben, anstatt hier Reden ohne Wirkung zu halten.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Seitdem sich die neue Regierung gebildet hat, ist eine ganze Reihe von Reformen auf den Weg gebracht worden, die mit großen Schritten vorangebracht werden. Es ist merkwürdig, was wir jetzt erleben: Der eine schreibt auf Seite 3 der Zeitung, nichts geschehe; der andere schreibt auf Seite 2, alle seien nervös, weil jetzt so große Dinge passierten. Die Wahrheit ist: Beides zugleich kann nicht richtig sein, schon gar nicht, wenn beides in einem Leitartikel steht. Es kommt aber vor, dass beides behauptet wird. Deshalb möchte ich ein paar Punkte nennen, bei denen wir große Fortschritte machen und die eine Rolle bei dem, was wir in dieser Koalition in der nächsten Zeit voranbringen wollen, spielen.
Wir sorgen dafür, dass der föderale Staatsaufbau vernünftig organisiert wird. Wir brauchen eine Föderalismusreform. Franz Müntefering und Edmund Stoiber haben eine große Rolle dabei gespielt, die Dinge zur Zeit der rot-grünen Koalition voranzubringen.
(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Vor allen Dingen Stoiber!)
Wir werden die Reform jetzt realisieren; wir wollen vor der Sommerpause fertig sein.
Der Gesetzentwurf, der hier zur Beratung steht, ist so gut, dass er dafür sorgen würde, dass viel weniger Gesetze im Bundesrat zustimmungspflichtig wären, als es in der Vergangenheit der Fall war. Das zu erreichen, haben wir den Bürgerinnen und Bürgern versprochen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Wir haben ihnen auch versprochen, dass wir uns nicht nur mit uns selbst beschäftigen und wir es uns sparen wollen, darüber zu diskutieren, wer wann nachts um vier im Vermittlungsausschuss was gemacht hat.
Wir wollen mit der Föderalismusreform dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, zu entscheiden: Der Struck hat es gut gemacht, der Westerwelle hat es schlecht gemacht; das berücksichtige ich jetzt bei meinen Wahlentscheidungen. Das ist nicht möglich, wenn die Verantwortung nicht zugeordnet werden kann. Es tut dem Föderalismus gut, wenn die Verantwortung des Bundes und die Verantwortung der Länder auseinander gehalten werden können. Wir sind für einen föderalen Staat; wir wollen ihn stärken und nicht schwächen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Natürlich muss es Verbesserungen geben. Es ist eine große Sache, dass es uns gelungen ist, eine Verfassungsbesonderheit zustande gebracht zu haben, nämlich eine gemeinsame Anhörung von Bundestag und Bundesrat im Wesentlichen in diesem Saal. Wir alle wissen: Es muss etwas geändert werden. Das ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ganz klar. Wir wollen diese Reform, aber wir wollen noch Veränderungen, die es in der nächsten Woche geben wird. Das wird für jeden sichtbar sein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wichtig ist - das wurde schon gesagt -, dass es im Bereich von Wissenschaft und Forschung möglich sein muss, zusammenzuarbeiten. Die Bewältigung des großen Studierendenbergs und der notwendige massive Ausbau in Bezug auf unsere Forschungseinrichtungen und Universitäten dürfen nicht behindert werden, weil wir im Zuge der Verfassungsreform etwa nicht aufgepasst haben. Wir werden aufpassen. Das wird uns gelingen; ich bin da ganz optimistisch.
Eine der wichtigen Aufgaben, die wir haben und die angesichts der jetzigen Regierungskonstellation vielleicht etwas Besonderes ist, ist es, dafür zu sorgen, dass das Vertrauen der Menschen in die sozialen Sicherungssysteme wieder hergestellt wird, so wie es vor vielen Jahren, vor Jahrzehnten, war. Das Vertrauen ist in die Krise geraten, weil Einnahmen und Ausgaben nicht mehr ohne weiteres zusammenpassen, weil die wirtschaftliche und die demografische Entwicklung, die Zusammensetzung unserer Bevölkerung, Spuren hinterlassen hat.
Die Sozialversicherung, insbesondere die Renten- und die Krankenversicherung, ist zutiefst mit der Geschichte unseres Landes verbunden. Sie ist keine Erfindung der letzten Jahre, sondern ist weit über 100 Jahre alt; sie stammt noch aus dem vorletzten Jahrhundert. Deshalb gehört eine gute sozialstaatliche Struktur mit dem System der sozialen Sicherung zur Identität, zum Selbstverständnis der Deutschen.
Die Sozialversicherung gehört auch zur Traditionsgeschichte der beiden Koalitionsparteien; denn der Grundstein dafür wurde im vorletzten Jahrhundert von einem Vorfahren eines jetzigen Bundestagsabgeordneten - ich grüße Carl-Eduard von Bismarck - gelegt, indem er entschieden hat, zwei Dinge zu tun: erstens die Sozialdemokraten ins Gefängnis zu werfen und zweitens dafür zu sorgen, dass eine Sozialversicherung aufgebaut wird, damit die Leute nicht auf falsche Gedanken kommen. Das war der Beginn der Sozialversicherung.
Es gehört auch zur deutschen Geschichte, dass Konservative und Sozialdemokraten den Sozialstaat weiterentwickelt haben. Deshalb wäre es eine große Sache, wenn wir es im Bereich Rente und Gesundheit fertig bringen würden, einen Konsens zu erzielen, der 10, 20 oder 30 Jahre Bestand hat, und den Menschen damit sagen, dass sie sich auf die Sozialversicherung in Deutschland verlassen können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Bei der Rente sind wir aufgrund der Reformen der letzten Jahre schon sehr weit. Was noch geschehen muss, wird auch geschehen. Irgendwann kann man dann nach vielen Jahren der Propaganda, in denen gesagt wurde, das Rentenversicherungssystem habe keine Zukunft, nicht nur sagen: "Die Rechnung, dass sich Einnahmen und Ausgaben ausgleichen, geht auf", sondern auch darauf hoffen, dass die Menschen wieder an die Rentenversicherung glauben, weil sie wissen, dass sie in die Zukunft investieren. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Die meisten Menschen sind nicht so reich, dass sie sich alle vier Jahre einen Systemwechsel bei der Kranken- und der Rentenversicherung leisten könnten. Die meisten Menschen werden nervös, wenn alle vier Jahre alles zur Disposition steht. Sie sind darauf angewiesen, dass wir, die Abgeordneten in diesem Haus und die Bundesregierung, dafür sorgen, dass der Sozialstaat funktioniert. Das ist die Aufgabe, der wir nachkommen müssen.
Als Nächstes liegt die Reform der Krankenversicherung an. Dazu ist schon einiges gesagt worden. Ich glaube, dass wir es hinbekommen, eine Reform der Krankenversicherung auf solidarischer Basis zustande zu bringen. Das ist notwendig; denn die Menschen verlangen von uns, dass wir Solidarität herstellen. Solidarität ist gut für diejenigen, die wenig verdienen und die sich ohne solidarische Strukturen etwa in der Krankenversicherung einen vollwertigen Versicherungsschutz nicht leisten könnten. Darum brauchen wir Solidarität insbesondere für die Menschen, die wenig verdienen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir brauchen Solidarität für die Unternehmer, die diese Menschen beschäftigen wollen. Wir sprechen hier über Lohnnebenkosten und über Kosten der Arbeit. Solidarität bedeutet in diesem Zusammenhang Entlastung der Unternehmer; denn davon profitieren gerade Menschen mit geringer Qualifikation und geringem Einkommen. Die Unternehmer dürfen in einem solidarischen System nicht überproportional hohe Beiträge zur Krankenversicherung dieser Arbeitnehmer leisten müssen. Deshalb ist es richtig, dass wir das Krankenversicherungssystem unter Beachtung des Solidaritätsprinzips in Ordnung bringen.
Sie wissen, dass darüber diskutiert wird. Über Modelle kann man allerdings erst dann diskutieren, wenn sie endgültig da sind. Eines kann man aber als Sozialdemokrat schon jetzt sagen: Ein Beitrag zur Solidarität wird sein müssen, dass wir dafür sorgen, dass man sich von der Sozialversicherung nicht verabschieden kann. Es darf nicht sein, dass man sich, wie es bei Steueroasen der Fall ist - Beispiel Cayman Islands -, der Solidarität entzieht. Das haben wir allerdings mit dem Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung, so wie es heute organisiert ist. Wir brauchen vielmehr ein Miteinander. Es gibt viele Wege, wie man das machen kann. Darüber reden und streiten wir. Ich bin sicher, dass wir einen vernünftigen Weg finden werden. Die Menschen werden dafür sein, dass es solidarisch zugeht. Da kann die FDP sagen, was sie will.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDUCSU)
Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, dass in den Fußballstadien, die von einigen von uns besucht werden, gelegentlich ein sozialdemokratisches Grundsatzprogramm in Form eines Liedes vorgetragen wird. Das berührt die Frage, wie wir mit der Gesundheits- und Rentenreform umgehen. Das Grundsatzprogramm, das dort vorgetragen wird, heißt: You´ll never walk alone. Das ist eigentlich die richtige Überschrift für ein sozialdemokratisches Grundsatzprogramm. So sehen wir die Welt. Ich frage mich, wie Sie sie sehen.
(Beifall bei der SPD)
Zu unseren Aufgaben gehört auch, dass wir den Haushalt weiter konsolidieren. Das ist nicht leicht. Es ist vor allem nicht so leicht, wie die Leichtmacher sich das denken; denn es gibt eine große Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben.
(Zuruf von der FDP: Wer hat die verursacht?)
Deshalb muss man dafür sorgen, dass die Lücke kleiner wird. Der Koalitionsvertrag hat dazu eine klare Aussage getroffen. Es lohnt sich, sich diese gelegentlich ins Gedächtnis zu rufen. Ich will das tun. Auch die Kanzlerin hat einen Teil daraus vorgetragen.
Wir werden: sanieren, reformieren und investieren und dabei die Lasten gerecht auf alle Schultern verteilen.
Wir werden mutig sparen und Subventionen abbauen. Das hat Vorrang. Aber ohne Steuererhöhung ist die für unser Land wichtige Konsolidierung nicht zu schaffen.
Dieses Zitat aus dem Koalitionsvertrag ist wahr und richtig. Seitdem wir gemeinsam regieren, sind wir daran, diese klare Aussage in allen Details bei der Haushaltskonsolidierung umzusetzen.
Auch da gibt es eine gewisse Kontinuität; man ist ja nicht geschichtslos. Manche der Subventionen, die in den letzten Monaten abgebaut worden sind, und die Subventionen, die wir demnächst abbauen werden, haben mehrfach auf der Tagesordnung dieses Parlaments gestanden. Aber es war immer das gleiche Spiel: Der Bundestag schaffte sie ab, der Bundesrat rettete die Subventionen. Dieses Spiel ist jetzt aus. Das ist der eigentliche Fortschritt. Wir treiben den Subventionsabbau voran, ob das Filmfonds betrifft, ob das die Eigenheimzulage ist oder ob das verschiedene einfach oder schwer zu begründende Subventionen sind. Wir sind miteinander mutig.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): "Miteinander mutig"!)
Das ist wichtig, weil wir unser Land und den Staatshaushalt in Ordnung bringen wollen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Herr Gysi, Steuererhöhungen für alles und jeden sind nicht die Lösung des Problems. Daher kommt auch nicht das viele Geld, das Sie sich erhoffen. Wir müssen dafür sorgen, dass wir die richtige Balance finden. Wir brauchen eine Besteuerung, die für die Menschen, für die Unternehmen und international vertretbar ist. Gleichzeitig brauchen wir eine Situation, in der der Staat die Aufgaben, die - ich wähle jetzt mal diese Reihenfolge - die Unternehmen, die Bürgerinnen und Bürger, die Arbeitnehmer, die Studierenden, die Schülerinnen und Schüler, die alle an uns stellen, auch erfüllen kann. Der Staat muss dazu in der Lage sein. Man kann nicht eine super Autobahn haben und gleichzeitig keine Steuern zahlen wollen. Beides gleichzeitig geht nicht. Deshalb werden wir immer das richtige Maß finden müssen. Über dieses Maß kann man streiten. Ich will gerne hinzufügen, dass Mitte und Maß gute Tugenden des Handwerks in unserem Land sind.
(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mittelmaß!)
Es ist die Sache von Außenseitern, zu behaupten, dass Mitte und Maß etwas mit Mittelmäßigkeit zu tun hätten. Wir werden uns gegen diese Diskreditierung vernünftiger Politik immer zur Wehr setzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Uns ist schon etwas gelungen,
(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was denn?)
sogar eine so schwierige Operation - Herr Gysi und andere haben darüber geredet - wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Die ist ja niemandem leicht gefallen. Keiner macht das gerne, gleich ob vor oder nach Wahlkämpfen, es bleibt schwierig, wenn man Steuern erhöht.
(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Große Leistung! Alles wird teurer! - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Peinlich!)
- Seid mal froh, dass ihr nicht mitregieren müsst, dann wäret ihr auch dafür!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Menschen sind nicht so aufgeregt, wie die Debatte in diesem Parlament geführt wird. Was ist uns nicht alles vorhergesagt worden? Es wurden Kampagnen in Zeitungen geschaltet und für diejenigen, die das aufhalten wollten, wurden Orden verteilt. Jetzt wurde gesagt: Das ist die letzte Chance, das sind diejenigen, die das aufhalten können. Wir haben es trotzdem gemacht. Die Menschen freuen sich zwar nicht, verstehen aber, warum das geschehen ist. Deshalb sind sie mit dem Gesamtergebnis dieser Entscheidung einverstanden.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihr habt die Leute angelogen! So ist es!)
Das wird übrigens auch für ein anderes Thema gelten, das viele aufregt. Es betrifft nicht alle, auch nicht alle Mitglieder dieses Hauses. Ich bin zwar nicht über die Nebeneinkünfte eines jeden Abgeordneten informiert, glaube aber, dass mit der Reichensteuer keiner oder fast keiner etwas zu tun haben wird.
(Lachen und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Oskar Lafontaine!)
- Oskar Lafontaine, das kann sein. - Dass sie kommt, ist gut, weil das zeigt, dass wir die soziale Balance in dem Besteuerungssystem dieses Landes zustande gebracht haben. Es ist richtig, dass diejenigen, die über breite Schultern verfügen, mitmachen.
Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen. Einen der größten Fortschritte machen wir auf dem Gebiet der Familienpolitik. Hier gibt es eine gute Kontinuitätslinie. Das Ganztagsbetreuungsprogramm war ein Fortschritt. Es war richtig, dass wir das Angebot an Ganztagsschulen ausgebaut haben.
(Beifall bei der SPD)
Es ist ein Zielwechsel gelungen. Anders als vor wenigen Jahren sagt die ganze Republik, weitgehend parteiübergreifend: Wir müssen ein Angebot an Ganztagskrippen, -kindergärten und -schulen haben. Niemand diskutiert heute mehr darüber, dass Eltern, die ihre Kinder dort hinschicken, Rabeneltern wären.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Niemand - zumindest sind es nicht viele - diskutiert heute mehr darüber, dass es schlecht für die Kinder ist, wenn sie eine Ganztagseinrichtung besuchen. Umgekehrt wissen wir, dass wir manchen unserer jungen Leute nur dann eine Chance geben können, wenn wir ihnen ganz früh Förderung angedeihen lassen, die sie aufgrund der Hintergründe und Umstände von ihren Eltern nicht bekommen können.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Ich bin froh, dass sich diese Linie mit dem Elterngeld fortsetzt. Das ist eine ganz moderne Familienpolitik. Man muss Demagoge sein, um das schlecht zu finden. Es ist eine moderne Politik, weil sie bei den Bedürfnissen der jungen Eltern ansetzt, die sich für Kinder entscheiden, die Beruf und Familie vereinbaren wollen. Wenn wir das jetzt in Deutschland umsetzen, folgen wir Staaten, die uns ansonsten als Vorbild entgegengehalten werden, zum Beispiel Schweden und Frankreich. Das ist eine soziale Maßnahme, das ist eine Maßnahme für alle.
Eines möchte ich in diesem Zusammenhang noch sagen: Wer, wie Herr Gysi, jemanden, der 1 600 Euro Elterngeld bekommt, weil er sich als Vater um die Betreuung der Kinder kümmert, als Besserverdiener beschimpft, der zeigt, dass er keine Ahnung von dieser Welt hat.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)