Rede im Deutschen Bundestag zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren über ein sehr ernstes Thema, über die Sicherungsverwahrung, eine Angelegenheit, die juristisch nicht einfach ist und die es auch immer notwendig macht, sorgfältig darüber nachzudenken, was der Staat in dieser Hinsicht tut und wie er seine Gesetze organisiert und ausrichtet. Es herrscht weitgehend große Einigkeit darüber, dass wir in Deutschland so etwas wie die Sicherungsverwahrung benötigen. Sie ist in den letzten Jahren im Rahmen mehrerer Gesetzentwürfe beschlossen worden, zwar in ganz unterschiedlichen politischen Konstellationen, aber immer in der Überzeugung, dass es im Prinzip richtig ist, so etwas wie die Sicherungsverwahrung zu haben.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hat uns vor eine ganz neue Herausforderung gestellt, die wir bewältigen müssen. Das Problem, das den Gesetzgeber immer wieder dazu bewegt hat, Gesetze zur Sicherungsverwahrung auf den Weg zu bringen, ist damit allerdings nicht vom Tisch. Deshalb muss dringend eine Lösung gefunden werden.
Viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich bedroht aufgrund der Gefahren, die von denjenigen ausgehen können, die von Gerichten in eine Sicherungsverwahrung verbracht worden sind. Wir als Gesetzgeber müssen dem Bundesverfassungsgericht, das sich demnächst mit diesem Thema befassen wird, unsere Vorstellungen im Hinblick auf eine künftige Regelung mitteilen; der Präsident des Bundesverfassungsgerichts hat per Zeitungsinterview ausdrücklich darum gebeten. Insofern müssen wir das, was wir uns jetzt vornehmen, auch tun.
Wir müssen ein Gesetz auf den Weg bringen auch dies will ich nicht unerwähnt lassen, das den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entspricht. Wir müssen einen guten Umgang mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte pflegen. Denn die größte Demokratie in Europa hat die wichtige Aufgabe, sicherzustellen, dass die Entscheidungen, die er trifft, respektiert und beachtet werden.
Zu dem Thema, über das wir zu diskutieren haben, gehört auch die Frage, wie wir dabei miteinander umgehen. Ich will ausdrücklich sagen, dass mich bedrückt, wie lange es gedauert hat, bis wir zu diesem Gesetzgebungsverfahren gekommen sind. Das wäre schneller nötig und auch schneller möglich gewesen.
Es wäre auch deshalb schneller möglich gewesen, weil nicht nur die sozialdemokratischen Abgeordneten, sondern auch alle anderen Oppositionsfraktionen in diesem Parlament wiederholt gesagt haben: Wir sind bereit, konstruktiv mitzuarbeiten und mitzuhelfen. Wir glauben, dieses Problem ist nicht nur ein Problem der Regierung, sondern es betrifft das gesamte Parlament und alle, die Verantwortung tragen.
Wir waren ein bisschen irritiert, wie lange dieser Prozess gedauert hat und wie wenig der Versuch unternommen wurde, die Opposition und die Länder in den Entscheidungsprozess einzubinden. Das ist ein Problem, weil mit den gewählten Lösungen auch Konsequenzen, zum Beispiel für die Länder, verbunden sind. Die Länder müssen jetzt schnell mitmachen, damit es nicht an Zügigkeit mangelt.
Es wäre gut gewesen, wenn man rechtzeitig darauf geachtet hätte, sie in diesen Prozess einzubinden. Ich hoffe, dass dies noch geschieht und man sich aktiv darum bemüht. Im Übrigen will ich Ihnen gerne versichern, dass wir uns von der fehlenden Einbindung der Länder in diesen Diskussionsprozess nicht abschrecken lassen, sondern uns weiterhin konstruktiv beteiligen.
Zur Sache. Der Weg, der im vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagen wird, ist ein Weg, den wir für gangbar halten und den wir gerne mitgehen wollen. Es ist notwendig, eine Neuregelung zur Sicherungsverwahrung zu treffen, und es ist richtig, dass wir die nachträgliche Sicherungsverwahrung mit Blick auf künftige Fälle abschaffen und durch ein anderes System, das auch uns geeigneter erscheint, ersetzen. Insofern findet der Weg, der im vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagen wird, unsere Unterstützung, zwar nicht in allen Details darüber muss in den Ausschüssen und Anhörungen beraten werden; das ist eine notwendige Debatte.
Ich glaube, dass es vernünftig ist, die Fälle, in denen eine Sicherungsverwahrung angeordnet wird, auf Straftaten, die gegen die körperliche Unversehrtheit, das Leben und die sexuelle Selbstbestimmung eines Menschen gerichtet sind, zu beschränken. Es ist noch zu prüfen, ob diese Maßgabe im vorliegenden Gesetzentwurf durchgängig eingehalten wird. Im Großen und Ganzen ist aber genau dieser Weg richtig.
Wenn man ihn geht, ist es leichter, eine Sicherungsverwahrung zu beschließen, sich ihre Anordnung vorzubehalten und noch während der Strafhaft den Vollzug der Sicherungsverwahrung festzusetzen. Es geht also um drei Entscheidungen, die vor dem Hintergrund der Beschränkung der Fälle, in denen eine Sicherungsverwahrung angeordnet werden darf, gut begründet sein müssen. Allerdings ich sage es noch einmal ist dies im vorliegenden Gesetzentwurf keineswegs in allen Einzelheiten geschehen und gelungen. Deshalb muss man die geplanten Regelungen noch einmal daraufhin überprüfen, ob sie wirklich passgenau sind.
Wir sind bereit, weiterhin mit Ihnen zu diskutieren und uns konstruktiv einzubringen, wenn es darum geht, eine Lösung im Hinblick auf psychisch gestörte Gewalttäter bzw. die sogenannten Altfälle dieser Art zu finden.
Das wird nicht einfach; denn es ist nicht gerade leicht, eine Lösung für diese Fälle zu finden. Es wäre ganz einfach, wenn alle Oppositionsfraktionen sagen würden: Das Problem haben ja nicht wir, soll die Regierung doch sehen, wie sie damit zurande kommt. Das kann es nicht sein.
Insofern glauben wir, dass man das Ganze sorgfältig beraten muss und dass wir in den konkreten Diskussionen über den Gesetzentwurf schauen müssen, ob das funktioniert. Wir raten uns selbst und auch den Regierungsparteien und der Regierung, den Sachverständigen, die angehört werden, genau zuzuhören. Es kann sein, dass wir hinsichtlich der Frage, was man tun kann, zu veränderten Erkenntnissen im Detail kommen. Im Großen und Ganzen ist es aber vernünftig, dass wir jetzt nicht einfach zuschauen, wie gefährliche Täter in der Bundesrepublik möglicherweise Straftaten verüben und Bürgerinnen und Bürger in Gefahr bringen, weil wir nicht überlegt haben, was man tun kann, und wir deswegen keine Handhabe dagegen haben.
Wir haben genau hingeschaut und sind deshalb der Meinung, dass es eine berechtigte Hoffnung der Bundesregierung und der antragstellenden Fraktionen ist, dass das Ganze auch mit der Europäischen Konvention für Menschenrechte vereinbar ist.
Das ist aber kein leichter Weg; denn wir haben Regelungen für die psychisch Gestörten für die psychisch Kranken gibt es sie schon zu treffen. Darüber kann man als Jurist und Juristin sorgfältig streiten. Wir glauben, dass die Regelungen vertretbar sind, wollen in den konkreten Beratungen aber sehr genau überprüfen und schauen, ob man das auch in allen Details so machen kann, wie das jetzt mit dem Gesetzentwurf vorgelegt worden ist.
Mein Rat zum weiteren Umgang mit diesem Gesetzentwurf und hinsichtlich der Beratungen, die jetzt folgen, lautet deshalb: Wir sollten ruhig bleiben das ist notwendig, wir sollten sehr ernst bleiben das ist auch notwendig, und wir sollten bereit sein, zu akzeptieren, dass vielleicht nicht alles, was in dem heute erstmals beratenen Gesetzentwurf steht, am Ende auch so stehen bleibt. Die Regierungsparteien und die Regierung sollten schon bei den Beratungen des Bundestages und parallel dazu auch gemeinsam mit den Ländern den Versuch machen, einen Weg zu finden, wie das möglichst zügig dann auch gemeinschaftlich getragen werden kann.
Ich will deshalb zum Schluss ein Plädoyer für die 16 Länder der Bundesrepublik Deutschland halten und auf ihre Probleme und Fragen hinweisen. Die Lösung, die gerade für die psychisch gestörten Gewalttäter gefunden worden ist, führt dazu, dass bei den Ländern Mehrausgaben entstehen und dass neue Aufgaben zu erfüllen sind. Ich glaube, dass man jetzt nicht sagen kann, das sei ganz alleine deren Problem. Es wird wichtig sein, dass man diesen Prozess als eine gemeinsame nationale Aufgabe begreift, dass sich also bei der Beratung dieser Dinge ein entsprechendes Verhältnis zwischen der Regierung und der Opposition und vielleicht auch zwischen dem Bund und den Ländern entwickelt, indem gesagt wird: Wir sollten dieses Problem jetzt nicht einfach aufeinander abschieben, sondern wir sollten versuchen, es gemeinsam zu lösen.
Wenn dieser Weg beschritten wird, dann können wir bei einem so schwierigen und ernsten Thema auch etwas Gutes für das Land und für die Strafrechtskultur dieses Landes tun.
Schönen Dank.