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18.10.2013

Grußwort: 100 Jahre Pik As

 

 

Sehr geehrter Herr Dr. Vaerst,
sehr geehrte Frau Petri,
sehr geehrte Mitglieder des Fördervereins Pik As e.V.,
sehr geehrte Frau Vizepräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

wer auf der Straße lebt, wer obdach- oder wohnungslos ist, den hat meistens das Leben aus der Kurve getragen. Die Gründe sind vielfältig das Ende einer Beziehung, unüberwindbare Probleme im Elternhaus, der Tod einer nahestehenden Person, Jobverlust, Alkohol, psychische Probleme. Die Familie, die Freunde, das soziale Netz was Halt geben soll, hält nicht oder nicht genug.

In Europa steigt die Zahl der Obdachlosen. Besonders bedrückend: Die Zahl der 25-Jährigen, die auf der Straße leben nimmt zu, übrigens auch die Zahl der Frauen. Wachsende Armut und steigende Mieten das sind nur einige der Gründe. Eine neue Gruppe von Obdachlosen sind Migranten, vor allem aus Osteuropa, sowie Flüchtlinge aus Afrika, die über Südeuropa nach Hamburg kommen.

Schon 1910 beschloss die Bürgerschaft den Bau eines Polizei-Asyls, wie es damals in der Amtssprache hieß, in der Kurzform P.As. Es eröffnete am 11. Oktober 1913, kostete 700.000 Goldmark und diente der Beherbergung von 748, ich zitiere: Stadtstreichern, Hafenlöwen und Tippelbrüdern. Die Männer übernachteten in Schlafsälen mit 80 Betten.

Die Übernachtungszahlen im Pik As spiegeln das Auf und Ab der Wirtschaft wider, aber auch politische Umbrüche. 1928/29, während der Weltwirtschaftskrise, schliefen täglich 1600 Personen im Pik As. 1942 waren es nur noch etwa 70 täglich. Wer im Nationalsozialismus als arbeitsscheu und damit asozial galt, lief Gefahr, in ein Lager zu kommen.

Heute beherbergt das Pik As auf vier Stockwerken 210 Plätze. Fast die Hälfte der Zimmer sind Ein- und Zweibettzimmer. Auch Frauen, Pärchen und Obdachlose mit Hund werden im Pik As aufgenommen. Im Sommer, bei gutem Wetter, ist das Pik As fast leer. Im Winter hingegen reichen die Betten oft nicht aus.

Sehr geehrte Damen und Herren,
es ist schon oft über das Pik As geschrieben worden. Am bekanntesten ist wahrscheinlich die Reportage von Günter Wallraff geworden, der 1975 über einen zweitägigen Aufenthalt im Pik As berichtete. [Asyl ohne Rückfahrtschein]

Und natürlich ist das Pik As ein letztes Netz für die, die schon durch viele Maschen gefallen sind.

Natürlich wird hier besonders deutlich, dass die Gesellschaft es nicht schafft, alle in die Lage zu versetzen, Ihr Leben selber in die Hand zu nehmen, auch wenn wir nicht nachlassen dürfen, es zu versuchen. Dass es auch immer schon Männer und Frauen gegeben hat und vielleicht auch immer geben wird, die ich sagte es bereits das Leben aus der Kurve trägt.

Aber es bietet mehr als nur ein Bett und eine warme Mahlzeit. Hier werden Fragen beantwortet wie: Habe ich Anspruch auf Rente? Zahlt die Grundsicherung? Wie bekomme ich einen neuen Personalausweis, wenn der alte verlorengegangen ist und möglicherweise sogar eine eigene Wohnung? Die Mitarbeiter beraten und nicht nur, sie begleiten die Bewohner auch bei Behördengängen.

Wer länger als eine Nacht bleibt, bekommt ein festes Bett, einen Zimmerschlüssel und muss das Haus tagsüber nicht verlassen. Mehr als die Hälfte Bewohner lebt zwei Jahre oder sogar länger im Pik As. In einem separaten Bereich mit Krankenzimmern können leichtere Erkrankungen auskuriert werden.

Und die Entwicklung geht weiter. In einer neuen Schwerpunktpraxis im Pik As werden Obdachlose seit dem 1. Juni dieses Jahres von niedergelassenen Allgemeinmedizinern und Psychiatern kostenlos betreut. Zweimal wöchentlich kommt zudem der Mitarbeiter eines Pflegedienstes in das Pik As. Die Ärzte arbeiten eng mit den Mitarbeitern des Pik As zusammen und können so Vertrauen in längerfristige Therapien aufbauen.

Die Anschubfinanzierung kam übrigens vom Hamburger Spendenparlament. Die Betriebs- und Personalkosten zahlen die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg, die Krankenkassen und die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration. Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf begleitet die Arbeit zwei Jahre lang wissenschaftlich und wertet sie aus.

Bis dahin hatten Förderverein, Caritas, Diakonisches Werk und ehrenamtliche Ärzte eine medizinische und psychiatrische Beratung ermöglicht. Auch ihnen ist es zu verdanken, dass diese Arbeit nun eine institutionelle Basis erhalten hat.

Sehr geehrte Damen und Herren,
derzeit verhandelt der Senat mit den Bezirken über die Möglichkeiten der Unterbringung. Wir wollen verteilt über das Stadtgebiet genügend Übernachtungsplätze anbieten. Niemand soll draußen schlafen müssen, niemand soll Gefahr laufen zu erfrieren. Deshalb werden wir auch das Pik As auf bis zu 260 Übernachtungsmöglichkeiten aufstocken.

Alle Angebote sind nur möglich dank des engagierten Einsatzes der 54 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Leitung bis zu den Betreuern, vom Handwerker und Haustechniker bis zu den Küchen- und Reinigungskräften. Hochachtung vor dem, was Sie hier jeden Tag, jede Nacht und rund um die Uhr leisten!

Und manches ist auch weiterhin nur möglich durch das besondere Engagement des Fördervereins, des Diakonisches Werks und des Caritasverbands Hamburg und der Hamburger Tafel.

Dank Ihnen allen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.