Sehr geehrter Herr Dr. von Weizsäcker,
sehr geehrte Frau von Weizsäcker,
sehr geehrter Bundesminister,
sehr geehrter Herr Schmidt,
sehr geehrter Herr He,
sehr geehrter Herr Minister,
sehr geehrter Herr Wriedt,
sehr geehrter Herr Dr. Wehmeier,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
seien Sie herzlich willkommen im Hamburger Rathaus, im Kaisersaal, der seinem Namen zum Trotz den Stolz der Stadtrepublik Hamburg präsentiert. Die Inschrift über der Tür dort zeigt das Verständnis der unabhängigen Stadt Hamburg ganz gut. Dort lesen Sie, dass Kaiser Wilhelm II und seine Verbündeten das sind die Hamburger gewesen, nicht etwa Untertanen umgeben von den Vertretern der seefahrenden Nationen hier 1895 aus Anlass der Eröffnung des Nord-Ostsee-Kanals weilten.
Diese Stadt freut sich, Sie, lieber Dr. von Weizsäcker, heute zu Gast zu haben, auch wenn es sich um eine Verabschiedung, also einen auch etwas wehmütigen Anlass handelt.
Woran Sie selbst vor zwanzig Jahren die Bundesrepublik Deutschland erinnert haben, das scheint mir auch in seiner Ambivalenz in diesem Erinnerungsjahr 2014 des Zitierens wert:
Die Vorzüge der offenen Gesellschaft: die festen Regeln der Demokratie und die Effizienz der Marktwirtschaft helfen uns. Sie bieten die besten uns bekannten Entdeckungswege zur Lösung der immer wieder neuen Probleme. Sie sind vernünftig, weil sie uns befähigen, Konflikte gewaltlos zu bestehen. Herzerwärmend sind sie nicht.
Mit der Aussage, die ich Ihrer Abschiedsrede als Bundespräsident entnommen habe, wollten Sie daran erinnern, und das ist der zweite Teil des Zitats, dass die Völker nicht allein von rationaler Umsicht bestimmt werden, sondern vor allem von starken Gefühlen. Das war Ihre Reminiszenz an die Ereignisse von 1989 und danach in Deutschland und großen Teilen Europas.
Von denen wird heute noch ausführlich die Rede sein und ich will nur dies eine vorwegnehmen:
Das Spannungsverhältnis von rationaler Umsicht und starken Gefühlen, es besteht fort, in Deutschland, Europa und der Welt, im Guten und im weniger Guten. Das vereinte Deutschland hat seinen einzig denkbaren Platz gefunden: in der Mitte eines zusammen wachsenden Europas. Das ist eine rational zu fassende Wahrheit und ein starkes Gefühl.
Viele von uns haben vor zwanzig Jahren geglaubt, in der internationalen Politik würden sich im neuen Jahrhundert neue vernünftige Wege der Konfliktlösung nicht nur auftun, sondern mit wachsender Selbstverständlichkeit begangen werden. Was das betrifft, können wir uns heute nur teilweise bestätigt sehen in einer Zeit, in der die Welt immer enger zusammenrückt, auch durch die Möglichkeiten der modernen Kommunikationsmittel, und in der wir auch für uns bedrohliche Krisen wahrnehmen und erleben.
Für mich ist das ein Grund mehr, die Außenpolitik in einer zentralen Rolle zu sehen nicht anders als sie es in den Zeiten der Willy Brandt, Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker war. Frank Steinmeier wird gleich sehr viel mehr dazu sagen und er wird mir, glaube ich, zustimmen. So wie es eigentlich jeder tun müsste, der regelmäßig die Tagesschau sieht.
Der Außenpolitik müssen wir eine wesentliche Bedeutung zumessen, nicht anders als in der Zeit des Ost-West-Konfliktes, in der fast alle von uns aufgewachsen sind. Und in der Kurt Körber, der Ingenieur und Tüftler, die Bergedorfer Gesprächskreise erfunden hat.
Außenpolitik übrigens in einem weiten Sinn des Begriffs Sie, Helmut Schmidt, von dem das mit dem Ingenieur und Tüftler stammt, haben ja auf folgendes hingewiesen: Kurt Körber war vor allem daran gelegen, Personen zusammenzubringen, die etwas zu sagen hatten, wobei aber nicht hohe Ämter und offizielle Positionen die Voraussetzung waren. Auch wer in dem Sinne wenig bis nichts, aber als Denker und Tüftler umso mehr zu sagen hatte, war willkommen, Impulse zu setzen. Und wie oft ist sind solche Bergedorfer Impulse in die verschiedensten Länder getragen worden!
Hamburgerinnen und Hamburger wie Gräfin Dönhoff, Theo Sommer, Volker Rühe, Rudolf Augstein haben schon in den 1960er / 70er Jahren den internationalen Charakter der Gesprächskreise 1970 erstmals im Ausland, im damaligen Leningrad, Hamburgs Partnerstadt, dem heutigen St.Petersburg mitgestaltet.
Meine Damen und Herren,
in den vergangenen fast zwanzig Jahren aber hat Richard von Weizsäcker an entscheidender Stelle für die Gestalt der Bergedorfer Gesprächskreise gesorgt.
Das war für Sie, lieber Herr von Weizsäcker, eine andere Art von Aufgabe, gemessen an der früheren als Staatsoberhaupt der so genannten Bonner Republik, die in Ihrer Amtszeit erste mutige und große Schritte in die zusammen wachsende Berliner Republik hatte tun können.
Aber dass der Bergedorfer Gesprächskreis, dieses Forum, das sich hinter einem bescheidenen, ländlich-dörflichen Namen verbirgt und doch längst internationalen Ruf hat, dass der Bergedorfer Gesprächskreis der Körber-Stiftung für die politische Diskurs-Struktur und das Renommee unserer Stadt Hamburg hohe Bedeutung hat, das hat unsere Stadt heute in hohem Maße Ihnen zu verdanken.
Fast zwanzig Jahre lang konnte Hamburg stolz sein ich versuche es hanseatisch zu sagen , Sie auf der Brücke dieses Klippers zu wissen. Wir konnten uns darauf verlassen, dass er immer neue interessante Gewässer ansteuern und sich vor kabbeliger See nicht fürchten würde.
Dafür bedanke ich mich im Namen der selbstbewussten, inzwischen weithin bekannten Stadt Bergedorf im Land Hamburg.
Wenn es ab morgen im 157. Bergedorfer Gesprächskreis um Die Verantwortung globaler Handelsmächte im asiatischen Jahrhundert geht, genauer gesagt: darum geht, auszuloten, wer sich dieser Verantwortung in welcher Weise stellen will, muss und kann dann stockt einem ja fast der Atem vor dieser schwergewichtigen Thematik.
Mich hat zurzeit die Streitschrift des indischen Autors Pankaj Mishra gepackt, die nicht unumstritten ist: Aus den Ruinen des Empires. Pointiert und nicht übermäßig konziliant gegenüber dem Westen, mit zum Teil auch recht einseitiger Wertung und Schuldzuweisung lässt er anti-koloniales Denken und Fühlen in den Ländern Asiens und der arabischen Welt neu aufleben, wie es im 19. Jahrhundert schon existierte und verbreitet wurde. In einer Zeit, als Europa noch keinen Grund sah, an sich selbst als dem Zentrum der bekannten Welt zu zweifeln.
Das ist heute anders und wir müssen uns mit dem Thema auseinandersetzen.
Wenn jetzt der Bergedorfer Gesprächskreis das asiatische Jahrhundert zum Thema macht, sehe ich darin mehr als eine nüchtern-kaufmännische Analyse. Die liegt dem natürlich auch zugrunde. Ich setze auf ein Jahrhundert stabiler asiatisch-europäischer Kooperation. Der Weg dorthin mag heute und morgen hier im Rathaus vielleicht schon ein wenig deutlicher werden. Ich sehe mit Freude, dass das Denken und Tüfteln auf unverändert hohem Niveau weitergeht.
Ihnen persönlich, lieber Herr von Weizsäcker, wünsche ich für die kommenden Jahre alles erdenkliche Gute. Und gern sehen wir Sie wieder als Gast in Hamburg.
Vielen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.