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06.11.2014

Keynote zum VDZ Publishers‘ Summit

 

Sehr geehrter Herr Professor Burda,
sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister, lieber Klaus,
sehr geehrter Herr Kommissar, lieber Herr Oettinger,
sehr geehrte Frau Professor Köcher,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

schön, dass ich heute bei Ihnen sein kann als Bürgermeister einer Stadt, in der die Verlage seit jeher eine besondere Rolle spielen.

Und als Regierungschef eines Landes, dem die Medien und ihre Ordnung sehr am Herzen liegen.

 

Das ist Verpflichtung, aber das hat auch etwas mit der Freude an dem zu tun, was die Medien machen und anbieten.

 

Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass Sie in Ihr Branchenkompendium 2014 einen Text von Frank Schirrmacher aufgenommen haben, der dem digitalen Defaitismus eine Absage erteilt und für Erfindungs- und Unternehmergeist gerade auch in den Medien plädiert.

 

Sie können sich denken, dass das dem Hamburger Bürgermeister gefällt: Kreativität und Kaufmannsgeist sind schließlich nicht nur in der Medien- und Kreativwirtschaft die Grundlagen dafür, dass neue Geschäftsmodelle entwickelt werden können. Hamburger Kaufleute wissen das seit Jahrhunderten.

 

Über einen Satz im Text bin ich allerdings beim Lesen gestolpert: Was heute ‚Medien‘ heißt, war ein geniales Instrument der Aufklärung.

 

Warum war? --- Sicher, die Epoche der Aufklärung ist vorbei, aber für mich gehört Aufklärung nach wie vor zu den Kernaufgaben der Medien und des Journalismus. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es je anders sein könnte.

 

Natürlich verändert sich vieles: Die medientechnischen Revolutionen der letzten Jahre und Jahrzehnte erleichtern es jeder Bürgerin und jedem Bürger sehr, sich aus einem viel breiteren, leichter verfügbaren Informationsangebot eine eigene Meinung zu bilden, zu fast jeder Zeit an fast jedem Ort. Und sie schaffen neue Möglichkeiten, diese eigene Meinung dann auch ungefiltert zu veröffentlichen. Via Facebook, Twitter oder eigenem Blog erreichen sie theoretisch die Welt.

 

Niemals in der Geschichte waren die Eintritts-Barrieren in die Öffentlichkeit deshalb niedriger als heute. Zumindest potenziell.

 

Denn ganz abgesehen von der Frage, ob und von wem die Äußerung überhaupt wahrgenommen wird, gibt es keine Gewähr dafür, dass daraus ein vernünftiges öffentliches Gespräch entsteht. Zunächst einmal stehen da nur mehr Meinungen nebeneinander.

 

Wir behelfen uns zwar mit Algorithmen und sozialen Empfehlungssystemen, um der neuen digitalen Unübersichtlichkeit Herr zu werden, aber letztlich sind es journalistische Redaktionen, die am besten für die diskursive Vernetzung der einzelnen Informationen und Meinungen sorgen können. Gerade heute erscheint es mir daher unerlässlich, in redaktionelle Kompetenz und Qualität und Leistungsfähigkeit zu investieren. Denn nur das rechtfertigt am Markt den Unterschied zwischen Qualitätsmedien und dem zunehmend überall verfügbaren Gratis-Content.

 

Ich bin überzeugt davon, dass es heute auch betriebswirtschaftlich mehr denn je darauf ankommt, sich auf klassische journalistische Tugenden zu besinnen, um in der Flut der Angebote digitaler Medien einen Unterschied zu markieren, der verlegerische Angebote einzigartig und damit verkaufbar macht.

 

Welches Motiv habe ich denn, eine Zeitung oder Zeitschrift zu kaufen?

Zunächst einmal will ich nach dem Lesen klüger sein als vorher. Und zwar unabhängig davon, ob das Gelesene meine bisherige Meinung bestätigt oder ihr widerspricht; ob ich das politische Profil der betreffenden Zeitschrift goutiere oder ganz schrecklich finde.

So oder so muss mein Informationsstand besser sein als vorher. Ich muss zumindest auf der richtigen Schiene sein und wissen, welche Details ich mir vor dem Hintergrund dieses verbesserten Informationsstandes zusätzlich noch besorgen will.

 

Und ich muss das schaffen, ohne erst mal noch fünf weitere Zeitungen oder Zeitschriften kaufen zu müssen in der Hoffnung, dass sich dann als eine Art Mittelwert eine ungefähr verlässliche Information ergeben könnte. Das ist nicht der Sinn, dafür gebe ich kein Geld aus. Wenn ich mir diese Arbeit selber machen möchte, dann geht das ja heute auf der Basis der im Netz frei verfügbaren Informationen. Kostenlos.

 

Deshalb liegt die Chance der Verlage gerade heute darin, mit ihren kuratierten journalistischen Angeboten das Versprechen eines umfassenden Informationsbuketts einzulösen, das in der Flut digi-taler Angebote zunehmend prekär geworden ist.
Denn während man sich in den Blogs und Social Media-Einträgen schnell verlieren kann, leisten Redaktionen wichtige weitere Arbeit.

Verlegerische Angebote unterscheiden sich drastisch von Blogs und Social Media, weil sie regelhaft mehr können als individueller Meinung und persönlicher Befindlichkeit Raum zu geben.

 

Sie sichten und gewichten, ordnen und orientieren. Und sie treffen letzten Endes eine Auswahl, mit der sie markieren, was wichtig ist und was alle wissen sollten.
Es geht um All the news that’s fit to print, wie es bis heute im Kopf der New York Times heißt.

Es ist übrigens ein durchaus hoher Anspruch, festlegen zu wollen, what is fit to print. Journalisten, die ihr Print-Handwerk gelernt haben, müssen das schon deshalb können, weil sie ein begrenztes  Platzangebot bis auf den letzten column inch füllen müssen. Im Netz stellt sich dieses Problem technisch vielleicht nicht mehr, journalistisch aber natürlich nach wie vor. Denn nur wer auswählt und eingrenzt, der kann auch orientieren.

Deshalb können Journalisten, die ihr Handwerk gelernt haben, festlegen, what is fit to print oder eben: online gestellt zu werden. Sie sichern damit unsere demokratisch verfasste Öffentlichkeit und erlauben uns, das Wesentliche zu erkennen und gesellschaftlich zu bearbeiten.

 

Das erwarten nach wie vor die meisten Leserinnen und Leser. Wer diese Erwartungen verlässlich erfüllt, generiert einen Mehrwert, für den auch gezahlt wird.

 

Und diesen ja auch gesellschaftlich relevanten Mehrwert müssen wir dann durch Medienpolitik schützen. Ich komme darauf zurück.

 

Neue digitale Technologien bieten unzählige neue Möglichkeiten, das journalistische Versprechen auf Orientierung einzulösen.

 

Am Montagabend haben wir in Hamburg den 20. Geburtstag von Spiegel Online gefeiert. Wenn heute nach den wichtigsten Informationsquellen zur Meinungsbildung über politische Themen gefragt wird, dann landet Spiegel Online bei den 14- bis 29-Jährigen auf Platz zwei. Das zeigt, dass es gelingen kann, eine erfolgreiche und starke Printmarke ins Digitale zu übersetzen und damit auch eine aktuelle Zielgruppe zu erreichen.

 

Natürlich fokussieren viele derzeit vor allem auf die Frage, wie künftig noch mit Inhalten im Digitalen Geld verdient werden kann und zwar nach Möglichkeit mehr als die lousy pennies, vor denen Sie, lieber Herr Burda, einmal gewarnt haben.

 

Dieser Fokus ist berechtigt: Nichts schützt die Unabhängigkeit der Presse besser als ein profitables Geschäftsmodell.

 

Dazu kommt es zunehmend darauf an, die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick zu nehmen und aus guten Inhalten erfolgreiche Produkte zu machen. Dazu braucht es den Blick für die Wünsche der Nutzerinnen und Nutzer.

 

In Hamburg haben rund 40 Unternehmen der Regionalen Arbeitsgruppe Content & Technology zu diesen Fragen gearbeitet und auf dem IT-Gipfel vor zwei Wochen ein Chancenpapier präsentiert.

 

Ihnen ging es insbesondere darum, wie kluge Kooperationen zwischen Inhalte- und Technologieunternehmen aussehen können, die zu neuen Geschäftsmodellen führen. Solche Fragen nach künftigen Perspektiven an der Schnittstelle zwischen Inhalten und Technologie bilden auch den Kern unserer neuen Medienstandortinitiative nextMedia.Hamburg. Wir wollen hier ein Ökosystem schaffen, in dem etablierte Unternehmen zusammen mit Start Ups die Medienangebote der Zukunft ebenso erkunden können wie die Möglichkeiten, mit ihnen gutes Geld zu verdienen.

 

Angesichts der Konvergenz der Medien begegnen sich immer mehr ehemals getrennt agierende Branchen auf den gleichen Märkten. Aktuell erleben wir das mit der neuen Konkurrenz zwischen verlegerischem Corporate Publishing und den Content-Marketing-Dienstleistungen der Kommunikationsagenturen. Beide bewerben sich damit um die gleichen Etats ehemaliger Werbekunden oder Auftraggeber.

 

Anstatt hier in neue Verdrängungswettbewerbe zu gehen, ist es klug, Kooperationsmöglichkeiten auszuloten, um den digitalen Wandel gemeinsam anzugehen.

 

Aus solchen Debatten ist auch die Idee entstanden, einen Accelerator für mediennahe digitale Geschäftsmodelle in Hamburg einzurichten. Die Vorarbeiten laufen mit Hochdruck. Der Senat unterstützt dieses Vorhaben der dpa ausdrücklich, weil es ebenfalls dabei hilft, journalistische und verlegerische Produkte und Angebote in die digitale Zukunft zu bringen.

 

Es sind solche Projekte, von denen wir dringend mehr benötigen. Und es sind solche Projekte, die uns anspornen müssen, auch die Rahmenbedingungen unserer Medienordnung auf die Höhe der digitalen Zeit zu bringen.

 

Meine Damen und Herren,
denn natürlich ist es nicht damit getan, dass Politiker Ihnen ans Herz legen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das wissen Sie selber gut genug.

 

Wir müssen uns auch politisch darum kümmern, dass solche Modelle überhaupt an den Markt gehen können. Hier ist Politik gefragt.

 

Die Struktur unserer Öffentlichkeit wandelt sich dramatisch. Zunehmend treten neue Intermediäre als eigenständig sichtbare Marken zwischen Medienanbieter und Mediennutzer.

 

Suchmaschinen, Social Media und Commerce-Plattformen prägen immer mehr den Einstiegspunkt und den Erstkontakt bei der Suche nach Informationen. Das hat ökonomische Auswirkungen, die Sie alle kennen.

 

Das verändert aber potenziell auch die innere Verfassung unserer Öffentlichkeit.

 

Die Bandbreite der Reaktionen auf diese neuen und zunehmend machtvolleren Plattformen ist groß sie reicht von profitabler Kooperation bis hin zu Kartellverfahren in Brüssel.

 

Deshalb ist es so wichtig, dass wir die Unsicherheitszonen verkleinern. Dazu gehört, dass wir uns darum kümmern, dass das Urheberrecht in digitalen Kontexten nicht relativiert wird.

 

Sie alle wissen, dass ich der grundsätzlichen Idee des Leistungsschutzrechtes für Presseverleger gegenüber immer sehr aufgeschlossen gewesen bin, dass ich aber auch meine Zweifel hatte, ob die konkrete Lösung tatsächlich hilfreich sein würde, die die vorige Bundesregierung meinte gefunden zu haben. Die Vorgänge der letzten Wochen und die Erfahrungen, die die VG Media machen musste, haben mich da eher noch einmal bestärkt.

 

Der Hinweis, dass derjenige, der etwas nutzt, auch dafür zu bezahlen hat, stimmt uneingeschränkt. Aber wenn wir das durchsetzen wollen, müssen wir präziser werden und genau benennen können, wann eine Nutzung tatsächlich vorliegt.

 

Vielleicht helfen ja die neuesten Vorstöße von Günther Oettinger aus Brüssel, die Debatte zu verbreitern und zugleich zu schärfen.

 

Klar ist: Wir brauchen Augenhöhe zwischen Inhalteanbietern und Plattformen.

 

Es sind Fragen von grundsätzlicher gesellschaftspolitischer Bedeutung, wie Öffentlichkeit entsteht und wie die Produktion,  Vielfalt und Zugänglichkeit von Inhalten sichergestellt wird.

Wir müssen klären, was wir wollen, bevor wir uns auf Instrumente einigen, mit denen wir das Gewollte erreichen können.

 

Darüber ist in diesem Jahr bereits intensiv am Beispiel Google diskutiert worden. Die Verleger haben sich daran intensiv beteiligt.

 

Dabei ging und geht es zunächst vorwiegend um Fragen des Wettbewerbs- und Kartellrechts.  Allerdings hat sich die Diskussion mittlerweile erweitert. Das tut ihr gut.

 

Denn es geht nicht nur und vielleicht noch nicht einmal primär um die Frage, ob wir einzelne Plattformen mit Marktanteilen jenseits der 90 Prozent akzeptieren können. Sondern es geht darum, welche Regeln wir ihnen vernünftigerweise auferlegen können, wenn wir sie als essentielle Infrastrukturen unserer Öffentlichkeit betrachten.

 

Da ist es wie in vielen anderen Bereichen auch: In dem Moment, in dem ein privater Anbieter eine Dienstleistung erbringt, die wir gesellschaftlich als unerlässlich erachten, muss er präzise Auflagen erfüllen.

 

Stellen Sie sich mal für einen Moment vor, es gebe in Deutschland keine gesetzlichen, sondern nur noch private Krankenkassen. Wenn das der Fall wäre, dann müssten die privaten mit viel größeren Auflagen leben als heute, weil wir sicherstellen müssten, dass sie das Gemeinwohl im Blick haben. Ähnlich ist es mit Anbietern bestimmter digitaler Dienste und Services.

 

Entsprechende Überlegungen sollten Länder, Bund und Europa gemeinsam entwickelnGanz entscheidend ist dabei, dass wir neue Mechanismen schaffen, mit denen wir Diskriminierung auf Plattformen verhindern. Und dass diese Mechanismen auch praktisch funktionieren.

 

Unser Hamburger Vorschlag, über einen Medienstaatsvertrag zwischen Ländern und Bund zu reden, hat viel Bewegung erzeugt. Das zeigt, dass es sich lohnt, einfach mal anzufangen, ohne auf die Klärung des letzten Details zu warten.

 

Mit einer solchen Vereinbarung zwischen Bund und Ländern wollen wir

  • gemeinsame Regulierungsziele vereinbaren
  • ein Kollisionsrecht für konvergierende Medien  schaffen
  • und Instrumente einer verbesserten Media Governance identifizieren.

Seitdem wir im Frühjahr 2013 beim Mediendialog Hamburg darüber das erste Mal sprachen auch gemeinsam mit Vertretern des VDZ ist viel passiert:

 

Zuletzt konnten wir ein substanzielles Gutachten entgegennehmen, das wir jetzt in der Länder-AG unter Hamburger Vorsitz diskutieren. Im Dezember wollen wir dann die versprochene Bund-Länder-Kommission beschließen, in der wir die Konturen der digitalen Medienordnung zeichnen werden.

 

Wir wollen in diesem Prozess keine abstrakten Kompetenzdebatten führen, sondern ganz praktisch und problemorientiert sicherstellen, dass alle die gleichen Regulierungsziele verfolgen. Und wir wollen dafür sorgen, dass Unsicherheiten über konkrete Zuständigkeiten abgebaut werden.

 

Deshalb geht es in dieser Debatte insbesondere um die im Grundgesetz angelegten Schnittstellen zwischen Bundesrecht und Landesrecht.

 

Denn wir haben in den vergangenen Jahren erleben müssen, dass bundespolitische Instrumente wir das Kartell-, Telemedien- oder Telekommunikationsrecht immer bedeutsamer für unsere Medienordnung geworden sind.

 

Gleichzeitig aber ist es Aufgabe der Länder geblieben, mit Medien- und Pressegesetzen und mit gemeinsamen Staatsverträgen inhaltlich zu skizzieren, wie wir uns unsere gesellschaftliche demokratische Öffentlichkeit vorstellen.

 

Diese positive Normierung bleibt unsere Aufgabe. Es wird Zeit, dass wir sie auch im Hinblick auf digitale Angebote annehmen und beschreiben, wie Vielfaltssicherung künftig aussehen kann.

 

Ich weiß, dass manche unter Ihnen mit ein wenig Sorge auf diesen Prozess schauen, weil Sie fürchten, dass das angestrebte level playing field auf einem höheren Regulierungsniveau liegt, als es mit Blick auf die Presse üblicherweise erklommen wird. Ich kann Ihnen versichern, dass das nicht unsere Absicht ist.

 

Erstens bin ich überzeugt davon, dass es vollständig gleiche Regeln für alle auch künftig nicht geben kann, sondern dass es um die Angemessenheit von Regeln für den jeweiligen Medienbereich geht. Ein höheres Schutzniveau kann beispielsweise auch erhöhte Erwartungen mit sich bringen.

 

Und zweitens geht es ja generell darum, eher Regelungen und Beschränkungen abzubauen.

 

Angesichts der Geschwindigkeiten der Veränderung hat es schließlich wenig Sinn, mit aufwändig normierenden Gesetzen und Staatsverträgen immer wieder strukturell zu spät zu kommen.

 

Viel klüger ist es, eine Abstraktionsebene darüber das Grundsätzliche zu klären und dann deutlich stärker als bisher auf kluge Governance-Prozesse zu setzen, die die betroffenen Unternehmen und Verbände zu Partnern in der Regulierung machen.

 

Ich halte es aber für unerlässlich, dass wir gemeinsam politisch und gesellschaftlich einig sind, was eigentlich der Gegenstand von Medienpolitik ist und welche Angebote wir hier schützen wollen. Hier reichen die klassischen Presse- und Rundfunkbegriffe aktuell vielleicht noch aus perspektivisch aber werden sie zunehmend unter Druck geraten.

Das haben Sie mit der berechtigten Forderung nach einer technologieneutralen Pressefreiheit ja bereits vor einiger Zeit aufgegriffen.

Ich gehe davon aus, dass wir hier grundsätzlich an den Kategorien und Begrifflichkeiten arbeiten müssen.

 

Nehmen Sie beispielsweise die journalistisch-redaktionelle Arbeit, die gerade in digitalen Zeiten immer wichtiger wird, weil sie Orientierung ermöglicht. Das kann ein guter Anknüpfungstatbestand sein.

 

Wenn ein Medienanbieter sich selbst dazu bekennt, ein entsprechendes Angebot zu produzieren und sich dabei selbst auf bestimmte Maßstäbe verpflichtet, dann darf er auch erwarten, dass er ein besonderes Schutzniveau genießt oder aber mindestens vor Diskriminierung bewahrt wird.

 

Schließlich muss sich die Investition in journalistische Qualität am Ende ja auch lohnen.

 

Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition ist deswegen zu Recht bereits von einer diskriminierungsfreien Distribution von journalistisch-redaktionellen Angeboten mit public value die Rede. Dazu gehören auch Ihre Produkte.

 

Es wird sehr präzise Arbeit in den kommenden Monaten und Jahren erfordern, hier die richtigen neuen Regeln zu entwickeln, die genau das sicherstellen können. Auch das gehört für mich zu den Aufgaben, die die Bund-Länder-Kommission leisten muss. Das ist auch für Sie und Ihre Häuser eine wichtige regulatorische Perspektive.

 

Denn klar ist: Wenn wir über unsere künftige Medienordnung sprechen, dann darf die Jahrhunderte alte Idee der Pressefreiheit durch niemanden zur Disposition gestellt werden.

 

Folgerichtig ruft das Gutachten von Winfried Kluth und Wolfgang Schulz auch nicht die medienpolitische Revolution aus, sondern beschreibt sehr präzise die Veränderungen und macht konkrete Vorschläge, wie mit ihnen umzugehen ist.

 

Wir sind gut beraten, auch in der Medienpolitik pfadabhängig zu denken. Aber es sollte uns niemand daran hindern, ein wenig mehr Tempo zu machen, wenn wir den vor uns liegenden Pfad klar und deutlich sehen können.

 

Meine Damen und Herren,
das bedeutet dann aber auch, dass wir bei konkreten Gesetzesvorhaben die Auswirkungen auf die freie Presse im Blick haben müssen.

 

Ich verstehe Ihre Sorgen gut, dass Sie bei manchen Reformen Kollateralschäden tragen müssen, die Ihnen das Leben erschweren. Wir müssen darauf achten, dass das nicht passiert.

 

Ein Beispiel dafür ist die Debatte über die Europäische Datenschutzgrundverordnung, die ich für unabdingbar notwendig halte, weil wir hier europaweit einheitliche Standards brauchen.

 

Allerdings müssen diese Standards so aussehen, dass allseits akzeptierte Geschäftsmodelle zum Beispiel der Fachpresse oder auch in der Abonnentenwerbung nicht mit einem Federstrich beendet werden. Hier haben wir im nationalen Recht gute Kompromisse gefunden, die wir auch in Europa durchsetzen müssen.

 

Aber wir müssen hier sehr sorgfältig sein: Der Datenschutz gehört zu den Themen, bei denen Verschärfungen immer naheliegen und politisch Punkte bringen. Diesem Reflex dürfen die politisch Verantwortlichen in Brüssel und Berlin nicht nachgeben.

 

Gleiches gilt auch für die Diskussionen über Werbung bzw. über Werbeverbote. Es erfüllt mich durchaus mit Sorge, wenn ich höre, dass hier neue Einschränkungen diskutiert werden und es dadurch wieder einmal schwieriger wird, Medieninhalte durch Werbeerlöse quer zu finanzieren.

 

Ich glaube nicht, dass wir gut beraten sind, wenn wir uns vom Bild des mündigen Verbrauchers verabschieden. Und ich kann mir auch gar nicht vorstellen, dass wir Regulierungskonzepte entwerfen, in denen wir den Leserinnen und Lesern bestimmter Titel eine höhere oder niedrigere Kompetenz für bestimmte Fragen zubilligen. Über derartige Pläne ist hoffentlich das letzte Wort noch nicht gesprochen.

 

Neuerliche Werbebeschränkungen braucht zurzeit wirklich niemand. Hier würde uns allen etwas regulatorische Askese gut tun.

 

Ein dritter Bereich sind die Fälle, in denen Presseprodukte plötzlich auf vermeintlich anderen Märkten verfügbar sind und deshalb anderen Regularien unterliegen. Ich habe schon beim letzten Mal gesagt, dass es nicht nur für Sie schwer verständlich ist, warum eine gedruckte Zeitschrift nur mit sieben Prozent Mehrwertsteuer belegt wird, eine digitale Ausgabe derselben Zeitschrift aber mit 19 Prozent taxiert wird. Das sollten wir nach unten anpassen.

 

Darüber bin ich mit Wolfgang Schäuble auch im Austausch. Allerdings bedarf es dazu einer Änderung der so genannten Mehrwertsteuersystemrichtlinie der EU. Hier müssen wir dafür sorgen, dass auch nicht körperlich ausgelieferte Medienprodukte ja, so heißt das wirklich mit dem niedrigeren Satz belegt werden können.

 

In Deutschland herrscht darüber ja mittlerweile weitgehend Konsens und es ist auch im Koalitionsvertrag so vereinbart. Das ist etwas, das Sie auch mit Günther Oettinger noch einmal vertiefen sollten, weil es ohne die Kommission nicht gehen wird.

 

Meine Damen und Herren,
wer sich darum kümmern möchte, dass die Medien und die Presse insbesondere auch künftig vernünftige Rahmenbedingungen vorfinden, der muss dazu auf eine ganze Reihe sehr unterschiedlicher politischer und rechtlicher Felder schauen.

 

Auch deshalb ist es sinnvoll, dass Bund und Länder sich gemeinsam auf Eckpunkte einer Medienordnung einigen und vertrauensvoll miteinander klären, wer sich nach welchen Maßgaben um was kümmert. Darüber werden wir in den kommenden Monaten intensiv reden. Und wir freuen uns, wenn auch die Verlegerschaft an dieser Debatte intensiv teilnimmt.

 

Denn es geht um viel. Es geht um das geniale Instrument der Aufklärung, das wir in der digitalen Gesellschaft vielleicht dringender brauchen denn je. Schönen Dank!

 

Es gilt das gesprochene Wort.