Grußwort beim Festakt Wildwechsel der Kreativgesellschaft
Sehr geehrter Herr Rühl,
liebe Barbara Kisseler,
sehr geehrter Herr Lotter,
sehr geehrter Herr Dr. Houcken,
sehr geehrte Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
mit der Kreativität ist das so eine Sache. Sie gehört zu den Dingen, die von vielen beschworen werden. Gleichzeitig aber entzieht sie sich oftmals elegant jeder Form von Definition. Sie ist nicht greifbar. Und doch weiß wiederum jeder irgendwie intuitiv, was gemeint ist.
Aber wie ist es denn nun? Nehmen wir nur den heutigen 11.11.
Ist es kreativ, sich heute als Rheinländer die Narrenkappe aufzusetzen, um voller Freude das Hoppeditz-Erwachen zu feiern?
Oder ist es kreativ, seinen Mantel zu teilen, um einen Bettler vor dem Erfrieren zu retten? Auch daran erinnern wir ja am 11.11. seit mehreren Jahrhunderten.
Oder ist es kreativ, die Designer, Künstler, Werber und Medienschaffenden einer Stadt am Hafen zusammen zu holen und das Ganze dann auch noch Wildwechsel zu nennen?
Ich würde sagen: Dreimal ja!
Kreativität ist alltäglich.
Kreativität hilft.
Und Kreativität ist manchmal auch rätselhaft
Kreativität bleibt immer eine spannende Herausforderung.
Meine Damen und Herren,
seit einiger Zeit wissen wir, dass die kreativen Branchen besonders für große Metropolen wie Hamburg ein wichtiger Wirtschaftszweig sind. Hamburg ist nach wie vor hinsichtlich der Wirtschaftskraft der Kreativstandort in Deutschland. Das werden wir halten und ausbauen.
Je nach Zählweise arbeiten hier mehr als 70.000 Erwerbstätige in den elf Branchen, die wir heute zur Kreativwirtschaft zählen. Sie erwirtschaften einen guten Teil des Wohlstandes unserer Stadt. Sie sind mit verantwortlich für ihre Lebensqualität. Und sie stehen für die Kraft, sich auf nicht kartiertes Gelände zu begeben und einen Weg zu finden. Kurz gesagt:
Sie sind ein wesentlicher Motor unserer Innovationskraft.
Das gilt für neue Produkte und neue Dienstleistungen genauso wie für neue Formen des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens.
Wie wollen wir leben? Wie wollen wir arbeiten? Das sind Fragen, die in den oft kleinen und flexiblen Strukturen der Kreativwirtschaft anders beantwortet werden, als in Großunternehmen oder Industriebetrieben.
Oftmals sind die kleinen Büros, Agenturen, Ateliers, Co-Working Spaces oder Studios auch hier Pioniere, die Neues ausprobieren, bevor es sich breitenwirksam durchsetzt.
Dieses Neue zu fördern und sichtbarer zu machen ist eine der zentralen Aufgaben der Kreativgesellschaft, die wir hier in Hamburg gegründet haben. Sie soll sich um die Belange der Kreativen kümmern und sie dabei unterstützen, hier in Hamburg erfolgreich ihre Arbeit zu machen.
Die Kreativgesellschaft kann den vielen Einzelkämpfern dabei helfen, Kontakte und Netzwerke zu knüpfen, eine geeignete Immobilie zu finden, das richtige Coaching zu bekommen oder im glücklichsten Fall auch einen Finanzier aufzutun.
Schließlich reicht es uns nicht aus, dass junge Kreative gute Ideen im Kopf haben. Daraus müssen Produkte oder Dienstleistungen werden, Geschäftsmodelle mithin. Dabei hilft die Kreativgesellschaft seit März 2010 ganz praktisch.
Wir haben mit dieser Gesellschaft etwas geschaffen, das auch im Städte- und Standortvergleich einzigartig ist. Sie ergänzt auf kluge Weise und übergreifend die bereits etablierten Branchennetzwerke in unserer Stadt.
Die Kreativgesellschaft leistet einen bedeutenden Beitrag dazu, dass sich Hamburg als Kreativstandort weiter entwickelt. Sie alle wissen viel besser als ich, dass wir mittlerweile in einer Aufmerksamkeitsökonomie leben, in der es eben auch darauf ankommt, ob es uns gelingt, eine gute und attraktive Geschichte zum kreativen Potenzial Hamburgs zu erzählen. Ich finde, wir sind auf gutem Weg dahin.
Meine Damen und Herren,
ich will nicht verhehlen, dass es uns nicht bloß um Ihre Wirtschaftskraft geht. Große Städte brauchen die Kreativen auch aus einem zweiten Grund.
Da wo viele Bürgerinnen und Bürger zusammenleben, entstehen nicht nur Probleme, sondern vor allem entstehen dort Lösungen. Hier kommen Ideen zusammen. Hier trifft man sich in der Szene und heckt gemeinsam etwas aus.
Aus dieser Dichte wachsen Laboratorien des Neuen, sie sind Impulsgeber gesellschaftlicher Entwicklungen. Genau das macht die Faszination großer Städte aus. Genau das hat Hamburg immer wieder bewiesen.
Von bisherigen Pfaden abweichen, althergebrachte Denksysteme überwinden, mit Traditionen brechen das sind die kreativen Chancen Ihrer Branchen. Oft innovativ. Bisweilen avantgardistisch. Manchmal auch provozierend.
Auf diese herausfordernden Widerstände und neuen Denkansätze sind moderne Städte und ihre Politik unabdingbar angewiesen, wenn sie sich weiterentwickeln wollen.
Kreative Prozesse beginnen schließlich oft mit einem Widerspruch und der Irritation, die dadurch ausgelöst wird.
Aber wir müssen uns als Gesellschaft manchmal irritieren lassen, um etwas Neues zu lernen und einen Schritt weiter zu kommen.
Und ich kann Ihnen versichern, dass wir Politiker dazu auch in der Lage sind.
Die Politik ist zwar kein Teilmarkt der Kreativwirtschaft, aber wir Politiker gehören immerhin zu denen, die Richard Florida ganz am Anfang der Debatte mal Creative Class genannt hat. Wenn wir unseren Job richtig machen, dann erfüllen wir alle Voraussetzungen, die er damals definierte.
Auch wir Politiker besitzen die Autonomie und die Flexibilität, nicht bloß vorgegebene Aufgaben zu erfüllen, sondern die Inhalte der eigenen Arbeit zu definieren.
Aber die Tatsache, dass Florida auch uns Politiker zu den Kreativen zählt, weist vielleicht darauf hin, dass es mit seiner damaligen Bibel The Rise of the Creative Class auch nicht so weit her ist und wir heute in viel größerem Maße selber und vor allem präziser bestimmen müssen, was wir als Kreativwirtschaft begreifen und fördern wollen.
Und wir haben uns vorgenommen, genau das hier in Hamburg auch umzusetzen. Ganz pragmatisch und mit klarem Blick auf das, was geht.
Das kann man nur im Dialog mit spannenden und kreativen Köpfen machen.
Joseph Beuys hat ja mal gesagt, dass die Kraft der menschlichen Kreativität die einzig revolutionäre Kraft sei, die er kenne.
Nun haben wir Hamburger es nicht so mit Aufruhr und Revolution. Aber ein bisschen Zugluft und Irritation darf schon sein, um auf frische Gedanken zu kommen.
Deswegen sind wir heute hier und treffen uns am Hafen, in alter Architektur um wieder einmal Neues auszuhecken und unsere schöne Stadt ein wenig weiter nach vorne zu denken.
Ich bedaure, dass ich nicht lange bleiben kann. Aber morgen geht der Flieger nach China. Und auch das will mit nicht zu unterschätzender Kreativität gut vorbereitet sein.
Also lassen Sie uns bei nächster Gelegenheit im Gespräch bleiben. Wir können viel voneinander lernen.
Schönen Dank!
Es gilt das gesprochene Wort.