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10.11.2011

Rede zur Verleihung des Darboven IDEE-Förderpreises

 

Sehr geehrter Herr Darboven,

sehr geehrter Herr Dr. Voscherau,

sehr geehrte Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,

sehr geehrte Abgeordnete,

sehr geehrter Herr Doyen,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

Mit gutem Beispiel voranzugehen, ist nicht nur der beste Weg, andere zu beeinflussen, es ist der einzige.

 

Dieses Zitat stammt von Albert Schweitzer, und er wusste, wovon er sprach: Der Theologe und Missions-Arzt war in vielerlei Hinsicht vorangegangen. Unter anderem hatte er ein Jahr vor Ausbruch des ersten Weltkriegs in Westafrika ein Krankenhaus gegründet. Also in einer Zeit, in der Europa vor allem mit sich selbst beschäftigt war und nicht mit den Problemen der Einwohner in den Kolonialgebieten.

 

Albert Schweizer wurde dafür sehr viel Ehre zuteil. Und ehren muss man die, die vorangehen. Denn es gehört Mut dazu, neue Wege zu gehen. Es ist einsam auf unausgetretenen Pfaden. Man wird von Ferne argwöhnisch beobachtet. Nicht selten freuen sich andere, wenn man strauchelt. Wer fällt, braucht Kraft, um wieder aufzustehen.

 

Wir freuen uns heute am Erfolg. Am Erfolg einer Existenzgründerin, die vorangegangen ist und anderen Frauen Vorbild sein kann. Sie wollen wir heute ehren. Zwar nicht mit dem Friedensnobelpreis, wie ihn Albert Schweizer einst bekam. Wohl aber mit einem sehr attraktiven deutschen Unternehmerpreis: dem zehnten Darboven-IDEE-Förderpreis.

Dieser Preis ist mit 75.000 Euro dotiert. Er soll Existenzgründerinnen eine finanzielle Grundlage verschaffen, um ihr neu gegründetes Unternehmen langfristig am Markt zu positionieren. Dafür gilt Herrn Darboven mein besonderer Dank!

 

Dieses Geld ist gut angelegt. Denn Studien und Befragungen zeigen immer wieder: Existenzgründerinnen haben häufig zu wenig Startkapital und zu wenig Sicherheiten. Sie machen sich oft nebenher selbstständig: Im Nebenberuf oder parallel zu einem Teilzeitjob. Und: Viele müssen mit der Doppelbelastung von Beruf und Familie zurechtkommen. Das macht es schwer, voranzugehen; anderen Frauen ein Vorbild zu sein.

 

Doch Hamburg hat ein gutes Existenzgründungsklima. Wer sich in Hamburg selbstständig machen will, für die oder den gibt es viele Beratungs- und Seminarangebote. Diese richten sich nach dem Bedarf der Gründungsinteressierten. Und sie hören mit der Existenzgründung nicht auf. Auch danach begleitet Hamburg kleine und mittlere Unternehmen mit gezielt ausgewählten Programmen. Erste Anlaufstelle im umfangreichen Hamburger Gründungsnetzwerk ist hierfür die H.E.I.: Die Hamburger ExistenzgründerInitiative. Allein im vergangenen Jahr wurden dort 10.000 telefonische Anfragen oder E-Mails von Interessierten bearbeitet und 860 persönliche Beratungsgespräche geführt.

 

Die H.E.I. bietet auch ein sehr beliebtes Coaching-Programm. Es heißt Selbständigkeit kann man lernen. Hier wird fachlich versierten Gründungswilligen das noch fehlende betriebswirtschaftliche Know-how vermittelt. Hamburg bezuschusst das Programm mit 500 Euro je Gründerin oder Gründer. Und allein vergangenes Jahr waren das 1.000.

 

Darüber hinaus haben wir seit März in Hamburg ein Gründerzentrum speziell für Frauen: Das Interkulturelle Frauenwirtschaftszentrum für Unternehmerinnen. Hier können Sie in der Gründungsphase günstige Büros mieten, Gleichgesinnte treffen, und Kitaplätze gibt es auch. Das Projekt entstand auf Initiative der ehemaligen Behörde für Wirtschaft und Arbeit und wird von Unternehmer ohne Grenzen e.V. in Zusammenarbeit mit der steg Hamburg umgesetzt.

 

Eine umfassende Beratung ist gut und wichtig. Denn es kommt nicht nur auf einen guten Start an. Selbstständigkeit ist ein Marathon. Und dafür das kann ich Ihnen als passionierter Läufer bestätigen braucht man einen langen Atem. Es gibt auch Phasen, in denen es nicht so läuft. Dann ist es gut, wenn einen andere anfeuern und Tipps geben. Plötzlich werden ungeahnte Kräfte frei.

 

Hamburg profitiert davon, Unternehmensgründer zu unterstützen, vor allem weibliche. Es zeigt sich immer wieder: Wenn Frauen sich selbstständig machen, sind sie langfristig erfolgreicher als Männer. Sie planen ihren Einstieg sorgfältiger und sind aufgeschlossener für Beratung. Früher hätte man vielleicht gesagt: Sie sind ängstlicher. Haben weniger Mut als Männer. Ich sage heute: Sie sind verantwortungsbewusster. Sie überlegen  genau, welche Risiken sie eingehen wollen und welche nicht.

 

Das sind die Eigenschaften, die es in der Wirtschaft braucht, um wettbewerbsfähig zu sein. Wer vorangeht, unausgetretene Pfade betritt, sollte nicht sprinten. Dabei könnte er oder sie zu viele Steine übersehen, die noch aus dem Weg geräumt werden müssen.

 

Deshalb lohnt es sich, weibliche Existenzgründer ganz gezielt anzusprechen und ihnen zu helfen, eigene Netzwerke zu knüpfen: So wie das Hamburger FrauenNetzwerkForum oder die regionale Ansprechstelle der bga bundesweite gründerinnenagentur in Hamburg. Beide fördern den Dialog zwischen Gründerinnen und Unternehmerinnen. Sie bieten Foren, um Erfahrungen auszutauschen und Geschäftskontakte zu knüpfen.

 

Insgesamt machen sich in Hamburg deutlich mehr Unternehmerinnen und Unternehmer selbstständig als im Bundesdurchschnitt. Das hat auch mit den guten Kontakten zwischen Hamburger Gründungsnetzwerk, Banken, Handelskammer, Handwerkskammer und anderen zu tun. Der Anteil der Frauen nimmt zu. Aber er ist immer noch zu niedrig.

 

Noch immer wagen deutlich weniger Frauen als Männer den Schritt in die Selbstständigkeit. Vergangenes Jahr wurde rund ein Drittel der in Hamburg gegründeten Kleinbetriebe im Haupterwerb von Frauen gegründet. Im Nebenerwerb waren es 40 Prozent. Damit bleiben Vollerwerbsgründungen weiterhin eine hauptsächlich männliche Domäne.

 

Das muss sich ändern. Und hier ist die Politik gefragt. Auf Dauer können und wollen wir es uns nicht leisten, dass die Bevölkerungshälfte mit den bessern Schulnoten und den besseren Abschlüssen über Jahre nicht der Wirtschaft zur Verfügung steht. Auch sie sollten ihr volles Potenzial entfalten.

 

Meiner Ansicht nach ist es Aufgabe der Politik, Frauen auf dem Weg in die Selbstständigkeit zu helfen. Ihnen Steine aus dem Weg zu räumen. Sie finanziell zu unterstützen. So wie wir es in Hamburg tun.

 

Politik ist dazu da, den status quo zu verändern, nicht zu zementieren. Politik sollte neue Wege ermöglichen, statt bereits bestehende zur Autobahn auszubauen. Deshalb kann ich Sozialsenator Scheele nur beipflichten, wenn er das von der Bundesregierung geplante Betreuungsgeld für unter Dreijährige als familienpolitischen Irrweg bezeichnet.  Wir sollten Frauen und Männer darin unterstützen, sich auch nach der Geburt von Kindern beruflich und damit persönlich weiterzuentwickeln.

 

Unsere Wirtschaft braucht alle Guten, gerade bei den Selbstständigen, gerade an der Spitze. Sie erwarten zu Recht von der Politik, dass sie für gleiche Chancen von Männern und Frauen sorgt, sich an die Spitze zu setzen oder an die Spitze zu gelangen. Und damit sind wir bei der Frauenquote für die Aufsichtsräte großer, also börsennotierter Unternehmen. Auch hier gilt es nach meiner Auffassung, neue Wege zu gehen und nicht alte zu betonieren.

Die Frauenquote wirkt. Sie hat in Norwegen gewirkt. Sie wirkt in Frankreich. Sie wirkt in Spanien, Italien, Österreich, Belgien, Island und den Niederlanden. Und sie wird auch in Deutschland wirken.

 

Und wenn sie gewirkt hat, werden wir vermutlich vergessen, dass es sie je gab. Dann können wir sie von mir aus auch wieder abschaffen. Denn dann ist der Pool qualifizierter Frauen so groß, dass wir uns fragen, wie früher jemand ernsthaft behaupten konnte, es gäbe nicht genug geeignete Frauen für Führungspositionen.

 

Manchmal braucht es eben eine gesetzliche Initialzündung, um gesellschaftliche Veränderungsprozesse in Gang zu bringen. Viele europäische Länder machen es uns vor. Ich finde, Deutschland sollte sich seiner Vorreiterrolle erinnern, die es in Sachen Gleichberechtigung über Jahrzehnte hatte.


Dass sich gute Teams aus Frauen und Männern zusammenstellen lassen, zeigt nicht zuletzt die Zusammensetzung des Senats, dem neben dem Bürgermeister fünf weibliche und fünf männliche Senatoren angehören.

Dieser Senat hat zu Beginn der Legislaturperiode die Gleichstellung von Männern und Frauen zu einem gesellschaftlichen Reformprojekt gemacht. Dazu gehört auch, mutige Existenzgründerinnen zu ehren und ihr Beispiel bekannt zu machen.

 

Ich freue mich, dass heute wieder eine erfolgreiche Gründerin mit dem IDEE-Förderpreis ausgezeichnet wird, deren Werdegang weitere Gründungsinteressierte zum Schritt in die Selbstständigkeit ermutigen sollte.  Meine Glückwünsche gehen auch an die anderen vier Finalistinnen. Ihre Firmenpräsentationen haben es der Jury schwer gemacht, eine Entscheidung zu treffen.

 

Allen mutigen und engagierten Gründerinnen wünsche ich weiterhin alles Gute für ihre Selbstständigkeit und viel Erfolg bei der Etablierung ihres Unternehmens am Markt. Machen Sie es wie Albert Schweitzer. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Beeinflussen Sie andere Frauen. Auch Ihre eigenen Töchter. Werden Sie Vorbild und leben Sie vor, wie befriedigend es ist, ein eigenes Unternehmen zu führen. Es muss ja nicht gleich ein Krankenhaus in Westafrika sein.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.