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08.12.2011

Grußwort beim Reeder-Essen des VDR

 

Sehr geehrter Herr Behrendt,

meine sehr geehrten Damen und Herren,


wer in diesen unruhigen Zeiten über Ökonomie spricht und wissen will, wie es gerade um die globale Wirtschaft steht, der muss die Nachrichtenagenturen im Auge behalten oder er spricht mit den Reedern. Ihre Branche ist so etwas wie ein Seismograph der Weltwirtschaft.


Denn in den Handelsströmen erkennen wir, wie weit die Finanzkrise die Realwirtschaft erreicht hat. Dazu braucht man keine langen Excel-Tabellen dazu reicht manchmal auch ein Blick vom Ufer der Elbe. Wie viele Schiffe den Strom hinauf oder hinunter schippern, wie sie beladen sind und wie hoch die Container sich in Altenwerder stapeln, das allein macht schon deutlich, wie gut oder wie schlecht es uns geht oder gehen wird.


Hamburg geht es gut. Die Umschlagunternehmen des Hafens melden ordentliche Umsätze. Unternehmer, Arbeitnehmer, wir alle arbeiten jeden Tag daran, dass das so bleibt.

 

Gemeinsam wünschen und erwarten wir, dass auch andere an anderer Stelle ihre Arbeit tun, die nötig ist, um Deutschland auf Kurs zu halten. Man muss einen Kompass haben. Aber man muss auch die Seekarten lesen und navigieren können. Und man muss in gutem Kontakt bleiben mit den anderen Schiffen draußen auf See.

 

Das Maritime Bündnis wird von diesem Geist der guten Kooperation getragen. Die Partner des Bündnisses sind der VDR, die Gewerkschaft ver.di und die Küstenländer. Sie haben sich im Vorfeld und im Nachgang der Siebten Nationalen Maritimen Konferenz Ende Mai in Wilhelmshaven zusammen für eine Wiederaufstockung der Förderung der Seeschifffahrt durch den Bund eingesetzt. Ich selbst konnte diese Bemühungen durch Austausch mit der Bundeskanzlerin flankieren.


Es ist der konstruktiven Zusammenarbeit der Tarifpartner und ihrem großen Engagement zu verdanken, dass dieses Ziel erreicht wurde. Dabei will ich vor allem den Abgeordneten des Bundestages im Haushaltsausschuss meinen Dank für ihren Einsatz aussprechen. Sie haben erreicht, dass das Fördervolumen des Bundes wieder aufgestockt wird. Das war das richtige Signal für die deutsche Seeschifffahrt.

 

Der Tag heute hat ein weiteres wichtiges Zeichen gesetzt. Die Mitgliederversammlung des VDR hat  den Vorschlag des Präsidiums und des Verwaltungsrates gebilligt, einen Eigenbeitrag von mindestens 30 Millionen Euro zusätzlich zur Seeschifffahrtsförderung des Bundes aufzubringen.


Ich danke allen Beteiligten für dieses wegweisende Votum für die deutsche Seeschifffahrt. Sie sichern damit ein Stück Zukunft. Mir ist bewusst, dass die Entscheidung vielen von Ihnen in Anbetracht der Krise nicht leicht gefallen ist. Umso mehr schätze ich Ihre Bereitschaft, Ausbildung und Beschäftigung in der Seeschifffahrt gerade jetzt nachhaltig zu unterstützen.

An dem, was auf den Schiffen transportiert wird, hängen auch viele Arbeitsplätze und Existenzen am Ufer. Ausbildung und Beschäftigung in der Seeschifffahrt, das sind hoch qualifizierte Arbeitsplätze sowohl auf See als auch an Land.  Das Maritime Bündnis ist vor knapp zehn Jahren dafür angetreten, die entsprechenden Rahmenbedingungen für eine Stärkung des Schifffahrtsstandortes zu schaffen. Gemeinsam ist uns dies gelungen. 

 

Herr Behrendt hat es gesagt: Die von der Bundesregierung vorgenommene Kürzung der Zuschüsse zu den Lohnnebenkosten hat die Branche und das Maritime Bündnis schwer erschüttert. Nun besteht die Chance, die Förderung der Seeschifffahrt zielgerichteter auszugestalten. Im Zentrum sollte die Ausbildung und Qualifizierung der seemännischen Nachwuchskräfte stehen. Nur so gelingt es, das für das gesamte maritime Cluster so wichtige Know-how nachhaltig zu sichern. Die Tarifparteien haben diese Herausforderung angenommen, und wir Küstenländer unterstützen diesen Prozess gerne.

 

Zentraler Bestandteil des Maritimen Bündnisses und essentielle Voraussetzung für den deutschen Schifffahrtsstandort ist die Tonnagesteuer. Insofern sind wir der Bundesregierung und insbesondere Frau Dr. Merkel, dankbar, dass sie ein klares Bekenntnis für die Beibehaltung der Tonnagesteuer abgegeben haben.


Die wird oft als erste europäische Steuer tituliert, denn sie basiert auf den europäischen Leitlinien für staatliche Beihilfen im Seeverkehr. Diese Leitlinien fordern auch eine bestimmte Anzahl von Schiffen unter europäischer Flagge für die Gewährung der Tonnagesteuer. Diese Vorgabe gilt es, bei der Überprüfung durch Brüssel zu erfüllen.


Unsere europäischen Partner nutzen aber die Spielräume, die die Leitlinien lassen, zum Teil wesentlich stärker als die Bundesregierung. Wettbewerbsnachteile sind die Folge. Deshalb unterstütze ich die Forderung, die Praxis in Europa zu harmonisieren.

 


Sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich will auf ein weiteres Großthema eingehen, das viele von Ihnen derzeit bewegt: die aktuellen Probleme der Schiffsfinanzierung sowohl auf der Eigenkapital- als auch auf der Fremdkapitalseite.

 

Nach der schweren Schifffahrtskrise im Jahr 2009 und nur kurzer Erholung im Jahr 2010 sind die Fracht- und Charterraten seit Mai diesen Jahres wieder im Abwärtstrend. Die zentralen Gründe sind Ihnen allen bestens bekannt: der ruinöse Wettbewerb der großen Linienreedereien um Marktanteile und der deutliche Überhang an Tonnage. In der Folge erwirtschaften viele Schiffe weder Kapitaldienst noch Tilgung und dieses oft nach mehreren Jahren der Restrukturierung, so dass Rücklagen kaum noch vorhanden sind.

 

Die Banken haben in den vergangenen Jahren viele Restrukturierungen ermöglicht. Auch hier sind die Handlungspotentiale infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise sowie rechtlicher Vorgaben enger geworden. Die Vergabe von Finanzierungen erfolgt restriktiver. Gleichzeitig ist das KG-Modell als klassisches Vehikel zum Aufbringen des Eigenkapitals mehr oder weniger zum Erliegen gekommen.

 

Die Aussichten, die auf dem Hansa-Forum zur Schiffsfinanzierung vor drei Wochen aufgezeigt wurden, deuten auf schwierige Bedingungen in den kommenden zwei Jahren hin. Von Strukturwandel und Konsolidierung wurde gesprochen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass der Wille besteht, weiterhin konstruktiv und engagiert zusammenzuarbeiten. In diesem Sinne möchte ich an Sie appellieren, mit Mut und Kreativität zur Zukunftssicherung des hiesigen Standortes beizutragen. Unser Land ist durch gute Ideen und Kooperation groß geworden. Es gibt auch jetzt keinen anderen Weg, wenn wir groß bleiben wollen.

 

Hamburg ist European Green Capital 2011 und ich möchte das Thema der umweltfreundlicheren und energieeffizienten Schifffahrt nennen. Auch in wirtschaftlich schwerer Zeit ist in den kommenden Jahren zu erwarten, dass die Schifffahrt einen verstärkten Beitrag zum Umweltschutz leisten muss. Im verschärften Wettbewerb um Ladung sowie bei wachsendem Kostendruck können aber gerade Energieeffizienz und Umweltorientierung wichtige Wettbewerbsvorteile bieten.  

 

Im April haben wir zusammen mit Ihnen und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sowie mit Unterstützung des VDMA und des VSM ein Forum veranstaltet, auf dem vor allem die Finanzierungsmöglichkeiten der KfW für energieeffiziente und umweltschonende Maßnahmen der Schifffahrt erläutert wurden. Ich rege an, dass wir gemeinsam diesen Weg weiter beschreiten, auch im Hinblick auf die Möglichkeiten zur Einhaltung der Schwefelgrenzwerte in den SECAs von Nord- und Ostsee, die ab 2015 gelten.     


In Hamburg geht ein hoher Anteil der Luftemissionen von Schiffen im Hafen aus. Die Begrenzung des Schwefelgehalts im Treibstoff während der Liegezeiten im Hafen hat schon einen wichtigen Beitrag geleistet. Lokal haben wir aber weiterhin das Problem der Stickoxidemissionen.

 

Diskutiert wird darüber, die Schiffsemissionen im Hafen durch Landstrom zu reduzieren. Der Senat ist im vergangenen Monat von der Bürgerschaft ersucht worden, bis Ende April 2012 das Thema anzufassen und dabei auch andere denkbare Maßnahmen wie die Nutzung von LNG (liquefied natural gas) oder Brennstoffzellen zu betrachten. Ich unterstütze den Ansatz, die Nutzung von alternativen Energieträgern im Hafen nicht eindimensional zu betrachten. Auch das wird uns einen Innovationsvorsprung bringen.

 

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

Hamburg ist ein guter Hafen. Er ist so gut geworden, weil er immer besser werden will. Wir nutzen seine Wachstumspotenziale. Nach Durchschreiten der Talsohle im Krisenjahr 2009 geht es seit längerem wieder aufwärts. In Hamburg wurden in der ersten Jahreshälfte 64,1 Millionen Tonnen Seegüter umgeschlagen.

 

Deutschlands größter Universalhafen hat in den ersten drei Quartalen 2011 vor allem von einer erstarkten Weltkonjunktur profitiert.

 

Das Plus im gesamten Seegüterumschlag ist mit elf Prozent überaus kräftig.

Der Stückgutumschlag fiel mit 69 Millionen Tonnen und einem Wachstum von 14,7 Prozent von Januar bis September noch kräftiger aus.

Und der Containerumschlag kletterte in diesem Zeitraum sogar um 15,4 Prozent auf rund 6,8 Millionen TEU-Standardcontainer.

 

Für den Gesamtumschlag in 2011 wird insgesamt mit einem Zuwachs zwischen acht und zehn Prozent gerechnet. Das Hauptwachstum erzielten in den ersten sechs Monaten dieses Jahres die Containerverkehre mit Russland, Polen und den Baltischen Staaten. Sie stiegen um mehr als 50 Prozent an, auf gut eine halbe Million TEU. Beachtliche Zahlen!


Und es muss jeden in Hamburg freuen, dass unser Hafen in der ersten Jahreshälfte bereits zwei zusätzliche Transatlantik-Dienste gewinnen konnte. Ein dritter Nordamerika-Dienst ist Anfang August hinzu gekommen.

 

Nicht nur die Reeder haben ein starkes Interesse, dass ihre Schiffe zum Liegeplatz kommen die ganze Stadt hat es, denn der Hafen ist unser Kraftzentrum. Deshalb verfolgt der Senat mit großem Einsatz das Ziel, die Fahrrinne der Elbe den modernen Anforderungen anzupassen. Wir machen unsere Hausaufgaben.

 

Ich weiß, dass weiterhin viel Überzeugungsarbeit nötig ist hier in der Region, aber ich bin davon überzeugt, dass wir Erfolg haben werden, weil niemand bereit ist, die wirtschaftlichen Folgen einer Unterlassung zu verantworten. Und die Verlagerung von Güter-Transporten auf den Wasserweg ist ja auch ein großes Stück Umweltschutz das sage ich gerade denjenigen, die den Umweltschutz besonders hoch halten.

 

Seit einiger Zeit waren in der Presse erste positive Signale aus Brüssel zu vernehmen und vorgestern kam denn auch eine positive Stellungnahme der EU-Kommission.

 

Ich weiß, wie wichtig die Elbvertiefung gerade für Sie als Reeder ist. Damit die neue Generation von Containerschiffen ungehindert den Hafen anlaufen kann, ist sie unverzichtbar. Daher steht der Senat dafür, dass sie kommt. Und ich freue mich über jeden, im gesamten Norden und auch in Berlin und Brüssel, der den Senat auf diesem Weg unterstützt.

 

Das gilt auch für den Bau der Hafenquerspange und der so genannten Y-Trasse der Bahn im Süden der Stadt, für die Ertüchtigung des Eisenbahnknotens. Denn wir wollen weiter die logistische Leistungsfähigkeit im Hafen und im Hinterland steigern. Dazu gehören auch alle Maßnahmen, die im transeuropäischen Kern- und Gesamtnetz projektiert sind, von der Anbindung Südskandinaviens und Osteuropas bis zum Ausbau der Elbe Richtung Prag.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

der Senat verabschiedet etwa alle fünf Jahre einen Hafenentwicklungsplan. In ihm werden die Grundlinien für die strategische Ausrichtung und die Entwicklung des Hafens in den jeweils kommenden Jahren aufgezeigt, denn wir wollen gestalten und nicht verwalten. Zu Beginn meiner Amtszeit war Senator Horch und mir sofort klar, dass es ungemein wichtig ist, mit allen Beteiligten des Hafens in einen Dialog zu treten. Das dient der Zukunft des Hafens am meisten.

 

Wir haben daher einen umfangreichen Dialogprozess zur Hafenentwicklung mit den Verbänden der Hafenwirtschaft, mit den Arbeitnehmern und den Umweltverbänden in Gang gesetzt. Der VDR hat sich daran natürlich auch beteiligt. Ich danke Ihnen für Ihr Engagement, denn Ihr Know-how wird benötigt. Mir wurde mitgeteilt, dass die Gespräche ergiebig und trotz unterschiedlicher Interessen sachorientiert waren. Wir wollen daher diesen Austausch mit den Akteuren des Hafens fortsetzen. Auch hier zeigt sich: Kooperation gibt Kraft.

 

So ist es auch gelungen, zu den Themen Hafenstrategie, Umschlagskapazitäten, Flächenstrategie und Verkehrsplanung nicht nur Forderungen aufzustellen, sondern Prioritäten zu offenbaren und Lösungsvorschläge zu entwickeln. Und es wurde dabei klar, dass das Thema Verkehrsinfrastruktur eine besonders hohe Bedeutung hat. Mit der Optimierung und dem Ausbau der Verkehrswege und Transportketten steht und fällt der Erfolg des Hafens.


Die Erkenntnisse aus dem Dialog werden bei der Neuerarbeitung des Hafenentwicklungsplans berücksichtigt. Die Arbeiten laufen mit Hochdruck und befinden sich im Zeitplan.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

wir in Hamburg sind fast immer pragmatisch an die Dinge heran gegangen. So sind wir auch weniger als andere dem modischen Trend gefolgt, dass vorwiegend den immateriellen Geschäften die Zukunft gehöre. Wir hier schätzen das, was mit der Hände Arbeit aufgebaut wird, in der Industrie, im Gewerbe, in der Dienstleistungsbranche. Und wir versuchen, den Unternehmen und ihren Arbeitnehmern beste Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten. So haben wir gemeinsam unseren Hafen stark gemacht, so haben wir auch gemeinsam unseren Beitrag zur Rettung von Hapag-Lloyd geleistet. Bei diesem Rettungseinsatz in einer Existenzkrise haben wir viel gelernt über Ihre Branche. Und wir im Rathaus sind unter Einsatz von ziemlich viel Geld nun sogar auch selbst ein wenig zu Reedern geworden.

 

Das war sicher ungewöhnlich, aber nötig. Und Ihnen hier kann das ja auf jeden Fall die Gewissheit geben: In Hamburg weiß man, wovon man spricht. Wir wissen, worauf es ankommt.


Auch deshalb werden wir gerne unseren Teil dazu beitragen, damit die deutsche Seeschifffahrt in diesen stürmischen Zeiten heil und mit viel Fracht an ihr Ziel kommt.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.