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06.10.2015

Grußwort: Jahrestagung des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks

Grußwort: Jahrestagung des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks

 

Sehr geehrter Herr Becker,
sehr geehrter Herr Wollseifer,
sehr geehrter Herr Körner,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

In Vielfalt geeint lautet das europäische Motto. In Vielfalt geeint trifft es auch, wofür der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks seit seiner Gründung im Jahr 1948 steht. Sie vertreten die Interessen eines unverzichtbaren Handwerks auf lokaler, regionaler und auf Bundesebene. Auch gegenüber den europäischen Institutionen geben Sie Ihren Mitgliedsbetrieben gemeinsam mit den Landesinnungsverbänden und Bäckerinnungen eine Stimme, die Gewicht hat.


In Vielfalt geeint das sind wir in Deutschland in der Tat, wenn es um unser tägliches Brot geht. Ob Jung oder Alt, Frau oder Mann, hier im Norden und auch sonst überall in Deutschland: Wir können nicht ohne. Wir genießen es morgens, abends und auch zwischendurch. Unabhängig von Lebensstilen, Weltanschauungen oder Ernährungsgewohnheiten. Wenn es um deutsches Brot geht, greift jeder gerne zu. Etwa 59 Kilogramm Brot und Backwaren hat jeder Haushalt in Deutschland im vergangenen Jahr verzehrt.

Wie viele eigenständige Brotsorten es in Deutschland gibt, darüber durfte man bisher nur spekulieren. Es sind sicher über 300. Wie viele genau, das wird derzeit vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesakademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim geprüft. Über die Anzahl der Brotspezialitäten wissen wir da schon mehr. Dafür sorgt das deutsche Brotregister, das erste Archiv seiner Art. Damit hat der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks ein wichtiges Instrument zur Dokumentation und auch zum Erhalt der über Jahrhunderte entstandenen deutschen Brotkultur geschaffen. Hier können Handwerksbäcker, die Mitglied einer Innung sind, online ihre Brotschöpfungen eintragen. Es sind bereits weit über 3.000 Spezialitäten. Diese Vielfalt darf man sich gerne mal auf der Zunge zergehen lassen.

Vom deutschen Brotregister werden wir mit ein bisschen Daumendrücken in besonderer Weise profitieren. Denn die Zahlen schaffen ein solides Fundament für eine wichtige deutsche Bewerbung, die derzeit der UNESCO vorliegt. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks setzt sich seit zwei Jahren dafür ein, dass das deutsche Brot als immaterielles Kulturerbe anerkannt wird. Eine grundlegende Voraussetzung ist zweifellos erfüllt, nämlich die Vielfalt der lebendigen kulturellen Ausdrucksformen, die unmittelbar von menschlichem Können getragen werden. Ich denke, in dieser Hinsicht kann sich das deutsche Backhandwerk selbstbewusst aufstellen neben anderen bereits anerkannten immateriellen Kulturgütern, wie der Mittelmeerküche oder der türkischen Kaffeekultur.

Wenn es darum geht, die Leistungen der deutschen Bäcker gebührend zu würdigen und ihre Interessen zu vertreten, dann kommt man an einem Namen nicht vorbei. Peter Becker.

Sie, lieber Herr Becker, waren über viele Jahre ein überaus engagierter und kompetenter Botschafter des deutschen Bäckerhandwerks.

Es würde den Rahmen hier sprengen, Ihre Erfolge an der Spitze des Gesamtverbandes im Einzelnen zu würdigen. Doch wir sind heute in Hamburg und Sie sind nun einmal ein Hamburger Jung. Deshalb sei an dieser Stelle erwähnt und unterstrichen, dass Sie sich für das Hamburger Bäckerhandwerk und als langjähriger Präsident der Handwerkskammer Hamburg für das gesamte Handwerk in unserer Stadt in hohem Maße verdient gemacht haben.

Ich bin Ihrer Einladung zu diesem Verbandstag gerne gefolgt, weil ich weiß, welche Bedeutung er für Sie und für den Gesamtverband hat. Nach 15 Jahren geben Sie Ihr Präsidentenamt ab. Im Namen der Stadt Hamburg danke ich Ihnen herzlich für die langjährige Zusammenarbeit.

Meine Damen und Herren,
das deutsche Bäckerhandwerk backt keine kleinen Brötchen. Mit 12.611 Meisterbetrieben und etwa 277.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zählt es zu den wichtigsten Wirtschaftsfaktoren Deutschlands. Im Jahr 2014 stieg der Jahresumsatz auf 13,52 Milliarden Euro das entspricht mehr als einer Million pro Betrieb. Zusätzlich zur eigenen Wertschöpfung unterstützen die Verbandsmitglieder den Wirtschaftsstandort Deutschland auch durch ihre Investitionen. Rund 500 Millionen Euro investieren die Betriebe Jahr für Jahr in Fuhrpark und Einrichtung.

Backen hat in Deutschland eine jahrhundertelange Tradition. Diese Flamme wird am Leben gehalten, indem das Wissen und auch die Begeisterung für den Beruf von Generation zu Generation weitergegeben werden. Die Zukunft des Handwerks hängt ganz wesentlich davon ab, ob genügend Nachwuchs gewonnen werden kann.


Es ist kein Geheimnis, dass der demografische Wandel auch vor Ihrer Branche nicht Halt macht. Die Ausbildungsstatistik des Deutschen Handwerkskammertages wies 2014 erneut einen Rückgang der Auszubildendenzahlen aus. Insgesamt sank die Zahl um gut 11 Prozent. Dennoch entscheidet sich immer noch eine ansehnliche Zahl junger Menschen für den Beruf. Derzeit absolvieren 20.540 Auszubildende ihre Ausbildung zur Bäckerin oder zum Bäcker beziehungsweise im Bäckereifachverkauf.

Neben akademisch Gebildeten brauchen wir dringend auch die beruflich Gebildeten. Dennoch hat das deutsche Handwerk einen schweren Stand: 2014 haben erstmals mehr Jugendliche ein Studium begonnen als eine Berufsausbildung. Das gab es noch nie. Die Facharbeiterinnen und Facharbeiter werden uns in wenigen Jahren überall in der Wirtschaft fehlen.

Meine Damen und Herren,
die vielen jungen Flüchtlinge, die derzeit nach Deutschland kommen, könnten ein Teil der Lösung sein. Der Bundesrat hat umfangreiche Änderungen im Aufenthaltsgesetz gebilligt und so auch für die Ausbildungsbetriebe Planungssicherheit geschaffen. Darin wird unter anderem klargestellt, dass jugendliche Flüchtlinge unter 21 Jahren, die einen Ausbildungsplatz haben, für die Dauer der Lehre eine Duldung erhalten können. Diese wird jeweils für ein Jahr erteilt und dann verlängert.


Darüber hinaus ist es natürlich auch unerlässlich, bereits an allen Schulen eine intensive Berufsorientierung anzubieten und dabei Werbung für unser deutsches Erfolgsmodell, die duale Ausbildung zu machen. Berufliche Karrieren bauen auf der dualen Ausbildung auf.  


Das können Sie, Herr Becker, auch aus eigener Erfahrung bestätigen: Nach Ihrer Bäckerlehre haben Sie Ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre abgeschlossen, dazu die Meisterprüfung abgelegt und eine Hamburger Traditionsbäckerei mit zahlreichen Filialen und einigen Dutzend [65] Beschäftigten aufgebaut.

Handwerk hat goldenen Boden. Das gilt heute mehr denn je. Wer eine handwerkliche Ausbildung hat, muss sich in Deutschland schon sehr anstrengen, um arbeitslos zu werden. Mit 7,4 Prozent hat Deutschland die mit Abstand niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union. Facharbeiterinnen und Facharbeiter sind dank moderner Ausbildung für die Zukunft gerüstet und werden gesucht. Meisterinnen und Meister kennen praktisch gar keine Arbeitslosigkeit. Auch für das Backhandwerk gilt: Insbesondere für den nicht-akademischen Nachwuchs ist das Handwerk der Weg zu wirtschaftlichem Wohlstand und gesellschaftlichem Ansehen.

Die Kompetenz des Handwerks gilt es auch in Zukunft mit Brief und Siegel zu schützen. Der Meisterbrief muss auch in Zukunft als Gütesiegel für qualifizierte Handwerker in Deutschland bestehen bleiben. Den Meisterbrief aufzuweichen, ein Vorstoß der EU-Kommission, wäre schlichtweg falsch. Richtig ist dagegen, dass der Meistertitel im Deutschen Qualifikationsrahmen DQR seit Mai 2013 auf Niveau 6 eingestuft ist. Also auf dem gleichen Niveau wie zum Beispiel der akademische Grad Bachelor. Damit wird der Meisterbrief zu Recht aufgewertet und auf der Waagschale der beruflichen Kompetenzen ins Gleichgewicht gebracht.

Meine Damen und Herren,
Brot ist für uns hierzulande etwas Alltägliches geworden. Etwas, dessen Wert wir erst erkennen, wenn es uns fehlt. Wir alle kennen diesen Heißhunger auf ein schönes Vollkornbrot, der sich gerade dann einstellt, wenn man nicht in Deutschland ist. Viel existenzieller war das Gefühl, das Robinson Crusoe erlebte. Er strandete auf einer einsamen Insel, die er erst nach 28 Jahren wieder verlassen sollte. Dort war er ganz auf sich allein gestellt, und hatte anfänglich weder die Werkzeuge noch das Wissen, um halbwegs menschenwürdig zu leben. Als zufällig einige mitgebrachte Gerstenkörner keimen, keimt auch die Hoffnung in ihm auf.

Sicher denken nur wenige Menschen je darüber nach, wie viele Dinge notwendig sind, damit sie jeden Tag ihr täglich Brot essen können, legt der Schriftsteller Daniel Defoe ihm in den Mund. Ich hatte keinen Pflug gehabt, um die Erde aufzuackern. […] Als das Korn reifte, hatte ich keine Geräte, um es zu dreschen, von der Spreu zu sondern und es aufzubewahren. Auch eine Mühle zum Mahlen des Kornes fehlte mir, Siebe, um es zu reinigen, Hefe und Salz, um den Sauerteig zu bereiten, und endlich ein Backofen, um den Teig zu backen.


Er schaffte es dennoch, auch wenn es insgesamt etwa vier Jahre dauerte. Vielleicht hat sein unerschütterlicher Wille zum Erfolg ja auch etwas damit zu tun, dass er in der Fantasie des Autors deutsche Vorfahren hatte: Robinson Crusoe stammte von der Kaufmannsfamilie Kreutzner aus Bremen ab. Jedenfalls notiert er schließlich: Ich war jeden Tag von Neuem dankbar, wenn ich ein Stück Brot aß, denn es erschien mir noch immer wie ein Wunder, dass aus wenigen Körnern ganze Felder Getreide gewachsen waren.


In diesem Sinne: Vielen Dank und dem Deutschen Bäckerhandwerk weiter viel Erfolg.

Vielen Dank!

 

Es gilt das gesprochene Wort.