Sehr geehrter Herr Büchner,
sehr geehrter Herr Saffe,
sehr geehrte Frau Borchert,
sehr geehrter Herr Schmolz,
sehr geehrter Herr Dr. Schäuble,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
vor zwei Jahren hat das Hans Bredow-Institut die Bundesbürger nach den wichtigsten Informationsquellen zur Meinungsbildung über politische Themen befragt. Die Tagesschau kam solide auf den ersten Platz und Google auf den zweiten.
Bei den 14- bis 29-Jährigen aber stand ein anderes Medium auf dem zweiten Platz. Und auch im Gesamtklassement erreichte es immerhin noch einen beachtlichen achten Platz: Ich rede von Spiegel Online!
Diese Zahlen zeigen, dass Spiegel Online heute ein gleichermaßen junges wie etabliertes Medium ist. Ein Medium, das zeigt, dass es sich lohnen kann, allen Unkenrufen zum Trotz ein so genannter First Mover zu sein.
20 Jahre das ist schon in der realen Welt eine bemerkenswerte Zeitspanne. Im Internet ist es wahrlich eine Ewigkeit.
Spiegel Online entstand in einer Republik, die sich drastisch vom heutigen Deutschland unterschied: Im Oktober 1994 verhandelten Union und FDP über die Fortsetzung der schwarzgelben Kohl-Koalition. Die Finnen und Schweden entschieden sich gerade für den Beitritt zur EU. Den britischen Boulevard bewegten die Enthüllungen einer Romanze von Prinzessin Diana mit ihrem früheren Reitlehrer. Und es war das Jahr, in dem Kurt Cobain starb.
Gleichzeitig veränderten neue Technologien die Kommunikation: Handys schrumpften auf handhabbare Größe, wurden also im eigentlichen Sinn handy. Die ersten wählten sich von Zuhause per Modem ins Internet ein. Praktikable Suchmaschinen gab es noch nicht. Es war die Kreidezeit des Internet.
Spiegel Online ist also seit einer Ewigkeit am Markt, und das hat mit Sicherheit zum Erfolg beigetragen. Nach dem Platzen der New Economy-Blase war es auch mit zahlreichen frühen Angeboten des Online-Journalismus vorbei. Der Spiegel aber hielt an seinem Angebot fest. Das hat sich ausgezahlt.
Die große Marke Spiegel ist deshalb heute selbstverständlich nicht nur in Print und Fernsehen, sondern auch Online präsent und erfolgreich. Das ist vielleicht nicht immer spannungsfrei. Aber es ist aus meiner Sicht unerlässlich.
Neue technische Möglichkeiten eröffnen schließlich zunächst einmal Chancen, um Reichweiten auch für etablierte Marken zu steigern, Leseerlebnisse zu verbessern und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Diese Mischung aus Kontinuität und Wandel hat Spiegel Online letztlich selbst zu einer Marke gemacht. Es ist längst wie der gedruckte Spiegel auch ein wichtiges Leitmedium.
Damit wächst aber auch die Verantwortung. Und deshalb will ich Ihnen diese Gedanken nicht vorenthalten:
Spiegel Online hat seinen Anteil an der Beschleunigung der politischen Kommunikation. Mit seinen häufigen Themenwechseln auf der Startseite ist Spiegel Online ein wesentlicher Taktgeber.
Jedes der Themen, die auf den obersten Rängen auftauchen, beansprucht für sich hohe Relevanz und enthält häufig auch eine Handlungsaufforderung gegenüber der Politik.
Ob man den Themen journalistisch gerecht wird, wenn sie nahezu stündlich wechseln, weiß ich nicht.
Aber als politisch Handelnder darf ich Ihnen sagen: Demokratische Entscheidungen brauchen meistens mehr Zeit. Und es ist gut investierte Zeit, denn unsere Entscheidungen haben Auswirkungen auf viele Bürgerinnen und Bürger. Deshalb sind Reflexionen und Diskussionen über Für und Wider unerlässlich.
Wenn nun, je schneller die mediale Berichterstattung wird, der politische Prozess umso schwerfälliger erscheint, stellt sich die Frage: Wie behalten wir die Ruhe für abgewogene Ratschläge? Vielleicht wird es wieder wichtiger, dass man die Contenance zu wahren weiß.
Im Wettstreit um die knappe Aufmerksamkeit und dem Rennen um die schnellste Headline bleibt der beschleunigte Blick allzu oft bei dem hängen, was ich Politik der Politik nenne. Dann wird Berichterstattung zur Phänomenologie der politischen Oberfläche und fragt nur noch Wer mit wem? und nicht mehr Was? und Warum?.
Ich finde es wichtig, dass sich politische Berichterstattung mit dem Kern des Politischen auseinandersetzt und sich auch für die komplexen und bisweilen schwerer zu vermittelnden Sachthemen interessiert. Um die geht es nämlich.
Wir erhoffen ja vom redaktionellen Journalismus, dass er das alte Versprechen einer umfassenden, alle relevanten Aspekte berücksichtigenden Information einlöst. Dass er einen kuratierten Überblick gibt, der Zusammenhänge sichtbar macht und orientiert.
Das ist in der digitalen Öffentlichkeit wichtiger denn je. Das Netz hat unzählige neue Möglichkeiten geschaffen, individuelle Meinung zu veröffentlichen. Es ist die Chance von Angeboten wie Spiegel Online, aus dieser Flut an Informationen und Desinformation eine öffentliche Meinung zu destillieren und anzubieten.
Dazu braucht es Reflexion und Urteilskraft, Überblick und Erzählfreude. Allesamt Qualitäten, die mit der Marke Spiegel seit jeher verbunden werden ganz gleich ob gedruckt oder digital.
Die Bedeutung von Spiegel Online für die politische Öffentlichkeit ist enorm. Auf die vergangenen 20 Jahre können Sie alle stolz sein.
Der Wandel wird allerdings weitergehen: Der Transformationsprozess der Medienbranche ist seit Jahren im Gange und wird auf unabsehbare Zeit voranschreiten.
Es entstehen neue Geschäftsmodelle und Rivalen, aber auch mehr Kooperationen zwischen Anbietern von Inhalten und Technologien.
Wie solche kooperativen Wertschöpfungskonstellationen aussehen können, haben Hamburger Unternehmen in den vergangenen anderthalb Jahren intensiv in der Regionalen Arbeitsgruppe Content & Technology zum IT-Gipfel der Bundesregierung diskutiert, der vor knapp zwei Wochen hier in Hamburg stattfand.
Ihr Fazit: Die neuen Technologien bieten neue Verwertungschancen, um die man sich strategisch und kooperativ kümmern muss.
Der Senat und die Stadt unterstützen die Unternehmen bei diesem umfassenden Wandel. Dabei geht es vor allem um Rahmenbedingungen.
Dazu gehören natürlich eine vernünftig modernisierte Medienordnung und ein zeitgemäßes Urheberrecht, dass die Verwertung digitaler Inhalte garantiert.
Und dazu gehört auch ein gutes wirtschaftliches Umfeld, in dem innovative Geschäftsmodelle ausprobiert und neue Ansätze gemeinsam mit anderen entwickelt werden können. Hamburgs Medien- und Digitalstandortinitiative nextMedia.Hamburg bildet hierzu eine wesentliche Vernetzungs- und Reflexionsgrundlage.
Ich glaube, der Spiegel-Verlag ist auf die anstehenden Veränderungen gut vorbereitet. Vielleicht sogar besser, als mancher von innen heraus glaubt.
Spiegel Online hat beste Chancen, auch in den kommenden 20 Jahren zu den großen journalistischen Marken im Internet zu zählen wie auch immer das Netz dann aussehen mag.
Und natürlich werden Journalistinnen und Journalisten des Spiegel auch dann noch von Hamburg aus das Geschehen in unserem Land kritisch begleiten, Debatten befeuern, tatsächliche und vermeintliche Skandale aufdecken und Orientierung geben.
Das Unternehmen Aufklärung ist heute noch genauso relevant wie vor 20, 52 oder 67 Jahren. Es hat hier an der Ericusspitze eine gute Heimat und eine gute Zukunft. Schönen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.