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26.06.2014

Grußwort zum 3sat-Gremientreffen in Hamburg

 

Sehr geehrter Herr Grund,
sehr geehrter Herr Marmor,
sehr geehrter Herr Dr. Bellut,
sehr geehrter Herr Polenz,
sehr geehrte Frau Dr. Brandner-Radinger,
sehr geehrter Herr Dr. Baumeler,
sehr geehrter Herr Dr. Pfiffner,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

ich freue mich, Sie anlässlich Ihrer Konferenz hier in Hamburg zu begrüßen. Sie haben einen Ort gewählt, an dem derzeit durchaus gewichtige Debatten geführt werden. Hier in Hamburg sitzen nicht nur bedeutende Unternehmen der Medien- und Digitalbranche von Gruner + Jahr bis Google , sondern von hier aus wird auch der gesellschaftliche Diskurs über die Umbrüche geprägt, in denen wir uns befinden.

 

Anfang des Monats haben sich die Spitzen der Medienwirtschaft hier zum Mediendialog getroffen und die Rahmenbedingungen einer konvergenten Medienordnung ausgemessen.


Und im Oktober findet hier in Hamburg der IT-Gipfel der Bundesregierung statt, auf dem vermutlich wichtige Weichenstellungen für die digitale Agenda erfolgen.


In vielen weiteren Dialogprozessen versuchen wir seitens des Senats, Bewegung in festgefahrene Auseinandersetzungen zu bringen. Die Debatte über den Medienstaatsvertrag, in dem unterschiedliche medienrelevante Rechtsbereiche zueinander in Beziehung gesetzt werden sollen, ist da nur ein Beispiel.
Ich bin jedenfalls überzeugt, dass eine digitale Gesellschaft auch eine andere Medienordnung braucht als die, die wir im Zeitalter der Massenkommunikation entwickelt haben. Wir müssen beileibe nicht alles über Bord werfen, aber wir sollten das, was wir haben und kennen, behutsam weiterentwickeln. In kleinen Schritten kommt man manches Mal schneller zum Ziel.


Eines dieser medienpolitischen Veränderungsprojekte betrifft auch die Arbeit in den Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wie Sie wissen, hat Hamburg ebenso wie Rheinland-Pfalz vor dem Verfassungsgericht geklagt, um den ZDF-Staatsvertrag überprüfen zu lassen. Herausgekommen ist ein Urteil, das klar und deutlich den Veränderungsbedarf benennt, das aber auch das System der binnenpluralen Medienkontrolle durch Rundfunk- und Fernsehräte gegenüber anderen denkbaren Modellen mit guten Argumenten verteidigt und stärkt.


Ich bin dem Gericht außerordentlich dankbar, dass es noch einmal verdeutlicht hat, dass in den Gremien sehr wohl Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Interessengruppen sitzen können, die nicht für ihren Entsender sprechen, sondern sich als Sachwalter der Allgemeinheit zu verstehen haben.


Diese pragmatische Überlegung erleichtert einerseits die Besetzung der Gremien und erweitert andererseits die inhaltlichen Freiräume, die Sie alle als Gremienmitglieder in Anspruch nehmen sollten, um dem Geist dieses Urteils gerecht zu werden.


Kern unserer Klage war die Frage, ob die Gremien des ZDF ausreichend staatsfern besetzt gewesen sind. Dass wir jetzt hier zu Veränderungen kommen müssen und werden, ist eine wesentliche Voraussetzung für die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt.


Maximal ein Drittel Vertreter aus dem staatlichen Bereich, mehr Sensibilität für gesellschaftliche Veränderungen, mehr Transparenz das sind wesentliche Leitlinien.


Und dass die Ministerpräsidenten kürzlich beschlossen haben, dass der ZDF-Fernsehrat nur noch 60 und der ZDF-Verwaltungsrat 12 Mitglieder haben soll, wird nicht nur das Errechnen der Drittel-Quote erleichtern. Das sind, ebenso wie die Umstellung der Finanzierung auf den haushaltsbezogenen Beitrag, Signale der Reformfähigkeit eines erfolgreichen Systems.


Meine Damen und Herren,
die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Angebots muss uns gerade in den Zeiten des aktuellen Umbruchs am Herzen liegen.


Schließlich können wir mittlerweile davon ausgehen, dass alle Informationen in unserer Gesellschaft vermittelt werden und dass wir keine Knappheit der Verbreitungswege mehr haben.


Kurz gesprochen: Damit ist ein maßgeblicher Grund , der  damals für die Errichtung des öffentlich-rechtlichen Systems gesprochen hat, mittlerweile obsolet geworden.


Zugleich bin ich überzeugt, dass öffentlich-rechtlicher Rundfunk wichtiger ist denn je. Er bildet ein wichtiges Komplementärangebot zu den Medienangeboten, die sich am Markt refinanzieren müssen, und er hat damit die Möglichkeit, wesentliche ergänzende Qualitätsmaßstäbe zu setzen.


Vor allem aber ist er aufgrund seiner vordergründig so überholt wirkenden Ausgewogenheit und Binnenpluralität in Wirklichkeit schon ein paar Schritte weiter in seiner Positionierung in der digitalen Medienwelt, als sich das selbst seine Macher manchmal eingestehen wollen.


Das wesentliche Merkmal der digitalen Medien ist die Leichtigkeit mit der heutzutage jeder nicht nur Medien konsumieren, sondern auch Debattenbeiträge veröffentlichen kann. Es herrscht kein Mangel an ungefiltert zugänglichen Individualmeinungen. Zunehmend schwieriger aber wird die diskursive Vernetzung dieser Meinung. Das ist mehr als die bloße Aggregation durch technische Tools. Das setzt voraus, dass Argumente hinterfragt, Meinungen kontrastiert und mögliche Folgen prognostiziert werden.


Das ist die Aufgabe des redaktionellen Journalismus. Und das ist eine der Kernstärken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.


Er leistet damit einen wesentlichen Beitrag zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft, weil er das Zeitgespräch in seiner Vielstimmigkeit erfahrbar macht. Wir vertrauen den starken Markenversprechen, die hinter Ihren Angeboten stehen nach wie vor so sehr, dass wir den Fernsehmachern glauben, wenn Sie uns sagen, dass sie in einer Nachrichten- oder Dokumentationssendung alles wesentliche berichtet hätten.


Dieses Vertrauen ist die Grundlage dafür, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch unter den Bedingungen der Digitalisierung weiterentwickeln kann und auch muss.
Auch dort sind seine Angebote schließlich attraktiv, wie alleine die 1,2 Millionen Abrufe in  der 3sat-Mediathek zeigen. Wir werden politisch daran zu arbeiten haben, dass öffentlich-rechtliche Angebote auch im digitalen Raum verbreitet und gefunden werden können.


Das ist letztlich nicht nur eine Frage der Rundfunkstaatsverträge, sondern der digitalen Medienordnung und ihres Umgangs mit Plattformen und Intermediären insgesamt.


Wie wir damit umgehen, dass sich heute strukturell Plattformanbieter, die als eigene Marken erkennbar sind, zwischen die Inhalteanbieter und die Nutzer schieben, ist die Kernfrage für unsere künftige Medienordnung. Hier müssen wir als Gesellschaft in Europa politisch bestimmen, was wir wollen und dann einen entsprechenden Instrumentenkasten entwickeln.


Meine Damen und Herren,
ganz generell lässt sich am Beispiel 3sat zeigen, warum wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk brauchen: Ein Sender in dieser Struktur der Zusammenarbeit über drei Länder hinweg und mit einer derart qualitativ hochwertigen Programmfarbe wäre privatwirtschaftlich nicht zu konzipieren, geschweige denn zu refinanzieren.


Öffentlich-rechtlich existiert er jetzt seit 30 Jahren und zeigt als Vollprogramm all das, was in Sonntagsreden regelmäßig gefordert wird: Hochwertige Fernsehspiele, anspruchsvolle Kulturmagazine, wertige Dokumentationen, Nachrichten aus drei europäischen Ländern und vieles mehr. Aber neben Wagner kann man im Programm von 3sat auch Wacken finden.


Der Kulturbegriff von 3sat ist weit und das sollte auch so sein.


Außerdem zeigt sich im Programm immer wieder, dass es heutzutage zunehmend nicht nur in der FAZ das Feuilleton ist, das gesellschaftliche Trends aufspürt und diskutierbar macht.


Offensichtlich nehmen sich die Kulturredaktionen eher als die zunehmend gehetzteren  Politikressorts die notwendige Zeit, um neben Information auch Orientierung zu liefern.


Diese Orientierung auf das Wesentliche, auf die größeren Entwicklungen, ist wichtig für den Zusammenhalt unserer Gesellschaften.


Angebote wie 3sat werden so zu Foren, in denen sich gesellschaftliche Meinungsführer über das orientieren können, was wiederum ihre Orientierungsleistungen im Alltag prägt.
3sat schafft mit seinen Deutungsangeboten ein wenig Ordnung in der Unübersichtlichkeit unserer Moderne und erleichtert damit auch das politische Geschäft, Sicherheit im konstanten Wandel zu organisieren.


Machen Sie weiter so und genießen Sie Hamburg!
Schönen Dank!

 

Es gilt das gesprochene Wort.