Sehr geehrte Frau Dr. Melzer,
liebe Stipendiaten mit ihren Familien und Freunden,
liebe Schotstek-Gründer,
sehr geehrte Beiräte,
sehr geehrte Förderer und Freunde von Schotstek,
meine Damen und Herren,
Übermorgen, am 1. Oktober, startet der 2. Jahrgang von Schotstek. Ab dann werden die neuen Stipendiaten Seminare, Unternehmen und Theater besuchen. Sie werden Gelegenheit haben, sich mit Managern und Künstlern auszutauschen. Und sie werden in Schule, Universität oder Beruf von einem Mentor oder Coach unterstützt. Dieser Begleiter kennt den Weg, den diese jungen Leute vor sich haben, weil er ihn selbst schon gegangen ist.
Das Lernen aus den eigenen, selbst gemachten Erfahrungen das kann ihnen allerdings kein Mentor abnehmen. Aber diese Schüler, Studenten und Auszubildenden haben einen riesigen Vorteil: Sie werden mit ihren Erfahrungen nicht allein bleiben. Sie werden auch über die Zeit der direkten Förderung hinaus auf ein verlässliches Netzwerk vertrauen können. You´ll Never walk alone - das scheint mir, neben dem umfangreichen Bildungsangebot, ein ganz wichtiges Leitmotiv bei Schotstek zu sein, damit das erworbene Wissen im eigenen Leben tatsächlich umgesetzt werden kann - auch über Hürden hinweg.
Wie spannend, inspirierend, aber auch herausfordernd es für die neuen Schotstek-Stipendiaten werden wird, das haben Ihnen (uns) gerade die Schilderungen aus dem ersten Jahrgang gezeigt. Ich denke, ob Förderer oder Geförderte alle, die an diesem gelungenen Anfang mitgewirkt haben, dürfen stolz auf das bereits Erreichte sein.
Und wie gesagt, ich freue mich sehr, natürlich auch als Schirmherr, dass ich heute die Stipendiaten und Stipendiatinnen des ersten Schotstek-Jahrgangs persönlich kennenlerne. Gleichzeitig stimmt es mich zuversichtlich, dass wir uns in Hamburg auf dem richtigen Weg befinden.
Ein Grund für diese Zuversicht: Die Unterscheidung, wie sie früher gepflegt wurde, in eingesessene und zugewanderte Hamburger, die ist doch mehr und mehr nur noch Folklore. Vielleicht kennen Sie das Wort Quiddje. Das war früher jemand, der kein original Hamburger Platt oder Missingsch reden konnte.
Aber an diesem schönen Abend heute? Wer ist ein echter Hamburger? Wer in zweiter oder erst wer in dritter Generation hier lebt? Wer in Hamburg einen Schul- oder Berufsabschluss gemacht hat? Wer sich als HSV- oder St.Pauli- oder Altona-93-Fan bekennt? Wer gerade erst angekommen ist, aber bereits in seinem Stadtteil ehrenamtlich mitmischt? Wer Schietwedder richtig aussprechen und vor allem klaglos aushalten kann? Wer in mehr als einem Land zuhause ist, bei uns aber eine Führungsposition bekleidet? Sie merken, man gerät da schnell ins Schwimmen.
Insofern ist es eher einem sprachlichen Pragmatismus geschuldet, wenn ich nun doch wieder Begriffe wie Migrationshintergrund oder Integration benutze. Gleichzeitig bemühen wir uns in Politik und Verwaltung auch sprachlich um Differenzierung. Mit Bedacht reden wir in dem Integrationskonzept, das Hamburg im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht hat, von Zusammenhalt und Teilhabe. In einer Gesellschaft, die sich ständig verändert und immer wieder neu zusammensetzt, ist Integration eine Lebensaufgabe und zwar für alle. Deshalb setzt Integrationspolitik nicht nur bei den Zuwanderern an, sondern auch bei jenen, die seit Generationen in Hamburg leben. Und auch dies gilt nicht nur für einzelne Gruppen: Für alle Hamburger ist Bildung der Schlüssel zu gesellschaftlicher Integration wie persönlichem Erfolg.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Das Anliegen von Schotstek fügt sich gut ein in die Hamburger Bildungspolitik: Wir wissen, wie eng der Bildungserfolg in Deutschland oft noch von der Herkunft abhängt und wir wollen dies ändern. Dass alle Schülerinnen und Schüler ihre Potenziale unabhängig von ihrer Herkunft entfalten können, ist unser gemeinsames Ziel. Dafür braucht es einen langen Atem. Noch sind wir von einer echten Chancengleichheit ein ganzes Stück entfernt. Doch die Entwicklung geht in eine gute Richtung: Im vergangenen Jahr hatten 43 Prozent der Hamburger Schüler, die eine Hochschulreife erlangt haben, migrantische Wurzeln. Verglichen mit einer allgemeinen Abiturientenquote von 59 Prozent mag das wenig erscheinen. Gemessen an einer Quote von etwas über dreißig Prozent vor zehn Jahren ist das schon ein ordentlicher Fortschritt.
Der Senat hat große Anstrengungen unternommen, um die frühkindliche Bildung und die Ganztagsschulen auszubauen. Wir arbeiten weiter an einer gezielten Sprachförderung. In den Schulen wollen wir mehr Lehrer mit Migrationshintergrund beschäftigten. Diese Lehrer müssen aber erst einmal ausgebildet werden. Heute haben fast 13 Prozent unserer Lehrkräfte migrantische Wurzeln, im Vorbereitungsdienst liegt ihr Anteil bereits bei über 20 Prozent. Damit es noch mehr werden, unterhalten wir unter anderem ein eigenes Netzwerk für diese Gruppe.
Mit der Einwohnerschaft Hamburgs hat sich auch die Schülerschaft gewandelt - und dieser Wandel wird anhalten. Ohne Kinder mit Migrationshintergrund müssten wir heute jede zweite Grundschule schließen. Kulturelle, sprachliche und soziale Vielfalt sind Alltag in unserer Stadt. Von den 1,8 Millionen Einwohnern ist fast jeder dritte ein Zuwanderer oder ein Nachfahre von Zuwanderern. Unter den Jugendlichen ist es sogar jeder Zweite.
Hamburg versteht sich als Ankunftsstadt. Wir empfinden es als gutes Zeichen, dass sich so viele auf ihrer Suche nach einer neuen Heimat für Hamburg entscheiden. Diese Einstellung ist nicht neu, sondern gehört zur Tradition der Hansestadt. Die Dynamik von Ankunft und auch Abreise macht einen wesentlichen Teil unseres Wohlstands, aber auch unseres Lebensgefühls aus. Vielleicht nicht alle, aber sehr viele bringen ein Grundgefühl der Zuversicht und der Zukunftsneugier mit, das die Stadt belebt und bereichert.
Damit sich das entfalten kann, betreibt Hamburg eine sehr gezielte Integrationspolitik. Wir haben uns für den Wegfall der Optionspflicht bei hier aufgewachsenen jungen Leuten mit doppelter Staatsbürgerschaft stark gemacht. Hamburg fordert im Bundesrat eine bessere Regelung für Jugendliche, die kein Asyl erhalten haben, aber vorläufig geduldet sind: Wer einen Schulabschluss macht, soll in Zukunft einen Aufenthaltsstatus erwerben können.
In unserem Integrationskonzept befassen wir uns jetzt auch ausdrücklich mit den 12.000 Flüchtlingen, die sich in Hamburg in einem Anerkennungsverfahren befinden. Und es werden ja mehr. Hamburg nimmt die dramatische weltweite Flüchtlingssituation sehr ernst. Wir suchen dabei nicht nur nach neuen Möglichkeiten für kurzfristige Aufnahme und Unterkünfte. Wir schaffen auch neuen festen Wohnraum und bemühen uns um Integration in den Arbeitsmarkt und in Ausbildungswege. Wir tun hier, was wir können, und wir tun es gerne. Das wir trotzdem nicht alles leisten können, was wünschenswert wäre, wissen wir.
Meine Damen und Herren,
Sie sehen, das Thema ist vielfältig. Integrationspolitik hat viele Facetten. Nicht alle Maßnahmen sind spektakulär, viele aber gleichwohl effektiv. Für die Hamburgische Verwaltung suchen wir, zum Beispiel, gezielt Nachwuchs mit migrantischen Wurzeln. Wir evaluieren die Beratung in Behörden und Ämtern, damit diese diskriminierungsfrei verläuft. Wir entwickeln Verfahren, die Integration messbar machen. Mit ihnen können wir besser feststellen, was sich bewährt hat und wo wir noch nach Lösungen suchen müssen.
Bei allen positiven Entwicklungen wird sich aber eines nur langsam ändern: Die schulische und berufliche Qualifikation sind noch ein Nadelöhr. Das gilt für Zuwanderer genauso wie für alteingesessene Hamburger. Aber für Erstere ist es oft ungleich schwerer, dieses Nadelöhr, das wir größer machen müssen, zu passieren. Integrations- und Bildungspolitik kann viel dazu beitragen, damit junge Leute gefördert und Hürden abgebaut werden - zum Beispiel durch die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse. Schulen, Berufsschulen und Universitäten bemühen sich, die Potenziale von Kindern und Jugendlichen zu heben. Doch alleine können sie diese umfassende Aufgabe nicht bewältigen. Hamburg ist auf Unterstützung durch die Zivilgesellschaft angewiesen.
Der Verein Schotstek tut dies beispielhaft. Er hilft nicht nur durch sein vielfältiges Förderprogramm. Er schenkt etwas, das rar ist: Verbindlichkeit, Zeit, Vorbilder. Und persönliche Beziehungen, zu denen die Stipendiatinnen und Stipendiaten ohne Schotstek nicht so leicht Zugang hätten.
Meine Damen und Herren,
verehrte Schotstek-Mitarbeiter und -Unterstützer,
für ihr Engagement möchte ich allen, die den Schotstek tragen und weiterentwickeln, oder besser gesagt: die ihn beherrschen und festzurren können, sehr herzlich danken. Und auch wenn der Verein durch den Teamgedanken lebt, möchte ich den Einsatz von Frau Sigrid Berenberg besonders erwähnen.
Liebe Frau Berenberg,
in Hamburg haben Sie sich nicht nur als Strafverteidigerin und Verlagssprecherin, sondern vor allem auch durch ihre ehrenamtliche Arbeit einen Namen gemacht: als Gründerin - etwa des Kulturwerks West-, als Mediatorin und als Katalysatorin von Projekten. Schon vor dreißig Jahren haben Sie Jugendliche beraten, damals in der Lenz-Siedlung. Sie haben Mädchen mit türkischen Wurzeln bei der Berufswahl unterstützt, sind seit 25 Jahren im Vorstand des Familienplanungszentrums und vieles mehr. Das noch junge Projekt Schotstek wirkt in dieser Biografie auf mich fast folgerichtig. Ohne Ihre Erfahrung und Ihre Hartnäckigkeit hätte sich das Team von Schotstek so nicht zusammengefunden.
Meinen Glückwunsch an alle, die Schotstek ermöglichen. Und meine guten Wünsche für alle hier im Saal.
Vielen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.