arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

27.11.2013

Grußwort zur Ausstellungseröffnung der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte

Grußwort zur Ausstellungseröffnung der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte

 

 

Sehr geehrter Herr von Beust,
sehr geehrter Herr von Bismarck,
sehr geehrte Vertreter des Konsularischen Korps,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

Fünfmal Hamburg und zurück: ein etwas ungewöhnlicher Titel für die ebenso ungewöhnliche Ausstellung, die in dieser Woche unten in der Rathausdiele aufgebaut wurde. Was damit gemeint ist, wissen Sie aus dem Einladungsflyer. Trotzdem können wir uns, glaube ich, auf überraschende An- und Einsichten freuen.     

Gründer der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte war Bürgermeister Klaus von Dohnanyi. Ein kontinuierliches Interesse an der Stiftung, und eine ebensolche Unterstützung der Stadt für die Stiftung auf Dauer zu sichern, war sein Ziel. Ihm verdanke ich, dass ich als Erster Bürgermeister jetzt kraft Amtes der Stiftung vorsitzen darf, ebenso wie etliche Jahre lang Herr von Beust, der gleich zu uns sprechen wird. So ist es für alle Ersten Bürgermeister Hamburgs bestimmt. Seit 1986 hat jeder Senat diese Aufgabe gerne und mit hoher Verantwortung erfüllt.

Ich schließe mich dem mit Stolz auf die Stadt Hamburg an, die sich als kosmopolitische Ankunftsstadt versteht und der es ein selbstverständliches Anliegen ist, politisch Verfolgten Zuflucht zu gewähren. Auch in dem Wissen, dass es Zeiten gegeben hat, in denen viele Deutsche, auch Hamburger, ihrerseits Anlass und gute Gründe hatten, Zuflucht in anderen Ländern zu suchen.
Aktuell mag der Name unseres früheren Bundeskanzlers Willy Brandt, der dieser Tage seinen hundertsten Geburtstag begangen hätte, in dem Zusammenhang erwähnt sein. Kein Hamburger, sondern ein Hanseat aus der Nachbarstadt Lübeck, ein Patriot, der Regierungschef seines Landes wurde, mehr als dreißig Jahre nachdem er aus diesem selben Land hatte fliehen müssen.

Meine Damen und Herren,
zur heutigen Ausstellungseröffnung Fünfmal Hamburg und zurück heiße ich Sie herzlich willkommen. Aus historischen wie aktuellen Gründen steht Hamburg eine Nichtregierungs-Organisation wie die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte gut zu Gesicht. Mit ihrem Einsatz hat sie sich als echte Hamburgerin einen Namen weit über die Stadtgrenzen hinaus gemacht.
Und es spiegelt sich hier auch unsere eigene Gegenwart wider: Der Hafen hat Hamburg zu einer der wichtigsten Schnittstellen Deutschlands mit aller Welt werden lassen. Waren aus allen Ländern werden hier umgeschlagen, der Kontakt mit Reisenden, mit Zugewanderten aus aller Welt hat Hamburg zu einer weltoffenen und toleranten Stadt gemacht.

Allzu leicht vergessen wir heute die Zustände in Deutschland und den Staaten Osteuropas im 19. und frühen 20. Jahrhundert: Die Armut war immens, die Aussicht auf ein besseres Leben meist minimal, die politische Repression oft unerträglich.

Für rund fünf Millionen Deutsche und Osteuropäer war Hamburg zwischen 1830 und den ersten Jahren des nationalsozialistischen Terrors das Tor der Hoffnung hinaus in eine andere, eine freiere, eine lebenswertere Welt.
Sie flohen oft vor dem einen und dem anderen, vor der materiellen Not und den politischen Zuständen. Wer von Ihnen den neuen Film Heimat von Edgar Reitz gesehen hat, konnte nacherleben, wie eng beides miteinander verwoben, wie schwer es voneinander zu trennen war. Hamburgs Auswanderermuseum, nicht weit von hier, kündet auch davon. Von den Zusammenhängen, vor allem aber von einzelnen Lebensläufen.

Der Schneider Josef Kamp aus Büren reiste im August 1893 an Bord der Columbia von Hamburg nach New York. Er brachte es dort zu Wohlstand.

Warum ich ausgerechnet ihn erwähne? Josef Kamp war der Großvater von Angelina Jolie.

Man kann Theodor Olshausen nennen, 1802 bis 69, der als Sohn eines Pastors in Glückstadt an der Elbe aufwuchs. Als Student in Jena schloss er sich der radikalen Studentenbewegung an. Ab 1830 gab er das Kieler Correspondenz Blatt heraus. 1848 wurde er Mitglied der provisorischen Landesregierung in Kiel. Aufgrund seiner politischen Aktivitäten musste er 1851 über Hamburg emigrieren, um einer Verhaftung zu entgehen. In den USA arbeitete er weiter als Journalist und Publizist, so bei der deutschen Zeitung Westliche Post in St. Louis, Missouri. Für die waren auch der Revolutionär Carl Schurz (ausgewandert 1852) und der Journalist József Pulitzer tätig, der 1864 über Hamburg in die Vereinigten Staaten gelangte.

Ein gebürtiger Ungar, aber es waren auch Demokraten aus Deutschland, die sich mit einer Flucht der politischen Verfolgung entzogen. Und am Ende waren es deutsche und osteuropäische Juden auf der Flucht vor den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten.
Die meisten von ihnen wurden in ihrer neuen Heimat mit offenen Armen empfangen.

Meine Damen und Herren,
es geht nicht ums Auf- und Gegenrechnen, aber es geht schon auch um Give and Take, darum, niemanden im Stich zu lassen, der seine Heimat notgedrungen verlassen muss, um Schlimmerem zu entgehen.

Dafür steht die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte. Und er Name der Ausstellung, Fünfmal Hamburg und zurück, ist nicht zufällig entstanden. Es geht um fünf Frauen und Männer, die von der Stiftung nach Hamburg eingeladen werden und die nach einem Jahr als Menschenrechts-Botschafter in ihre Heimat zurückkehren, um ihre so wichtige Arbeit fortzusetzen.

Jedes Jahr gewährt die Stiftung fünf mutigen Männern und Frauen, die zuhause wegen ihres Engagements für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte in Bedrängnis geraten sind, die gefoltert oder sogar mit dem Tod bedroht wurden, bei uns einen sicheren Hafen.

Für ein Jahr leben sie hier, erholen sich, knüpfen Freundschaften und Netzwerke und erfahren sich als Teil einer demokratischen Gesellschaft. Und anschließend geben sie ihre in Hamburg gemachten Erfahrungen weiter. Sie wirken in ihrer Heimat also als Multiplikatoren für die Ideale der Freiheit, der Demokratie und der Menschenrechte.

Wie die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte arbeitet, das wird hier in der Ausstellung exemplarisch an den Geschichten von fünf Stiftungsgästen erzählt. Sie werden beim Gang durch die Ausstellung die Geschichten dieser mutigen Frauen und Männer, die für ihre Überzeugungen bedrängt, gejagt, verwundet wurden, kennen lernen. Und drei von ihnen begrüße ich heute persönlich: Frau Rosa Yassin Hassan, Schriftstellerin aus Syrien; und zwei Journalistinnen, Frau Ana Lilia Pérez aus Mexico; und Frau Tongam Rina aus Indien.

Meine Damen und Herren,
es ist gut, dass sich so viele Hamburgerinnen und Hamburger tatkräftig und als Spender für die Stiftung engagieren. Beispielhaft möchte ich Herrn Professor Reemtsma nennen, der ihr seit 27 Jahren als Förderer zur Seite steht; Herrn Ocke Rickertsen, heute hier anwesend, der gemeinsam mit seinem Bruder die Stiftung sehr großzügig unterstützt hat;

die Hamburger Initiative für Menschenrechte, die einen Teil der jetzigen Austellung finanziert; und zwar mit der wichtigen professionellen Hilfe des Ausstellungsmachers, Herrn Andreas Heller, den ich ebenfalls heute herzlich begrüße.

Hamburgerinnen und Hamburger wissen, dass auch die eigenen ersten Nachkriegsbürgermeister während der Nazi-Herrschaft hatten fliehen müssen. Auch aus diesem Bewusstsein heraus war es eine großartige Initiative von Klaus von Dohnanyi, die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte auf den Weg zu bringen. Es ist gut, dass es sie gibt.

 

Es gilt das gesprochene Wort.