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02.12.2013

Rede zur Diskussionsveranstaltung Frauen in Spitzenfunktionen

Rede zur Diskussionsveranstaltung Frauen in Spitzenfunktionen

 

 

Es freut mich sehr, dass ich Sie hier im Hamburger Rathaus begrüßen darf. Sehr gern habe ich die Einladung des Personalamts zur heutigen Diskussion angenommen.

Die Gleichstellung von Frauen und Männern im Erwerbsleben, die gleiche Teilhabe beider Geschlechter an allen Funktionen und auf allen Hierarchieebenen ist eines der ambitioniertesten Ziele des Senats. Und dieses Ziel verfolgen wir als Teil eines Gesamtansatzes, der den Blick auf die Gesellschaft als Ganzes richtet.

Dieser Gesamtansatz, mit dem dieser Senat 2011 seine Arbeit für Hamburg begonnen hat und von dem ausgehend ich mich dem Ziel Gleichstellung von Frauen und Männern nähern möchte, wird neudeutsch mit Diversity gut beschrieben.

Unsere Möglichkeiten im Beruf dürfen nicht davon abhängen, welches Geschlecht wir haben oder welches Alter, in welche Familie wir hineingeboren wurden, aus welchem Herkunftsland wir stammen. Um nur einige Aspekte der Diversity zu nennen.

Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Und es ist zugleich eine Frage der Vernunft. Denn nur eine gerechte Gesellschaft ermöglicht es, dass das Talent, der Elan, der Enthusiasmus aller Bürgerinnen und Bürger sich entfalten kann. Gerechte Gesellschaften können Dynamik und Wachstum entfalten, die nicht möglich sind, wenn die Konventionen und Regeln zu Viele behindern.  
Der Pursuit of Happiness ist eine individuelle und eine kollektive Angelegenheit. Präsident Obama hat es in seiner Inaugurationsrede 2013 so gesagt ich zitiere den Originalwortlaut:

We know that our nation thrives when every person can find independence and pride in their work; when the wages of honest labor liberate families from the brink of hardship. We are true to our creed when a little girl born into the bleakest poverty knows that she has the same chance to succeed as anybody else, she is free.”

Der Sozialstaat nicht als Hindernis, sondern im Gegenteil als Bedingung für Prosperity, für Wachstum. Und zum Sozialstaat gehören gleiche Chancen und Bedingungen nicht nur über soziale Unterschiede hinweg, sondern auch über die zwischen Frauen und Männern.
Und: Auch für Hamburg wird ein steigender Fachkräftebedarf prognostiziert, wie Sie alle wissen. Schon jetzt haben manche Unternehmen und Branchen Probleme, ausreichend qualifizierte Fachkräfte zu finden.

In diesem Zusammenhang ist es notwendig, die Erwerbstätigenquote anzuheben: von Älteren, von Jüngeren, aber auch von Frauen. Gerade bei ihnen liegt die Erwerbstätigenquote Deutschlands im Europäischen Vergleich im Mittelfeld. Wir müssen aber weiter nach vorn.  

Der Senat reagiert darauf mit der Hamburger Fachkräftestrategie, die im Dialog mit der Agentur für Arbeit Hamburg entwickelt worden ist, sowie mit der team.arbeit hamburg, der Handels- und Handwerkskammer, dem DGB und dem Unternehmensverband Nord.

Die Fachkräftestrategie hat vier Säulen ich sage bewusst nicht: sie ruht auf vier Säulen, denn ruhen soll hier möglichst gar nichts. Wir brauchen das Gegenteil: Bewegung. Vier Handlungsfelder des Senats und der beteiligten Partner beschreiben die; eines davon will attraktive Arbeitsbedingungen gewährleisten, das heißt auch und vor allem: familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Das heißt auch: Es muss mehr Frauen mit Kindern die Möglichkeit eröffnet werden, im Beruf zu bleiben oder wieder dorthin zurückzukehren.

Eines der zentralen Reformvorhaben des Senats ist es daher, Hamburg zur kinder- und familienfreundlichsten Stadt Deutschlands zu machen, mit hoher Chancen- und Teilhabegerechtigkeit. Für mich heißt das: Wir müssen unsere Stadt aus der Perspektive berufstätiger Eltern betrachten.

Meine Damen und  Herren,
was haben wir bis heute dafür getan? Nicht genug, das wäre vermessen, schon jetzt zu behaupten; aber doch einiges: Zum August 2011 ist die Erhöhung der Kita-Gebühr zurückgenommen worden, für viele Eltern bedeutete dies eine sofort spürbare Entlastung ihres Familienbudgets.

Um auch dem knappen Zeitbudget junger berufstätiger Eltern gerecht zu werden, haben seit August dieses Jahres in Hamburg alle Kinder ab ihrem ersten Geburtstag einen Rechtsanspruch auf eine fünfstündige Betreuung täglich inklusive Mittagessen in einer Krippe oder Kita. Und dies ab dem kommenden Jahr gebührenfrei.

Mit unserem Betreuungsangebot gehen wir über die Praxis in anderen Bundesländern hinaus. Hamburg ist Spitzenreiter unter den westdeutschen Ländern beim Krippenausbau. Die Krippenbetreuungsquote liegt jetzt bei 43 Prozent, die Quote im Elementarbereich der Drei- bis Sechsjährigen in Kitas, Kindertagespflege und Vorschulklassen bei rund 96 Prozent. 21.000 Kinder unter drei Jahren werden in Kitas und Kindertagespflege betreut, gut ein Fünftel mehr als im Vorjahr.

Der Kitaausbau, den Hamburg geschafft hat, ist eine gemeinsame Leistung aller Beteiligten, auch der Verwaltung, auf die wir alle zu Recht stolz sein dürfen. Manche meiner Kolleginnen und Kollegen wären froh, wenn es in ihren Städten hieße: Kita-Platz? Kein Problem so wie vor wenigen Wochen im Hamburger Abendblatt.

Für Eltern ist aber nicht nur wichtig, dass ihre Kinder betreut werden, sie wollen auch, dass sie gut betreut werden. Dafür haben wir die Hamburger Bildungsempfehlungen weiter entwickelt. Sie sind die verbindliche Grundlage für die pädagogische Arbeit in den Kitas. Außerdem sollen alle Hamburger Kindertageseinrichtungen künftig regelmäßig und unabhängig begutachtet werden. Der Kita-TÜV soll Ende 2014 starten.

Auch mit der Ganztägigen Bildung und Betreuung an Schulen, kurz GBS genannt, unterstützen wir dieses Ziel. Und mit dieser gemeinsam von Schule und Jugendhilfe gestalteten Ganztagsbetreuung ist Hamburg ebenfalls bundesweit Vorreiter.

Zum Schuljahr 2013/14 haben fast alle Grundschulen genau 200 von 203 - GBS eingerichtet, mehr als 65 Prozent aller Hamburger Grundschulkinder nutzen dieses freiwillige Angebot.

Übrigens: All das kommt auch den Männern zugute. Ganztagsbetreuung in Kitas und Schulen ist nicht nur ein Frauenthema. Denn weil die Berufstätigkeit von Männern und Frauen glücklicherweise selbstverständlich geworden ist, sind Männer, die ihre Frauen und ihre Kinder lieben, für ihre Berufstätigkeit genauso auf ein gutes und ganztägiges Betreuungsangebot angewiesen.

Meine Damen und Herren,
eine der größten aktuellen Herausforderungen für unsere Gesellschaft auch für mich persönlich besteht darin, allen jungen Leuten in unserer Stadt eine Jobperspektive zu eröffnen. Es war völlig inakzeptabel, hinzunehmen, dass 20 Prozent eines jeden Jahrgangs ohne schulischen oder berufsbildenden Abschluss bleiben. Alle sollen auf eigenen Beinen selbstständig und selbstbestimmt durchs Leben gehen können, ohne auf fremde Hilfe angewiesen zu sein.

Hamburg ist dabei, als erstes Bundesland flächendeckend eine Jugendberufsagentur einzurichten, um künftig alle zuverlässig und gezielt in Ausbildung und Arbeit zu vermitteln. Sieben Standorte waren geplant, der sechste ist Anfang November in Wandsbek eröffnet worden, der siebente folgt in Kürze. Was Hamburg hier macht, wird bundesweit genau beobachtet.

Mehr noch: Das Hamburger Modell der Jugendberufsagentur wird in den nächsten Jahren bundesweit eingeführt. Dieses Ziel haben sich die Union und die SPD im neuen Koalitionsvertrag gesetzt.

Und noch eine Konsequenz muss auf die Aussage folgen, dass kein Talent verloren gehen darf: dass sie auch für diejenigen gilt, die selbst oder deren Eltern zugewandert sind.

Ich freue mich sehr, erstens, dass im vergangenen Jahr mehr als 5.700 Personen in Hamburg unserer Einladung gefolgt sind und die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben. Und zweitens, dass der Koalitionsvertrag, den wir vorige Woche in Berlin verabschiedet haben, die klare Aussage enthält, dass die Bundesrepublik Deutschland jetzt eine weitere Hürde auf dem Weg zur Einbürgerung abschafft, nämlich die  Optionspflicht mit 23 für junge Frauen und Männer mit doppelter Staatsangehörigkeit.

 

Meine Damen und Herren,
da ist es nur folgerichtig, dass wir uns auch bemühen, den Anteil der Beschäftigten aus Familien mit Einwanderungsgeschichte in der hamburgischen Verwaltung zu erhöhen.

Eine große Stadt, eine wachsende Metropole wie Hamburg, eine Ankunftsstadt, muss sich auf eine zunehmende Diversität der Bevölkerung und ihrer Lebensformen einstellen. Was nicht heißt: Alles, was diverse Hamburgerinnen und Hamburger tun, oder unterlassen, ist gleichermaßen sozial verträglich und gutzuheißen. Diversität braucht eine vielfältige, bestens qualifizierte und leistungsbereite Verwaltung, die genauso auf dem Quivive ist wie die Bewohnerinnen und Bewohner. Oder, wie es in der Jugendsprache 2013 heißt, Platz 5: genauso gediegen.

Das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm des Senats, das gemeinsam alle Fachbehörden entwickelt haben unter Federführung der Behörde für Justiz und Gleichstellung, beginnt mit der Aussage, Zitat Die Gleichstellung von Frauen und Männern gehört zu jeder modernen Gesellschaft. Sie ist ein Gewinn für Alle, weil sie die Gesellschaft gerechter und vielfältiger macht und die Chancen auf Innovation und wirtschaftlichen Wohlstand erhöht.

Ende des Zitats, aber nicht der notwendigen Aktivität. Denn noch scheint diese Erkenntnis nicht sehr tief verankert zu sein, wenn man bedenkt, wie wenige Frauen in den Führungsfunktionen von Unternehmen zu finden sind, aber auch vieler Verwaltungen.

Von fairen Chancen für Frauen im Erwerbsleben, insbesondere solche mit Karriereambitionen, kann solange keine Rede sein, wie der Wiedereinstieg nach Elternzeit erschwert wird, Teilzeitarbeit aufs Abstellgleis führt und Beschäftigten mit Familienaufgaben fehlender beruflicher Ehrgeiz unterstellt wird.

Das war auch ein Zitat, aus dem Personalamt, und wie könnte ich es besser formulieren? Gemeinsam mit der Handels- und der Handwerkskammer setzt sich der Senat im Rahmen der Hamburger Allianz für Familien genau dafür ein: dass die Wirtschaft ein familienfreundliches Arbeitsplatzangebot macht.

In einem einfachen, unbürokratischen und für die Unternehmen kostenlosen Verfahren vergibt sie das Hamburger Familiensiegel. Mit dem sind seit 2007 schon mehr als 200 kleine und mittlere Unternehmen ausgezeichnet worden. Mit Hilfe einer Hotline im Auftrag der Hamburger Allianz für Familien können Unternehmen eine kostenlose Erstberatung in Anspruch nehmen.

Wie Sie vermutlich wissen, wird auch in der hamburgischen Verwaltung in den nächsten acht Jahren ein Viertel der Beschäftigten, das sind fast 15.000 Personen, altersbedingt ausscheiden. Das bedeutet: Auch Hamburg muss sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren, um neue, motivierte, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen.

Die Ausgangsbedingungen sind gut, denn schon heute ist der öffentliche Dienst bei vielen jungen Leuten als familienfreundlicher Arbeitgeber bekannt und geschätzt. Mehrere Behörden haben sich mittlerweile mit dem Audit berufundfamilie der Hertie-Stiftung zertifizieren lassen oder sind mit dem Hamburger Familiensiegel ausgezeichnet worden. Und vielleicht hat das ja Auswirkungen über die Verwaltung hinaus. Wenn sich die bei uns bewerben, die leistungsbereit sind und ein gutes Familienleben anstreben.

Souveränität über Arbeitszeit und Arbeitsort das haben wir uns alle schon immer gewünscht, aber nicht nur in der Adventszeit geht es hier um eines der wesentlichen Elemente familienfreundlicher Angebote, mit großer Bedeutung für die Arbeitsmotivation der Beschäftigten mit Familienaufgaben.

Kinder sollen nicht als berufliches Hindernis betrachtet werden, sondern als das, was sie in Wirklichkeit sein können: Kraftquellen für die Eltern.

Ich bin mir der Personal-Verantwortung des Senats für seine Mitarbeiterinnen bewusst; natürlich auch für die Mitarbeiter, wenn sie keine zwei linken Hände und Gehirnhälften haben, sondern zuhause mitmachen. zum Beispiel ihre gleichberechtigte Chance auf Elternzeit wahrnehmen. Wir werden bei der Novellierung des Hamburgischen  Gleichstellungsgesetzes, an der das Personalamt derzeit arbeitet, daran denken.

Meine sehr geehrten Damen,
wie mir berichtet worden ist, haben Sie bei der zweiten Veranstaltung der Reihe Frauen in Spitzenfunktionen im Februar dieses Jahres bereits von meiner Kollegin Frau Senatorin Schiedek selbst erfahren, welche Initiativen Hamburg zur Erhöhung des Frauenanteils in Gremien und in Aufsichtsräten in Gang gesetzt hat.

Die neue Bundesregierung wird damit überbringe ich wahrscheinlich keine völlig neue, aber doch eine ganz gute Nachricht Geschlechterquoten in Vorständen und Aufsichtsräten in Unternehmen gesetzlich einführen. In Aufsichtsräten von voll mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen, die ab 2016 neu besetzt werden, gilt eine verbindliche Frauenquote von 30 Prozent.  Auch hier dient eine Hamburger Gesetzesinitiative  als Vorbild für eine bundesdeutsche Regelung.

Schon ab 2015 werden börsennotierte oder mitbestimmungspflichtige Unternehmen gesetzlich verpflichtet sein, verbindliche Zielgrößen für die Erhöhung des Frauenanteils im Aufsichtsrat, Vorstand und in den obersten Management-Ebenen festzulegen und zu veröffentlichen und hierüber transparent zu berichten. Erste Ziele müssen bereits im Laufe der Legislaturperiode erreicht werden.

Lassen Sie mich aber in Hamburg bleiben und noch einige Worte zum Thema Frauen in Spitzenfunktionen sagen, das ja den Anlass zu der Veranstaltungsreihe des Personalamtes darstellt.

So wie wir als städtischer Arbeitgeber beim Mindestlohn mit gutem Beispiel vorangegangen sind, so halten wir es auch im Hamburger Senat: Der besteht neben dem Ersten Bürgermeister paritätisch aus fünf Frauen und fünf Männern. Das hat nichts mit Symbolik zu tun, sondern mit Vernunft. Ordentlich regieren lässt sich nur mit einem guten Team, und ein reines Männerteam taugt höchstens zum Holzhacken. Von der Fußball-WM-Bilanz der deutschen Frauen verglichen mit der der Männer ganz abgesehen

Ich habe die Zusammensetzung des Senats eigengelobt. Aber: an der obersten Verwaltungsspitze in Hamburg sieht es nicht so gut aus. Mit Vorsitzenden Richterinnen am Landes- und Oberlandesgericht, Präsidentinnen am Sozial- und am Arbeitsgericht sowie vier Frauen und zwei Männern in der Leitung der Justizvollzugsanstalten, und anderem, kann sich Hamburg unter Gleichstellungs-Gesichtspunkten zwar sehen lassen. Aber nur eine Frau im Kollegium der Staatsräte und nur eine Bezirksamtsleiterin da sind die Möglichkeiten noch nicht ausgereizt.

Auch dies war für mich der Anlass zu sagen: Der Senat wird für mehr Frauen in Spitzenfunktionen der Verwaltung sorgen.

Denn der Anteil von Frauen an den B-Besoldungen B2 bis B6 liegt bei nur 14,5 Prozent, der an A16 beziehungsweise EGr. 15 Ü bei einem knappen Drittel.

Offenbar hakt es da noch bei der Bestenauslese erst bei den A/EGr.14-Positionen nähert sich der Frauenanteil allmählich den 50 Prozent an.

Meine Damen und Herren,
wir sehen, dass eine bessere Vereinbarkeit allein nicht ausreicht. Aber woran liegt es? Vielleicht daran, dass Männer bei der Auswahl von Führungskräften nach dem Konzept der Selbstähnlichkeit verfahren.
 
Ich bitte Sie: Machen Sie Karriere. Damit es in Zukunft mehr Staatsrätinnen gibt, müssen es Viele vorher im Management des Öffentlichen Dienstes nach oben schaffen.

Meine Damen, meine Herren,
ich freue mich auf Ihre Anmerkungen, Anregungen, Ergänzungen in der Diskussion und auf die anschließenden Gespräche mit Ihnen. Nicht nur zu diesen Themen…

Vielen Dank.

 

Es gilt das gesprochene Wort.