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22.10.2013

Grußwort zur Delegiertenkonferenz beim DGB Hamburg

 

 

Sehr geehrter, lieber Uwe Grund,
sehr geehrter Herr Polkaehn,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Kann Deutschland noch Großprojekte? Zu dieser hoch interessanten Frage sollte und wollte ich neulich bei einem Ingenieurs-Bundeskongress Stellung nehmen. Mein Kollege Dr. Tschentscher hat mir das dann abgenommen, weil ich auch an dem Tag am Großprojekt Neue Bundesregierung mitzuarbeiten hatte.

Das wird morgen ein weiteres Mal auf der Tagesordnung stehen und Sie alle wissen, welche Themen dort von größter Bedeutung sind. Ich kann hier und jetzt keine Erfolgsmeldungen verkünden, das wäre auch nicht im Sinne eines ordentlichen Koalitionsfindungs-Verfahrens. Aber Sie können sicher sein: Was aus Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schon lange richtig war und ist, und in jüngerer Zeit immer mehr Deutschen einzuleuchten beginnt, das wird auch richtig bleiben:  Dass wir einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland bekommen.

Das Industrieland Deutschland steht vor großen Herausforderungen oder besser: ist schon mittendrin. Von Europa ganz zu schweigen. Wenn wir in den kommenden Jahren eine führende Rolle dabei spielen wollen, Europas Finanz-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktprobleme mitzulösen, müssen wir endlich unsere eigenen verschleppten Aufgaben lösen.
Alle Beschäftigten müssen vor Dumpinglöhnen geschützt sein. Unfaire Löhne sind eine der größten Bedrohungen des sozialen Friedens und des sozialen Zusammenhalts.

Und wenn es Frauen oder Männer gibt, die nicht von der Arbeit, die sie leisten, leben können, dann untergräbt das moralisch die Grundprinzipien unserer Gesellschaft. Es verletzt die Ehre, wenn man den ganzen Monat Vollzeit arbeitet und am Ende dennoch öffentliche Unterstützung in Anspruch nehmen muss.

In Hamburg gilt dasselbe wie in Berlin und überall: Wenn ich mich anstrenge, muss ich auch zurechtkommen. Der Grundsatz muss für jeden in unserer Gesellschaft Geltung haben.

Meine Damen und Herren,
Hamburg wird am Thema bleiben und die neue Bundesregierung wer immer sie bildet muss es zu Ihrem Thema machen. Es gliedert sich in noch viele einzelne Punkte:

zum Beispiel den Schutz der Beschäftigten vor psychischer Belastung bei der Arbeit;

ferner, auch ganz wichtig: die Entgeltgleichheit von Männern und Frauen ich habe nicht vergessen, dass ich einen Gesetzesentwurf dazu schon als Bundesarbeitsminister einmal vorgelegt habe;

und die Sicherstellung von equal-pay bei der Leiharbeit, eben schon erwähnt, ist ein weiteres Thema.

Gute Arbeit. Sichere Renten.  Soziales Europa, meine Damen und Herren, das war das Leitmotiv beim diesjährigen Maiempfang der Gewerkschaften und diesen Zielen müssen wir in der Tat alles zu- und unterordnen.
Umtreiben muss uns die entsetzlich hohe Jugendarbeitslosigkeit in etlichen Ländern Europas, auch in der Eurozone. Sie droht perspektivisch das Einigungsprojekt zu gefährden, Europa zu spalten. Wir müssen dringend Antworten suchen und finden, wie den jungen Leuten in Spanien, Griechenland und in anderen Ländern zu helfen ist, denjenigen, die doch eigentlich die Zukunft Europas sind und die den Karren jedenfalls nicht in den Sumpf gefahren haben.

Die Zukunft gehört in Deutschland und Europa der qualifizierten Arbeit das war meine Überzeugung schon früher in Berlin und das scheint mir mehr denn je zu gelten. Der Bedarf an niedrig qualifizierten Arbeitskräften geht immer weiter zurück, und gleichzeitig verändert sich die Altersstruktur unserer Gesellschaft. Es gibt mehr als genug Gründe, warum wir es uns weder leisten dürfen noch können, die Fähigkeiten der jungen Leute brachliegen zu lassen: moralische wie ökonomische.

Weder der soziale Zusammenhalt noch die Wettbewerbsfähigkeit werden es aushalten, und das gilt für Deutschland wie für Europa insgesamt. Es muss jeder seine Chance haben und das ist etwas, das wir selber hier in Hamburg begonnen haben, für alle zu gewährleisten: Chancen auf einen Schulabschluss, Chancen auf eine Berufsausbildung, Chancen auf Weiterbildung und Qualifizierung; letztlich Chancen auf gute, existenzsichernde Arbeit.

Und es geht natürlich nicht nur um die Jungen. Es geht auch darum, dass die Beschäftigten gesund alt werden. Das ist ein ebenso wichtiger Bestandteil guter Arbeit wie das Auskommen mit dem Einkommen.
Eine ganz wichtige Kenngröße bleibt die Erwerbstätigenquote der über 60-Jährigen. Die nicht mehr jungen, noch lange nicht alten Männer und Frauen müssen in Arbeit bleiben können, beziehungsweise in Arbeit kommen. Ich gehe allerdings davon aus, dass der Fachkräftemangel so sehr die Wirtschaft und die Politik ihm entgegenwirken müssen früher oder später dazu beitragen wird, dass die Älteren länger im Berufsleben bleiben können. Aber ganz von selbst wird sich auch da nichts bewegen.

Ob Junge oder Alte: Wenn nicht arbeiten kann, wer arbeiten will, ist das im höchsten Maß ungerecht und ökonomisch fatal. Diese Entwicklung muss dringend gestoppt und umgekehrt werden.

Die anhaltende europäische Krise lässt sich aber nur überwinden, wenn die überschuldeten Länder sowohl ihre Haushalte sanieren als auch neue Wachstumsimpulse bekommen. Das hört sich nicht nur an wie die Quadratur des Zirkels, sondern manchmal ist sie es. Umso härter müssen wir daran arbeiten, muss auch Deutschland solidarisch helfen.

Dringend erforderlich sind Investitionen in die Realwirtschaft, nachdem europaweit die Entwicklung auf den Kapitalmärkten sich von der Realität wirtschaftlicher Produktion entfernt und abgekoppelt hat.

Europa, und auch Deutschland, braucht eine Steuerpolitik, die Schlupflöcher wirksam verstopft und Steuerhinterziehung effektiv bekämpft, weil nur dann die erforderlichen Investitionen in Bildung und Kinderbetreuung, in eine moderne Infrastruktur ohne immer neue Schulden möglich sind.


Lieber Uwe Grund,
mit dem Mindestlohn habe ich begonnen und gern hätte ich Ihnen heute schon den großen bundespolitischen Durchbruch mitgebracht wenn ich das einmal in etwas schiefem Deutsch, aber mit geradem Gewissen so sagen darf. Es wäre ein schönes Ausrufezeichen am Ende Ihrer, Deiner Zeit als DGB-Vorsitzender in unserer Stadt gewesen.

Ein Landesmindestlohngesetz, das allerdings hat der Senat im April 2013 für Hamburg beschlossen. Und wir wissen alle nicht erst aus dem hier vorliegenden Geschäftsbericht 2009 bis 2013 dass, Zitat, der Kampf gegen die sich immer stärker ausbreitende prekäre Beschäftigung ein vorrangiges Ziel des DGB, und von Uwe Grund ganz persönlich, war und ist.

Von Uwe Grund, der in und mit der DAG aufgewachsen und dann wesentlich an der Fusion und dem Aufbau der DGB-Gewerkschaft ver.di seit 2001 beteiligt war.

So ein Geschäftsbericht kann das liegt in der Natur der Gewerkschaftsarbeit niemals eine reine Erfolgsbilanz sein, denn das würde bedeuten, dass aus Arbeitnehmersicht alle Probleme und Fragen gelöst werden konnten. Aber nach vier Jahren mit Uwe Grund als Vorsitzendem kann sich der DGB in Hamburg heute einen Moment lang zurücklehnen und sagen: Wir sind ein Stück voran gekommen.

Nicht nur, weil sich der Mitglieder-Trend deutlich verbessert hat. Sondern vor allem, weil das Wort der Gewerkschaften in Hamburg wieder gehört wird und gehört werden muss, auch von der Politik, denn es ist nicht überhörbar.
Ein scheidender Vorsitzender darf sich, oder muss sich, mannigfach würdigende Rückblicke anhören und die wird es, mündlich und schriftlich, auch für Uwe Grund geben. Ich will mich hier auf drei kleine Farbtupfer beschränken, die das Gesamtbild von Uwe Grund vielleicht abrunden. Da wäre der Einsatz für Schwächere auch nach Feierabend, zum Beispiel für Obdachlose, für deren Zeitschrift Hinz & Kunst er sich vor Beginn des Projektes sehr stark eingesetzt hat; nicht zuletzt deshalb kam es zu Stande und hilft mittlerweile Vielen in unserer Stadt dabei, sich selbst zu helfen.

Der wie der traditionelle Ehrentitel lautet Parteisoldat Uwe Grund hat sich auch im jetzt überstandenen Bundestagswahlkampf nach 42 Jahren SPD-Karriere er war unter anderem zehn Jahre Mitglied der Bürgerschaftsfraktion und eine zeitlang deren Vorsitzender nach 42 Jahren nicht geschont und nicht gescheut, Hausbesuche zu machen, Flyer zu verteilen, überall dort anzupacken, wo eher Schwielen als Lorbeeren zu ernten sind. In der richtigen Einsicht, dass große Pläne und Gedankensprünge eine feste Absprungbasis brauchen.

Nicht geklappt hat es mit jener Berliner Tageszeitung (=Tagesspiegel), die auch in Hamburg wegen ihres Qualitätsjournalismus beliebt ist, obwohl sie keinen Hamburger Regionalteil hat. Uwe Grund gehörte zu einem kleinen Kreis, der sich einmal sehr dafür stark gemacht hat, dass jene Zeitung den Schritt wagen sollte, und damit zu Recht unterstrichen hat, dass die Situation der Presse, und überhaupt der Medien, auch und gerade in der Medienstadt Hamburg immer ein Thema für Verbesserungsvorschläge sein muss.

Lieber Uwe Grund,
man kann nicht alles haben, jedenfalls nicht sofort. Und was Ihre, was Deine so lange und erfolgreiche Zeit als Gewerkschaftsboss der nie den Boss gegeben hat , was diese Zeit betrifft, kann ich wahlweise Willy Brandt, oder George Harrison zitieren: Nein, nicht All things must pass.

Sondern: Besinnen wir uns auf unsere Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll. Ring out the old, ring in the new!

Daran hast Du mitgewirkt: am Verbreiten der Erkenntnis, dass auf dem Weg in ein soziales Europa Deutschland nicht hinterher hinken darf. Dass es voran schreiten kann und die Vorzüge, die Notwendigkeit des Sozialstaats durch, wie man heute sagt, best practise demonstrieren muss.

Deutschland hat mit der Sozialen Marktwirtschaft eine sehr vorzeigbare Tradition. Das ist gerade in der vergangenen und zum Teil, in anderer Weise, noch anhaltenden Wirtschafts- und Finanzkrise ein weiteres Mal deutlich geworden.

Und für die Zukunft ist ein soziales Europa die beste, und letztlich die einzige Antwort auf größere und kleinere Krisen. Lassen Sie uns gemeinsam, und jeder für sich, daran weiter arbeiten, dass alte Zeiten aus- und neue eingeläutet werden.

Dir persönlich wünsche ich in der nun folgenden Zeit alles erdenkliche Gute, besonders auch einen inspirierten Strich an der Staffelei, die jetzt mit Sicherheit wieder öfter im Hause Grund aufgestellt und an der engagiert künstlerisch gearbeitet wird.

 

Es gilt das gesprochene Wort.