Grußwort zur Eröffnung des Themenjahres 2015 Reformation Bild und Bibel
Sehr geehrte Frau Staatsministerin,
sehr geehrte Abgeordnete des Europäischen Parlaments und des Bundestages,
sehr geehrter Herr Erster Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrte Frau Bischöfin Fehrs,
sehr geehrter Herr Wichmann,
sehr geehrte Vertreter des konsularischen Korps,
meine sehr geehrte Damen und Herren,
im Namen des Senats heiße ich Sie herzlich willkommen im Hamburger Rathaus!
Unsere Stadt erfährt heute eine besondere Ehre. Mit dem heutigen Tag, dem Gottesdienst und diesem Senatsempfang eröffnen wir gemeinsam ein weiteres Themenjahr auf dem Weg zum Reformationsjubiläum. 2017 jährt sich der Beginn der Reformation durch Martin Luther zum 500. Mal. Dem eigentlichen Jubiläum geht die Lutherdekade voran, mit der seit 2008 jedes Jahr eine Facette der Reformation in den Vordergrund gestellt wird. Für den Start des Themenjahres Bild und Bibel wurde Hamburg ausgewählt und darüber freuen wir uns sehr.
Meine Damen und Herren,
die Reformation war zunächst ein innerkirchliches Ereignis. Aber im 16. Jahrhundert waren Staat und Kirche aufs Engste miteinander verflochten viel stärker, als wir uns das heute vorstellen können. Deswegen hatte Luthers Wirken weitreichende Folgen für das weltliche Leben der damaligen Zeit. Die jeweilige Konfession stärkte die Territorialstaaten, die bis heute das Fundament des deutschen Föderalismus bilden.
In Hamburg hat sich die Reformation, die ihre Wurzeln im heutigen Sachsen-Anhalt hatte, auf ganz besondere Weise durchgesetzt nämlich erstaunlich friedlich und durchweg bürgerlich geprägt. Auf das besondere Hamburger Format der Reformation hat Philipp Melanchthon hingewiesen. Er schrieb 1537: In diesen bewegten Zeiten war in jener Gegend keine Stadt ruhiger, weil die Besonnenheit ihrer Bürger einzigartig ist.
Für die Verbreitung der reformatorischen Ideen in Hamburg war Johannes Bugenhagen, ein Freund und Wegbegleiter Luthers, die entscheidende Persönlichkeit. Er verfasste 1528 die Kirchenordnung für unsere Hansestadt und legte damit einen wichtigen Grundstein für die evangelisch-lutherische Kirche im Norden Deutschlands.
Zuvor hatten sich bei einem öffentlichen Disput im damaligen Rathaus die Protestanten gegen die Altgläubigen durchgesetzt. Im sogenannten Langen Rezess, einer Vereinbarung zwischen Bürgerschaft und dem Rat der Stadt, wurde den Bürgern mehr Mitsprache eingeräumt. Die Reformation brachte den Hamburgern also nicht nur eine neue Glaubensanschauung, sondern auch mehr Demokratie. So hatte die Reformation auch hier erhebliche gesellschaftliche, politische und kulturelle Auswirkungen bis heute.
Hamburg freut sich natürlich besonders, für das Themenjahr Bild und Bibel ausgewählt worden zu sein. Das passt zu einer Stadt, die sich als europäische Kunst- und Medienmetropole versteht.
Was angesichts der rasanten technischen Entwicklung und der nahezu grenzenlosen Digitalisierung in unseren Tagen nur wenige wissen: Der Beginn dieser regen Medientätigkeit in Hamburg lässt sich in der Zeit der Reformation verorten. Damals waren es Einblattdrucke, Flugschriften und Bücher, die Luthers Ideen zum Durchbruch verhalfen. Heute würde er wohl twittern, und sein Social-Media-Profil hätte vermutlich eine große Zahl tatsächlicher oder sogenannter Freunde.
Unsere Stadt hat in diesen fast 500 Jahren eine bewegte Geschichte hinter sich, auch eine bewegte Kirchengeschichte. Wenn die Hamburgerinnen und Hamburger beispielsweise heute vom Dom sprechen, meinen sie keine Kirche, sondern das große Volksfest auf dem Heiligengeistfeld. Der Ort des Geschehens hat mit dem heiligen Geist nicht ganz so viel zu tun, auch nicht das Viertel Sankt Pauli, und für Sankt Georg gilt Ähnliches.
Auch wenn also Hamburgs Frömmigkeit im 21. Jahrhundert eine andere sein mag als vor 500 Jahren, so erfreuen sich die christlichen Glaubensgemeinschaften insbesondere bei Großveranstaltungen wie der jährlichen Nacht der Kirchen großen Zuspruchs. Und das protestantische Arbeitsethos, wie es Max Weber beschrieben hat, ist sozusagen Teil der städtischen Identität.
Als weltoffene Millionenstadt legt Hamburg größten Wert auf ein respektvolles Miteinander. Das kommt in den Verträgen der Stadt mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche, dem Heiligen Stuhl, der Jüdischen Gemeinde sowie islamischen Verbänden und alevitischer Gemeinde zum Ausdruck.
Toleranz gegenüber dem Fremden, dem Anderen, war auch in der Evangelischen Kirche ein langer Lernprozess, wie ein früheres Themenjahr im Rahmen der Lutherdekade eindrücklich gezeigt hat. Da hat sich in 500 Jahren einiges getan.
Gern erinnern wir uns auch an den Evangelischen Kirchentag 2013 in Hamburg, der unserer Stadt einige fromme und fröhliche Tage bescherte. Und bei uns wird der 31. Oktober 2017 ein arbeits- und schulfreier Feiertag sein.
In diesem Geist wird die Senatskanzlei auf einer Internetplattform Hamburgs Weg zur Reformation beschreiben. Auf www.hamburger-reformation.de finden Sie ein umfangreiches Veranstaltungs- und Informationsangebot zum Themenjahr, einen virtuellen Stadtrundgang durch Hamburg und einen Film mit dem zeitgemäßen Titel: Die Reformation in Hamburg in zwei Minuten.
Meine Damen und Herren,
einer gemeinsamen Veranstaltung der Stadt und der Kirche zum Stichwort Bild und Bibel hier im Großen Festsaal haftet offen gestanden etwas leicht Pikantes an, wenn man sich die Ursprünge des großen Wandgemäldes zu Ihrer Linken vor Augen führt, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Geschichte der Stadt darstellen sollte.
Es zeigt unter anderem die Christianisierung Hamburgs durch den heiligen Ansgar. Manche von Ihnen kennen gewiss schon das Schicksal des Jünglings, der im Entwurf der bildlichen Darstellung vor ihm kniete: Der Entwurf ist erhalten geblieben und zeigt ihn, aber dann musste der Künstler Hugo Vogel im Jahr 1909 eine Änderung vornehmen, so dass Ansgars Segen heute quasi ins Leere geht.
Die Begründung der damaligen Hausherren lautete kühl: Ein Hamburger beugt sich vor niemandem auch nicht vor der Kirche. Mit etwas Fantasie glaubt man die Figur noch schemenhaft zu erkennen. Eine amüsante Anekdote wie immer man sie heute interpretieren mag.
Das Knien voreinander würde auch nicht unbedingt in unsere Zeit passen, die von guter Kooperation zwischen Staat und Kirche geprägt ist.
Dem gemeinsamen Themenjahr Bild und Bibel wünsche ich einen erfolgreichen Verlauf und allen Interessierten spannende Entdeckungen.
Es gilt das gesprochene Wort.