Grußwort zur Eröffnung des Urban Partnership Forum
Sehr geehrter Herr von Oesterreich,
sehr geehrter Herr Haider,
sehr geehrte Gäste unserer Partnerstädte Dresden, Prag und St. Petersburg,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
über unserer heutigen Veranstaltung scheint ja eines schon mal nicht zu schweben: ein Fragezeichen, etwa hinter der Forderung Großstadt braucht Großprojekte. Vielmehr scheint es bereits Konsens zu sein und ich könnte jetzt auf gut Deutsch sagen: Just as well.
Zu meiner Auffassung passt es: nämlich dass große Städte etwas Besonderes sind. Das sich in ihnen und zwar zu allen Zeiten optimistischer Fortschrittsgeist gegen verzagte Rückständigkeit durchgesetzt hat, so lange es hier und da dauerte und so schwer manche Rückschläge waren. Wir vier Dresden, Prag, St. Petersburg, Hamburg können, bei aller Verschiedenheit, dieses Loblied auf uns selbst gemeinsam singen.
Wir dürfen das tun, wenn wir nicht vergessen, worauf der polyphone Zusammenklang beruht, der uns Großstadtbewohner immer wieder elektrisiert und unsere Arbeit für die Stadt beflügelt, der Magical Mystery Chord: auf solidarischen Gemeinschaften, die daraus entstehen, dass Bürgerinnen und Bürger in unsere Städte gezogen sind in der Hoffnung, dass sie hier nach ihren eigenen Vorstellungen leben und ihren beruflichen Weg gehen können.
Aus Innovationskraft und Kreativität, die sich nirgends besser entfalten können als in den großen Städten eben weil immer wieder so viele Menschen und Ideen hinzugekommen sind und sich gegenseitig angefeuert haben , Kreativität und Innovationskraft, die ihrerseits die Basis sind für das weitere Erstarken einer freien, gerechten, solidarischen, und das heißt in der letzten Konsequenz auch: demokratisch verfassten Gesellschaft. Denn ohne das Recht auf Mitsprache und -entscheidung macht heute niemand mehr den Ort, an dem er oder sie lebt, zu seinem oder ihrem Ort, und das gilt für Stadtbewohner erst recht.
Ich nenne auch die zweite Voraussetzung, an die wir heute mehr als früher denken, die wir geradezu in der urbanen DNA haben müssen, die stets aktuelle Frage: Wie wächst ein Gemeinwesen, wie wächst eine Stadt, wie wächst zum Beispiel Hamburg so, dass individuelle und soziale Bedürfnisse auch weiterhin gelebt werden können? Nachhaltig, wie wir es gelernt haben zu nennen?
Einfacher gefragt: Wie können perspektivisch zwei Millionen Hamburgerinnen und Hamburger auf dem Weg dahin sind wir im nächsten Jahrzehnt miteinander leben, ohne einander zu nahe zu kommen; synergie-effektiv, ohne dass ihr Energiekonsum ins Unermessliche wächst? Mit der Aussicht nicht nur auf angemessene Nahrung, Wohnung, Gesundheitsversorgung und Sicherheit? Und auf eine selbstbestimmte, erwerbstätige Existenz? Sondern auch auf gute Bildung und Ausbildung für die Kinder und, um nicht ausgerechnet das zu vergessen, auf guten öffentlichen Transport auch noch später, wenn man nicht mehr gut zu Fuß ist?
Denn nachhaltig ist Wachstum natürlich nur, wenn es die demografische Entwicklung, den wachsenden Anteil Älterer einbezieht. Wenn es die künftigen Renten und die künftigen Naturschutz- und Naherholungsgebiete im Blick hat, und wie man die letzteren emissionsarm erreicht.
Meine Damen und Herren,
so könnte ich fortfahren beim heutigen Urban Partnership Forum unter uns befreundeten Partnerstädten. Die einander auch kritische Fragen erlauben. Und vielleicht stellen sich einige jetzt die Frage, wo der Zusammenhang mit den Großprojekten sei, über die heute diskutiert werden soll und die wir als große Städte brauchen.
Es gibt einen einfachen und einen schwierigen Zusammenhang. Der einfache: Große Städte, wie es die unseren sind, in diesem optimistischen, solidarischen, nachhaltigen Sinn weiter zu entwickeln, ist ein Großprojekt. Ein großartiges Projekt, ein teures und eines, das nie beendet ist. Das unterscheidet es übrigens von einzelnen Großprojekten, die, jedes für sich, ein gutes Projektende finden müssen, nicht zuletzt, weil nur dann ihre Kosten gerechtfertigt sind. Woran ich konkret denke, weiß man auch in Prag, Dresden und St. Petersburg.
Aber es ist mir ernst: Das Großprojekt Stadtentwicklung, erst recht die nachhaltige, ist eine Dauerbaustelle und auch wenn bei ihr kein Ende in Sicht ist, so muss doch der Blick weit voraus gehen. Ich weiß nicht, ob Dresden, St.Petersburg und Prag von sich sagen würden, sie hätten diesen Weitblick immer gehabt. Hamburg nicht. Das sehen wir heute so und wir sollten uns dabei vor Neunmalklugkeit, die auf erst später erworbenem Wissen beruht, durchaus hüten. Aber es stimmt ja: Während unsere Stadt Welthandel trieb, eine mächtige Industrie aus dem Boden stampfte, Künste und Wissenschaften blühen und elektrisches Licht leuchten ließ, kämpften Ende des 19. Jahrhunderts gleichzeitig noch Zigtausende Hamburgerinnen und Hamburger mit der Cholera.
In ihren Vierteln war der technische Umweltschutz noch nicht angekommen, dort wurde unfiltriertes Elbwasser benutzt und niemanden interessierte die Frage, wie eine hygienische und durchdachte Entsorgung von Abfällen aussehen könnte. Oder wie ein sozialverträglicher Wohnungsbau für breite Bevölkerungsschichten zu ermöglichen sei. Oder wann endlich das Wahlrecht für Frauen kommen werde, damit überkommene Herangehensweisen und Denkstrukturen durch neue, sehr oft bessere ergänzt würden.
Doch am Ende bildeten die rasante technische Entwicklung und die Sozialreformen der Zeit ein Parallelogramm der Kräfte, das den Wohlstand und das städtische Selbstbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger nachhaltig gesteigert hat. Nachhaltig noch nicht im Sinne von unerschütterlich, das nicht, wie es viele später schrecklich und schmerzlich erfahren mussten. Aber was wirtschaftliche Krisen und politische Irrwege zurückwerfen konnten, hat in der Substanz doch überlebt.
Meine Damen und Herren,
Stadtentwicklung als Großprojekt per se, das ist der einfache Zusammenhang. Der schwierige? Liegt, und das wird sich nachher in der Diskussionsrunde schnell zeigen, im Detail.
Ich will aber vorher einige Entwicklungsabschnitte, oder nennen wir sie landmarks, des Großprojektes Hamburg konkret nennen. Zur Elbphilharmonie, die eines der überragenden Konzerthäuser Europas wird, kann man ja von hier aus hinrudern und sich vom Stand überzeugen. 2017 werden wir sie eröffnen und damit auch demonstrieren, dass nicht einmal verkorkste Anfänge ein Anlass zum Verzagen sein müssen, sein dürfen, sondern sich mit hanseatischem Team Spirit fast alles zum Guten wenden lässt. Den hanseatischen Finanzen hat der anfängliche Verlauf weh getan. Daraus haben wir schon jetzt gelernt. Wenn die besten Künstler der Welt hier bald auf der Bühne stehen, umrauscht vom Beifall der Einheimischen und der von weit Angereisten, dann wird erkennbar sein, dass unsere weltoffene Stadt gut daran tut, eine international beachtete Musikhauptstadt zu werden.
Was übrigens in keiner Weise die bodenständige Musikszene beeinträchtigt oder gar entwertet, für die unsere Stadt beiderseits der Reeperbahn schon berühmt war, als anderswo noch niemand wusste, wie man eine Gitarre stimmt. Wie gesagt: Stadtleben ist polyphon.
Meine Damen und Herren,
Wohnen und Transport, zwei Stichworte, die ich schon genannt habe. Sie gehören zusammen. Die HafenCity, die Mitte Altona hier ganz in der Nähe und Wilhelmsburg, Europas zweitgrößte bewohnte Flussinsel, die sich im Rahmen der Internationalen Bauausstellung und der Internationalen Gartenschau so innovativ präsentiert hat: Das sind Stadtteile, in denen Hamburg sich und seinen Einwohnern Platz schafft, Platz zum Wohnen. Dort kann man schon sehen oder zumindest ahnen, was gemeint ist und wohin die Stadtentwicklung gehen soll.
Stromaufwärts an Elbe und Bille geht es weiter. In einst sehr lebendigen, dann teilweise zerstörten und lange übersehenen Quartieren wollen wir beides zusammenbringen: Wohnen und urbane Produktion, für sehr unterschiedliche Arbeitstätten von der Kreativwirtschaft bis zur Industrie. Das geht ja heute, nachdem wir entschwefelt statt geschwafelt haben, wie es die berechtigte Forderung in den Zeiten des sauren Regens war, als vielen nur noch die Flucht ins Landleben als Alternative erschien zum Stadtleben in vergifteter Luft und infernalischem Lärm. Wir wollen und brauchen aber die Industrie in unserer Stadt und auch das Großprojekt ist längst auf dem Weg: sanieren statt resignieren. Wir bauen so, dass Industrie mit und neben dem Wohnen möglich ist. Bei den vielen Veränderungen des modernen Maschinenparks mit geringerem Gewicht und reduzierten Emissionen sind zum Beispiel mehrstöckige Gewerbegebäude, wie sie Anfang des vorigen Jahrhunderts oft zu finden waren, wieder möglich. Schon entsteht der erste vierstöckige Gewerbehof für Handwerker am Offakamp.
Wer wohnt, braucht ein modernes urbanes Transportsystem; wer arbeitet, braucht es auch; wer weltweiten Handel treibt, braucht darüber hinaus einen fitten, smarten, erstklassig an das so genannte Hinterland angebundenen Hafen und einen ebensolchen Airport. In Fuhlsbüttel wuchs vor kaum mehr als hundert Jahren nur Heidekraut und auch das spärlich. Im Hafen war reger Betrieb, die Schiffe qualmten heftig, hatten aber wenig Tiefgang. Damals wie jetzt gilt: An den steigenden Anforderungen ist optimistischer Fortschrittsgeist gewachsen und hat Hamburg in zukunftsfähiger Form international vernetzt. So geht es auch weiter.
Mit dem wieder forcierten Auf- und Ausbau des innerstädtischen, und in die Metropolregion hineinwachsenden Schnellbahnnetzes ein Großprojekt von wahrhaft unterirdischer Relevanz wird Hamburg auf diesem lange vernachlässigten Feld nachziehen.
Meine Damen und Herren,
optimistischen Fortschrittsgeist, statt verzagter Rückständigkeit, zeigen die Hamburgerinnen und Hamburger auch, indem sie die Bewerbung Hamburgs für die Olympischen und Paralympischen Spiele in den 2020er Jahren mit großer Mehrheit und Überzeugung unterstützen. Das ist nun allerdings ein Großprojekt sonder gleichen und auch ich bin der Meinung: Wenn wir uns das nicht zutrauen (a) hinzubekommen und (b) für die Weiterentwicklung der großen Stadt Hamburg jede Menge Honig daraus zu saugen, eine für die Bürgerinnen und Bürger noch bessere Stadt zu werden wenn wir uns das nicht zutrauen, dann sollten wir es allerdings lassen. Aber denkt denn irgendjemand wirklich, als Olympiastadt könne Hamburg nur verlieren, wie einige behaupten?
Wir können nur gewinnen, wenn wir es klug anstellen, und da komme ich übrigens auch auf die Bürgerbeteiligung. Die Olympia-Planung bietet aus meiner Sicht exzellente Chancen, den damit verbundenen Stadtentwicklungs- und Beteiligungsprozess aktiv mit zu gestalten. Die Hamburger Hochschulen und viele andere setzen sich schon jetzt mit dieser wichtigen stadtgesellschaftlichen Aufgabe auseinander.
Und noch eines, meine Damen und Herren, als ceterum censeo: Ein sehr eindeutiges Vorhaben, fast möchte ich sagen Gelübde dieser Stadt ist, dass wir künftig an der Reihenfolge festhalten: erstens planen; zweitens entscheiden; drittens bauen. Das betrifft nicht allein, aber auch Olympia; der Punkt 1, planen, läuft.
Wir haben in dieser Stadt ein großartiges Großprojekt über hohe Hürden hinwegtragen müssen, nachdem dieser Grundsatz anfangs nicht gegolten hatte, und wir werden bei zukünftigen Bauprojekten noch mehr auf eine ausreichende Projektvorbereitung und -planung achten.
Meine Damen und Herren,
Hamburgs Städtepartnerschaften sind für mich ganz wichtige Pfeiler beim Bau einer weltläufigen, international vernetzten, mit Menschen in allen Himmelsrichtungen befreundeten Stadt. Nicht nur des Wissensaustausches wegen, weil Städte überall vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Das auch, aber im Vordergrund steht, dass es für immer mehr gerade junge Leute immer selbstverständlicher wird, wie sehr wir über Sprachgrenzen hinweg zusammen gehören und zusammen passen.
Erst vor wenigen Tagen das Beispiel mag Sie überraschen, aber Sie kennen es alle haben 25 europäische Länder plus Israel plus Australien, plus zahlreiche vorher ausgeschiedene, ein in die ganze Welt übertragenes pompöses, teilweise kitschiges, durchaus kommerzgetränktes Fest gefeiert, den Eurovision Song Contest. Wo ich vorhin schon von Polyphonie gesprochen habe: Die musikalischen Darbietungen waren von unterschiedlichem Niveau. Das Abschneiden der einzelnen Länder ja auch. Aber noch den Verstocktesten muss es anrühren, wie einig sich zumindest diese jungen Leute inzwischen sind: Wir gehören und passen zusammen.
Wir auch. Dresden ist unsere sächsische Schwester an derselben Elbe; Prag ist unsere Schwester an der Moldau, mit der wir 2015 das 25. Bestehen der Partnerschaft feiern; St. Petersburg ist unsere Schwester von der (Njeva) Neva im Land der weißen Nächte, die uns und ihre Verwandtschaft in Russland daran erinnert, wie eng und wertvoll unsere Verbindung dorthin ist.
Ich freue mich über alle drei Schwestern und wer jetzt sagt oder denkt: Tschechow dem sage ich: Wir, Hamburg, die vierte Schwester, sind mit euch. Gemeinsam werden wir den großartigen Dichter in einem Punkt widerlegen, und ich zitiere ihn: Wir haben weder Nah- noch Fernziele, unser Herz ist wie leergefegt Ist es nicht, haben wir doch.
Aktuell sind die deutsch-russischen Beziehungen angespannt und das hat Gründe. Im heutigen Europa, in das nicht nur diejenigen von uns gehören, die Städte der Europäischen Union sind, muss die Souveränität aller gewahrt sein, sind
Freiheit und Demokratie grundlegende Werte.
Wir alle da muss ich nicht differenzieren setzen große Hoffnungen in einen fortgesetzten Friedensprozess. Wir wünschen uns, dass die gegenwärtige Krise mit diplomatischen Mitteln zu lösen ist und Kooperation statt Konfrontation in den Vordergrund rücken.
Russland ist und bleibt ein wichtiger und beständiger Partner Hamburgs und seiner anderen Partner. Unsere Städtepartnerschaft mit Sankt Petersburg, dieser großartigen und lange Zeit auch durch deutsche Aggression schwer geprüfte Stadt an der Ostsee, mit der sich im Laufe der Jahre etliche gemeinsame Projekte, aber auch persönliche Freundschaften entwickelt haben, ihr wünsche ich eine ebenso gute Zukunft wie denen mit Prag und Dresden. Wir brauchen, und wir freuen uns auf gemeinsame kleine, mittlere, gern auch Großprojekte.
Vielen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.