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19.01.2014

Grußwort zur Feier anlässlich des 95. Geburtstages von Helmut Schmidt

 

 

Lieber Helmut Schmidt,

lieber Gerhard Schröder,

lieber Sigmar Gabriel,

sehr geehrter Herr Kissinger,

sehr geehrter Herr di Lorenzo,

sehr geehrter Herr Sommer,

meine Damen und Herren,

 

nach einem amtierenden Vizekanzler und einem ehemaligen Bundeskanzler darf ich nunmehr die dritte Würdigung über Helmut Schmidt sprechen. Das ist eine Ehre und eine Herausforderung zugleich…

Aber zum Glück ist Helmut Schmidts Lebensweg so reich, dass man auch in der dritten Rede noch etwas zu erzählen hat und nicht nur das immer Gleiche in neuen Worten variieren muss. 

Wir haben viel gehört über den Sozialdemokraten und den Bundeskanzler. Ich will Ihnen nun etwas sagen zu dem großen Hanseaten und zu dem intellektuellen politischen Pragmatiker, den wir heute zu seinem 95. Geburtstag ehren.  

Helmut Schmidt und Hamburg die beiden gehören zusammen. Zum Ende des alten Jahres hat Helmut Schmidt mit Giovanni di Lorenzo mit tiefer Zuneigung über seine Heimatstadt gesprochen. In seinen Worten war zu spüren, was den besonderen Geist unserer seit Jahrhunderten unabhängigen Republik ausmacht.

Hamburg ist die größte Stadt Europas, die nicht auch Hauptstadt eines Landes ist. Ihre Schönheit und ihre Modernität hat sie sich seit Jahrhunderten immer selbst erarbeitet.

Das prägt die Mentalität einer Stadt und natürlich auch den Geist ihrer Bürgerinnen und Bürger.

Helmut Schmidt verkörpert diesen sprichwörtlich hamburgischen Geist wie kaum ein zweiter. 

Aber er ermahnt seine Heimatstadt auch immer wieder, sich daran zu erinnern, dass sie durch Anstrengung und Fleiß, durch Kreativität und Mut zu dem geworden ist, was sie heute ist. Und dass sie es nicht verträgt, wenn wir anfangen, uns selbstzufrieden auf dem Erreichten auszuruhen. Die Schöne an der Elbe darf nicht schlafen. Hamburg wird niemals fertig sein. Das moderne Hamburg entsteht immer wieder neu.

Es sind dabei bürgerliche Tugenden wie Verantwortungsbewusstsein, Vernunft, innere Gelassenheit und Solidarität, die für Helmut Schmidt für die gute weitere Entwicklung unseres Landes und für den Zusammenhalt der Gesellschaft unerlässlich sind. 

Dieses vehemente Bekenntnis zur Ratio mag manchem etwas zu hanseatisch ernüchtert vorkommen. Gleichwohl entfaltet es eine innere Kraft, die unsere Republik seit Jahrhunderten vorantreibt. Und es mag auch ein Grund dafür sein, dass es immer auch Hamburgerinnen und Hamburger sind, die die geistigen und politischen Debatten des Landes prägen. 

Das reicht bis in ganz alltägliche Fragen hinein. Welche Autorität Helmut Schmidts nüchterne analytische Fähigkeit bis heute entfalten kann, war zuletzt während des großen Wintersturms Xaver im Dezember zu spüren. In der Stadt herrschte damals nervöse Unruhe vor der erwarteten Sturmflut. Doch am Nachmittag meldete die Bild-Zeitung online: Helmut Schmidt gibt Entwarnung.

Dazu veröffentlichte sie ein Interview in dem der Mann, dem ganz Hamburg bis heute für seinen mutigen Einsatz während der Sturmflut von 1962 dankbar ist, sagte:

Wenn es bei der jetzigen Voraussage bleibt, können die Menschen beruhigt sein. Dann wird es nicht entfernt so schlimm wie damals. 

Da spricht die prägende Mischung von Verantwortungsbewusstsein, Vernunft, innerer Gelassenheit und Solidarität aus jeder Zeile.

Und es war wie so oft: Helmut Schmidt sollte auch dieses Mal Recht behalten.

 

Meine Damen und Herren,

mir ist in der Vorbereitung zu der heutigen Veranstaltung ein altes Buch wieder in die Hände gekommen, das schon seit Jahrzehnten in meinem Bücherschrank steht, der Band Kritischer Rationalismus und Sozialdemokratie von 1975.

Das Vorwort hat Helmut Schmidt geschrieben. Und es ist hochaktuell.

Er war damals nachlesbar genervt von dem Vorwurf, dass sein Pragmatismus theorielos und ein wenig beliebig sei. Deshalb entwirft er mit knappen klaren Strichen das Bild eines politischen Pragmatismus, der zutiefst verantwortungsethisch geprägt ist. Ein Bild, das bis heute erstaunlich modern wirkt, moderner jedenfalls als manche utopische Fantasie von der endgültig gerechten Gesellschaft, die damals noch manchen Sozialdemokraten umgetrieben hat.

Schmidt bemüht Großdenker wie Kant, Weber und Popper, um Politik als pragmatisches Handeln zu sittlichen Zwecken zu beschreiben. Schon in seiner Regierungserklärung schien diese Überzeugung auf, aber es ist dieser Text, der frappierend deutlich macht, welchen Beitrag gerade das politisch verantwortliche Handeln zur geistigen Debatte des Landes beitragen kann.

Vehement besteht Schmidt darauf, dass es nicht ausreiche zu theoretisieren, sondern dass es auf konkrete Entscheidungen ankomme.

Heute heißt das in der digitalen Wirtschaft. Innovation is not about ideas it’s about execution. 

Das vergessen wir bisweilen, wenn wir uns in politischen Grundsatzdebatten allzu lange damit aufhalten, ein politisches Ziel auszumalen, ohne uns Gedanken über den Weg dorthin zu machen. Wer in die Politik geht, der muss nicht nur Recht haben wollen, sondern auch regieren und gestalten wollen.

Das Machbare machen, statt vom Wünschbaren träumen das ist die Quintessenz dieser politischen Philosophie. Sie ist so modern, weil sie Politik nicht mehr ausschließlich auf das Erreichen eines abstrakten Zieles oder das Verfolgen einer objektiven Wahrheit verpflichtet, sondern die Maxime ihres Handelns zum Maßstab macht. Angesichts der Komplexität unserer Gesellschaften und der Beschleunigung ihres Wandels ist Politik in der Tat klug beraten, wenn sie sich darum bemüht, sich in ihrem Vollzug selbst treu zu bleiben.

Das ist weniger spektakulär als das markige Versprechen und es trägt weniger unmittelbare Zustimmung ein. Aber es ist im besten Sinne Grundlage für nachhaltiges Vertrauen. Auch deshalb ist Helmut Schmidt über 30 Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Kanzleramt solch ein bedeutender politischer Lehrer. 

Eine offene moderne Gesellschaft verträgt keine dogmatischen Positionen, keinen Purismus, keine Alleinvertretungsansprüche. Was uns bleibt, ist deshalb nur der Kampf der Argumente, schreibt Schmidt, und die Vermutung, daß dort die besten Lösungen gefunden werden, wo sich die Argumente am freiesten bewegen können. 

Eine offene Gesellschaft braucht daher pragmatische Politikerinnen und Politiker. Keine beliebigen, sondern solche, die wissen, was sie wollen, und die abwägen, was sie einsetzen können, um es zu erreichen.

Politiker, die wissen, dass Verbesserungen nur schrittweise zu erreichen sind.

 

Meine Damen und Herren,

wie sehr sich Helmut Schmidt in diesen Überzeugungen selbst treu geblieben ist, lässt sich seinen Büchern, Texten und Debattenbeiträgen immer wieder aufs Neue entnehmen.

Die Rolle als Herausgeber der ZEIT dürfen wir als Geschenk begreifen, weil sie dem elder statesman die Gelegenheit gibt, sich regelmäßig am öffentlichen Gespräch zu beteiligen.

Insbesondere der klare weltpolitische Blick beeindruckt. Für uns in Hamburg aber letztlich auch für Deutschland und Europa ist dabei vor allem die Hinwendung zu Asien im Allgemeinen und China im Besonderen eine wesentliche Herausforderung. Nirgendwo sonst können wir besser ablesen, wie es um die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und Asien bestellt ist, als hier im Hamburger Hafen. Und kein einzelnes Land ist dabei bedeutsamer als China.

Deshalb haben wir ein großes Interesse an einer weiteren respektvollen Vertiefung der Beziehungen und sehen Hamburg in der Zukunft als die Schnittstelle zwischen zwei der größten und bedeutendsten Exportnationen der Welt. Ich freue mich, dass dieses hochaktuelle und zugleich ganz handfest pragmatische Thema gleich in der Runde diskutiert werden wird.

 

Lieber Helmut Schmidt,

ich freue mich zutiefst, dass wir Sie als unseren Ehrenbürger heute erneut ehren dürfen. Ich weiß, dass Sie solche Anlässe eher ertragen als genießen. Aber Sie wissen eben auch, dass das zu den Pflichten eines verdienten Staatsmannes gehört. Ich will es daher auch ganz kurz machen.

Ich bin dankbar dafür, dass ich das Privileg habe, die wenigen Meter ins Pressehaus gehen zu können, um Sie um Rat zu fragen und mit ihnen über Hamburg, Deutschland und Europa zu räsonieren. Ihr Büro verlässt man immer ein wenig aufgeklärter und auch im guten Sinne abgeklärter.

Ich wünsche mir, dass Sie uns und unserer Öffentlichkeit noch lange so agil und streitbar erhalten bleiben. Und ich spreche für die Bürgerinnen und Bürger Ihrer Heimatstadt, wenn ich sage: Hamburg verneigt sich vor Ihrem Lebensweg und vor Ihrem Lebenswerk.

Sie haben sich nicht nur, aber eben auch immer wieder um Hamburg verdient gemacht. Wir sagen Dank dafür, dass Sie die Welt im Blick haben, aber eben stets auch Hamburg im Herzen.

Schönen  Dank!

 

Es gilt das gesprochene Wort.