arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

02.11.2011

Grußwort zur Road Show 50 Jahre ZDF

Sehr geehrter Herr Dr. Bellut,
sehr geehrte Frau Hansen,
sehr geehrte Präsidentin der hamburgischen
   Bürgerschaft,
meine Damen und Herren,

wenn man als Politiker gebeten wird, eine Rede über das Fernsehen zu halten, dann hat man die Wahl zwischen zwei Reden, die jeweils schon hundertmal gehalten worden sind. Natürlich mit einem originellen, jeweils neuen Intro versehen:

Da ist zum einen die medienkritische Rede. Dann geißelt man mit fester Stimme und besorgter Miene den Zustand der Öffentlichkeit im Allgemeinen und des Mediums im Besonderen.

Gern genommene Belege sind eigene Erfahrungen mit Journalisten, die Daily Talkshows, die Soaps, neuerdings die so genannten scripted reality Formate und natürlich immer wieder Neil Postmans These, dass wir uns alle bald sowieso zu Tode amüsieren werden.

Diese Prognose ist zwar nur halb so alt wie das ZDF, hat damit aber auch schon ein Vierteljahrhundert hinter sich. Und ins Grab gelacht hat sich vor allem beim Fernsehen - auch noch niemand. Sie merken bereits: Bei aller Kritik am Fernsehen, die ich partiell teile, überlasse ich die fundamentalen Analysen lieber den Bundes- und Bundestagspräsidenten.

Die zweite Politikerrede zum Fernsehen ist als Gattung noch nicht ganz so alt, dafür aber aktuell noch häufiger anzutreffen. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihr Thema relativ schnell verlässt und dann mehr von der Digitalisierung, vom Internet und von den neuen social media-Angeboten handelt. Strikt nach dem Motto: Alles andere ob Zeitung, Radio oder Fernsehen ist doch eh von gestern. Wir sind alle online vernetzt. Das ist die Zukunft.

Je nach Laune des Redners kann man daraus dann entweder ein hübsches Untergangsszenario oder ein noch hübscheres mediales Utopia ableiten. Aber auch das ist mir hier und heute zu einfach.

 

Meine Damen und Herren,

ich bin der Meinung, dass es sich die Politik nicht einfach machen darf, wenn sie sich mit den Medien befasst. Die Medienwirklichkeit ist komplex und jede Medienpolitik, die diese komplexe Wirklichkeit in einfache Formeln pressen will, wird zwar Beifall bekommen, nicht aber ihrem Gegenstand gerecht werden.

Ich will nur einige beispielhafte Schlaglichter auf die Paradoxien werfen, die unsere Medienlandschaft heute ausmachen:

Wenn neue Medien entstehen und sich durchsetzen, dann verschwinden die alten nicht.

Wenn mit Medieninhalten Geld verdient werden muss, dann führt das nicht zwangsläufig zur Verflachung, sondern kann dabei helfen, demokratisch notwendige Reichweite zu bekommen.

Wenn sich in den Daily Talks zwielichtige Gestalten verbal den Kopf einschlagen, dann lernen die Zuschauer tatsächlich Toleranz.

Wenn die Einschaltquoten im Trash-Fernsehen hochgehen, dann sind’s nicht selten die Akademiker, die angeschaltet haben.

Und wenn die hochwertige Nachrichtensendung vorbei ist, dann fühlen sich zwar alle gut informiert, haben aber vielfach die zweite und dritte Meldung schon wieder vergessen.

Was heißt das alles?

Zunächst einmal, dass das Fernsehen eben weder der Untergang des Abendlandes ist, noch selber untergeht. Das Fernsehen ist, wie es ist. Bunt, widersprüchlich und manchmal interessant.

Das Fernsehen betreibt die Wiederverzauberung unserer Welt ebenso wie es die letzten Winkel illusionärer Resthoffnungen leer fegt. Es kommt auf uns an, was wir als Gesellschaft aus diesem Medium machen wollen.

Das Fernsehen ist nach wie vor das kulturelle Forum unserer Gesellschaft. Was nicht gesellschaftlich hineingelegt worden ist, kann auch nicht herausgenommen werden. Man könnte auch sagen: Jede Gesellschaft hat das Fernsehprogramm, das sie verdient und das sie einschaltet.

Trotz aller neuen Medienangebote beschäftigen sich die Deutschen täglich im Schnitt beinahe vier Stunden mit Fernsehen. Und auch wenn mittlerweile vielfach das Gerät als Hintergrundrauschen mitläuft, so sollten wir das Ziel nicht aufgeben, diese Zeit mit Sinnhaftem zu füllen.

 

Meine Damen und Herren,

Sie feiern mit dieser Veranstaltung ja eigentlich eher die in-vitro-Zeugung des ZDF im Jahr 1961 und weniger die Geburt des Programms im Jahr 1963.

Sie geben mir damit Gelegenheit, kurz an die Umstände der Programmgründung zu erinnern, der ja letztlich ein deutliches Urteil des Verfassungsgerichts vorausging, das die Adenauerschen Pläne vom Staatsfernsehen klar abschmetterte.

Offensichtlich eignet sich das ZDF dazu, medienpolitische Grundsatzfragen zu klären so wie aktuell vor dem Bundesverfassungsgericht die Bedeutung der Staatsferne in der Gremienbesetzung.

Hier ist eine Klärung nötig, damit wir die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Systems dauerhaft auf eine sichere Basis stellen können. Das wäre aus meiner Sicht übrigens ein schönes Geschenk zum 50. an das ZDF.

Ich selber bin ja drei Jahre älter als das ZDF und zu meinem 50. Geburtstag hat der Philosoph Volker Gerhardt eine Rede über Arbeit gehalten. In der gab es einen Satz, der auch heute sehr schön auf das ZDF passt:

Wer wirklich arbeitet, fuchtelt nicht einfach herum und schuftet auch nicht einfach drauflos, sondern er hat sich zusammen zu nehmen, um mit konzentriertem Einsatz das zu erreichen, was ihm (und zugleich auch anderen) wichtig ist.

Wer sich in unserer bisweilen hektischen Mediendemokratie umschaut, der wird die Parallelen zum ZDF da schnell erkennen können.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sorgt dafür, dass auf unserem kulturellen Forum Fernsehen nicht den ganzen Tag nur Jahrmarkt veranstaltet wird, sondern Information, Bildung und Unterhaltung zusammenkommen.

Er verfügt dafür immer noch über besondere Ressourcen und definiert einen Qualitätswettbewerb, dem sich auch die kommerziellen Anbieter im Ringen um Zuschauer stellen müssen.

Das ZDF hat in den vergangenen 50 Jahren immer wieder gezeigt, wozu das Fernsehen fähig ist, was es leisten kann. Dafür gebührt ihm der Dank der Zuschauer verbunden mit der Erwartung, da auch künftig nicht locker zu lassen.

Solange unsere Fernsehmacher so viel Weitblick besitzen, dass sie sich davon nicht verabschieden,
solange sie weder rumfuchteln noch drauflos schuften,
solange sie weiterhin ordentlich ihre Arbeit machen,
solange ist mir weder um unsere Gesellschaft noch um das Fernsehen bange.

 

Und um noch etwas ist mir auch nicht bange: um den Medienstandort  Hamburg, den zum Beispiel und zu unserem Stolz ein ZDF-Landesstudio ziert. Dieser Satz würde natürlich in beide eingangs erwähnten Redevarianten hineingehören. Ich sage ihn aber aus Überzeugung und von Herzen und sehe mit Zuversicht in die kommenden Jahrzehnte einer kritischen Partnerschaft ZDF/Hamburg.    

Schönen Dank!


 

Es gilt das gesprochene Wort.