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01.11.2011

Rede auf dem 20. Hamburger Immobilientreff

Rede auf dem 20. Hamburger Immobilientreff

 

Sehr geehrter Herr Präses Melsheimer,

sehr geehrter Herr Dr. Reutter,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

vielen Dank für die Einladung zum Hamburger Immobilientreff und natürlich sage ich gern etwas zum aktuellen Stand der Hamburger Wohnungsbaupolitik.

 

Das Thema findet in diesen Tagen große Aufmerksamkeit und wird auch in den Medien intensiv bearbeitet. Es gibt eine Menge Diskussionsbedarf.

 

Wir alle haben die Bilder von den langen Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen vor Augen. Und mancher kennt sie nicht nur aus dem Fernsehen, sondern leider auch aus eigener Anschauung. Im Rathaus gehen Anrufe und Briefe Wohnungssuchender ein. Wo auch immer Sie in Hamburg hinkommen, auf jeder Party, auf jedem Empfang, bei jedem Abendessen mit Freunden, können Sie ein Gespräch zum Thema Wohnungssuche beginnen. Ich garantiere Ihnen: Sie werden stets mehrere entnervte Gesprächspartner finden. Wer eine Wohnung sucht, muss manchmal richtiggehende Bewerbungen schreiben und bei Besichtigungen mit unzähligen Konkurrenten rechnen.

 

Hamburg hat in den letzten Jahren zu wenige Wohnungen gebaut und was wir jetzt einfahren, ist die erwartungsgemäß schlechte Ernte, nachdem das Feld nicht bestellt wurde. Da wurde von der wachsenden Stadt gesprochen und die Stadt ist auch gewachsen nur Wohnungen für all die neuen Hamburgerinnen und Hamburger sind nicht ausreichend entstanden.

 

Die Aufmerksamkeit für dieses Thema hat seit voriger Woche noch zugenommen. Da wurde der 31. Oktober, also gestern, als der Tag ausgemacht, an dem der siebenmilliardste Erdbewohner geboren werden sollte. Deutschland hingegen wurde nicht überraschend in zwei Studien ein weiteres Schrumpfen der Bevölkerungszahl vorhergesagt, um 15 bis 20 Prozent bis 2050, bei gleichzeitiger drastischer Veränderung des Altersaufbaus.

 

Das sind für sich genommen schon Entwicklungen, die, so gegenläufig sie sind, uns Sorgen machen müssen und Antworten verlangen. Aber unser heutiges Thema ist Hamburg. Und Hamburgs Einwohnerentwicklung macht mir überhaupt keine Sorgen grundsätzlicher Art, im Gegenteil.

 

Eine Zunahme von gut sieben Prozent auf 1,9 Millionen Hamburgerinnen und Hamburger im Jahr 2030, so lautet die Prognose der Bertelsmann-Stiftung. Das stimmt mich optimistisch. Vielleicht erreicht Hamburg diese Zahl sogar noch schneller. Es zeugt von der Attraktivität unserer Stadt. Und wirtschaftlich wie auch kulturell werden uns hunderttausend Neubürger gut tun.

 

Wir müssen ihnen nur auch angemessenen Wohnraum anbieten können, angemessen im Sinne von Qualität ebenso wie Erschwinglichkeit. Und da sind wir bei der ordentlich großen Aufgabe, vor der wir stehen, denn zurzeit reicht das Angebot ja nicht einmal für die jetzigen Bewohner aus. Es ist zu gering, vielfach zu teuer und entspricht nicht der konkreten Nachfrage.

 

Morgen wird der neue Mietenspiegel veröffentlicht. Er wird die Situation angemessen darstellen und allen zurückspiegeln, was zu tun ist. Auch ohne die genauen Zahlen des neuen Mietenspiegels zu kennen, spürt jeder, dass die Mieten in unserer Stadt in den letzten Jahren stark gestiegen sind.

 

Hohe Preise signalisieren Knappheit. Viele wollen in Hamburg wohnen. Hamburg ist also attraktiv. Gleichzeitig leidet die Attraktivität unserer Stadt dadurch, dass es nicht ausreichend Wohnraum gibt. Ein Paradoxon. Das ist übrigens auch schlecht für die Wirtschaft, denn wie sollen Betriebe die besten Köpfe anlocken, wenn dringend benötigte Fachkräfte und ihre Familien nicht leicht ein passendes Zuhause finden? Ich finde, wir sollten das Paradoxon lösen: durch mehr Wohnungen und nicht durch weniger Mieter.

 

Der jetzige Senat hat sich die Zielmarke 6.000 neuen Wohnungen pro Jahr gesetzt. Das ist mir persönlich eines der wichtigsten Anliegen. 6.000 Wohnungen zum Teil öffentlich gefördert, zum größeren Teil privat gebaut. Daran halten wir fest. Wir wollen wieder 2000 geförderte Mietwohnungen pro Jahr bauen und dabei auch ein Segment für Haushalte mit mittlerem Einkommen schaffen. Eine Stadt wie Hamburg wird und muss es schaffen, den Menschen, die in Hamburg leben und arbeiten wollen auch eine Wohnung zu geben.

Der Senat ist aber keine Baufirma. 6.000 neue Wohnungen pro Jahr, das kann ausschließlich als große Gemeinschaftsleistung gelingen.

 

Wir müssen Blockaden auflösen und die notwendigen Entscheidungen treffen. Das wollen wir gemeinsam mit Ihnen angehen!

 

Wenn jeder seinen Teil dazu beiträgt, dann werden wir gemeinsam erfolgreich sein.

 

Dafür muss jeder seine Job machen. Wir brauchen Ihre Marktkenntnis und Ihre Investitionsbereitschaft.

 

Unser Wohnungsunternehmen SAGA-GWG wird mitmachen. Es wird jährlich mit dem Bau von 1.000 neuen Wohnungen beginnen.

 

Die Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt wird eine attraktive Förderung bereitstellen. Damit werden auch die Wohnungen für Bezieher mittlerer Einkommen gefördert. Das neue Förderprogramm ist auf Haushalte ausgerichtet, die trotz eines ordentlichen eigenen Einkommens auf dem Wohnungsmarkt Schwierigkeiten haben, ein bezahlbares Wohnungsangebot zu finden. Das ist mit dem Zweiten Förderweg in der Mietwohnungs Neubauförderung gemeint.

 

Schon ab diesem Jahr können 800 zusätzliche Wohneinheiten hieraus bei der Wohnungsbaukreditanstalt beantragt und gefördert werden.

 

Die Besonderheit ist, dass die Einkommensgrenze in diesem Zweiten Förderweg plus 60 Prozent betragen wird, gegenüber plus 30 Prozent im Ersten Förderweg. Dies soll dort gelten, wo ein überdurchschnittliches Mietniveau herrscht.

 

Die Stadt wird ihre Flächen einbringen und zwar zu vernünftigen Preisen.

Die Bezirke sind natürlich mit von der Partie und sorgen für schnelle Planung und Genehmigung. Der Vertrag für Hamburg ist unterschrieben. In ihm verpflichten sich alle Bezirke, dass es vom Antrag bis zur Genehmigung nicht länger als ein halbes Jahr dauern soll.

 

Jeden Monat berichten die Bezirke, wie viele neue Wohnungen sie genehmigt haben. Möglicherweise bereits in diesem Jahr werden die Bezirke Baugenehmigungen für insgesamt 6.000 erteilen. Besonders wichtig sind auch die bezirklichen Wohnungsbauprogramme, von denen die ersten im Entwurf vorliegen. Gemeint ist, dass erstmals alle sieben Bezirke geeignete Flächen benennen müssen. Auch einige Wohnungsbaukonferenzen der Bezirke sind bereits terminiert.

 

So muss es sein, denn Wohnungsbaupolitik wird dort, wo es konkret wird, von den Bezirken gemacht. Den Rahmen gibt der Senat vor. Zum Ende des Jahres werden alle sieben Programme dieser Art von den bezirklichen Gremien beschlossen sein.

 

Meine Damen und Herren,

 

 

wir müssen Hand in Hand arbeiten. Abhilfe schaffen lässt sich nur, indem man sehr zügig sehr konkrete Pläne für mehr Wohnungen nicht nur ausheckt, sondern auch in der Weise konkretisiert, dass sich der Teufel gar nicht erst im Detail einnisten kann. Indem man also festlegt: Wie viele Wohnungen müssen in welchem Zeitraum neu entstehen, wo sollen sie entstehen, und wer ist jetzt womit beauftragt?

 

Das hat etwas mit dem klaren Abstecken von Verantwortlichkeiten zu tun.

Danke, dass Sie die Immobilienwirtschaft beim Pakt für das Wohnen mitziehen. Es war mein Ziel, dass wir die Fragen Wohnungsneubau, Klimaschutz durch CO2-Einsparung, soziale Angebote für Wohnungsnotfälle und architektonisch-kulturelle Aspekte klug in einem Pakt oder, wie wir jetzt sagen, Bündnis miteinander verbinden. Die zuständigen Behörden sollten ihre Ideen und Anforderungen bündeln und abstimmen,

damit für alle Klarheit über den künftigen Kurs herrscht.

 

Meine Damen und Herren,

 

 

weitere Vorhaben des Senats sind, je nachdem, mittel- oder auch längerfristig angelegt. Ich will mal einige umreißen:

 

Wir müssen nicht nur bauen, sondern auch dem zu beobachtenden Leerstand von Wohnungen entgegenwirken. Daran arbeiten wir.

 

Wir werden ein aktives und strategisches Flächenmanagement einrichten, mit dem die Stadt entwicklungsbedürftige Flächen schneller kauft, attraktiv entwickelt und dann auch zügig wieder verkauft.

 

Mit dem Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung wollen wir gezielt die

Lebensqualität in weniger nachgefragten Stadtteilen verbessern.

 

Neben geeigneten Flächen für den Wohnungsbau braucht Hamburg natürlich auch ein gutes Angebot an Gewerbe- und Industrieflächen. Zu unseren Aufgaben gehört daher sowohl die Sicherung der Bestandsflächen als auch die Ausweisung neuer Flächen. Die Bezirke werden dazu im nächsten Jahr alle verfügbaren Gewerbeflächen einer qualitativen Bewertung unterziehen und jeweils bezirkliche Gewerbeflächenkonzepte entwickeln. Ziel dieser Gewerbeflächenkonzepte ist, dass wir Unternehmen und Investoren ständig ein marktfähiges Portfolio an verfügbaren Gewerbeflächen vorlegen können.

 

Meine Damen und Herren,

 

 

all dies und mehr sind Ziele, die innerhalb der Stadtgrenzen verwirklicht werden müssen. Künftig 1,9 Millionen Hamburgerinnen und Hamburger vielleicht auch mehr - brauchen Platz und der ist in Hamburg begrenzt. Bezahlbaren Wohnraum zu angemessenen Bedingungen kann man nicht allein dadurch schaffen, dass man in der Fläche soweit vorhanden weitere neue Baugebiete erschließt, die den bereits bestehenden in allem ähneln, vor allem in ihrer Begrenztheit auf zwei, seltener drei Stockwerke.

 

Abgesehen davon, dass Hamburg eine grüne Stadt bleiben muss, Naherholungsgebiete sowieso tabu sind, und die Grenzen sich nicht ausdehnen lassen: Mit Nachverdichtung darf nicht nur gemeint sein, dass die letzten noch bestehenden Baulücken geschlossen werden.

 

Ich glaube, wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, hier und da wieder höher zu bauen. Hamburg verträgt das. Berlins Fläche ist um knapp ein Fünftel größer als die Hamburgs. Berlins Einwohnerzahl liegt aber um mehr als 90 Prozent über unserer. Ist Berlin eine Steinwüste? Stehen sich in Berlin alle auf den Füßen? Nach meinem Eindruck ist das nicht der Fall.

 

Große Städte sind nicht statisch, sagt Edward Glaeser, Ökonomieprofessor aus Harvard in seinem Buch Triumph of the City. Er fährt fort: Städte können nicht mit neuen Gebäuden den Wandel forcieren, aber wenn es Wandel gibt, kann die richtige Art zu bauen diesem Prozess helfen.

 

Hamburg hat es sich noch nie leisten können, statisch zu sein, und ist immer bestraft worden, wenn es zu statisch wurde. Und nicht rechtzeitig der Weckruf kam, dass die schlafende Schöne aufwachen möge. Damit waren diverse Struktur- und andere Probleme gemeint. Dieses hier, der fehlende Wohnraum und der fehlende Platz für Wohnraum, ist auch eines.

 

Übrigens Glaesers Thesen zu den great Cities, die ich bedenkenswert finde,  laufen darauf hinaus, dass die Menschen in der Stadt dichter beieinander wohnen, leben und arbeiten und dass gerade dadurch die Städte zu Metropolen des Fortschritts werden.

 

Unter anderem, weil sich die Städter das leisten können. Weil Wohn- und Arbeitsraum ausreichend vorhanden und dadurch bezahlbar ist. Und nicht nur nebenbei: ökologischer ist es auch, wenn weniger Transport und weniger Energieverbrauch anfallen.

 

Ich frage mich, ob man nicht auch bei uns von manchem Quartier einigen Druck wegnehmen könnte, und das Schreckgespenst der Gentrifizierung zähmen, wenn man für ausreichend bezahlbaren Wohnraum sorgt.

 

Da gibt es natürlich tausend Wenns und Abers, über die sich die vielen klugen Köpfe, die wir haben, dann Gedanken machen müssen. Aber wir müssen das Problem lösen, wie wir eine wachsende Stadt auch tatsächlich sein können, statt dass es nur eine vage Verheißung ist, deren Einlösung an fehlenden Wohnungen scheitert.

 

Es wird auch Widerstände geben. Und zwar, glaube ich, nicht so sehr gegen eine etwas höhere Bauweise. Eher sind es konkrete Bebauungspläne und der Verlauf künftiger Erschließungsstraßen, mit denen die Bürgerinnen und Bürger vor Ort nicht immer und ohne weiteres einverstanden sind. Das ist normal und eigene Interessen zu verfolgen ist legitim. Doch das Prinzip Not in My Back Yard ist keines, das geeignet scheint, um eine great city zu werden.

 

Meine Damen und Herren,

 

 

das aber wollen und werden wir sein. Wir sollten uns daran erinnern, dass es inspirierend und ermutigend ist, in einer Stadt zu wohnen. Es ist nicht immer einfach, in einer großen Stadt zu leben, und doch sehen wir jeden Tag, wie mehr Menschen in der Stadt, in Hamburg, leben wollen. Das ist eigentlich die schönste Auszeichnung, die sich eine Stadt wünschen kann. Wir sollten diese vielen hoffnungsvollen Bürgerinnen und Bürger nicht enttäuschen, sondern uns gemeinsam an die Arbeit machen, damit sie hier ein Zuhause finden können.

 

Schönen Dank.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.