Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Wenn es in London anfängt zu nieseln, dann spannt der Hamburger den Regenschirm auf so sagte man früher, um auszudrücken, dass Hamburg Deutschlands englischste Stadt ist und traditionell im Blick hat, was dort geschieht.
Dabei dreht es sich auch um ernstere Dinge als das Wetter, denn England und Deutschland sind Länder, in denen traditionell die Frage sehr intensiv diskutiert wird, wo die sozialen Aufgaben des Staates beginnen und enden; wie der Dreiklang von Freiheit, sozialer Gerechtigkeit und Solidarität klingen sollte. Die Antworten sind nicht immer die gleichen, aber zu einer Politik, die den Zusammenhalt und die Lebensqualität in der Stadt als entscheidend begreift, versuchen wir auf beiden Seiten des Kanals zu finden.
Ich bin darauf wieder gekommen, als mir eine vielbeachtete Rede auffiel, die Mark Carney im vergangenen Jahr gehalten hat, der Gouverneur der Bank of England. Die Rede schlug sich nicht nur in den britischen Zeitungen vom Telegraph bis zum Guardian nieder, sondern auch auf der anderen Seite des Atlantiks in Zeitungen wie der New York Times.
Die Rede in der Guildhall im Herzen der City stellte einen Begriff in den Mittelpunkt: Sozialkapital.
Beim ersten Hören mag man stutzen oder zusammenzucken, denn das Wort klingt kalt und irgendwie nach zwei Begriffen, die nicht zusammenpasen. Carney hat es aber so definiert: als die Verbindungen und geteilten Werte und Glaubensvorstellungen in einer Gesellschaft, welche den Einzelnen dazu ermutigen, Verantwortung nicht nur für sich selbst und die eigene Familie zu übernehmen, sondern auch einander zu vertrauen und gemeinschaftlich daran zu arbeiten, einander zu unterstützen.
So versteht man es schon, denn das ist eine Vorstellung, die sich seit Jahrhunderten auch in der Geschichte und Tradition Hamburgs widerspiegelt.
Bürgersinn, ein Stolz, der frei ist von Überheblichkeit, und das Vertrauen auf die eigenen Kräfte sind hier immer sehr ausgeprägt gewesen und werden bis heute besonders eindrucksvoll sichtbar im Bereich des ehrenamtlichen Engagements.
Hanseatinnen und Hanseaten würdigen das, gerade auch weil sie wissen: Im Alltag bedeutet Ehrenamt oft viel Amt und wenig Ehre.
Am heutigen Tag mit der Verleihung der Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes soll es anders sein.
Der Senat möchte Sie, die Sie sich durch ein langjähriges, freiwilliges Engagement zum Wohle der Stadt auszeichnen, nun Ihrerseits öffentlich auszeichnen.
Über die Bandbreite Ihrer Aktivitäten muss ich Ihnen nichts erzählen. Sie ist beeindruckend:
- ob es um die Beratung von Frauen, Familien und Schwangeren geht
- oder um ehrenamtliche Richtertätigkeit;
- ob es die Arbeit im Prüfungsausschuss für Medizinische Fachangestellte ist
- oder im Bildungswerk des Deutschen Hausfrauen-Bundes;
- ob es sich um eine Tätigkeit in der Suchtgefährdetenhilfe handelt
- oder um Unterstützung von Flüchtlingen
um nur einige wenige Beispiele zu nennen.
Sie alle haben durch Ihren jahrzehntelangen Einsatz unter Beweis gestellt, dass Ihnen Ihre Stadt und Ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger am Herzen liegen. Und die von Mark Carney hervorgehobene Bedeutung des Sozialkapitals ob einem das Wort nun wirklich gefällt oder nicht drückt etwas aus, das Sie alle aktiv leben.
Und dies ist eine große Bereicherung des Lebens in unserer Stadt. Hamburg wäre schwächer ohne diesen Bürgersinn, diese starke Eigeninitiative und Ihr Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwesen.
Deshalb möchte ich Ihnen allen im Namen des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg unseren Dank und unsere Anerkennung aussprechen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie in Ihrem Engagement nicht nachließen: Hamburg braucht Sie!
Und es wäre schön, wenn Sie durch Ihr Engagement und durch den positiven Unterschied, den Sie alle machen, auch andere im Freundes- und Bekanntenkreis inspirieren würden: Ehrenamt ist für eine Stadt das, was für den Einzelnen die Freundschaft ist: Davon kann man nie genug haben.
Noch einmal vielen Dank für Ihren Einsatz und Ihnen allen meinen herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung mit der Senatsmedaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes in Bronze.
Es gilt das gesprochene Wort.