Gute Arbeit unser Anliegen
Rede anlässlich des Empfangs von Bischof Karl Kardinal Lehmann in Mainz
Sehr geehrter Herr Kardinal,
sehr geehrte Frau Reidt,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Arbeit ist mehr als nur Broterwerb, mehr als nur materielle Bedingung unserer Existenz, das wissen wir alle. Arbeit ist Leistung. Sie fordert Anstrengung, sie braucht Übung und Ausdauer. Arbeit, gute Arbeit vor allem, kann ausfüllen und bereichern, sie stiftet Sinn und ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben das ist die eine, die individuelle Seite der Medaille. Arbeit verbindet uns, schafft gemeinsame Werte und ist Quelle unseres Wohlstands. Sie lehrt uns, dass wir gemeinsam mehr schaffen können, als jeder für sich alleine das ist die andere Seite, die vor allem auch die Gemeinschaft stiftende Funktion der Arbeit erkennen lässt. Dass Menschen von jeher mit und durch Arbeit leben, ist eine auch in den Religionen tief verwurzelte Erkenntnis.
Der Mensch, so heißt es in der 1981 veröffentlichen Enzyklika Laborem exercens von Papst Johannes Paul II., ist von seinem Ursprung her zur Arbeit berufen. Arbeit gehört zur Schöpfung, zum Wesen des Menschen als Abbild des Schöpfers. Über Jahrhunderte allerdings galt Arbeit vorrangig als Mühe und Qual, auch als göttliche Strafe und Fluch, als Sinnbild der Vertreibung aus dem Paradies.
Arbeit nicht mehr abzuqualifizieren, sondern als wichtige Aufgabe, ja sogar als Grundlage aller Kultur zu begreifen, ist ein spezifisch neuzeitlicher Gedanke. Martin Luther darauf darf ich sicher auch bei einem katholischen Empfang verweisen erkannte in der Arbeit einen Gottesdienst.
Aber erst im Zeitalter der bürgerlichen Aufklärung und der aufstrebenden Nationalökonomien setzte sich die positive Sichtweise endgültig durch, der wir im Allgemeinen auch heute noch unsere Zustimmung geben können. Seither gilt Arbeit als Quelle des Wohlstands und der Zivilität, als Kern menschlicher Existenz und Selbstverwirklichung, als Inbegriff menschlicher Naturbeherrschung und Basis tugendhaften Zusammenlebens.
Das führt hin zum Begriff des Arbeitsethos, den Max Weber als das Streben beschreibt, seine Arbeit so zu tun, als ob sie absoluter Selbstzweck Beruf wäre. Ihm verdanken wir den dahinter stehenden Gedanken: die Schätzung der Pflichterfüllung innerhalb der weltlichen Berufe als des höchsten Inhaltes, den die sittliche Selbstbetätigung überhaupt annehmen könne.
Erwerbsarbeit setzte sich als Norm auch deshalb so eindeutig durch, weil sie erstens wirtschaftliche Effizienz garantiert, zweitens zugleich persönliche Freiheit ermöglicht, sich drittens aber auch unter Gesichtspunkten der Gerechtigkeit als überlegen erwiesen hat.
Schließlich gilt: Wer durch eigene Arbeitskraft und das eigene Können zu Erfolgen kommt, erfährt soziale Anerkennung, Bestätigung und Wertschätzung durch andere, die anders schwer zu finden ist.
Diese Gründe, die die Erwerbsarbeit historisch so überlegen gemacht haben, sind heute in keiner Weise obsolet.
Richtig ist zweifellos: Erwerbsarbeit wird elastischer, Arbeitsverhältnisse werden flexibler gestaltet, die Fragmentierung von Erwerbsbiografien schreitet voran. Das verlangt nach neuen Formen der Arbeit, beispielweise nach der Verknüpfung von Erwerbsarbeit mit anderen Tätigkeiten, gibt aber auch Raum für neue Chancen zum Beispiel zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Die Rede vom Ende der Arbeit führt jedenfalls in die Irre. Die Arbeit geht uns nicht aus auch in der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise nicht. Im vergangenen Jahr so hat es das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ermittelt wurden in Deutschland rund 58 Milliarden Arbeitsstunden geleistet so viele wie nie zuvor. Und Deutschland bestätigte damit nur einen Trend, der weltweit zu beobachten ist.
Natürlich ist das aktuelle Angebot an Arbeitsplätzen gerade in Zeiten zunehmender globaler Verflechtung den Schwankungen der Weltkonjunktur unterworfen, wir erfahren das derzeit mit bislang ungeahnter Vehemenz am Fortbestand unser auf Erwerbsarbeit gegründeten Gesellschaften ändert das aber nichts. Und natürlich erleichtert der technische Fortschritt Arbeit, bisweilen erspart er einzelne Arbeiten auch ganz.
Doch ist Arbeit zugleich die Voraussetzung für Technik. Und deren Folge, da Technik auch immer neue Arbeiten schafft. Globalisierung, wissenschaftlicher Fortschritt und neue Technologien verändern also die Bedingungen von Arbeit, die Arbeit selbst bleibt uns aber erhalten. Menschen werden sich auch in Zukunft anstrengen und etwas leisten müssen und können.
Für den einen und anderen Utopisten mag es verlockend erscheinen, von einer arbeitsfreien Gesellschaft zu träumen. Die wirklichen Lebensverhältnisse der Bürgerinnen und Bürger, ihre Erfahrungen, Hoffnungen und Ängste, sprechen eine ganz andere Sprache. Umfragen zeigen uns immer wieder, dass das Thema Arbeit als das bei Weitem wichtigste Handlungsfeld der Politik eingeschätzt wird. Für die meisten Bürgerinnen und Bürger besteht ein sehr enger, kaum trennbarer Zusammenhang zwischen Würde und Arbeit, über deren Anerkennung sich auch in unserer Konsumgesellschaft nach wie vor Identität und Selbstwertgefühl vermitteln.
Immer wieder höre und lese ich zum Beispiel auch in seriösen Zeitungen Sätze wie diese:
So mancher Geringverdiener steht schlechter da als ein Langzeitarbeitsloser, so dass er sich die Frage gefallen lassen muss, warum er so dumm ist, überhaupt zu arbeiten. Das ist infam, weil es unterstellt, dass man vernünftigerweise eine Arbeit ausschließlich des Geldes wegen anstreben könne, dass man dumm sei, wenn man anders handele und der Arbeit einen Wert zumesse, der über das Materielle hinausreicht.
Gerade in Deutschland gilt: Wir definieren uns noch immer vorrangig über das, was wir tun. Und wir sehen immer noch unsere Arbeit nicht nur als Job, sondern als Beruf. Ein großer Teil unseres ökonomischen Erfolges beruht darauf, dass wir unsere Arbeit gut machen wollen. Auch weil das so ist, ist und bleibt die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vor allem der langen Arbeitslosigkeit eine zentrale Herausforderung unserer Gesellschaft.
Arbeitslosigkeit grenzt aus und verletzt die Menschenwürde, Langzeitarbeitslosigkeit nimmt Lebensmut und vernichtet Lebensperspektiven. Darum darf eine demokratische Marktwirtschaft das Ziel der Vollbeschäftigung nie aufgeben.
Vorübergehende Arbeitslosigkeit wird sich nie ganz vermeiden lassen. Aber wenn wir erreichen, dass niemand länger als ein Jahr nach Arbeit suchen muss, haben wir der Arbeitslosigkeit viel von ihrem Schrecken genommen, der ja auch darauf beruht, dass die Hoffnung auf eine Besserung ihrer Lage bei vielen nicht da ist.
Seit Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger Jahre ist in Deutschland die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die dauerhaft ohne Arbeit sind, kontinuierlich gewachsen. Wurde an der Schwelle von den Sechzigern zu den Siebzigern die Arbeitslosigkeit von wenigen hunderttausend Bürgerinnen und Bürgern als dramatisches Problem empfunden, hat sich seither ein großer Teil der politischen Eliten mit der Unveränderlichkeit millionenfacher Arbeitslosigkeit abgefunden. Das ist zynisch. Nicht zuletzt durch die Arbeitsmarktreformen vom Anfang dieses Jahrzehnts ist eine Trendwende gelungen. Die Zahl der Arbeitslosen sank von über fünf auf unter drei Millionen.
Die weltweite Finanzkrise hat diesen Trend vorerst jäh gestoppt. Seit Beginn dieses Jahres steigt die konjunkturell bedingte Arbeitslosigkeit. Gegen diese Form der Arbeitslosigkeit kämpfen wir jetzt mit der Kurzarbeit. Und zwar auf eine Weise, wie das noch nie zuvor geschehen ist: Denn wir haben die Entscheidung über die Ausweitung der Kurzarbeit bereits am Beginn der wirtschaftlichen Talfahrt getroffen und nicht erst, als die Krise schon im Gange war. Wir haben die Förderdauer von sechs auf 18 Monate ausgeweitet, die Beantragung erleichtert und die Förderung deutlich attraktiver gestaltet. Und wir werden die Förderung weiter ausbauen. Die Devise heißt: Qualifizieren statt Entlassen. Aus der Not wird so eine Tugend gemacht.
Unser Angebot lautet: Nutzt die Zeit der Kurzarbeit zur Qualifizierung, wir fördern das massiv zum Beispiel durch die teilweise Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge während der Kurzarbeit oder durch die Bezuschussung der Weiterbildungskosten.
Wir bauen damit nicht nur eine Beschäftigungsbrücke über die aktuelle Krise hinweg, sondern wir stärken damit die Beschäftigten, die Unternehmen und unser Land. Denn wir wollen, dass gut geschulte und hoch motivierte Fachkräfte in den Büros sitzen und an den Maschinen stehen, wenn die Wirtschaft wieder anzieht. Deshalb darf das, was uns vor einem Jahr allen klar war, heute auch in der Krise keiner vergessen:
Das Markenzeichen Made in Germany es steht für die Leistungskraft deutscher Unternehmen, für Spitzenqualität und Wertarbeit, für innovative Produkte und intelligente Dienstleistungen, aber hinter all dem da stehen Menschen:
Wissenschaftler und Ingenieure, Mechaniker und Elektroniker, Anlagenbauer und Fachleute der Logistik!
Diese Köpfe, diese Facharbeiter, erstklassiges Know-how, Teamgeist, Zuverlässigkeit, das Engagement der Jungen, die Erfahrung der Älteren, das ist Made in Germany! Deshalb müssen wir Arbeit als Quelle unseres Wohlstandes mit den Menschen und für die Menschen gestalten. Anspruchsvoll, aber nicht unter Ausnutzung oder sogar Ausbeutung ihrer Fähigkeiten. Deshalb müssen wir erkennbar machen, dass Gute Arbeit nicht nur ein soziales Gebot ist, sondern auch ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft, dass Gute Arbeit auch im Eigeninteresse langfristig und weitsichtig denkender Unternehmen liegt.
Die Qualität der Arbeit ist kein Schönwetterthema und nicht das Sahnehäubchen, das erst dann oben drauf kommt, wenn der Kuchen ansonsten gebacken ist.
Gute Arbeit ist notwendige Bedingung nicht nur für bessere, sondern auch für mehr Arbeit. Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze das zeigen uns neben den einschlägigen Studien bereits alle Erfahrungen heute entstehen, wo es auf Fachwissen ankommt. Billig produzieren können andere besser. Unsere Zukunft sind Vorsprünge bei der Entwicklung neuer technischer Verfahren und bei hochwertigen Qualitätsprodukten, bei der Entwicklung integrierter Lösungen etwa in den Bereichen Verkehr und Energie, in der Biologie-, Medizin- und Pharmatechnik, bei nachhaltigen Techniken in der Landwirtschaft, bei Information und Kommunikation.
Und es sind die Beschäftigten, die mit ihrer Kreativität, ihrem Know-how und ihrer Motivation diese Innovationen ersinnen und diese Produkte erzeugen, die uns langfristig wirtschaftlichen Erfolg, Beschäftigung und Wohlstand sichern. Das wollen wir weiter unterstützen und dafür brauchen wir Arbeitsbedingungen, die die Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördern, ihre Qualifikationen entwickeln und ihre Gesundheit erhalten. Die Vergewisserung der Grundlagen unseres Wirtschaftens, die Erneuerung der Kultur der Arbeit ist eine Aufgabe, der wir uns immer wieder zu stellen haben.
Willy Brandt stieß in den Siebziger Jahren ein Programm zur Humanisierung der Arbeitswelt an, das eine breite und tief greifende Debatte über die Arbeitskultur ausgelöst hat. Die Erfolge, die daraus erwachsen sind, hat jede und jeder durch Verbesserungen in seinem Arbeitsalltag spüren können. Seither gibt es viele neue Herausforderungen, die unsere moderne Arbeitswelt zu bewältigen hat.
Von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird immer mehr Flexibilität verlangt. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen. Die Bedeutung von Bildung und Qualifizierung im Beruf steigt unaufhörlich. Heute besteht ein immer größer werdender Teil des Kapitals der Unternehmen im Wissen und Können ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Denn ein wachsender Teil der Arbeit liegt im Planen, Organisieren und Kontrollieren. Damit wächst der Wert von Beschäftigten, die in der großen Wissensflut das Wissen finden und identifizieren können, das nötig ist, um ein Problem zu lösen.
Uns ist daran gelegen, das Schlagwort von der Humanisierung der Arbeitswelt mit neuem Leben zu erfüllen. Vor einigen Wochen haben wir deshalb gemeinsam mit den Sozialpartnern die Initiative Für eine neue Kultur der Arbeit auf den Weg gebracht.
Es geht uns dabei keineswegs darum, das Rad neu zu erfinden, sondern darum, gute Lösungen für die betriebliche Praxis zu entwickeln und bekannter zu machen. Mit Unterstützung der Wissenschaft wollen wir in Regional- und Branchenkonferenzen Ideen und Konzepte zusammentragen und weiterentwickeln, austauschen und verbreiten. Arbeit ist das halbe Leben für viele ist mit diesem Sprichwort die Wirklichkeit ihres Lebens zutreffend beschrieben. Wer mit 15 oder 16 seine Lehre beginnt, hat fünf Jahrzehnte Arbeit vor sich.
Das geht dann gut, wenn das Leben nicht nur nach der Arbeit gut ist am Feierabend, am Wochenende, im Urlaub oder im Ruhestand, und deshalb müssen wir Arbeit in den Betrieben optimal organisieren im Interesse der Beschäftigten, aber auch im Interesse der Unternehmen, die mit älter werdenden Belegschaften wettbewerbsfähig bleiben müssen.
Gesundheitsmanagement im Betrieb muss eine Selbstverständlichkeit werden. Mehr Bewegung und bessere Ernährung Stichwort Kantine nützen den Beschäftigten, dem Arbeitgeber und letztlich allen.
Wir müssen überlegen, ob es über die bestehende steuerliche Förderung hinaus andere Anreize und Hilfen geben kann, damit wir beim betrieblichen Gesundheitsmanagement deutliche Fortschritte erzielen.
Krankheiten vorbeugen,
chronische Erkrankungen verhindern,
Arbeitsunfähigkeit überwinden,
Beschäftigungsfähigkeit erhalten
dazu gehört schließlich auch ein gut aufgestelltes System der Rehabilitation.
Wir werden deshalb die berufliche Rehabilitation weiter modernisieren und dabei insbesondere das betriebliche Wiedereingliederungsmanagement stärken.
Wenn von den Beschäftigten immer mehr Flexibilität gefordert wird, dann müssen sie auch verstärkt von Flexibilität profitieren. Sie brauchen mehr Souveränität über ihre Zeit. Es geht dabei um Möglichkeiten, Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen mit den Erfordernissen der Arbeit vereinbaren zu können, um die Möglichkeit zur Weiterbildung oder auch manchmal um eine Auszeit, um wieder aufzutanken. Gerade bei Schicht- und Wochenendarbeit ist das wichtig, damit auch Ältere länger gesund arbeiten können.
Mit der jetzt gelungenen rechtlichen Absicherung von Langzeitkonten und der neuen Möglichkeit, sie beim Arbeitgeberwechsel mitzunehmen, ist die Keimzelle für eine neue Arbeitskultur gelegt, in der auch die Beschäftigten von mehr Flexibilität profitieren.
Aber auch in den Betrieben selbst muss sich noch viel mehr als bisher eine neue Arbeitskultur entwickeln.
Mit Betriebskindergärten oder neuen Arbeitszeitmodellen,
mit mitarbeiterorientierter Führung und der Verbesserung von Betriebsabläufen,
mit Arbeitsplätzen, die dem Lebensalter der Beschäftigten angepasst werden (anstatt es umgekehrt zu halten)
und zusätzlichen Investitionen in die Weiterbildung
lässt sich Arbeit viel besser als bisher familienfreundlich und gesund, alters- und alternsgerecht organisieren.
Meine Damen und Herren,
wer sich anstrengt, muss etwas davon haben: Leistung muss sich lohnen diese Forderung ist richtig.
Aber das bedeutet nicht, dass der Spitzensteuersatz sinken müsste, wie manche meinen, sondern dass in allen Berufen und Branchen ordentliche Löhne gezahlt werden. Es ist ungerecht, wenn die Löhne kaum oder gar nicht steigen. Und es darf nicht sein, dass diejenigen, die jeden Tag, jede Woche, den ganzen Monat hart arbeiten, am Ende eines Monats feststellen müssen, dass das, was sie verdienen, zur Finanzierung des eigenen Lebensunterhaltes nicht ausreicht. Guter Lohn für gute Arbeit, das bedingt sich. Darum setze ich mich entschieden dafür ein, dass wir in Deutschland mehr Mindestlöhne bekommen.
In dieser Legislaturperiode haben wir dazu erstens eine Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes durchsetzt und in dieses Gesetz sechs neue Branchen aufgenommen. Auf diesem Weg können wir inzwischen rund vier Millionen Beschäftigte vor Dumpinglöhnen schützen.
Zweitens haben wir eine Neufassung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes verabschiedet, um Mindestlöhne auch in Wirtschaftszweigen festsetzen zu können, in denen die Sozialpartner dazu aus eigener Kraft nicht mehr in der Lage sind.
Faire Löhne sind eine Frage der Würde und der Gerechtigkeit. Und am besten ist es, wenn sie zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern ausgehandelt werden. Die Tarifautonomie, die Mitbestimmung und die Arbeitnehmerrechte sind Errungenschaften, auf denen unser wirtschaftlicher Erfolg beruht. Gute Betriebsräte und verantwortliche Gewerkschafter haben bei uns so manchem Unternehmen aus der Krise geholfen. Und anderen den Weg an die Spitze geebnet. Und gerade jetzt zeigt sich, wie wichtig in den Betrieben und allgemein das Miteinander zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern ist. Wir tun also gut daran, der Sozialpartnerschaft wieder die Vitalität und Geltung zu verschaffen, die ihr über Jahrzehnte in diesem Land zukam und mit der wir gut und erfolgreich gefahren sind.
Handelnd eingreifen muss der Staat allerdings dort, wo die Sozialpartner allein gerechte Löhne und gute Arbeitsbedingungen nicht mehr gewährleisten können. Das gilt für unser Ziel, mit einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn eine unterste Grenze zu markieren, unter die kein Lohn gedrückt werden darf.
Das gilt aber auch dort, wo Lohndiskriminierung zu dauerhafter Ungerechtigkeit führt. Frauen verdienen auch heute bei gleicher Arbeit noch immer deutlich weniger als Männer. Sie brauchen schärfere rechtliche Mittel, um sich dagegen zur Wehr zu setzen. Betriebsräte müssen wirksamer gegen ungleiche Entlohnung im Betrieb vorgehen können. Ich setze mich deshalb dafür ein, in der Bundesregierung eine Stelle einzurichten, die sie dabei konsequent unterstützt.
Neben Tariftreue sollte auch die gleiche Entlohnung von Frauen und Männern zur Bedingung für die Vergabe öffentlicher Aufträge werden. Und auch an der Spitze der Unternehmen muss sich etwas ändern, ein Vorschlag ist eine Quote für die Besetzung von Aufsichtsräten.
Wer sich Mühe gibt, muss damit sein Leben verbessern können.
Das Aufstiegsversprechen unserer Gesellschaft gilt und die erste und elementarste Voraussetzung für seine Erfüllung sind gute und gleiche Chancen auf Bildung und Ausbildung für alle unabhängig von sozialer oder ethnischer Herkunft, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern.
Die Zukunft gehört der qualifizierten Arbeit.
Schon im nächsten Jahrzehnt wird es aufgrund des demografisch bedingten Rückgangs von Bürgerinnen und Bürgern im erwerbsfähigen Alter einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften geben. Die Unternehmen in Deutschland werden um gute, qualifizierte Arbeitskräfte ringen.
Für eine Zeitlang werden sich die humanen Ziele der Vollbeschäftigung und der Qualifizierung wirklich fast aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit den wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen decken. Das wird möglicherweise nicht immer so bleiben, darum darf die Chance dieser Kongruenz nicht ungenutzt verstreichen. Wenn wir im nächsten Jahrzehnt nicht den verzweifelten Ruf nach Fachkräften und gleichzeitig lange Schlangen vor den Jobcentern erleben wollen, müssen wir in Bildung, Ausbildung und Weiterbildung investieren.
Von der Kita an muss der Zugang zu guter Bildung allen offenstehen. Stichwort Schule hier bleibt das Problem der Abbrecher weiter virulent:
Jedes Jahr wieder gehen fast 80.000 Jugendliche fast acht Prozent eines Jahrgangs ohne Abschluss von der Schule. Diese Zahl lässt sich mit guter Bildungspolitik reduzieren.
Es ist zynisch, Kinder und Jugendliche in der Schule nicht ausreichend zu fördern und ihnen anschließend vorzuhalten, dass sie keinen Ausbildungsplatz finden. Unser Ziel muss es bleiben, nicht zu warten, bis etwas schief geht, um anschließend mit umfangreichen Reparatur-Paketen bereitzustehen. Wir müssen und das betrifft vorrangig den Verantwortungsbereich der Länder vorbeugend tätig sein.
Wer es dennoch nicht geschafft hat, muss das Recht haben, seinen Schulabschluss auch mit 25, 35 oder 53 noch gefördert nachholen zu können so wie wir das jetzt beschlossen haben. Die Chance auf bessere Bildung darf in keiner Lebensphase verbaut sein.
Nur mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder dem Abitur hält man die Eintrittskarte in der Hand, die den Weg in ein erfolgreiches Erwerbsleben öffnet. Deshalb geht es mir um ein klar formuliertes Ziel: Jede und jeder muss mit spätestens 20 Jahren so eine Eintrittskarte
Berufsausbildung oder Abitur in der Tasche haben.
Das bedeutet auch, dass wir uns darum bemühen müssen, dass mehr Ausbildungsplätze entstehen.
Mit dem Ausbildungspakt ist ein Anfang gemacht. 2008 wurde der vierthöchste Wert bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen seit der Wiedervereinigung erzielt über 600.000.
Die Personalchefs der DAX-30-Unternehmen haben mir in der vergangenen Woche noch einmal versichert, dass sie die Ausbildungskapazitäten nicht reduzieren wollen.
Aus vielen anderen Betrieben und von den Verbänden bekomme ich ähnliche Signale.
So muss es auch kommen. Denn auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wäre es falsch und nicht zu verstehen, dass zigtausende junger Leute ohne Ausbildungschance bleiben, weil zu viele Betriebe zwar vom dualen System profitieren, sich aber daran nicht beteiligen.
Es darf hier nicht nachgelassen werden. Unser Ziel gilt nach wie vor: Wir brauchen in 2009 mindestens genauso viele Ausbildungsplätze wie in 2008 600.000. Eigentlich sogar mehr denn wir müssen uns weiterhin intensiv auch um diejenigen kümmern, die schon seit Jahren vergeblich nach einem Ausbildungsplatz suchen. Deretwegen haben wir den Ausbildungsbonus geschaffen. Bislang wurden damit fast 13.500 zusätzliche Ausbildungsplätze gefördert. Für ein Programm, das erst im September des vergangenen Jahres startete, ist das ein guter Erfolg!
Wir müssen auch denen einen Weg eröffnen, die unter ungünstigen Bedingungen ins Berufsleben starten wollen, die eine zweite oder vielleicht sogar eine dritte Chance brauchen. Schon der Übergang von der Schule in die Ausbildung muss mit frühzeitiger Kompetenzfeststellung und Einstiegsqualifizierungen, mit rechtzeitiger Berufsorientierung und Berufseinstiegsbegleitung vom Stolperstein zum Sprungbrett werden.
Unterstützung sollen aber auch diejenigen erhalten, die ihre bereits begonnene Ausbildung bedroht sehen, weil ihr Betrieb jetzt in der Krise ins Schlingern gerät oder gar in Insolvenz gehen muss. Der Ausbildungsbonus, Länderprogramme, die Kammern und auch außerbetriebliche Einrichtungen werden helfen, wenn ein Anschluss notwendig wird.
Es bleibt dabei: Wer etwas erreichen oder sich verbessern will, muss in jeder Phase seines Lebens eine echte Chance dazu bekommen.
Deshalb setze ich mich auch dafür ein, unser Bildungssystem insgesamt durchlässiger zu machen. Seine Angebote dürfen sich nicht auf die ersten dreißig Lebensjahre beschränken. Berufsschüler, die zur Fachhochschule wollen, Meisterinnen, die sich ein Studium zutrauen, erfahrene Gesellen, die es noch einmal wissen und sich für einen Ingenieursabschluss anstrengen wollen, müssen offene Türen finden. Warum sollte jemand, der Meister ist oder eine entsprechende Berufserfahrung hat, nicht auch ein Studium in seinem Fachbereich aufnehmen können, ohne vorher zusätzliche Abschlüsse erwerben zu müssen so wie das in anderen europäischen Ländern längst üblich ist?
Die Beschlüsse des Dresdner Bildungsgipfels und die jüngste Vereinbarung der Kultusministerkonferenz über einheitliche Kriterien für den Hochschulzugang beruflich qualifizierter Bewerberinnen und Bewerber sind hier ein echter Fortschritt. Dazu passen die neuen Aufstiegsstipendien für begabte Frauen und Männer, die eine Berufsausbildung besonders erfolgreich absolviert haben und nun studieren wollen. So kann man gerade in den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern schlummernde Potenziale in unserem Land wecken und nutzen.
Meine Damen und Herren,
dass man seine Arbeit gut machen will, ist und bleibt eine unverzichtbare Einstellung in modernen Volkswirtschaften. Eine solche Gesinnung ist aber nichts Naturgegebenes. Weil das so ist, und gerade wir von der guten Arbeit leben, die von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in unserem Land geleistet wird, stehen wir umgekehrt in der Verantwortung, Gute Arbeit im Sinne guter Arbeitsbedingungen zu organisieren. Gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass Anstrengung und Fleiß, Mühe und Sorgfalt auch Anerkennung erfahren über fairen Lohn und eine Gestaltung von Arbeit, die dem Menschen dient und seine Bedürfnisse achtet.
Gute Arbeit ist unser Anliegen! Allen, die sich für dieses Anliegen stark machen, die ein Bewusstsein für Bedeutung guter Arbeit schaffen und zur praktischen Umsetzung einer neuen Kultur der Arbeit beitragen, möchte ich dafür danken.
Ich danke dem Bistum Mainz und seinen Partnern für die Realisierung dieser Ausstellung und ich danke ganz besonders herzlich auch Ihnen, sehr geehrter Herr Kardinal, für Ihren wirkungsmächtigen Einsatz in der Sache.
Ich bin überzeugt, dass wir in Deutschland auch in Zukunft erfolgreich sein werden, wenn wir diese drei Versprechen einlösen können:
Wer sich anstrengt, muss etwas davon haben.
Wer sich Mühe gibt, muss damit sein Leben verbessern können und darf nicht auf unüberwindbare Hürden stoßen.
Und niemand wird am Wegesrand zurückgelassen.
In der Gestaltung guter Arbeit sind diese Ziele verdichtet. Deshalb ist Gute Arbeit ein Kernprojekt guter Politik.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.