arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

01.11.2002

Gute Schule Bildungspolitische Thesen der SPD Hamburg

Gute Schule Bildungspolitische Thesen der SPD Hamburg

Gesellschaft und Wirtschaft befinden sich in einem anhaltenden Strukturwandel, der alle Lebens- und Arbeitsbereiche umfasst. Das immer schnellere Wachstum und die weltweite Verfügbarkeit von Wissen in Folge neuer Informations- und Kommunikationstechnologien bringen gewaltige Chancen für persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt. Dem steht das Risiko gegenüber, dass Wissen wegen seiner Fülle, seiner Differenziertheit und seiner dynamischen Entwicklung immer schwerer zu erschließen ist. Die Fähigkeit, Wissen aufzufinden, auszuwählen, zu bewerten und anzuwenden, entscheidet immer mehr über persönliche Chancen, über gesellschaftliche Teilhabe sowie über Erfolg im wirtschaftlichen Wettbewerb.

Die Schule ist von überragender Bedeutung für die persönliche Entwicklung, die Chancen und die Lebensperspektiven von Kindern. Die Bildung unserer Kinder entscheidet zugleich über die Chancen und Perspektiven unserer Gesellschaft, über Wirtschaftskraft und Zusammenleben. Gute Schulen sind deshalb eine der zentralen Aufgaben unseres Jahrhunderts.

Wir Sozialdemokraten wollen eine Gesellschaft, die von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität geprägt ist. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass erstklassige Bildung und Ausbildung allen Menschen gleichermaßen offen stehen müssen und niemals von Geld oder Herkunft der Eltern abhängen dürfen. Bildungspolitik ist für uns eine zentrale Aufgabe. Deshalb haben Hamburger Sozialdemokraten in der Vergangenheit Schulen stärker gefördert als jedes andere Bundesland. Wir haben mit der verlässlichen Halbtagsgrundschule eine bundesweit anerkannte und wegweisende Schulform auf den Weg gebracht und damit nicht nur für bessere Kinderbetreuung, sondern auch für mehr Chancengleichheit und bessere Schulbildung gesorgt.

Die Pisa-Vergleichsstudien zeigen, dass integrative Schulsysteme leistungsfähiger sind als Schulsysteme, in denen Schüler getrennt werden. Die Untersuchungen haben zudem schwere Mängel im deutschen Schulsystem aufgedeckt: Zu wenige Schüler machen Abitur. Zu viele Schüler verlieren den Anschluss, haben große Schwächen in Mathematik, Naturwissenschaften und Sprache. Die Herkunft der Kinder bestimmt stärker als in den meisten anderen Ländern ihre schulische Laufbahn. Besonders schwer haben es Kinder aus zugewanderten Familien.

Wir Sozialdemokraten wollen diese Mängel beheben. In diesem Antrag beschreiben wir konkrete Ziele und Vorhaben unserer künftigen Bildungspolitik. Wir wissen, dass gute Bildung bezahlt werden muss. Wir sind bereit, die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen und im Haushalt zu decken.
Wir wollen für Chancengleichheit und bessere Qualifikation an den Schulen sorgen. Wir wollen dafür sorgen, dass niemand in unserem Schulsystem scheitern und ohne Abschluss die Schule verlassen muss. Wir wollen alle Kinder fördern und fordern. Unser Ziel: Kinder sollen in Hamburg die beste Schulausbildung in Deutschland bekommen.

Unterricht und Erziehung sind auf die Entfaltung der geistigen, körperlichen und sozialen Fähigkeiten sowie auf die Stärkung der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft auszurichten. Sie sollen Selbstständigkeit, Urteilsfähigkeit, Kooperations-, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit sowie die Fähigkeit, eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen, stärken. Bildung soll insbesondere

· Toleranz und Achtung gegenüber anderen Menschen sowie anderen Kultur- und Lebensweisen vermitteln,
· zur gewaltfreien Lösung von Konflikten befähigen,
· Jungen wie Mädchen zum gleichberechtigten Umgang miteinander und zum gleichberechtigtem Umgang der  Geschlechter befähigen,
· dazu befähigen, an der Gestaltung einer zur Humanität verpflichteten demokratischen Gesellschaft mitzuwirken und für ein friedliches Zusammenleben der Kulturen sowie für die Gleichheit und das Lebensrecht für sich und andere einzutreten
· über gesellschaftliche, ökonomische und politische Zusammenhänge aufklären, Verständnis für die historischen Wurzeln der aktuellen Situation wecken und die Fähigkeit vermitteln, einen eigenständigen politischen Standpunkt zu entwickeln und in einem demokratischen Prozess vertreten zu können
· dazu befähigen, dauerhaft eine qualifizierte, zufrieden stellende und sinnstiftende Arbeit auszuführen.
· zur Mitverantwortung für die Erhaltung und den Schutz der natürlichen Umwelt  befähigen

Bildung und Erziehung gehören zusammen. Der Staat muss seine aktive Rolle in Bildung und Erziehung weiter entwickeln und darf sich nicht auf eine reine Schulaufsichtsfunktion beschränken. Die veränderten familiären Strukturen erfordern ein stärkeres Engagement der Schule in der Erziehung. Die Schule kann die Eltern bei der Erziehung unterstützen, sie aber nicht aber ersetzen. Eltern und Schule müssen deshalb die Erziehungsaufgabe in gemeinsamer Partnerschaft wahrnehmen.

Die Kulturtechniken Lesen, Rechnen, Schreiben sowie Medienkompetenz werden einen noch gewichtigeren unterrichtlichen Stellenwert erhalten. Weitere wichtige Schlüsselkompetenzen wie z.B. Teamfähigkeit oder eigenständiges und handlungsorientiertes  Lernen lassen sich ohne die genannten Grundkompetenzen nicht entwickeln.


1. Wir fördern und fordern Leistung

Fördern und fordern gehören zusammen. Kinder können ihre Fähigkeiten nur dann optimal entwickeln, wenn sie zur Leistung angespornt werden. Ausgangspunkt ist dabei der Wille der Kinder, etwas Positives zu leisten und zu lernen. So werden Kinder zugleich darauf vorbereitet, sich den vielfältigen Leistungsanforderungen unserer Gesellschaft zu stellen. Leistung macht Spaß! Deshalb wollen wir die Leistungsfähigkeit aller Kinder optimal fördern. Leistung reduzieren wir nicht auf reines Fachwissen, sondern auf die gesamte Entwicklung der individuellen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Leistung muss deshalb an der Schule und in allen Schulfächern wichtig und selbstverständlich sein. Heute besteht oft der Eindruck, dass Kinder an der Schule unterfordert werden. Ansporn zur Leistung und Bekenntnis zur Leistung in der Schule haben deshalb für Sozialdemokraten oberste Priorität.

Das Sozialdemokratische Verständnis von Leistung ist geprägt von der Einheit der Beherrschung der Kulturtechniken und der (berufs-) praktischen Kompetenz mit der Befähigung des einzelnen zur demokratischen, solidarischen und friedlichen Gestaltung der Lebensbedingungen. Diese Fähigkeiten zur individuellen Entfaltung in solidarischer Kooperation einzusetzen und damit ihnen allgemeine gesellschaftliche Nützlichkeit zu geben, ist die eigentliche Leistung. Wohlstand beruht auf produktiver Arbeit, und produktive Arbeit setzt Wissen und Fertigkeiten voraus. Auch in diesem Sinne brauchen wir Leistungsfähigkeit. Doch anders als die Konservativen wissen wir: Nachhaltige Leistungsmotivation entsteht besser durch eine Kultur der Anerkennung und Förderung in Schule und Gesellschaft. Durch autoritäres Einschüchtern wird Leistungsmotivation ausgebremst.
Um Leistung zu fördern, wollen wir mehr Vergleiche im Bildungssystem: innerhalb einer Schule, zwischen Schulen eines Bundeslandes, auf nationaler oder internationaler Ebene. Wir setzen uns für eine Fortsetzung der Pisa-Studien ein. Wir unterstützen auch die Idee einer Pisa-Studie über Lehrer. Wir fordern eine bundesweite Stiftung Bildungstest und bundesweit einheitliche Bildungsstandards in Kernfächern. Der Hamburger Senat soll zudem jährlich einen Bildungsbericht vorlegen.
Ein leistungsorientiertes Bildungssystem braucht sich nicht vor Leistungskontrollen zu scheuen, denn diese garantieren die Qualität der Bildung. Erst durch Leistungskontrollen wird die eigene Positionierung der Bildungsqualität von Schulformen und Systemen im regionalen, nationalen und internationalen Vergleich ermöglicht. Hierdurch entsteht ein positiver Wettbewerb.
Zurzeit werden in Hamburg Vergleichsarbeiten in Deutsch und Mathematik in der 3., 6., 8., 9. (bzw. 10.) Klasse und ab der 6. Klasse auch in Englisch durchgeführt. Diesen von der SPD beschrittenen Weg wollen wir weitergehen. Im 10. Schuljahr sollen in Deutsch, Mathematik und Englisch landesweit einheitliche Vergleichsarbeiten durchgeführt werden. Den gleichen Weg wollen wir auch vor dem Abitur beschreiten.

Bildung darf nicht von Zufällen abhängen. Deshalb wollen wir zukünftig sicherstellen, dass alle Schüler an jeder Schule gleich viele Unterrichtsstunden bekommen. Das gilt besonders für die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch. Wir werden die Zahl der Unterrichtsstunden in Hamburg weiter erhöhen.

Schüler-Leistung setzt Schul-Leistung voraus. Wir wollen die Leistung und die Kreativität von Schulen durch Autonomie, Wettbewerb und regelmäßige Evaluation fördern. Landesweit sollen u.a. Wettbewerbe an den Schulen mit unterschiedlichen, fächerübergreifenden Projekten stattfinden.
Mehr Eigenverantwortung bedeutet dabei auch ein Mehr an Verbindlichkeit und an Verantwortung für Ergebnisse, Profil und Erscheinungsbild der einzelnen Schule, für Motivation und Leistungsfähigkeit des Kollegiums und der Schulleitungen. Schulen brauchen größere Verantwortung für ihr Budget. Wir wollen zudem, dass moderne betriebeswirtschaftliche Steuerungsmethoden, Zielfindungs- und Beurteilungssysteme Anwendung in den Schulen finden.

Wir orientieren uns dabei an vorbildlichen internationalen Schulen, ihren Vergleichstests und Steuerungsmethoden (Appraisal-Verfahren). Um Autonomie und Leistung der Schulen zu fördern, werden wir professionelles Schulmanagement fördern. Beispielsweise könnte neben dem Schulleiter auch ein Schulmanager eingestellt werden.


2. Integrierter Unterricht

Integrierte Schulsysteme erzeugen bessere Ergebnisse als Schulsysteme, die Schüler oft voneinander trennen. Das zeigen zahlreiche Untersuchungen wie zum Beispiel die Pisa-Studien. Dabei verstehen wir unter Integration insbesondere auch den gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit ohne Behinderungen. Dieser bietet für beide Gruppen die Chance, voneinander und miteinander zu lernen. Zugleich wird damit der Grundstein gelegt, für eine offene und von Vorurteilen befreite Gesellschaft. Ziel einer sozial verantwortungsvollen Bildungspolitik in Hamburg muss es daher sein, den Ansatz der integrativen Förderung in Regelschulen (sogenannte IR-Klassen) schulgesetzlich fest zu verankern und fortzuentwickeln.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind von den Vorteilen integrierter Schulen überzeugt. Hier werden Schülerinnen und Schüler nicht künstlich getrennt und auf eine starre Schullaufbahn festgelegt. Sie haben dank der Durchlässigkeit integrierter Schulen größere Chancen, ihre individuellen Fähigkeiten zu entfalten. Unterschiedliche Lerngruppen bieten zudem die Chance,  Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern und zu fordern. Darüber hinaus lernen Schülerinnen und Schüler soziale Kompetenzen, die für ihre Persönlichkeit und unsere Gesellschaft wichtig sind.
Viele Eltern entscheiden sich deshalb für integrierte Schulformen. Das zeigt die wachsende Akzeptanz der Gesamtschulen oder der integrierten Haupt- und Realschulen unter Hamburgs Eltern. Wir freuen uns darüber. Denn Hamburgs Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben den Eltern das Recht und die Möglichkeit gegeben, für ihre Kinder die richtige Entscheidung zu treffen und  zwischen verschiedenen Schulformen zu wählen. Dieses Elternrecht verteidigen wir energisch. Wir weisen deshalb die ideologisch begründeten Versuche des neuen Hamburger Senats zurück, Schüler und Eltern von den Gesamtschulen zu vergraulen und die Funktion der Gesamtschule in Frage zu stellen.
Dabei verschließen wir nicht die Augen vor den Defiziten der bei uns existierenden Gesamtschulen. Sie müssen anhand von Erfahrungen und Forschungsergebnissen so weiterentwickelt werden, dass sie allen Kindern bestmögliche Lernangebote machen und auch Spitzenleistungen angemessen fördern. Dafür müssen sie aber auch hinreichend materiell ausgestattet werden.
Bei der Weiterentwicklung der Integrativen Gesamtschule sollen folgende Grundsätze erreicht werden:

· Sie wird ausdrücklich der bestmöglichen individuellen Förderung und Forderung in allen Leistungsbereichen verpflichtet sein. Dazu gehört das gezielte Eingehen auf die Lerninteressen leistungsstarker Schülerinnen und Schüler ebenso, wie die effektive Förderung der Schülerinnen und Schüler mit Lernproblemen oder Leistungsschwächen.
· In ihr wird Heterogenität als Normalfall schulischen Arbeitens konzeptionell abgesichert. Dazu gehören ein differenziertes Unterrichtsangebot und eine systematische Einbeziehung der in einer heterogenen Lerngruppe vorhandenen lernförderlichen Potenziale ebenso, wie nicht zu große Lerngruppen, in denen Zeit für die individuelle Zuwendung bleibt.
· Sie wird Förderung statt Auslese praktizieren. Dazu gehört ein differenziertes Diagnostik- und Förderangebot ebenso wie die Vermeidung einer zu frühzeitigen Festlegung auf einen Schulabschluss und der weitestgehende Verzicht auf das "Sitzen bleiben".


3. Alle sollen mitgenommen werden

Schülerinnen und Schüler dürfen nicht aufgegeben werden. Deshalb wollen wir das fast nur in Deutschland übliche Sitzen bleiben an Grund-, Haupt-, Realschule und Gymnasium so weit es geht reduzieren. Sitzen bleiben hilft kaum, Leistungsschwächen in bestimmten Fächern abzubauen. Stattdessen wird lediglich der gesamte Unterricht eines Jahres wiederholt. Auch Querversetzungen in andere Klassen oder Umschulungen bieten nur einen vermeintlichen Ausweg und führen nicht selten in eine ungute Abwärtsspirale.

Viel erfolgsversprechender ist eine spezielle und gezielte Förderung in den Fächern, in denen es Leistungsschwächen gibt. Die durch das Vermeiden von Sitzen bleiben eingesparten Mittel werden wir deshalb den Schulen zur Verfügung stellen, um Schülerinnen und Schüler besonders zu fördern.
Schlechte schulische Leistungen und Schulschwänzen gehören oft zusammen. Hamburger Schulen verfügen über ein breites pädagogisches Instrumentarium, um dem Problem des Schulschwänzens zu begegnen. Wir sind der Auffassung, dass der pädagogische Ansatz erweitert werden muss, um die Mithilfe der Eltern dieser Kinder, des Einzelhandels und der Spielbetriebe (die den Kindern und Jugendlichen während der Schulzeit keine Spielgeräte zur Verfügung stellen dürfen), der Polizei (Überprüfung von Kindern und Jugendlichen, die am Tage auf der Straße angetroffen werden) und weiterer Behörden. Schwänzen ist kein Kavaliersdelikt, sondern hat erheblich negativen Einfluss auf die schulische Entwicklung dieser Kinder und Jugendlichen.

Schule muss nachhaltiger und konsequenter werden, wenn es um die Einforderung von Faktoren geht wie Fleiß, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Selbstdisziplin. In all den hier benannten Fragen müssen insbesondere auch die Eltern in eine verpflichtende Verantwortung für die Schulbildung ihrer Kinder genommen werden. Hierzu werden wir ggf. auch neue rechtliche Grundlagen schaffen und die schulrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten überprüfen.

4. Jeder soll Abitur machen können

Jede Schülerin und jeder Schüler muss die Möglichkeit haben, Abitur zu machen egal welche Schule er besucht hat. Wir werden daher sicherstellen, dass von Haupt-, Real- und Gesamtschule der Übergang auf eine zum Abitur führende Oberstufe möglich ist. Das sind insbesondere die Oberstufen der Gymnasien und Gesamtschulen sowie die Aufbaugymnasien für Haupt- und Realschüler. Daneben muss der Besuch von Fachschulen und Fachoberschulen zulässig sein. Er darf nicht beschränkt werden. Die Abschlusszeugnisse von Haupt- und Realschule müssen einen Hinweis darauf enthalten, welche weiterführende Schule mit dem erreichten Leistungsniveau besucht werden kann.

Wir streben an, dass die Zahl der Abiturienten eines Jahrganges in Hamburg auf allen erreichbaren Bildungswegen zusammen mindestens 50 Prozent erreicht. Wir werden gleichzeitig sicherstellen, dass die Leistungsanforderungen für das Abitur nicht abgesenkt werden. Das ist für die Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunft unserer Stadt von zentraler Bedeutung.


5. Alle sollen gut Deutsch können

Welche Chancen Kinder in der Schule und später in der Gesellschaft haben, hängt entscheidend davon ab, wie gut sie die deutsche Sprache mündlich und schriftlich beherrschen. Die entscheidenden Grundlagen werden bereits in den ersten Lebensjahren gelegt. Deshalb wollen wir den Spracherwerb schon vor der Schule in Kindertagesstätte und Vorschule fördern.
Im Rahmen von Qualitätsvereinbarungen soll zukünftig sicher gestellt werden, dass in den Kindertagestätten der Spracherwerb gefördert wird. Dazu soll vor dem Besuch der Kindertagesstätte der Sprachstand aller Kinder erhoben werden. Pädagogisch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen dann in den Kindertagesstätten den Kindern beim Erwerb der deutschen Sprache helfen. Dazu müssen Erzieherinnen und Erzieher entsprechend qualifiziert werden.
Im fünften Lebensjahr soll bei allen Kindern getestet werden, wie gut sie die deutsche Sprache beherrschen. Wer sich nicht angemessen in deutscher Sprache ausdrücken kann, soll berechtigt und zugleich verpflichtet sein, an einer gezielten sprachlichen Förderung in der Vorschule teilzunehmen. So wollen wir sicherstellen, dass alle Kinder uneingeschränkt am Unterricht in der ersten Klasse teilnehmen können.

Bis zur zehnten Klasse soll in jedem Schuljahr geprüft werden, wie gut Schülerinnen und Schüler mündlich und schriftlich die deutsche Sprache beherrschen. Schüler mit sprachlichen Defiziten sollen speziell gefördert werden, damit sie dem Unterricht in allen Fächern uneingeschränkt folgen können. Wer wegen verspäteter Einschulung oder aus anderen Gründen dem Unterricht nicht folgen kann, soll vorübergehend in besonderen Klassen intensiv Deutsch lernen.

Wir müssen uns dabei auch verstärkt darum kümmern, Eltern in die Verantwortung einzubinden. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass sozial benachteiligte Elternhäuser oder Migrantenfamilien für die Institution Schule nicht erreichbar sein. Denn die Erfahrung zeigt, dass der Lernerfolg von Migrantenkindern davon abhängt, dass sie eine positive Rückmeldung für die schulischen Inhalte durch das Elternhaus erfahren. Die Elternarbeit muss daher einen erhöhten Stellenwert in der Tätigkeit von Lehrern haben.

Um den Spracherwerb der Kinder zu unterstützen, soll auch Eltern an Schulen und Kindertagesstätten Deutschkurse angeboten werden.

Alle Lehrerinnen und Lehrer sollen Deutsch als Zweitsprache unterrichten können. In einem ersten Schritt werden wir entsprechende Kurse für das Studium verbindlich und examensrelevant vorschreiben. Langfristig wollen wir erreichen, dass alle anderen Lehrerinnen und Lehrer diese Qualifikation nachholen.
 

6. Alle sollen mindestens einen Hauptschulabschluss erreichen

Zu viele Schülerinnen und Schüler verlassen die Schule, ohne überhaupt einen Hauptschulabschluss erreicht zu haben. Das ist ein unverantwortliches Versagen des Schulsystems. Nach internationalen Vorgaben sollte die Hälfte eines Jahrgangs die Hochschulreife erreichen. Da ist es erst Recht nicht akzeptabel, dass einige überhaupt keinen Schulabschluss bekommen. Sie haben kaum eine Chance auf eine Ausbildung oder eine angemessene Berufstätigkeit. Wir werden das Schulsystem so organisieren, dass jede Schülerin und jeder Schüler mindestens einen Hauptschulabschluss erreicht, so lange nicht gesundheitliche Bedingungen das verhindern.

Um das zu erreichen, werden wir für alle Schulformen einschließlich der Hauptschule das zehnte Schuljahr zum Pflichtschuljahr machen. Zur Finanzierung werden die Mittel des Berufsvorbereitungsjahres herangezogen.

Darüber hinaus garantieren wir im Schulgesetz jeder Hamburgerin und jedem Hamburger lebenslang das Recht, den Hauptschulabschluss nachzuholen. Wir werden die geeigneten Möglichkeiten insbesondere zusammen mit der Volkshochschule anbieten und für eine geeignete Sicherung des Lebensunterhalts sorgen, soweit sie sich nicht bereits aus Bundesgesetzen ergibt.
Wir wollen Menschen helfen, Berufsausbildung oder Hauptschulabschluss nachzuholen. Die Hamburger SPD wird sich dafür einsetzen, dass die entsprechenden Bundesgesetze dahingehend ergänzt werden, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Das gilt auch für Menschen, die eine Berufsausbildung machen und schon zu Hause ausgezogen bzw. über 20 Jahre alt sind. Ihnen bleiben zurzeit nur die Ausbildungsvergütungen, von denen sie natürlich nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Solange die Bundesgesetze nicht geändert sind, werden wir dafür sorgen, dass als Ergänzung zu den vorhandenen Einkünften eine Leistung gezahlt wird, die Sozialhilfekriterien entspricht.
 

7. Gute Bildung von Anfang an

Für das kindliche Lernen sind schon die ersten Lebensjahre besonders wichtig. Deshalb hat die Grundschule große Bedeutung, hier werden die Fundamente für den künftigen Bildungsweg gelegt. Zudem führt die Grundschulzeit auch zu einer vorläufigen Weichenstellung für die weitere Schullaufbahn von Kindern. Gerade deshalb wollen wir die Grundschule stärken und dafür sorgen, dass Kinder von Anfang an die bestmögliche Ausbildung bekommen.
In diesem Zusammenhang setzen wir uns auch dafür ein, dass die Übergänge zwischen Kindertagesstätte, Vor- und Grundschule sowie zwischen Grundschule und weiterführender Schule verbessert werden.

Internationale Vergleiche zeigen, dass die Grundschule in Deutschland im Vergleich zu den anderen Schulstufen finanziell unterdurchschnittlich ausgestattet ist. Deutschland liegt mit 3.531 Dollar pro Schüler und Jahr im Bereich der Grundschulen deutlich unter dem OECD-Durchschnitt. Wir wollen die Prioritäten zugunsten der Grundschulen verschieben. Wir Sozialdemokraten haben diesen Weg in Hamburg bereits beschritten: Mit dem Englisch-Unterricht wurde die Grundschule aufgewertet. Mit der Verlässlichen Halbtagsgrundschule und ihrer verbindlichen, garantierten Unterrichtszeit von 8 bis 13 Uhr sind Kinder sicher betreut und können entspannter Lernen. Wir werden die Verlässlichkeit deshalb im Schulgesetz garantieren.

Durch gezielte Förderung soll sichergestellt werden, dass alle Kinder am Ende der Grundschulzeit die vorgesehenen Lernziele erreichen. Wir werden die Zahl der Schülergrundstunden im Schulgesetz garantieren. Das einzelne Kind soll mehr Zeit zum Lernen haben. Dafür soll unter anderem die Binnendifferenzierung  des Unterrichts weiter entwickelt werden.

Um Kinder besser fördern zu können, brauchen wir kleinere Klassen. Wir wollen deshalb, den Richtwert für Klassengrößen schrittweise auf 20 Schüler absenken. Wir wollen Grundschulen bei geringfügiger Unterschreitung der Klassenfrequenz künftig nicht sofort schließen. Mit einem ausreichenden Vertretungspool soll der Unterricht zuverlässig sichergestellt werden.

Wir wollen dafür sorgen, dass Kinder an allen Grundschulen optimal gefördert werden, um einer Entwicklung zur sozialen Einseitigkeit in den Grundschulen vorzubeugen, werden wir das Prinzip der Schulbezirksgrenzen erhalten. Die Zielsetzungen Integration und Chancengleichheit machen es erforderlich, Grundschulen in sozial benachteiligten Gebieten stärker zu fördern. Dafür wollen wir nachvollziehbare Kriterien auf der Basis des Sozialindexes entwickeln, wie sie sich aus den Untersuchungen zur Lernausgangslage (LAU) in Hamburg ergeben.

Kinder kommen heute mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen, Kenntnissen und Reifeständen in die Grundschule. Jahrgangsübergreifendes Lernen in der Grundschule bietet dem einzelnen Kind viele Chancen und fördert ihre Gemeinschaft in der Klasse. Es gibt zugleich dem Lehrer mehr Möglichkeiten, sich individuell um einzelne Kinder zu kümmern. Wir wollen diesen Hamburger Schulversuch weiter ausbauen und zu einem Regelangebot machen. Das soll auch für die integrativen Regelschulen gelten.
 



8. Besserer Start ins Berufsleben

Jede Schülerin und jeder Schüler braucht die Chance auf eine qualifizierte Berufsausbildung. Die wachsende Mobilität verschärft allerdings die Konkurrenz für Hamburgs Schüler. Jeder Hamburger Hauptschüler konkurriert mit Realschülern aus ganz Norddeutschland um Ausbildungsplätze. Deshalb muss die Qualität der Bildungsabschlüsse von Hamburger Schülern, insbesondere von Haupt- und Realschülern, besser sein als die des Umlandes.

Zusätzlich sollen die Schülerinnen und Schüler durch stärkere Berufsorientierung und Praxisbezug auf das Berufsleben vorbereitet werden. Alle Schulen sollen verpflichtet werden, im zehnten Schuljahr bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz zu helfen.

Nur wenige Jugendlichen wechseln nach der Hauptschule direkt in eine betriebliche Ausbildung. Wir wollen das ändern und den Jugendlichen diesen Weg erleichtern. Dazu wollen wir das vom Europäischen Sozialfonds geförderte Projekt Berufsorientierung und Ausbildungsplatzvermittlung für Hamburger Hauptschülerinnen und Hauptschüler als dauerhaftes Angebot ausbauen. Arbeitsamt, Unternehmen und Schulen arbeiten dabei eng zusammen. Hier wird den Schülerinnen und Schülern geholfen, ihre Stärken und Interessen richtig einzuschätzen und ihre Bewerbungen zu erstellen. Wer eine betriebliche Ausbildung will, wird individuell durch Berufsberater des Arbeitsamtes beraten. Personalreferenten aus Hamburger Großunternehmen helfen bei der Berufsorientierung und bieten Vermittlungsunterstützung. Wer trotzdem keine Ausbildungsplatz findet, bekommt von der Koordinierungsstelle Ausbildung individuelle Unterstützung bei der Suche. Die Koordinierungsstelle bezieht dabei alle vorhandenen Ausbildungsplätze in Hamburg ein und akquiriert zusätzliche, wenn der individuelle Bedarf nicht gedeckt werden kann.

Darüber hinaus soll der erfolgreiche Modellversuch externes Ausbildungsmanagement EXAM von Nordmetall und IG Metall institutionalisiert und gefördert werden. Die Ausbildungsplatzagentur EXAM vermittelt Schülern in Hamburg Ausbildungsplätze in solchen Unternehmen, die längere Zeit nicht ausgebildet haben. In den letzten zwei Jahren wurden in 220 Betrieben über 500 Ausbildungsplätze akquiriert  und vermittelt.

Wir wollen auch Jugendlichen den Start ins Berufsleben erleichtern, die auf dem Arbeitsmarkt weniger Chancen haben. Deshalb soll der Modellversuch Quas Plus ausgedehnt werden. Mit Quas Plus werden Jugendliche im Rahmen eines einjährigen, von Staat und Arbeitsamt finanzierten Betriebspraktikums in das Berufsleben integriert und dabei pädagogisch begleitet.

Die Möglichkeit, eine Berufausbildung zu beginnen, und die Integration in den 1. Arbeitsmarkt, bedeuten ein Weichenstellung auch im Leben eines behinderten Menschen. Doch schon der Weg dort hin, ist mit vielen Hürden verbunden. Daher gilt es, diese Hürde zu überwinden. Erfolgreiche Modelle für die berufliche Integration behinderter junger Menschen müssen weiter geführt werden. Dazu gehören insbesondere die Bildungsmaßnahmen zur schulische Berufsvorbereitung (Berufsvorbereitungsschule).


9. Neue Schwerpunkte in der Lehrerausbildung

Gute Lehrerinnen und Lehrer sind entscheidend für die Schulbildung der Kinder. Deshalb wollen wir die Lehrerausbildung den geänderten Anforderungen anpassen.

Wir werden in der Hamburger Lehrerausbildung eine stärkere Praxisorientierung durchsetzen. Unser Ziel ist es, alle Kinder und Jugendlichen - unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft - zu ihrem bestmöglichen Abschluss zu bringen. Dazu müssen die Schulen fördernd und fordernd arbeiten und differenzierte Lernangebote machen. Deshalb muss die Lehreraus- und Weiterbildung so verändert werden, dass Diagnose- und Förderkompetenz sowie das Training binnendifferenzierender Aufgabenstellung obligatorische Inhalte sind. Sowohl in der Lehrerbildung als auch im Schulunterricht ist mehr als bisher auf lebenspraktische Relevanz zu achten, um die Lernmotivation zu fördern.
Studentinnen und Studenten müssen frühzeitig und dauerhaft praktische Erfahrungen sammeln. So lässt sich auch eher feststellen, ob jemand für den Lehrerberuf geeignet ist. Deshalb werden wir die Ausbildungsvorschriften so ändern, dass die Praxisanteile während des Studiums erhöht werden. Zudem sollen gute Examensnoten in den pädagogischen Bereichen des Studiums Voraussetzung für das Bestehen des Staatsexamens sein.

Homogene Klassen sind heute immer seltener. Heterogene Klassen bieten neue Chancen und Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, dass Lehrerinnen und Lehrer auf die unterschiedlichen Leistungen der Kinder eingehen können. Deshalb sollen sie schon in ihrer Ausbildung lernen, wie sie Unterricht so organisieren können, dass Kinder im Klassenverband individuell lernen, arbeiten und gefördert werden können.

Lehrer sollen darüber hinaus in ihrer Aus- und Fortbildung besser darauf vorbereitet werden, Lernstörungen zu erkennen und rechtzeitig Fördermaßnahmen einzuleiten.

Gute Schule braucht gute Lehrer. Fort- und Weiterbildung ist dabei ganz wichtig. Denn die Anforderungen an die Lehrerinnen und Lehrer ändern sich. Wir wollen deshalb entsprechende verbindliche Angebote auf den Weg bringen.
 

10. Entlastung für die Familie

Deutschland lässt die Eltern bei der Kinderbetreuung weitgehend allein. Auch deshalb hat Deutschland im europäischen Vergleich eine der niedrigsten Geburtenraten.

Wir werden allen Eltern, die berufstätig oder in der Ausbildung sind, eine Ganztagesbetreuung in Krippe, Kindertagesstätte oder Hort garantieren. Als Ergänzung werden wir genügend Plätze in den Vorschulen anbieten. Vorschüler sollen zudem nicht länger von anderen Kinderbetreuungsleistungen ausgeschlossen sein. Auch das Angebot der Tagesmütter wollen wir verbessern.

Eltern sollen zukünftig die Kindergartenplätze frei wählen können. Dazu wollen wir ein System mit Gutscheinen einführen, die die Eltern an Kinderbetreuungseinrichtungen weitergeben können.
Wir wollen die finanziellen Belastungen für Familien mit Kindern verringern. Deshalb werden wir die Betreuungsgebühren senken. Zudem soll das Kindergeld bei der Einkommensberechnung zukünftig nicht mehr angerechnet werden.

Den Versuch, die Lernmittelfreiheit einzuschränken, weisen wir energisch zurück. Wir werden dafür sorgen, dass Lernmittel wie in der Vergangenheit den Schülerinnen und Schülern kostenlos zur Verfügung gestellt werden.


11. Ganztagsschulen für besseres Lernen

Wir wollen die Zahl der Ganztagsschulen in Hamburg zügig zu einem flächendeckenden Angebot ausbauen. Alle Eltern und Kinder sollen eine Ganztagsschule in erreichbarer Entfernung wählen können.

Dabei wollen wir die bisher in schulische und außerschulische aufgeteilte Lernzeit in die Schule hineinverlagern und die bisher mittels Hausaufgaben und Vorbereitung auf Klassenarbeiten erfolgte Vertiefungsphase zum Bestandteil des Unterrichts machen. Wir wollen auch die bereits bestehenden schulischen und außerschulischen Angebote von Sport- oder Jugendverbänden durch Kooperationen mit den Schulen besser miteinander vernetzen. Schule muss zudem mehr und mehr das häusliche Arbeitszimmer der Lehrerinnen und Lehrer ersetzen. Vor- und Nachbereitung des Unterrichts sollten in der Schule stattfinden. Das stärkt schulinterne Kommunikation und Teamarbeit und macht Lehrerinnen und Lehrer erreichbarer für ihre Schülerinnen und Schüler und deren Eltern.

Schule soll im Quartier integriert sein und muss vernetzt arbeiten, sich der Vielfältigkeit des Stadtteils öffnen. Hierzu ist insbesondere die Kooperation mit allen in der Jugendhilfe tätigen aber auch anderen Einrichtungen und Institutionen erforderlich. Schule ist Teil des Stadtteils und damit Lebensumfeld für Schülerinnen und Schüler, Anwohnerrinnen und Anwohnern. Dass, was Schülerinnen und Schüler in der Nachbarschaft erleben und mit dem sie sich tagtäglich auseinandersetzen, stellt einen wesentlichen Bereich ihrer Sozialisation dar.  Diesen Bereich gilt es in der Schule aufzunehmen. Des weiteren sollen Jugendfreizeiteinrichtungen in der Schule in Form von unterrichtsergänzenden Angeboten aktiv sein.