arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

11.09.2011

Hamburgs Erster Bürgermeister spricht im US-Generalkonsulat bei der Gedenkfeier für die Opfer der Terroranschläge

 

Sehr geehrte Frau Generalkonsulin,

sehr geehrter Herr Reimers,

sehr geehrter Herr Minister Caffier,

sehr geehrte Frau Präsidentin der Bürgerschaft, meine Damen und Herren,

 

jede Generation erlebt Ereignisse, die tief im kollektiven Gedächtnis haften bleiben. Ereignisse, die den Kurs der Geschichte verändern. Ereignisse, die auch bei jedem Einzelnen Spuren hinterlassen.

 

Unser Schicksalsdatum ist der 11. September 2001. Dieser Tag liegt heute zehn Jahre zurück. Aber er ist uns allen nach wie vor gegenwärtig.

 

Ich war damals Hamburger Innensenator und hatte am Nachmittag einen Termin im Einwohnerzentralamt an der Amsinckstraße. Es ging um Einbürgerungen und ausreisepflichtige Straftäter. Gegen drei Uhr klingelte mein Handy. Der Führungsdienst der Polizei informierte mich darüber, dass der Nordturm des World Trade Centers brenne.

 

Wir haben dann einen Fernseher gesucht und auf CNN gesehen, dass mittlerweile eine zweite Maschine in den Südturm geflogen war. Wir sahen die rauchendenTürme. Sprachlos. Voll Entsetzen.

 

Später erfuhren wir dann von der Attacke auf das Pentagon und von dem vierten Flugzeug, das bei Shanksville / Pennsylvania abstürzte.

 

Es sagt sich heute so einfach, aber mir war damals sofort klar: Das wird alles verändern.

 

Die erste Reaktion nach dem Schock war die Anteilnahme, die Solidarität mit den Betroffenen.

 

Ich selbst habe heute vor genau zehn Jahren abends hier vor dem Amerikanischen Generalkonsulat gestanden, bei den Polizisten, die zum Schutz des Hauses hier stationiert waren. Mir war wichtig, mit ihnen zu reden, ihnen zu zeigen, dass man jetzt bei ihnen ist, sich um sie kümmert.

 

In den folgenden Tagen haben hier vor dem amerikanischen Generalkonsulat Hunderte, Tausende Hamburgerinnen und Hamburger gestanden. Sie haben Blumen niedergelegt und Kerzen angezündet. Sie haben geschwiegen und innegehalten. Sie haben getrauert um die Opfer aus den Vereinigten Staaten und das dürfen wir nicht vergessen aus 90 weiteren Nationen. Sie haben Anteil genommen am Schicksal der Angehörigen. - Sie haben gehofft, dass das Unverstehbare in Gemeinschaft vielleicht etwas begreifbarer wird.

 

Die Bilder der Blumenmeere und der in Trauer friedlich vereinten Menschen waren stark. Fast so stark wie die Bilder der einstürzenden Zwillingstürme, die seit Tagen in Endlosschleifen im Fernsehen liefen. In jedem Fall aber waren sie ein starkes Gegengewicht zur brutal-kalkulierten Symbolkraft der Terroranschläge. Bilder die zeigten, zu wie viel Humanismus und Mitmenschlichkeit wir fähig sind.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

diese Bilder der Anteilnahme waren notwendig. Denn intuitiv haben auch wir in Deutschland die Anschläge so verstanden, wie sie gemeint waren: Als Angriff auf das amerikanische Volk. Als Angriff auf die freie Welt, der auch uns trifft. Als eine Kampfansage an die Werteordnung der Aufklärung, an Demokratie und Menschenrechte.

 

Die Freundschaft und Solidarität mit Amerika ist tief in den Fundamenten unserer Demokratie verankert, denn auch nach 66 Jahren wissen wir, dass es ohne das entschlossene Eingreifen Amerikas und seine Hilfe beim Wiederaufbau die Erfolgsgeschichte von Freiheit, Demokratie und Frieden in der Mitte Europas nicht geben würde.

 

Und bin davon überzeugt, dass diese Solidarität dazu beigetragen hat, dass das Bild Hamburgs in der Welt keinen Schaden genommen hat - nach allem, was wir nach dem 11. September 2001 über Hamburg als Wohnort von Terroristen erfahren mussten.

 

Dass diese schrecklichen Anschläge zum Teil von Menschen geplant und verübt wurde, die hier in Hamburg gelebt hatten, war ein zweiter Schock, mit dem wir umgehen mussten. Wir haben uns damals entschlossen an die Aufklärung gemacht. Und wir haben dafür gesorgt, dass die Wiederholung solch furchtbarer Pläne zumindest schwieriger geworden ist.

 

Wir alle wissen: Absolute Sicherheit gibt es nicht. Auf der ganzen Welt folgten weitere Terroranschläge, bewaffnete Auseinandersetzungen. Der 11. September 2001 hat die Welt verändert. Und die Sicherheitsvorkehrungen hier vor dem Haus oder in unserem Hafen zeugen bis heute davon, dass der 11. September 2001 auch Hamburg verändert hat.

 

Hamburg und das US-Generalkonsulat in Hamburg wollen auch deshalb gemeinsam über die Idee einer Stelle des Gedenkens in unserer Stadt nachdenken. Diese Stelle kann ein Ort des Gedenkens und der Trauer werden, aber auch ein Ort der Verbundenheit, der Solidarität und der Sympathie zwischen den Bürgerinnen und Bürgern Hamburgs und denen der Vereinigten Staaten von Amerika.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

wir haben es geschafft, nicht in die Falle zu gehen, die uns die Terroristen damals aufgestellt hatten. Sie wollten, dass wir die Anschläge als den Beginn eines Kampfes der Kulturen deuten hier der Westen, dort der Islam. Die allermeisten in Politik und Bevölkerung haben dieser vereinfachenden Versuchung widerstanden.

 

Rückblickend kann man nur sagen: Gott sei Dank. Denn wer in den Kategorien des Kampfes der Kulturen denkt, der führt ihn durch seine Schlussfolgerungen auch herbei.

 

Kulturen sind aber keine hermetisch gegeneinander abgeschlossenen, einander undurchdringlich abstoßende Gebilde. Ganz im Gegenteil: Sie sind eng vernetzt, tief verwoben und vielfältig voneinander abhängig. Ohne die mittelalterliche Scholastik des Islam wäre die Aufklärung, die wir am 11. September angegriffen sahen, niemals möglich gewesen. Und muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger sind seit langem ein fester Bestandteil unserer Stadtkultur.

 

Unsere Gesellschaften sind weltoffen und bunt, herausfordernd und widersprüchlich. Das ist das Wesen der Moderne. Ihre Werte werden wir auch in Zukunft gegen jeden Angriff verteidigen. So wollen wir leben.

 

So wollen viele auf der ganzen Welt leben. Wir sehen, dass sich die Gedanken der Aufklärung überall durchsetzen können. Heute zehn Jahre nach den Anschlägen kämpfen die muslimischen Völker im Norden Afrikas für Freiheit, Demokratie und den Rechtsstaat.

Wir hoffen auf ihren Erfolg auch gegen jene, die diese Entwicklung mit Anschlägen aufhalten wollen.

 

Am heutigen 11. September zeigt sich wieder einmal wie eng und solidarisch die Bürgerinnen und Bürger in den USA ebenso wie in Hamburg und ganz Deutschland zusammenstehen, wenn es um den Erhalt der Freiheit und der Demokratie geht.

 

Denn nur wer die Freiheit aushalten und wertschätzen kann, wird auf Dauer in Sicherheit leben können.

 

Schönen Dank. 

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.