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13.08.2012

Iftar-Empfang beim Verband der Islamischen Kulturzentren

 

Sehr geehrter Herr Ergin,

sehr geehrter Herr Pirildar,

sehr geehrter Konsul Alver,

sehr geehrter Herr Prof. Dr. Isfen,

sehr geehrte Vertreter der Religionsgemeinschaften,

sehr geehrtes Organisationsteam des heutigen Abends,

meine Damen und Herren,

 

zum zweiten Mal habe ich als Bürgermeister der Stadt Hamburg die angenehme Aufgabe, an einem Iftar-Empfang teilzunehmen. In diesem Jahr als Gast beim Verband der Islamischen Kulturzentren, dem ich herzlich für die Einladung danke.

 

Der Empfang gibt mir die Möglichkeit, an einem Teil des Ramadan teilzuhaben, der zurzeit das Leben der gläubigen Muslime prägt. Ich weiß, dass die Herausforderungen an das Fasten in diesem Jahr noch etwas höher sind, da sich der Ramadan im Kalender in Richtung auf die längsten Tage des Jahres verschoben hat.

 

Darum geht es ja beim Iftar: um das tägliche Fastenende am Abend. Die Tradition des Fastens, oder im weiteren Sinn der zeitweiligen Enthaltsamkeit verbindet viele Religionen und Kulturen.

 

Mitten im lebhaften Ottensen dort ist Ihre mir am besten bekannte Moschee , aber auch in anderen lebhaften Stadtteilen ist es vielleicht schwieriger als anderswo, Ablenkungen zu widerstehen und sich bis zum Verlöschen des Sonnenlichts auf Wesentliches zu konzentrieren. Aber mitten in den lebhaften Stadteilen Hamburgs ist es, glaube ich, nicht schwierig, gemeinsame Traditionen und Wertvorstellungen zu  entdecken.

 

Dass das geschieht, rund um das Jahr, dazu trägt der Verein Bildung und Integration sehr wesentlich bei. Es gibt Tage der offenen Moschee, es gibt etliche Aktivitäten, mit denen Sie sich zu den Stadtteilen hin öffnen. Ich finde das vorbildlich. Es passt zum Charakter Hamburgs.

 

Meine Damen und Herren,

wie Sie wissen, ist heute der Jahrestag eines Ereignisses, das den Himmel über Deutschland verdüstert und unser Land für lange Zeit gespalten hat: der Jahrestag des Mauerbaus in Berlin.

 

Mauern das wissen wir seitdem sind das denkbar schlechteste, was zwischen den Bewohnern eines Landes stehen kann. Das gilt in einem weiten Sinn, denn nicht alle Mauern sind aus Stein. Manche sind nur in den Köpfen vorhanden und trotzdem sehr stabil.

 

Das hat oft und hartnäckig auch die Beziehungen zwischen den Religionsgemeinschaften erschwert, von denen es in Deutschland eine Vielzahl gibt und die alle zu Deutschland gehören. Diese Erkenntnis dass alle dazugehören wird sich aber durchsetzen und selbstverständlich werden.

 

So, wie es sich im Alltag längst durchgesetzt hat und man gar nicht mehr nachdenken muss:

 

Wenn Muslime, Hindus, Juden, Christen, Atheisten mit demselben Bus durch die Stadt fahren, welche Schwierigkeiten gibt es dann? Vielleicht viele! Der eine ist hinten eingestiegen und hat seine Fahrkarte nicht vorgezeigt. Die zweite versucht, ihr schreiendes Kind zu beruhigen. Der dritte hat keinen Handy-Empfang. Die vierte hat mehrere Einkaufstüten und keinen Sitzplatz. Der fünfte sitzt am Steuer des Busses und ist genervt, weil ihm jemand die Vorfahrt genommen hat.

 

Wer ist nun Muslim, wer ist Hindu, und so weiter, und wer glaubt an gar nichts? Das weiß nicht mal, wer selbst in dem Bus gesessen oder gestanden hat.      

 

Das ist der Alltag, wobei ich der Versuchung widerstehen will, über Busbeschleunigung und weitere Verbesserungen im Nahverkehr zu sprechen. Ich will sagen, dass Mauern in den Köpfen überhaupt nicht alltagstauglich sind.

 

Ich will nicht sagen, dass man nicht über Unterschiede reden darf. Toleranz erlaubt den kritischen Diskurs und oft erfordert sie ihn. Wenn solche öffentlichen Debatten den sachlichen Rahmen verlassen, ist das ärgerlich. Aber es ist der latent aufgeregten medialen und politischen Kultur geschuldet, die trotz allem besser ist als verordnete Sprachregelungen.

 

Mein Wunsch ist es, dass zwischen der islamischen Gemeinschaft und dem mehrheitlich anders gläubigen Teil der Gesellschaft genau das hohe Maß an Normalität entsteht, das ich mit dem Bus-Beispiel aus dem alltäglichen Leben versucht  habe anzudeuten.

 

Es ist gut, dabei nachzuhelfen, wo es sinnvoll ist, und in diesem Sinne sollte auch der Vertrag verstanden werden, den ich hier und jetzt ruhig schon erwähnen darf. Für die morgigen Zeitungen ist es ja schon zu spät. Offiziell werde ich morgen in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vertretern der Verhandlungspartner DITIB, Schura und VIKZ bekannt geben, was wir erfolgreich ausverhandelt haben. Auch mit der Alevitischen Gemeinde ist ein Vertrag zu Stande gekommen. 

 

Meine Damen und Herren,

ich bin froh über den Vertrag, den wir miteinander geschlossen haben. Er enthält grundlegende Regelungen zum Verhältnis der Stadt zu den islamischen Verbänden. Wir nehmen darin die Anwesenheit des Islam als eine in unserer Gesellschaft gelebte Religion zur Kenntnis.

 

Wir bestätigen die Rechte, die den muslimischen Bürgerinnen und Bürgern zustehen, übrigens weithin schon nach geltendem Recht und nach unserer Verfassung. So werden wir in dem Vertrag nach Maßgabe geltenden Rechts die islamische Religionsausübung als solche ebenso gewährleisten wie die Unterhaltung von Kultureinrichtungen, den Bau von Moscheen, die Anstaltsseelsorge und Bestattungen nach islamischem Ritus.

 

Wir würdigen darüber hinaus die höchsten islamischen Feiertage (Opferfest, Ramadanfest und Aschura), indem wir sie den kirchlichen Feiertagen gleichstellen.

 

Besonders möchte ich hervorheben, dass wir uns auf ein Projekt einigen konnten, das den Hamburger Religionsunterricht für alle fortentwickeln will. Ich weiß, dass dies eine Herausforderung für alle Beteiligten darstellt, natürlich auch für die evangelische Kirche, deren Kooperationsbereitschaft ich noch einmal ausdrücklich betonen möchte.

 

Auch dem VIKZ danke ich dafür, dass er an diesem zweifellos ambitionierten Vorhaben teilnehmen wird, von dem ein ganz deutliches und erfreuliches Zeichen der Integrationsbereitschaft ausgeht.

 

Wir wollen in dem Vertrag die Wertvorstellungen unserer verfassungsrechtlichen Ordnung ausdrücklich als unsere gemeinsamen Wertvorstellungen festlegen. Das betrifft alle wesentlichen Felder, von der religiösen Toleranz und der religiösen Neutralität des Staates, über die Nichtdiskriminierung aufgrund von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, Glauben und religiöser und politischer Anschauungen, bis hin zum Bekenntnis zum staatlichen Schulwesen.

 

Erwähnen will ich auch, dass wir uns im Verlauf der Verhandlungen durch externe Begutachtungen davon überzeugt haben, dass unsere Verhandlungspartner also auch der VIKZ als Religionsgemeinschaften im rechtlichen Sinne anzusehen sind. Das Thema klingt sehr trocken, ist aber ich spreche jetzt einmal als Jurist für die institutionelle Fortentwicklung des Islam unter den Bedingungen unseres Verfassungsrechts ein nicht zu unterschätzender Punkt. Strukturelle Klarheit vereinfacht die Kooperation, verdeutlicht aber auch Grenzen und verhindert damit unzulässige Vereinnahmungen.

 

Meine Damen und Herren,

vieles von dem, was ich jetzt aufgezählt habe, bestätigt das, was tatsächlich gilt. Und auch ohne Vertrag Gültigkeit hätte. Wenn es demgegenüber hier und da heißt, Hamburg würde den Muslimen ganz neue und außergewöhnliche Privilegien einräumen wollen, so sage ich ganz klar, dass dies nicht der Fall ist.

 

Allerdings wollen wir den Musliminnen und Muslimen und ihren religiösen Gemeinden mit der Bestätigung ihrer Rechte und Pflichten den Platz in der Mitte der Gesellschaft einräumen, in die sie meiner Überzeugung nach gehören. Wenn der Vertrag hierfür ein Signal gibt, hat er sich schon gelohnt.

 

Der Vertrag beschreibt aber den Beginn einer Kooperation, nicht ihr Ende. Er muss sich bewähren. Daran werden wir gemeinsam arbeiten müssen, aber es wird sich lohnen.

 

Die Sonne scheint allen, dieser wahre Satz stammt von einem römischen Senator und Schriftsteller namens Titus Petronius. Im lateinischen Original heißt das und dafür kann ich nichts Sol lucet omnibus. Sie sehen, an dem Nahverkehrs-Beispiel komme ich heute nicht vorbei.

 

Aber ich glaube sehr ernsthaft daran, dass unsere Stadt Platz für unser aller Gedanken, Glauben und Rituale hat und dass wir voneinander lernen können. Ich freue mich auf unser gemeinsames Iftar-Essen und anregende Gespräche. 

 
 
Es gilt das gesprochene Wort.