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17.11.2012

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung zur Medienpolitik

 

SZ: Herr Scholz, seit ungefähr einem Jahr kann man förmlich zusehen, wie Sie sich in der Medienpolitik warmlaufen. Werden Sie Kurt Beck beerben, den Vorsitzenden der Rundfunk-Kommission der Länder, der nun als Ministerpräsident aufhört? 

 

Olaf Scholz: Es gibt eine lange Tradition, dass sich Rheinland-Pfalz um den Vorsitz in der Rundfunkländerkommission kümmert. Es gibt keinen Grund und keine Pläne, daran etwas zu ändern.

 

 

Wo ist dann Ihre Rolle? 

 

Hamburg hat ein großes Interesse an Medienpolitik. Verlage, Rundfunk, Werbeagenturen oder Social Media-Unternehmen beschäftigen hier weit über 100 000 Arbeitnehmer. Daher habe ich die Medienpolitik direkt in der Senatskanzlei verankert. Ich bin gewissermaßen der Senator für Medien, und die Branche weiß das. Wir wollen alle Beteiligten miteinander ins Gespräch bringen, auch wenn ihre jeweiligen Zukunftsperspektiven konfliktträchtig aussehen. Dass der nächste IT-Gipfel hier stattfinden wird, unterstreicht Hamburgs Rolle als  wichtige Medienmetropole.

  

 

Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat kürzlich bei den Medientagen in München angekündigt, stärker Standortpolitik betreiben zu wollen. Beginnt da gerade ein neues Rennen um die Gunst der Unternehmen?


Es ist gut, wenn an verschiedenen Orten in Deutschland Medien gefördert werden. Niemand sollte das als krampfhaften Wettbewerb ansehen.

 

 

Naja, aber Sie haben auch gesehen, was sich in diesem Jahr mit den Lizenzen des Pro-Sieben-Konzerns abgespielt hat. Sat 1 zog mit seiner Lizenz von Ludwigshafen nach Hamburg, Sixx nach Bremen, da hatte man schon den Eindruck, dass Norden und Süden in der Gunst der Sender Konkurrenten waren. 

 

Mein Eindruck ist ein anderer. Eine Sendergruppe hat sich Gedanken über ihre Lizenzen gemacht, sie hat Medienanstalten angesprochen und Anträge gestellt. Das ist ihr gutes Recht. Es ist keineswegs so, dass hier Standortwettbewerb über Lizenzen gemacht wird. Ich glaube ohnehin, dass die Zukunft eher in Zusammenarbeitsformen liegt, die ausschließen, dass Medienanstalten gegeneinander arbeiten.

 

 

Hamburg hat sich als einziges Bundesland der Klage von Kurt Beck gegen zu viel staatlichen Einfluss in der Verfassung des ZDF  angeschlossen - man hatte das nicht unbedingt erwartet. 

 

Ich habe schon als stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion Becks Vorgehen unterstützt. Da ist es klar, dass ich als Hamburger Bürgermeister die Ansicht weitervertrete. Wir müssen für einen Rundfunk sorgen, der seine Eigenständigkeit und Unabhängigkeit verteidigt, und der eine Kultur entfalten kann, in der das niemand in Frage stellt.

 

 

Wen würden Sie in die Gremien lassen? 

 

Es geht nicht darum, dass andere Leute in den Gremien sitzen. Es wäre auch falsch, keine Vertreter des Staates mehr in die Gremien zu lassen. Es geht vielmehr um die Relation.

  

Dann sind Sie also nicht einverstanden mit dem früheren ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, der kürzlich in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel schrieb, dass alle Politik aus den Gremien zu entfernen sei? Finden Sie es denn gut, dass Kurt Beck diese Klage einreicht und gleichzeitig Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrats ist?


Da er die gleiche Position vertritt wie ich, ist das völlig konsistent. Wir wollen keine apolitische Wegwendung von der Welt und von der Politik.

 

 

Haben Ihre Mitarbeiter schon in Sendern angerufen, um sich zu beschweren?

 

Nein.

 

 

Niemals?

 

Ich weiß nichts davon. Und ich gehe auch nicht davon aus. Ich selbst gehöre nicht zu denen, die sich beschweren. Aber ich habe nichts dagegen, dass Pressesprecher mit Journalisten über Berichterstattung reden. Nur es gehört eine Kultur dazu, die von Intervention und Beeinflussung absieht. Rundfunk ist ein Teil gesellschaftlicher Selbstorganisation. Da muss man Recht und Contenance wahren.

 

 

Wie konnte es zu etwas kommen wie dem Fall von Herr Strepp, der beim ZDF offenkundig Einfluss auf die Berichterstattung nehmen wollte?

 

Das lässt sich vermutlich mehr aus der Geschichte der CSU erklären und deren Vorstellung, dass sie uneingeschränkte Verfügungsgewalt habe. Die Frage, die sich aber ernsthaft stellt: Akzeptiert man, das Journalismus eine unabhängige Funktion hat, die Demokratie und Freiheit gewährleistet? Dann ist es eine Aufgabe aller Beteiligten, dies als kulturelles Gut unserer Demokratie zu schätzen und sich dementsprechend zu verhalten.

 

 

In welchen Gremien sitzen Sie selbst?

 

Ich sitze heute in keinem Rundfunkgremium. Ich war aber im ZDF-Fernsehrat, als ein Vertreter der Bundesregierung.

 

 

Ist es denn nicht einfach widersprüchlich und schwierig, wenn da in der Aufsicht Menschen sitzen, um die es ständig in der Berichterstattung geht?

 

Ohne eine entschiedene Haltung zur Frage von Öffentlichkeit und Moral geht es nicht, das ist klar.

 

  

Wie sehen Sie den Streit zwischen Zeitungsverlegern und der ARD um die Tagesschau-App des NDR, der ja in Hamburg sitzt? Können Sie da jemandem Recht geben?

 

Wir haben immer alle Beteiligten aufgefordert, den Weg der Verständigung zu suchen. Das wäre wirklich ein kluger Weg. Es geht doch darum, dass wir ohne Eifersucht und große Angst die Tatsache begleiten, dass die Medien zusammenwachsen. Wenn man die Medienlandschaft heute anschaut, sieht man vor allem Gerichtsverfahren. Das hilft niemandem.

 

 

Also müsste die App des NDR geändert werden?

 

Wenn Verleger und der NDR eine Verständigung herbeiführen, dann wird das immer die Beschreibung eines Pfades sein. Für das Fernsehen ist der Zugang zum Internet unverzichtbar - und muss auch möglich sein innerhalb der Schranken, die zuvor zusammen entwickelt worden sind. Das Gleiche gilt für die Zeitungen, die sich auch nicht nur auf ihre Print-Produkte konzentrieren. Selbstverständlich entstehen da plötzlich Begegnungen, auf die man nicht gefasst war. Es geht jetzt darum, in dieser Situation die Rahmenbedingungen für funktionierende Geschäftsmodelle zu schaffen.

 

 

Modelle, die alle suchen. Die Frankfurter Rundschau und die Nachrichtenagentur dapd mussten Insolvenz anmelden und kämpfen jetzt ums Überleben - als bedroht gilt auch die Hamburger Financial Times Deutschland. Ausgerechnet den für die Demokratie so wichtigen Qualitätsmedien im Land fehlt es ganz offensichtlich an funktionierenden Erlösmodellen. Vertrauen Sie auch hier darauf, dass es der Markt schon richten wird?

 

Wenn man guten Journalismus haben will, egal in welchem Medium, ist es immer notwendig, dass man damit Geld verdienen kann. Die Freiheit der Presse ist eine der größten kulturellen Errungenschaften unserer Zeit. Die Verlage leisten herausragende Beiträge zum Funktionieren unseres Gemeinwesens.  Wir dürfen diese Beiträge  nicht gefährden auch nicht schleichend oder mit gut gemeinten Vorschlägen, die wirtschaftlich nicht funktionieren. Deshalb müssen wir uns vor allem um die Rahmenbedingungen kümmern im Augenblick gehören dazu Fragen der Mehrwertsteuer genauso wie die Pressefusionskontrolle, bei denen mir mancher noch zu zaghaft ist.

 

 

Und es gibt den Druck der globalen Internet-Konzerne.

 

Wir haben das Thema in Hamburg schon mehrmals mit hochrangiger Beteiligung diskutiert. Noch Im November  werden wir wieder Vertreter aus allen Medienzweigen in einer Diskussion zusammenbringen. Das ist schon deshalb wichtig, weil der Staat als Gesetzgeber bei der rasanten Veränderung ohne einen intensiven Austausch mit den wirtschaftlichen Akteuren immer nur hinterherhecheln würde.

 

 

Sie setzen auf Selbstregulierung?

 

Im Idealfall ergibt die Verständigung unter den Beteiligten eine gemeinsame Governance-Struktur, die unternehmerische Eigenverantwortung, Selbstregulierung und staatliche Rahmensetzung beinhaltet. Wir müssen auch im Blick haben, dass manches von dem, was wir hier diskutieren, mit den Regulierungsmöglichkeiten Deutschlands gar nicht mehr zu erfassen ist. Wenn wir das World Wide Web nehmen, müssen bestimmte Fragen mindestens auf der Ebene Europas gelöst werden. Das darf uns aber nun nicht zu Attentismus verleiten - und uns gewissermaßen versinken lassen als Nichtschwimmer in einem großen Meer.

  

 

Deutsche Medienunternehmen fordern angesichts der globalen Konkurrenz weniger Regulierung.

 

Ich glaube nicht, dass die Regulierung das Problem ist.

 

 

Und Sie sind tatsächlich optimistisch, dass Unternehmen wie Google solche Gesprächskreise ernst nehmen? Oder ein deutsches Leistungsschutzrecht?

 

Mein Eindruck ist bisher so. Vernünftig wäre es auch, schließlich ist Deutschland ein unverzichtbarer Markt. Und natürlich muss die Politik gelegentlich auch robust handeln so wie beim Schutzrecht für Presseverleger. Ich bin für ein solches Schutzrecht, das generell sicherstellt, dass die Presseverleger über die Verwendung ihrer Produkte entscheiden können. Aber man muss ein Gesetz auch gut machen, das ist der Bundesregierung mit ihrem Entwurf noch nicht gelungen . Wir brauchen eine Lösung, die sicherstellt, dass das Auffinden kostenfrei bleibt, dass aber Vergütung eingefordert werden kann, sobald eine verlegerische Leistung und sei es in Teilen weiter verwendet wird.

 

 

Die Verlage klagen auch immer über die Konkurrenz der gebührenfinanzierten Sender. Wie sieht in Ihrer Vorstellung die digitale Welt der öffentlich-rechtlichen in fünf Jahren aus?

 

Ich bin mit pauschaler Kritik zurückhaltender als andere und finde, es gibt viele gute gebührenfinanzierte digitale Angebote. Zum Beispiel hat man mit dem Sender tagesschau24 etwas Großartiges zustande gebracht. Das nimmt nicht sehr viele Gebühren in Anspruch und ist ein Produkt, das die ohnehin erbrachte journalistische Leistung noch besser verwertet. Ich sehe keinen dringenden Handlungsbedarf, einen Digitalkanal  abzuschaffen.

 

 

Noch einmal zur Rundfunkländerkommission, deren Vorsitz ja, wie Sie sagten, ungefähr seit Karl dem Großen in Mainz liegt. Gilt das  noch, wenn Rheinland-Pfalz bei der nächsten Wahl an die Union verloren gehen sollte?

 

Wird es nicht. Ich beschäftige mich nicht mit Dingen, die ich nicht für realistisch halte.

 

Interview der Süddeutschen Zeitung.