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18.11.2012

Rede anlässlich der zentralen Kranzniederlegung am Volkstrauertag

Rede anlässlich der zentralen Kranzniederlegung am Volkstrauertag


Wir gedenken heute einer furchtbaren Zeit der Weltgeschichte. Wir gedenken der Millionen Toten und Verstümmelten, der Traumatisierten, der heimatlos Gewordenen. Wir gedenken der Opfer von Gewalt, Krieg und Rassenhass, der Kinder, Frauen und Männer aller Völker. Wir gedenken auch derjenigen, die Widerstand gegen das Töten geleistet haben, trotz höchster Gefahr für ihr eigenes Leben.

 

Wir gedenken ebenso derer, die in unseren Tagen Opfer sind von Krieg und Terrorismus, von Völkermord, Verfolgung und Vertreibung. Und wir gedenken der Bundeswehr­soldatinnen und ‑soldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.

 

Der Hamburger Wolfgang Borchert hat in seinem Drama Draußen vor der Tür im Winter 1946/47 auf beispiellos eindrückliche Weise die Schrecken des Krieges und die Verzweiflung der Überlebenden zum Ausdruck gebracht. Seine buchstäblich

letzte Frage angesichts des millionenfachen Leids ist die Frage nach dem Warum?.

 

Gibt denn niemand Antwort?, lässt Wolfgang Borchert seinen für immer aus dem Leben gerissenen, an Körper und Seele schwerst verletzten Kriegsheimkehrer Beckmann ausrufen doch ihm schlägt nur Stille entgegen.

 

Diese unbeantwortete Frage gleicht einer offenen Wunde unserer Geschichte, und die Antwort wird wohl nie restlos gegeben werden können. Aber wir können uns erinnern.

 

Europa, das bis weit ins 20. Jahrhundert hinein diesen Schrecken und diese Verzweiflung millionenfach ertragen musste, gedenkt einmal jährlich seiner Opfer, in Deutschland am Volkstrauertag, unsere Nachbarn an Totengedenktagen.

 

Unser Gedenken ist kein leeres Ritual. Es ist eine nachdrückliche Mahnung an die Heutigen, so aktuell und bedeutsam wie zu Zeiten Wolfgang Borcherts.

Wer den Zweiten Weltkrieg nicht erleben musste und auch die Trümmerberge im ausgebombten Hamburg wie in vielen Städten der Nachkriegszeit nur aus alten Wochenschaufilmen kennt, dem fehlen diese Erfahrungen. Und doch dürfen auch die Jungen nie vergessen, dass Friede nicht selbstverständlich ist. Er muss erarbeitet werden im Geist des Miteinanders der Völker, der Volks‑ und Gesellschaftsgruppen, der Religionen, der Nachbarn in unserer Straße, in unserer Stadt.

 

Der Friede, der seit über 60 Jahren in unserer Region herrscht, ist das Ergebnis demokratischer Gesellschaften, die aus der Geschichte gelernt haben. Die Krieg nicht länger als bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln betrachten, wie es Carl von Clausewitz vor beinahe 200 Jahren formuliert hat.

 

Aber schon Clausewitz ordnete die Kriegsführung dem Primat der Politik unter. Wer redet, schießt nicht, haben es andere später oft auf den Punkt gebracht.

Diese Haltung des offenen Dialogs, des Aufeinanderzugehens, ist Verpflichtung aller Generationen, heute und in Zukunft. Damit wir nie wieder Anlass haben, uns die Frage nach dem Warum? zu stellen.

 

Wir verneigen uns heute in Trauer vor den Opfern.

 

Es gilt das gesprochene Wort.